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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 189/00 OLG Hamm

Leitsatz: Die im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer gemäß §§ 57 a StGB , 454 StPO entstehenden Gutachterkosten sind keine Kosten des Verfahrens im Sinn von § 464 a Abs. 1 Satz 2 StPO; der Regelungsgehalt des § 464 a StPO ist nämlich einschränkend auszulegen.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Beschwerde gegen den Kostenansatz, Kosten des im Strafvollstreckungsverfahrens eingeholten Sachverständigengutachten, Begriff der Verfahrenskosten

Normen: StPO 464 a, StPO 465, StPO 473, StPO 454, StGB 57 a

Beschluss: Strafsache gegen H.K.,
wegen Mordes (hier: Beschwerde gegen einen Kostenansatz )

Auf die Beschwerde des Verurteilten vom 12. April 2000 gegen den Beschluss der 7. großen Strafkammer - Schwurgericht - des Landgerichts Bochum vom 22. März 2000 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04.09.2000 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
I.
Durch Urteil der 7. großen Strafkammer Schwurgericht- des Landgerichts Bochum vom 22. Juni 1976 ( 7 Ks 30 Js 769/74 ) wurde der Beschwerdeführer wegen Mordes in zwei Fällen
( Tatzeit: 7. April 1974; Untersuchungshaft seit dem 25. Juli 1974 ) zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Gleichzeitig wurden ihm gemäß § 465 StPO die Kosten des Verfahrens auferlegt.

Am 30. Juni 1989 und am 23. August 1993 lehnte die Strafvollstreckungskammer Arnsberg jeweils die bedingte Entlassung durch gesonderten Beschluss wegen der besonderen Schwere der Schuld ab.

Mit Schreiben vom 07. September 1995 beantragte der Verurteilte, die Vollstreckung des Restes der lebenslangen Freiheitsstrafe nach § 57 a Abs. 1 StGB zur Bewährung auszusetzen. Daraufhin wurde Frau Dr. S. in Lippstadt durch Beschluss der Strafvollstreckungskammer des LG Arnsberg vom 4. Dezember 1995 mit der Erstellung eines fachpsychiatrischen Gutachtens zu der Frage beauftragt, ob der Beschwerdeführer außerhalb des Vollzuges voraussichtlich keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen werde. Für das Gutachten liquidierte die Sachverständige am 8. August 1996 den Betrag in Höhe von DM 5.312,20.

Nachdem der Verurteilte in dem Zeitraum vom 12. September bis 29. Oktober 1996 aus der Strafhaft entwichen war, stellte sein Verteidiger am 26. November 1996 den Antrag, den Verurteilten erneut über die gleiche Frage durch den Direktor des Instituts für Forensische Psychiatrie der Universität - Gesamthochschule Essen - Herrn Prof. Dr. med. N. L., begutachten zu lassen. Dem kam die Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Arnsberg durch Beschluss vom 11. März 1997 nach.

Der Sachverständige Prof. Dr. L. legte das Gutachten am 23. September 1997 vor und stellte dafür den Betrag in Höhe von DM 7.077,60 in Rechnung.

Nachdem von der Justizverwaltung aufgrund des Gutachtens, das eine negative Prognose aufwies, Integrationsmaßnahmen eingeleitet worden waren, nahm der Verteidiger den Antrag vom 07. September 1997 zurück.

Durch Angaben des Verurteilten u.a. gegenüber den beiden Sachverständigen erhielt die Staatsanwaltschaft Bochum Kenntnis von dessen Ersparnissen in Höhe von angeblich bis zu 30.000,- DM. Sie setzte deshalb am 22. September 1999 gegen den Verurteilten die Sachverständigenentschädigungen für die Gutachten von Frau Dr. S. (Rechnungsdatum: 08. August 1996 - DM 5.312,20) und von Herrn Prof. Dr. L. (Rechnungsdatum: 23. September 1997 - DM 7.077,60) in Höhe von insgesamt DM 12.389,80 fest. Mit Rechnung vom 11. Januar 2000 (Kassenzeichen: 182511 351 4) fordert die Gerichtskasse Bochum diesen Betrag.

Hiergegen wandte sich der Verurteilte mit einer als Erinnerung auszulegenden Eingabe vom 01. November 1999 sowie mit zwei Schreiben seines Verteidigers vom 06. und 20. Januar 2000. Er erhob die Einrede der Verjährung und trug vor, tatsächlich nur 3.000,- DM zu besitzen. Im übrigen zog er in Zweifel, ob die Sachverständigenentschädigungen Vollstreckungskosten sind.

Das Landgericht Bochum - 7 Qs 1/2000 - wies die Erinnerung am 22. März 2000 zurück. Zur Begründung führte es unter Hinweis auf einen Beschluss des Oberlandesgericht Koblenz ( 1 Ws 135/97 in NStZ-RR 1997, Seite 224) aus, die Kostentragungspflicht des Verurteilten ergebe sich aus § 465 Abs. 1 S. 1 i.V.m. § 464 a Abs. 1 S. 2 StPO, da es sich um Kosten der nach der Urteilsrechtskraft anfallenden Vollstreckung handele, die in einem gerichtlichen Verfahren i.S.d. § 1 Abs. 1 a GKG entstanden seien. Wegen der weiteren Ausführungen wird auf den angefochtenen Beschluss Bezug genommen.

Dagegen richtet sich die Beschwerde des Verurteilten vom 12. April 2000. Unter Hinweis auf sein bisheriges Vorbringen führt er aus, eine Entscheidung im Rahmen von § 454 StPO sei keine Entscheidung im Sinne des § 464 StPO, so dass aus dieser Vorschrift eine Kostentragungspflicht nicht begründet werden könne. Es sei zu beachten, dass diese Verfahren auch von Amts wegen eingeleitet würden, so dass für den Verurteilten ohne einen ihm zurechenbaren Antrag Kosten entstehen könnten. Wenn es sich gleichwohl um Kosten der Vollstreckung handele, wären diese nicht zu erheben, was sich aus § 10 der JVKostO ergebe. Denn nach dieser Vorschrift habe der Gefangene die Kosten der Vollstreckung nicht zu tragen, wenn er die ihm zugewiesene oder ermöglichte Arbeit verrichte.

Das Landgericht Bochum hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

Die Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichtes Hamm - Dezernat 10 hat sich unter näherer Begründung der Auffassung des Landgerichts Bochum angeschlossen und regt an, die Beschwerde als unbegründet zurückzuweisen.

II.
Die zulässige Beschwerde ist begründet.

Nach Auffassung des Senats sind die im Verfahren vor der Strafvollstreckungskammer gemäß §§ 57a StGB, 454 StPO entstehenden Gutachterkosten keine Kosten des Verfahrens im Sinne des § 464 a Abs. 1 Satz 2 StPO.

Der vom Landgericht Bochum und von dem Leiter des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts Hamm vertretenen Meinung tritt der Senat nicht bei. Zwar lässt sich für die im angefochtenen Beschluss vertretene Ansicht der Wortlaut des § 464 a Abs. 1 StPO anführen, der ohne nähere Differenzierung dem Verurteilten sämtliche Kosten der Vollstreckung der Rechtsfolge der Tat aufzuerlegen scheint.

Der Regelungsgehalt des § 464 a StPO ist aber einschränkend auszulegen.

Erstens ergibt sich nach Auffassung des Senats aus der Gesetzessystematik und der Entstehungsgeschichte dieser Norm, dass durch die Regelung des § 465 StPO keine Grundentscheidung für die Kosten getroffen werden soll, die aufgrund einer späteren Befassung einer Strafvollstreckungskammer entstehen. Sowohl die Norm des § 465 StPO als auch diejenige des § 464 a StPO befinden sich im Siebenten Buch, zweiter Abschnitt der Strafprozessordnung, der mit Ausnahme des § 473 StPO ausschließlich Kostenregelungen zum Gegenstand hat, die allein unmittelbar das erkennende Gericht aus dem Verfahren bis zu dessen Abschluss selbst zu treffen hat. Unter diese Kosten fallen zwar auch die Vollstreckungskosten einer verhängten Freiheitsstrafe, da die Verbüßung derselben unmittelbar auf das Urteil zurückzuführen ist. Ob und in welchem Umfang diese Kosten aber durch die Justizverwaltung zu erheben sind, ist im einzelnen u.a. in §§ 50, 189 StVollzG, § 12 KostVfg und § 10 JVKostO geregelt. An den vorausgehenden Bestimmungen der §§ 464 472 b StPO will auch der § 473 StPO nichts ändern, der für Beschwerden gegen Entscheidungen der Strafvollstreckungskammer eine mittelbare Anwendung findet (vgl. KMR-Paulus, § 473 Rdnr. 4) .

Im Gegensatz dazu entstehen aber die Gutachterkosten innerhalb der Prüfung nach § 57 a StGB nicht mehr als unmittelbare Folge aus dem Urteil des erkennenden Gerichts, sondern im Rahmen der selbständigen Prüfung des anderen eigenen Spruchkörpers der Strafvollstreckungskammer. Diese hat unabhängig von der Entscheidung des erkennenden Gerichts in selbständiger Verantwortung zu überprüfen, ob die weitere Vollstreckung der Strafe geboten ist oder verantwortet werden kann zu erproben, ob der Verurteilte außerhalb des Vollzuges keine Straftaten mehr begehen wird.

Der Aufgabenbereich der Strafvollstreckungskammer erstreckt sich damit auf Fragen, die nicht mehr Gegenstand des Urteils und des ihm zugrundeliegenden Erkenntnisverfahrens waren. Diese Tätigkeit der Strafvollstreckungskammer unterfällt deshalb nicht mehr dem dargelegten Regelungsbereich der §§ 464 ff. StPO, so dass die in ihrer Zuständigkeit veranlassten Kosten nicht mehr unmittelbar auf die Vollstreckung der Strafe, sondern auf die Überprüfung, ob die im Urteil ausgesprochene Rechtsfolge zu modifizieren ist, zurückzuführen sind. Infolgedessen umfasst die Kostenentscheidung nach §§ 465, 464 a StPO auch nicht diese Kosten, sondern allein solche, die unmittelbar auf der Entscheidung des erkennenden Gerichts beruhen.

Diese Auffassung wird zweitens auch durch die Entstehungsgeschichte des § 464 a StPO gestützt. Die dem § 464 a Abs. 1 Satz 2 StPO entsprechende Vorschrift fand sich früher in § 465 Abs. 1 StPO a.F.. Sie definierte im Gegensatz zum jetzigen § 464 a StPO die Kosten des Verfahrens als Kosten der Vollstreckung einer "Strafe, Nebenstrafe oder Nebenfolge oder einer vom Gericht angeordneten Maßregel der Sicherung und Besserung”.

Sowohl in der Neufassung des § 464 a StPO als auch in der alten differenzierten- Fassung des § 465 Abs. 1 StPO a.F. ist die nachträgliche Entscheidung über die Strafaussetzung, die im Siebenten Buch, 1. Abschnitt in § 453 ff StPO geregelt ist, nicht genannt, so dass davon auszugehen ist, dass seitens des Gesetzgebers von einer Einbeziehung des Verfahrens nach §§ 453 ff StPO in den Regelungsbereich des § 464 a StPO bewusst abgesehen worden ist.

Der Gegenmeinung, die demgegenüber in §§ 465 i.V.m. § 464 a StPO eine abschließende Kostenentscheidung des Vollstreckungsverfahrens einschließlich der Neben- und Nachtragsverfahren sieht ( vgl. OLG Celle, Nds. Rpfl. 1988, 13; OLG Schleswig, SchlHA 1986, 114; OLG Düsseldorf, MDR 1991, 557, 558 m.w.N.), vermag der Senat deshalb nicht zu folgen. Eine insoweit andere Regelung in eindeutiger Weise zu treffen, die auch unzweifelhaft Geltung für das Vollstreckungsverfahren hätte, wird allerdings Sache des Gesetzgebers sein.

Für eine einschränkende Auslegung des § 464 a StPO lässt sich überdies drittens die Regelung in § 121 Abs. 1 StVollzG anführen, wonach für die verfahrensabschließenden Entscheidungen im Rechtsbehelfssystem des StVollzG eine Kostenentscheidung zu treffen ist. Diese Vorschrift wäre entbehrlich, umfasste die Kostenentscheidung nach §§ 465 i.V.m. 464 a StPO sämtliche Kosten der Strafvollstreckung. Deshalb ergibt sich aus der Schaffung des § 121 StVollzG, dass mit der Kostengrundentscheidung des Urteils gerade nicht über alle zum Teil noch unbestimmbaren- zukünftigen Kosten entschieden werden soll.

Viertens sprechen auch der den Strafvollzug prägende Gedanke der Resozialisierung sowie Billigkeitserwägungen gegen eine Belastung des Verurteilten mit den Kosten der Einholung eines Gutachtens. Nicht von ungefähr sehen das Strafvollzugsgesetz, die Kostenverfügung und die Justizverwaltungskostenordnung vor, dass bei einem Gefangenen die Kosten der Vollstreckung grundsätzlich nur bei schuldhafter Verweigerung einer Arbeitspflicht erhoben werden sollen. Es läge ein Wertungswiderspruch vor, falls man einem Gefangenen die Gutachterkosten auferlegte, obwohl von ihm aus den genannten Gründen die Kosten der Vollstreckung im eigentlichen Sinn nicht erhoben werden können. Die Belastung mit den Gutachterkosten hätte darüber hinaus resozialisierungshemmende Auswirkungen. Der Gefangene würde zwar bei einer positiven Entscheidung aus der Strafhaft entlassen. Gleichzeitig würden ihm aber die finanziellen Mittel genommen, die er sich für den Zeitpunkt der Entlassung angespart hat. Das kann nicht Sinn der Resozialisierung sein, die das Strafrecht und den Strafvollzug prägt.

Nach alledem war der angefochtene Beschluss auf die Beschwerde des Verurteilten aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 5 Abs. 6 GKG. Eine Kostenerstattung des Beschwerdeführers findet nicht statt, da die verfassungsrechtlich unbedenkliche Vorschrift des § 5 Abs. 6 S.2 GKG diese ausschließt, um weitere Rechtsstreitigkeiten zu vermeiden ( vgl. Hartmann, Kostengesetze, 29. Auflage, § 5 GKG, Rdnr. 48; OLG München, MDR 1977, S. 502 m.w.N.).


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