aus BRAGOreport 2003, 42 (Ich bedanke mich bei der Schriftleitung von "BRAGOreport" für die freundliche Genehmigung, diesen Beitrag aus " BRAGOreport " auf meiner Homepage einstellen zu dürfen.) Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschvergütungvon Richter am Oberlandesgericht Detlef Burhoff, Ascheberg/Hamm, I. "Besonders schwierige" oder "besonders umfangreiche" Strafsache II. "Besonders schwieriges" Verfahren 3. Beurteilung der "besonderen Schwierigkeit" III. "Besonders umfangreiches" Verfahren 3. Maßgeblicher Zeitraum für Beurteilung des "besonderen Umfangs" 4. Berücksichtigung "unnötiger" Anträge bei der Beurteilung des "besonderen Umfangs"? |
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I. "Besonders schwierige" oder "besonders umfangreiche" Strafsache Voraussetzung für die Bewilligung eine Pauschvergütung ist nach § 99 Abs. 1 BRAGO allgemein, dass der Pflichtverteidiger in einem "besonders schwierigen" bzw. in einem "besonders umfangreichen" Strafverfahren tätig geworden ist. Nach allgemeiner Meinung genügt es, wenn eine der beiden Voraussetzungen vorliegt (s. u.a. Hermann, Beck`sches Formularbuch für den Strafverteidiger, 4. Aufl., S. 1202, Ziffer 23; Burhoff StraFo 1999, 261, 263 m.w.N.; OLG Hamm MDR 1991, 1206; OLG Karlsruhe AnwBl. 1978, 358). Es ist also nicht erforderlich, dass die Strafsache "besonders umfangreich" und "besonders schwierig" ist. Ist keines der in § 99 Abs. 1 BRAGO genannten Merkmale für sich allein erfüllt, bedingen jedoch Umfang und Schwierigkeit in ihrer Gesamtheit eine besondere Inanspruchnahme und Mühewaltung des Pflichtverteidigers, so kann dies dann die Bewilligung einer Pauschvergütung rechtfertigen (OLG München AnwBl. 1976, 178 = JurBüro 1976, 638). Beide Gesichtspunkte sind gleich zu bewerten (Herrmann, a.a.O.). Die teilweise vertretene andere Ansicht (OLG Köln NJW 1964, 1334; Hansens, BRAGO, 8. Aufl., § 99 Rn. 5), ist nicht zutreffend, da die BRAGO hinsichtlich der Wertigkeit der Umstände nicht unterscheidet, sondern diese gleichrangig nebeneinander stellt. |
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Eine "besonders schwierige" Strafsache i.S. des § 99 BRAGO liegt dann vor, wenn das Verfahren aus besonderen Gründen - sei es aus rechtlichen, sei es aus tatsächlichen - über das Normalmaß hinaus verwickelt ist. Die Schwierigkeit muss aber erheblich sein, so dass es nicht ausreicht, dass die Sache etwas verwickelter als üblich ist. Als allgemeine Anhaltspunkte für die Schwierigkeit einer Sache wird man folgende Umstände heranziehen können:
Hat der Pflichtverteidiger "neben" einem Wahlverteidiger verteidigt, kann allein mit dem Umstand, dass der Wahlverteidiger "federführend" die Verteidigung bearbeitet hat, nicht das Merkmal "besondere Schwierigkeit" i.S. von § 99 Abs. 1 BRAGO verneint werden (OLG Hamm AGS 1998, 138 = StV 1998, 618 = AnwBl. 1998, 612). Die besondere Schwierigkeit lässt sich im Übrigen auch nicht generell damit verneinen, dass eine Strafkammer in der Hauptverhandlung gemäß § 76 Abs. 2 GVG nur mit zwei Berufsrichtern besetzt war (OLG Hamm, Beschl. v. 18. 11. 2002, 2 (s) Sbd. VII-221/02 = ZAP EN-Nr. 32/2003). |
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Als besondere Kriterien für eine Pauschvergütung wegen besonderer Schwierigkeit können in Betracht kommen (siehe auch Herrmann, a.a.O., Seite 1201 Ziffer 21 f.):
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Wie wird nun in der Praxis die "besondere Schwierigkeit" des
Verfahrens beurteilt? Es ist wohl allgemein üblich, dass die Vorsitzenden
des (Tat-) |
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Für die Frage, ob es sich um eine "besonders umfangreiche Sache" im Sinn des § 99 Abs. 1 BRAGO handelt, wird allgemein auf den zeitlichen Aufwand abgestellt, den der Pflichtverteidiger auf die Sache verwenden musste. Danach ist eine Strafsache dann besonders umfangreich, wenn der von dem Verteidiger erbrachte zeitliche Aufwand erheblich über dem Zeitaufwand liegt, den er in einer "normalen" Sache zu erbringen hat (Herrmann, a.a.O., Seite 1198, Ziffer 17; Marberth StraFo 1997, 228; OLG Koblenz NStZ 1981, 371). Vergleichsmaßstab sind nur gleichartige Verfahren, also z.B. für eine "besonders umfangreiche" Schwurgerichtssache die normalen Schwurgerichtsverfahren oder für eine Sache vor dem erweiterten Schöffengericht die Sachen, die normaler Weise vor dem erweiterten Schöffengericht verhandelt werden (BGH Rpfleger 1996, 169; NStZ 1997, 74; OLG Hamm JurBüro 1999, 194 = Rpfleger 1999, 235 m.w.N.; Herrmann, a.a.O.). Ist das Verfahren an ein höheres Gericht verwiesen worden, findet § 14 BRAGO sinngemäß Anwendung. Voraussetzung dafür ist jedoch, dass der Pflichtverteidiger zu irgendeinem Zeitpunkt überhaupt in dem Verfahren vor dem übernehmenden Gericht tätig geworden ist (OLG Hamm, a.a.O.) . Ist das nicht der Fall, bleibt es bei dem für das niedrigere Gericht geltenden Vergleichsmaßstab. |
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Der besondere Umfang einer Strafsache wird z.B. bestimmt (zu allem siehe auch Burhoff StraFo 1999, 261, 268 ff.; ders., StraFo 2001, 119, 122 ff., jeweils m.w.N. aus der Rspr.) an Hand
3. Maßgeblicher Zeitraum für Beurteilung des "besonderen Umfangs" |
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Maßgeblicher Zeitraum für die Beurteilung, ob es sich um ein "besonders umfangreiches" Verfahren i.S. von § 99 Abs. 1 BRAGO handelt, ist nur der Zeitraum seit Beginn der Bestellung des Pflichtverteidigers bis zum Ende der Beiordnung (siehe u.a. OLG Hamm AnwBl. 1998, 614 = AGS 1998, 139 mit Anm. Madert). Das ist in Rspr. und Literatur insoweit unbestritten (vgl. die Nachweise bei Burhoff StraFo 1999, 261, 263 Fn. 37; ders., ZAP F. 24, S. 625, 629). Davon wird in der Lit. und der Rspr. zunehmend jedoch hinsichtlich des Beginns teilweise unter Hinweis auf § 97 Abs. 3 BRAGO eine Ausnahme gemacht für die Tätigkeiten, die der (später) als Pflichtverteidiger beigeordnete Rechtsanwalt in seiner Eigenschaft als Wahlverteidiger erbracht hat (so offenbar auch Herrmann, a.a.O., S. 1197 Ziffer 15; KG StV 1997, 425 [Ls.]; OLG Jena StV 2000, 94; OLG Oldenburg StV 2000, 443 [Ls.]; OLG Düsseldorf NStZ-RR 2001, 158; OLG Saarbrücken NStZ-RR 1997, 256 = JurBüro 1997, 361; OLG Hamm Rpfleger 2001, 450 = NStZ 2001, 498 = AGS 2001, 199 = JurBüro 2001, 526; OLG Stuttgart JurBüro 1999, 415 = Rpfleger 1999, 412 = AGS 2000, 109 [allerdings nur für die 1. Instanz]). |
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Diese werden bei der Beurteilung des "besonderen Umfangs" mitherangezogen. Dies ist aber nicht unbestritten. Ein Teil der OLG bezieht die in § 97 Abs. 3 BRAGO vorgesehene Rückwirkung nämlich nur auf die eigentliche Pflichtverteidigergebühr und nicht auch auf die Pauschvergütung nach § 99 BRAGO; die Vorschrift des § 97 Abs. 3 BRAGO gewähre - auch nach den Änderungen durch das KostRÄndG 1994 - keine Zusatzgebühr (früher OLG Hamm AGS 2000, 131; OLG Karlsruhe AnwBl. 1997, 571 = Rpfleger 1997, 451 = Justiz 1997, 482; OLG Koblenz StV 1997, 426 = JurBüro 1997, 530; OLG München StV 1997, 427; ebenfalls a.A. schon zum alten Recht Schmidt/Baldus, Rn. 260; wohl auch Marberth StraFo 1997, 228). Nach dieser Auffassung bleiben die noch als Wahlverteidiger erbrachten Tätigkeiten bei der Bewilligung der Pauschvergütung dann außer Betracht.
Der Verteidiger darf auch nicht versäumen, an die Erledigung seines Beiordnungsantrags zu erinnern. Unterlässt er dies, gilt nämlich ggf. wieder der Grundsatz, dass für die Bewilligung einer Pauschvergütung nur die Tätigkeiten berücksichtigt werden, die der Verteidiger nach der Zeit seiner gerichtlichen Beiordnung erbracht hat (OLG Karlsruhe AnwBl. 1997, 571 = Rpfleger 1997, 451). 4. Berücksichtigung "unnötiger" Anträge bei der Beurteilung des "besonderen Umfangs"? |
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In der Praxis kann die Frage, ob für die Beurteilung des Umfangs des Strafverfahrens der Zeitaufwand für umfangreiche Verfahrens- und/oder Beweisanträge, die aus der Sicht des Gerichts "unnötig" waren oder nur der Verfahrensverzögerung dienten, zu berücksichtigen ist, erhebliche Bedeutung erlangen. Diese Frage wird von der wohl h.M. in der Rechtsprechung verneint (vgl. OLG Hamburg JurBüro 1988, 598; StV 1991, 120; OLG Schleswig SchlHA 1987, 14; NStZ 1996, 443 = StraFo 1997, 157; OLG Karlsruhe JurBüro 1981, 721, in der Literatur jedoch bejaht (vgl. u.a. Eisenberg/Classen NJW 1990, 1021; Marberth StraFo 1997, 229; Widmaier in der Anm. zu OLG Schleswig NStZ 1996, 443; Zaczyk StV 1991, 122 in Anm. zu OLG Hamburg a.a.O.). M.E. muss man der Literaturmeinung den Vorzug geben (so jetzt auch OLG Hamm JurBüro 2001, 194 = StV 2002, 93 = NStZ-RR 2002, 95 zur Frage der Angemessenheit einer größeren Anzahl von Besuchen des Verteidigers in der JVA). Folgt man nämlich der (strengeren) Rspr., besteht die Gefahr, dass der Pflichtverteidiger über die Möglichkeit der Versagung einer Pauschvergütung in seiner Verteidigungsstrategie beeinflusst wird. Auch wird man in einem der Hauptverhandlung nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren kaum das Verteidigerverhalten im Prozess beurteilen können - und dürfen. Es ist zudem nicht Aufgabe der mit der Bewilligung einer Pauschvergütung befassten Richter nachträglich zu beurteilen, ob vom Verteidiger i.d.R. im Interesse des Mandanten gestellte Anträge unnötig waren und/oder nur der Verfahrensverzögerung gedient haben. Das bedeutet natürlich nicht, dass dem Verteidiger über eine Pauschvergütung jedes Verteidigungsverhalten "honoriert" wird. Die Grenze ist m.E. dort zu ziehen, wo der Bereich angemessener und sinnvoller Verteidigung überschritten wird (so in etwa auch Zaczyk a.a.O.; s. auch OLG Hamm a.a.O. [erkennbarer Missbrauch]), der darüber hinaus erbrachte Zeitaufwand bleibt unberücksichtigt (s. dazu OLG Schleswig SchlHA 1987, 14). Ob diese Grenze überschritten ist, ist m.E. daran zu erkennen, ob das Gericht über die als unzulässig und verfahrensverzögernd empfundenen Anträge in der Hauptverhandlung durch Beschluss, z.B. nach § 244 Abs. 3 StPO, entschieden hat. |
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