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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss 214/00 OLG Hamm

Leitsatz:

  1. Wird der Angeklagte wegen Erwerbs von BtM in "nicht geringer Menge " verurteilt, sind Feststellungen dazu zu treffen, welche Vorstellungen der Angeklagte hinsichtlich der Qualität des in seinem Besitz befindlichen Rauschgifts gehabt hat
  2. Zur Verhängung einer Jugendstrafe wegen "Schwere der Schuld".

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: BtMG, Erwerb von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge, Vorsatz hinsichtlich der nicht geringen Menge, Schwere der Schuld als Grundlage für eine Jugendstrafe

Normen: BtMG 29 Abs. 1 Nr. 2, BtMG 29 a Abs. 1 Nr. 2, JGG 17 Abs. 2

Beschluss: Strafsache gegen P.O.,
wegen Verstoßes gegen das Betäubungsmittelqesetz.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Minden/Westfalen vom 17.11.1999 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 30.03.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht auf Antrag und nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß 349 Abs. 2, Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird im Schuldausspruch nebst den zugrundeliegenden Feststellungen insoweit aufgehoben, als der Angeklagte wegen des ihm vorgeworfenen Erhalts von 150 Gramm Haschisch am 16.06.1999 (Fall 3. auf Seite 7 des Urteils) des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge für schuldig befunden worden ist.

Darüber hinaus wird der Rechtsfolgenausspruch nebst den diesen zugrundeliegenden Feststellungen aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Jugendschöffengericht Minden/Westfalen zurückverwiesen.

Im übrigen wird die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet verworfen.

Gründe:
I. Das Amtsgericht Jugendschöffengericht - hat den Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen, wobei es sich in einem Fall um den Erwerb nicht geringer Mengen handelt, zu einer Jugendstrafe von sechs Monaten unter Strafaussetzung zur Bewährung verurteilt. Als angewendete Vorschriften sind in dem Urteilstenor die §§ 1 I, 3 I 1, 29 I, 29 a I, 33 BtMG aufgeführt.

Zur Sache hat das Jugendschöffengericht in den Urteilsgründen ausgeführt, dass der Angeklagte den Inhalt der Anklageschrift eingeräumt hat. Der Inhalt der Anklageschrift wird sodann in den Urteilsgründen wiedergegeben. Danach wird dem Angeklagten zur Last gelegt, in der Zeit von Herbst/Winter 1998 bis zum 15.06.1999 in Minden als Heranwachsender durch drei selbständige Handlungen in je zwei Fällen Betäubungsmittel unerlaubt erworben und in einem weiteren Fall Betäubungsmittel in nicht geringer Menge besessen zu haben, ohne sie aufgrund einer Erlaubnis nach § 3 Abs. 1 BtMG erlangt zu haben und sich dadurch gemäß §§ 1 Abs. 1, 3 Abs. 1 Nr. 1, 29 Abs. 1 Nr. 1, 29 a Abs. 1 Nr. 1, 33 BtMG strafbar gemacht zu haben. Nach dem mit der Anklageschrift erhobenen Vorwürfen erwarb der Angeklagte jeweils von dem gesondert verfolgten R.E. in der Zeit von Herbst/Winter 1998 bis zum 15.06.1999 bei zwei Gelegenheiten jeweils 100 Gramm Haschisch und am 16.06.1999 150 Gramm Haschisch. Von diesen 150 Gramm konnten am 17.06.1999 zwei Bruchstücke einer Haschischplatte die ein Gewicht von 49,8 Gramm und 58,7 Gramm aufwiesen, bei dem Angeklagten sichergestellt werden. Der Wirkstoffinhalt dieser Bruchstücke belief sich auf 13,5 % bzw. 13,3 % THC, woraus sich ein Wirkstoffgehalt von 6,7 Gramm bzw. 7,8 Gramm THC berechnet. Der Gesamtwirkstoffgehalt belief sich demnach auf 14,5 Gramm THC, fast dem doppelten der nicht geringen Menge von 7,5 Gramm THC. Der Angeschuldigten zahlte für ein Gramm Haschisch an E. zwischen 6,- und 10,- DM.

Das Jugendschöffengericht ist aufgrund der getroffenen Feststellungen zu dem Ergebnis gelangt, der Angeklagte sei wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in drei Fällen, wobei es sich in einem Fall um eine nicht geringe Menge gehandelt habe, zu verurteilen.

Den Rechtsfolgenausspruch hat das Jugendschöffengericht wie folgt begründet:

"Bei der Frage der Ahndung musste festgestellt werden, dass beim Angeklagten zwar schädliche Neigungen nicht feststellbar waren, andererseits ergibt sich aus der großen Menge und auch aus der Tatanzahl hier das aufgrund der Schwere der Schuld eine Jugendstrafe zwingend geboten erschien.

Diese Jugendstrafe konnte dann mit nur sechs Monaten als sachlich geboten aber auch ausreichend festgesetzt werden, wobei eine Bewährungsaussetzung bei dem Ersttäter notwendig und erforderlich erschien."

Gegen dieses Urteil richtet sich die Revision des Angeklagten, mit der eine Verletzung materiellen Rechts gerügt wird.

II.
Die Revision hat teilweise einen zumindest vorläufigen Erfolg.

1. Die sachlich-rechtliche Überprüfung des Schuldausspruchs hatte keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben, soweit dieser wegen des zweimaligen Ankaufes von jeweils 100 Gramm Haschisch während der Zeit von Herbst/Winter 1998 bis zum 15.06.1999 des unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln gemäß § 29 Abs. 1 Nr. 1 BtMG in zwei Fällen für schuldig befunden worden ist. Die Revision war daher insoweit gemäß § 349 Abs. 2 StPO als unbegründet zu verwerfen.

2. Die Verurteilung wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge (Tatnummer 3. auf Seite 7 des angefochtenen Urteils) hält dagegen einer rechtlichen Nachprüfung nicht Stand und war daher aufzuheben.

Die Urteilsgründe ermöglichen dem Senat keine zweifelsfreie Aufklärung dahingehend, ob das Jugendschöffengericht die Verurteilung wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge auf die Vorschrift des § 29 Abs. 1 Nr. 2 BtMG gestützt hat, wofür die Ausführungen des Amtsgerichts im Rahmen seiner rechtlichen Würdigung der dem Angeklagten vorgeworfenen Taten sprechen, oder auf § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG - nur diese Alternative der Vorschrift kann hier in Betracht kommen -. Für eine Heranziehung der zuletzt genannten Vorschrift durch das Schöffengericht spricht, dass § 29 a Abs. 1 BtMG im Urteilstenor in der Liste der angewendeten Vorschriften aufgeführt worden ist und das Schöffengericht die von der Staatsanwaltschaft Bielefeld in der Anklageschrift vorgenommene Würdigung der Tat Nr. 3 sowohl der Anklageschrift als auch des angefochtenen Urteils als Verstoß gegen § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG in die Urteilsgründe aufgenommen hat, obwohl dies zur Wiedergabe des festgestellten und von dem Angeklagten eingeräumten Sachverhalts nicht erforderlich gewesen wäre. Durch den fehlerhaften Schuldausspruch ist der Angeklagte auch beschwert, da die getroffenen Feststellungen eine Verurteilung des Angeklagten im Fall Nr. 3 wegen des Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG von den getroffenen Feststellungen nicht getragen wird und daher eine solche von dem Jugendschöffengericht möglicherweise gewollte Verurteilung rechtsfehlerhaft wäre und demnach auch für eine entsprechende Schuldspruchberichtigung durch den Senat, wie sie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 24.02.2000 angeregt hat kein Raum ist.

3. Das Amtsgericht hat zwar hinsichtlich der dem Angeklagten vorgeworfenen Tat Nr. 3 festgestellt, dass der Angeklagte am 17.06.1999 im Besitz zweier Bruchstücke einer Haschischplatte gewesen ist, die zusammen eine Wirkstoffgehalt von 14,5 Gramm THC aufgewiesen haben und ist zutreffend davon ausgegangen, dass es sich bei den bei dem Angeklagten sichergestellten Betäubungsmitteln angesichts des festgestellten Wirkstoffgehaltes objektiv um eine nicht geringe Menge Haschisch gehandelt hat. Feststellungen dazu, welche Vorstellungen der Angeklagte hinsichtlich der Qualität des in seinem Besitz befindlichen Rauschgifts gehabt hat, hat das Amtsgericht aber nicht getroffen. Die "nicht geringe Menge" stellt ein Tatbestandsmerkmal des § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG dar, auf das sich der Vorsatz des Täters beziehen muss. Das Urteil muss daher Feststellungen dazu enthalten, welche "nicht geringe Menge" vom Vorsatz des Angeklagten umfasst war, weil der Wirkstoffgehalt des Rauschgifts von erheblicher Bedeutung für die Feststellung dieses Tatbestandsmerkmals und damit auch für das Gewicht des Schuldvorwurfs ist, der einem Täter gemacht werden kann (vgl. BGH StV 1983, 332).

Feststellungen zur inneren Tatseite im oben genannten Sinne waren hier auch nicht deshalb entbehrlich, weil der Angeklagte den Anklagevorwurf eingeräumt hat. Angesichts der exakten Bestimmung des jeweiligen THC-Gehalts der beiden bei dem Angeklagten sichergestellten Haschischstücke ist davon auszugehen, dass deren Wirkstoffgehalt im Rahmen einer toxikologischen Untersuchung ermittelt worden ist. Durch sein Geständnis hat der Angeklagte allenfalls das Ergebnis dieser Untersuchung als richtig akzeptiert. Das Geständnis rechtfertigt für sich allein aber nicht die Annahme, dass dem Angeklagten bereits während der Zeit, in der sich das Haschisch in seinem Besitz befunden hat, der in den Urteilsgründen festgestellte Wirkstoffgehalt des Rauschgiftes bekannt war.

Da nach der Überzeugung des Senats weitere Feststellungen zur inneren Tatseite hier nicht auszuschließen sind, war der Schuldausspruch des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Verurteilung des Angeklagten wegen unerlaubten Erwerbs von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aufzuheben.

Klarstellend wird in diesem Zusammenhang darauf hingewiesen, dass das Betäubungsmittelgesetz einen eigenen Tatbestand des Erwerbs nicht geringer Mengen von Betäubungsmitteln nicht kennt. Vielmehr ist der Erwerber von nicht geringen Mengen Betäubungsmittel zum Eigenkonsum wegen des anschließenden Verbrechens des Besitzes nicht geringer Mengen nach § 29 a Abs. 1 Nr. 2 BtMG zu bestrafen (vgl. Körner, BtMG, 4. Aufl., § 29 a Rndziff. 34).

4. Infolge der teilweisen Aufhebung des Schuldausspruches war auch der Rechtsfolgenausspruch aufzuheben, da die mit diesem verhängte Jugendstrafe von sechs Monaten gemäß § 31 Abs. 1 JGG eine einheitliche Sanktion darstellt, die sich auf sämtliche dem Angeklagten vorgeworfenen Straftaten bezieht.

Darüber hinaus hält der Rechtsfolgenausspruch im vorliegenden Falle aber auch einer rechtlichen Überprüfung nicht Stand.

Das Jugendschöffengericht hat die Verhängung der Jugendstrafe auf den Gesichtspunkte der "Schwere der Schuld" gestützt. "Schwere der Schuld" im Sinne des § 17 Abs. 2 JGG ist vor allem bei Kapitalverbrechen zu bejahen. Dagegen kann ein Vergehen mit geringem zurechenbarem Schaden, auch wenn es bedenkenlos begangen wird, die Schwere der Schuld nicht begründen, da das Gewicht der Tat zu gering ist (vgl. Sonnen in Diemer/Schoreit/ Sonnen, JGG, 3. Aufl., § 17 Rndziff. 25 m.w.N.).

Die Schwere des verwirklichten Tatunrechts allein kann allerdings keine Verhängung der Jugendstrafe wegen Schwere der Schuld begründen (vgl. Sonnen, a.a.O., § 17 Rndziff. 22 m.w.N.). Für die Beurteilung der Schuld kommt es vielmehr weitgehend auf die charakterliche Haltung und das gesamte Persönlichkeitsbild des Jugendlichen an. Das äußere Tatgeschehen hat in nur insoweit Berücksichtigung zu finden, als es Schlüsse auf das Maß der persönlichen Schuld und die charakterliche Haltung des Täters zulässt (vgl. BGHSt 15, 224; StV 1982, 335; BGH bei Böhm, NStZ 1989, 522; Sonnen, a.a.O., § 17 Rndziff. 22; Brunner in Brunner/Dölling, JGG, 10. Aufl., § 17 Rndziff. 14). Darüber hinaus ist bei der Frage, ob Jugendstrafe zu verhängen ist, der im gesamten Jugendstrafrecht geltende Erziehungsgedanke gegenüber der Schwere der Schuld vorrangig zu beachten, (vgl. BGHSt 15, 224; StV 1982, 335; NStE, JGG, § 17 Nr. 6). Der Erziehungszweck kann aber bei der Schwere der Schuld nicht das allein ausschlaggebende Kriterium bilden (vgl. Sonnen, a.a.O., § 17 Rndziff. 22).

Den oben wiedergegebenen Anforderungen werden die Strafzumessungserwägungen des Jugendschöffengerichts im vorliegenden Fall in keiner Weise gerecht. Die lediglich knappen Hinweisen auf die Anzahl der Taten des Angeklagten und die "große Menge Haschisch" lassen vielmehr befürchten, dass das Jugendschöffengericht bei seiner Bewertung im Wesentlichen auf das Ausmaß des nach seiner Auffassung von dem Angeklagten verwirklichten Unrechts abgestellt hat, zumal die Strafzumessungserwägungen jegliche Auseinandersetzung mit der Persönlichkeit des Angeklagten und seiner Beziehung zu dem ihm vorgeworfenen Taten vermissen lässt. Darüber hinaus lassen die Gründe des angefochtenen Urteils nicht erkennen, dass das Jugendschöffengericht bei der Frage, ob gegen den Angeklagten Jugendstrafe wegen schwerer Schuld zu verhängen ist, den Erziehungsgedanken berücksichtigt hat.

Das angefochtene Urteil war daher unter Verwerfung der Revision im Übrigen in dem aus dem Beschlusstenor ersichtlichen Umfang aufzuheben und in diesem Umfang zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts - Jugendschöffengericht - Minden zurückzuverweisen.


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