aus RVGreport 2007, 372
(Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "RVGreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus "PStR" auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.)
von Detlef Burhoff, Richter am OLG, Münster/Hamm
Nach Abschluss eines Strafverfahrens stellt sich für häufig die Frage, ob nicht ggf. für den Mandanten Entschädigungsansprüche wegen einer durch eine Strafverfolgungsmaßnahme erlittenen Vermögensschaden zu stellen sind. Wird der Rechtsanwalt insoweit für den Mandanten tätig, ergibt sich für ihn nach Abschluss des Entschädigungsverfahrens die weitere Frage, wie er seine Tätigkeit abrechnen kann. Die damit zusammenhängenden Fragen sind in Rechtsprechung und Literatur nicht unbestritten und vor kurzem erst wieder Gegenstand einer Entscheidung des OLG Frankfurt (RVGreport 2007, 390 [Burhoff] = NStZ-RR 2007, 223) gewesen. Die nachfolgenden Ausführungen sollen einen kurzen Überblick über die für die Praxis nicht unwichtige Problematik geben.
(Regelung im StrEG)
Die Gewährung einer Entschädigung aus der Staatskasse für den durch eine Strafverfolgungsmaßnahme verursachten Vermögensschaden ist im StrEG geregelt. Dieses sieht in § 1 StrEG die Entschädigung für Schäden vor, die durch eine rechtskräftige strafgerichtliche Verurteilung entstanden sind, und in den §§ 2-4 StREG die Entschädigung für durch den Vollzug einer vorläufigen Strafverfolgungsmaßnahme, wie z.B. Untersuchungshaft, Unterbringung, vorläufige Festnahme nach § 127a StPO, vorläufige Entziehung der Fahrerlaubnis, vor dem rechtskräftigen Abschluss des Verfahrens entstandene Schäden.
(Das Strafrechtsentschädigungsverfahren ist in Grund- und Betragsverfahren eingeteilt)
Das Strafrechtsentschädigungsverfahren ist zweigeteilt (vgl. zum Aufbau auch Burhoff/Volpert RVG Straf- und Bußgeldsachen, 2. Aufl., 2007, Nr. 4302 VV Rn. 28). Es besteht zum einen aus dem Grundverfahren (§§ 1 9 StrEG) und zum anderen aus dem Betragsverfahren (§§ 10 ff. StrEG). Während das Grundverfahren zur Feststellung der grds. Entschädigungspflicht der Staatskasse dient (vgl. §§ 8, 9 StrEG), wird im Betragsverfahren die Höhe der dem Beschuldigten zu gewährenden Entschädigung festgesetzt.
(Unterschiedliche Zuständigkeiten)
Für die beiden Verfahrensteile gelten unterschiedliche Zuständigkeiten:
Hinweis: Aufgrund der Zweiteilung des StrEG sowie der unterschiedlichen Zuständigkeiten (Strafgericht, Landesjustizverwaltung, LG) sind unterschiedliche Gebührenbestimmungen zu beachten (vgl. dazu II und auch OLG Frankfurt RVGreport 2007, 390 = NStZ-RR 2007, 223). |
(Vergütung im Grundverfahren streitig)
Gemäß § 8 Abs. 1 Satz 1 StrEG ist die Entschädigungsgrundentscheidung grds. von Amts wegen bereits im Urteil oder in dem diesem entsprechenden verfahrensbeendenden Beschluss zu treffen. Nur in dem Ausnahmefall, in dem dies nicht möglich ist oder versäumt wurde, ist ausnahmsweise gemäß § 8 Abs. 1 Satz 2 StrEG eine Nachtragsentscheidung veranlasst. Streitig ist, wie die Tätigkeit des Rechtsanwalts zu vergüten ist, der bereits im vorhergehenden Strafverfahren für den Beschuldigten tätig war und nun noch nach Abschluss des Strafverfahren diesen Entschädigungsantrag im Grundverfahren stellt.
(Nr. 4143 VV RVG entsprechend)
Teilweise wird auf diese Tätigkeit die Nr. 4143 VV RVG entsprechend angewendet (vgl. dazu Burhoff/Burhoff, a.a.O., Nr. 4143 VV, Rn. 6; Burhoff/Volpert, a.a.O., Vorbem. 4.3 Rn. 15 f:, AnwKomm-RVG/N.Schneider, 3. Aufl., Nr. 4143, 4144 VV, Rn. 8; Hartung/Römermann/Schons, RVG, 2. Aufl., Nr. 4143, 4144 VV, Rn. 8; Hartmann, Kostengesetze, 37. Aufl., 2007, VV 4143, 4144, Rn. 4). Das wird einmal damit begründet, dass die Vorschriften des Teil 4 Abschnitt 1 Unterabschnitt 2 bzw. 3 VV RVG auf die Geltendmachung vermögensrechtlcher Ansprüche nicht zugeschnitten sind und zudem die entsprechende Anwendung dem gesetzgeberischen Anliegen, besonders Tätigkeiten des Rechtsanwalts auch besonders zu honorieren, gerecht wird (vgl. Burhoff, a.a.O.).
(pauschale Abgeltung mit den Nrn. 4100 ff. RVG)
Demgegenüber vertreten die Rechtsprechung und ein Teil der Literatur die Auffassung, dass eine analoge Anwendung der Nr. 4143 VV RVG nicht in Betracht komme (OLG Bremen MDR 1975, 602; OLG Düsseldorf JurBüro 1986, 869 [zur BRAGO]; OLG Frankfurt RVGreport 2007, 390 = NStZ-RR 2007, 223; OLG Koblenz MDR 1973, 957; Bischhof/Jungbauer/Uher, RVG, 2. Aufl., VV 4143, 4144; Riedl/Sußbauer/Schmahl, RVG, 9. Aufl., VV 4143, 4144; Mayer/Kroiß, RVG, 2. Aufl., VV 4143, 4144; Volpert BRAGOprofessionell 2003, 91). Für eine analoge Anwendung fehle es bereits an einer planwidrigen Regelungslücke. Zudem habe der Gesetzgeber nicht jede Einzeltätigkeit des Rechtsanwalts als Verteidiger im Straf- oder Sicherungsverfahren mit einem eigenen Gebührentatbestand ausstatten wollen. Die Tätigkeit sei daher pauschal mit den Gebühren nach Nr. 4100 ff. VV RVG abgegolten, wobei die erforderliche Mehrarbeit bei der Bestimmung der konkreten Gebühr unter Beachtung der in § 14 RVG beispielhaft genannten Bewertungsmerkmale ihre Berücksichtigung finden könne.
Hinweis: M.E. wird man sich der ersteren Auffassung anschließen müssen. Bei dem Entschädigungsverfahren handelt es sich um ein gesondertes Verfahren, da über die normale Tätigkeit im Strafverfahren hinausgeht und daher m.E. auch gesondert zu vergüten ist. Zudem würden, wenn man Nr. 4143 VV RVG nicht analog anwendet, die entsprechenden Tätigkeiten beim Pflichtverteidiger nicht honoriert werden. Er hätte dann nur die Möglichkeit, ggf. eine Pauschgebühr zu beantragen. |
(Im Betragsverfahren Vergütung nach Teil 2 bzw. Teil 3 VV RVG)
Der dargestellte Streit gilt jedoch nur für das sog. Grundverfahren. Für das Betragsverfahren besteht in Rechtsprechung und Literatur Einigkeit (vgl. u.a. OLG Frankfurt, a.a.O.; Burhoff/Burhoff, a.a.O., Nr. 4143 Rn. 7; AnwKomm-RVG/N.Schneider, VV 4143-4144, Rn. 8; vgl. auch Teil I Buchst. B Ziff. II Nr. 2g der bundeseinheitlichen Ausführungsvorschriften zum Gesetz über die Entschädigung für Strafverfolgungsmaßnahmen (Anlage C zu den RiStBV; abgedr. bei Meyer-Goßner, Anlage C), wo noch immer auf § 118 BRAGO verwiesen wird): Wird der Verteidiger hier tätig, richtet sich seine Vergütung für vorgerichtliche Tätigkeiten nach Nr. 2300 VV RVG. Muss der Rechtsanwalt nach §§ 13 ff. StrEG den Klageweg beschreiten, ist Teil 3 VV RVG anwendbar.
(Einzeltätigkeit nach Nr. 4302 VV RVG)
War der Rechtsanwalt nicht bereits im vorhergehenden Strafverfahren für den Beschuldigten tätig, muss er seine Tätigkeiten, die er für den Beschuldigten (nach Abschluss des Verfahrens) im Strafrechtsentschädigungsverfahren erbringt, als Einzeltätigkeit, und zwar als eine sonstige Beistandsleistung nach Nr. 4302 Ziff. 3 VV RVG abrechnen. Insoweit gilt folgende tabellarische Übersicht (wegen der Einzelheiten vgl. die eingehenden Ausführungen bei Burhoff/Volpert, a.a.O., Nr. 4302 VV Rn. 29 ff.):
(Übersicht)
Tätigkeit |
Vergütung |
Nur Tätigkeit im Grundverfahren |
Nr. 4302 Ziff. 3 VV RVG (LG Bamberg JurBüro 1984, 65) |
Abwehr einer vorläufigen Strafverfolgungsmaßnahme und Tätigkeit im Grundverfahren |
zweimal Nr. 4302 Ziff. 3 VV RVG (vgl. Burhoff/Volpert, a.a.O., Nr. 4302 Rn. 29 m.w.N.) |
Tätigkeit im Grundverfahren und Einlegung der Beschwerde gegen § 8 Abs. 3 StrEG |
Nr. 4302 Ziff. 3 VV RVG und Nr. 4302 Ziff. 3 VV RVG i.V.m. Vorbem. 4.3 Abs. 3 Satz 2 VV RVG |
Tätigkeit im Betragsverfahren gegenüber der Landesjustizverwaltung |
Geschäftsgebühr Nr. 2300 VV RVG |
Tätigkeit im gerichtlichen Betragsverfahren |
Vergütung nach Teil 3 VV RVG |
(Keine Anrechnung)
Hinweis: Die im Grund- und im Betragsverfahren entstandenen Gebühren unterliegen nicht der Anrechnung. Der Rechtsanwalt kann also die Gebühren anrechnungsfrei behalten (Burhoff/Volpert, a.a.O., Nr. 4302 Rn. 33). |
Beispiel: A ist vom AG vom Vorwurf des Diebstahls freigesprochen worden. Den von Rechtsanwalt R, der nicht Verteidiger des A war, gestellten Antrag, eine Entschädigung nach dem StrEG hinsichtlich der erlittenen Untersuchungshaft zuzusprechen, weist das AG zurück. Auf die hiergegen von Rechtsanwalt R eingelegte sofortige Beschwerde stellt das LG als Beschwerdegericht fest, dass A Anspruch auf Entschädigung nach dem StrEG hat. Im Auftrag des A macht R bei der Landesjustizverwaltung dann eine Entschädigung i.H.v. 2.000 geltend. Zugesprochen wird A eine Entschädigung i.H.v. 1.000 . Im Namen von A erhebt R Klage beim zuständigen LG auf Gewährung einer weiteren Entschädigung i.H.v. 1.000 . Nach streitiger Verhandlung im Termin wird A die Entschädigung durch Endurteil zuerkannt. Welche Gebühren (Mittelgebühren) kann R für die Vertretung von A abrechnen? |
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