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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 Ss OWi 990/99 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Frage, wie sich Fahrzeugführer beim Ein- bzw. Ausparken auf dem Parkplatz eines Supermarktes zu verhalten haben

Senat: 3

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Einparken, Ausparken, Parkplatz eines Supermarkts als öffentliche Verkehrsfläche

Normen: StVO 1, StvO 8, StvO 9, StvO 10

Fundstelle: VRS 99, 70

Beschluss: Bußgeldsache gegen C.B.,
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf den Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Gütersloh vom 24.06.1999 sowie auf seine sofortige Beschwerde gegen dessen
Kostenentscheidung hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 12.10.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

1. Die Rechtsbeschwerde wird zur Fortbildung des Rechts zugelassen.

2. Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Der Betroffene wird freigesprochen.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen des Betroffenen trägt die Staatskasse.

Die sofortige Beschwerde ist gegenstandslos.

Gründe:
1.
Das Amtsgericht Gütersloh hat den Betroffenen wegen der fahrlässigen Begehung einer Ordnungswidrigkeit gemäß §§ 1 Abs. 2, 49 StVO, 24 StVG zu einer Geldbuße in Höhe von 75,- DM verurteilt.

Nach den zugrundeliegenden Feststel1ungen hatte der Betroffene am 29.12.1997 seinen PKW auf dem Parkplatz des Ellimarktes auf der Friedrichsdorfer Straße in Gütersloh in einer Parkbucht abgestellt. Das weitere Geschehen schildert das angefochtene Ur-
teil wie folgt:

,,Als er (der Betroffene) die im Markt gekauften Waren in das Fahrzeug einlud, kam der Zeuge S. mit seinem Pkw, amtliches Kennzeichen GT-FL 168, auf den Parkplatz und
wollte rückwärts in die Parkbucht fahren, die neben der gelegen war, in der der Pkw des Betroffenen stand. Der Zeuge fuhr zunächst an der Parkbucht vorbei, fuhr rückwärts teilweise in die Parkbucht ein, fuhr wieder vorwärts, um gerade rückwärts zurücksetzen zu können und setzte wiederum zurück. Während dieses Vorgangs wollte der Betroffene seinerseits die von ihm belegte Parkbucht rückwärts verlassen. Beim Rückwärtsfahren schlug er das Lenkrad nach rechts ein und geriet so mit der vorderen linken Ecke seines Pkws in die Parkbucht, in die der Zeuge S. gerade einparken wollte. Der Betroffene sah nunmehr das sich rückwärts auf ihn zu bewegende Fahrzeug des Zeugen S., bremste ab und hupte. Trotzdem kam es zu einer Kollision beider Fahrzeuge. Der vom Betroffenen gefahrene Pkw wurde am vorderen linken Kotflügel getroffen, der sich in der vom Zeugen S. ausgesuchten Parkbucht befand.

Der Betroffene hatte das Fahrzeug des Zeugen S. unmittelbar, bevor er bremste, zum ersten Mal gesehen."

Die Einlassung des Betroffenen, er habe etliche Sekunden gestanden, bevor es zur Kollision gekommen sei, hat das Amtsgericht als nicht widerlegt angesehen.

Das Amtsgericht hat die Ansicht vertreten, der Betroffene habe sich beim Ausparken nicht so verhalten, dass kein anderer geschädigt wurde, § 1 Abs. 2 StVO. Auf Parkplätzen gelte nach allgemeiner Rechtsprechung das Gebot der gegenseitigen Rucksichtnahme. Gegen dieses Gebot habe der Betroffene verstoßen. Bei gehöriger Aufmerksamkeit hätte er erkennen können und müssen, dass der Zeuge S. dabei war, rückwärts in die neben seiner- des Betroffenen 7 liegenden Parkbucht einzufahren. Er hätte es dann unterlassen, beim Rückwärtsfahren so einzulenken, dass ein Teil seines Fahrzeuges in die Parkbucht des Zeugen S. geriet. Hätte er sich so verhalten, wäre es zu der Kollision nicht gekommen. Unter diesen Umständen spiele es keine Rolle, dass der Betroffene möglicherweise vor der Kollision einige Sekunden gestanden haben mag. Der Betroffene hätte einkalkulieren müssen, dass sich der Zeuge S. beim Rückwärtsfahren nicht mehr um den PKW des Betroffenen kümmern würde, nachdem er die Parkbucht einmal als frei beurteilt hatte. Bei der Bemessung der Geldbuße hat das Amtsgericht ein Mitverschulden des Zeugen S. mildernd berücksichtigt.

Gegen dieses Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem form- und fristgerecht eingelegten Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Gleichzeitig hat er gegen die Kostenentscheidung des angefochtenen Urteils sofortige Beschwerde mit der Begründung eingelegt, dass die Kosten für den Hauptverhandlungstermin vom 15.04.1999 infolge der unterbliebenen Zeugenladung für diesen Termin von der Staatskasse zu tragen seien.

II.
1. Die Rechtsbeschwerde war gemäß § 80 Abs. 2 Ziffer 1; Abs. 1 Ziffer 1 OWiG durch den Einzelrichter (§ 80 a Abs. 2 Ziffer 2 OWiG), zur Fortbildung des Rechts zuzulassen. Die hier entscheidungserhebliche Rechtsfrage, welche Sorgfaltspflichten den Fahrzeugführer dann treffen, wenn zwei sich jeweils in der Rückwärtsfahrt befindliche Fahrzeuge im Vorgang des Ein- bzw. Ausparkens auf einem Parkplatz aufeinandertreffen, ist soweit erkennbar obergerichtlich noch nicht entschieden und deshalb klärungsbedürftig. Es handelt sich auch um eine abstraktionsfähige Rechtsfrage von praktischer Bedeutung, da Sachschäden bei derartigen Parkmanövern erfahrungsgemäß häufig vorkommen.

2. Die vom Senat zugelassene Rechtsbeschwerde hat in der Sache vollen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Freisprechung des Betroffenen. Nach den vom Amtsgericht getroffenen und für den Senat bindenden Feststellungen fällt dem Betroffenen nämlich keine Sorgfaltspflichtverletzung zur Last. Damit entfallen aber die Voraussetzungen für die Verurteilung des Betroffenen wegen einer fahrlässigen Verkehrsordnungswidrigkeit gemäß § 1 Abs. 2 StVO.

Der Betroffene hat die ihm nach § 1 Abs. 2 StVO obliegende Pflicht zur Rücksichtnahme und Verständigung mit anderen Verkehrsteilnehmern sowie zu stetiger Bremsbereitschaft durch sein Verhalten Zu dem Zusammenstoß mit dem Fahrzeug des Geschädigten kam es nach den Feststellungen des Amtsgerichts dagegen allein dadurch, dass Letzterer es grob verkehrswidrig versäumt hatte, beim Rückwärtseinparken den rückwärtigen Verkehrsraum hinter seinem Fahrzeug ständig im Auge zu behalten.

Der Parkplatz des Supermarktes war eine öffentliche Verkehrsfläche i.S.v. § 1Abs. 1 StVO. Er diente nämlich mit Zustimmung des Betreibers des Supermarktes dem Gemeingebrauch, indem er den Kunden allgemein zugänglich war (vgl. Jagusch/Hentschel, 35. Aufl., § 1 StVO Rdnr. 14 m.w.N.). Allerdings galten dort die Bestimmungen der §§ 8 - 10 nicht unmittelbar, da der Parkplatz nicht dem fließenden, sondern allein dem ruhenden Verkehr diente (KG VRS 64, 104, 106, OLG Frankfurt, VRS 57, 207, 208 f.; Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 8 StVO Rdnr. 31 a) . Die gegenseitigen Rücksichtspflichten der sich auf dem Parkplatz befindenden Kraftfahrzeugführer aus § 1 Abs. 2 StVO waren beim Befahren des Parkplatzes daher erhöht und einander angenähert, wobei die Rechtsgedanken der §§ 8 - 10 StVO bei der Beurteilung dieser Pflichten zu berücksichtigen sind (Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 8 StVO Rdnr. 31 a m.w.N.). Der Betroffene war daher zunächst verpflichtet, mit Rücksicht auf die anderen Benutzer des Parkplatzes stets bremsbereit zu sein, als er seinerseits die Parklücke verließ (ebda.; OLG Köln, MDR 1995, 152). Dieser Verpflichtung ist der Betroffene erkennbar nachgekommen. Es ist auch zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass er sein Fahrzeug bereits abgebremst hatte und einige Sekunden stand, bevor das Fahrzeug des Unfallgegners in sein Fahrzeug hineinfuhr. Die sich aus dem Rechtsgedanken des § 9 StVO ergebende Pflicht, den rückwärtigen Verkehr ständig zu beobachten <KG, VRS 64, 104, 106; Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 9 StVO Rdnr. 51, hat der Betroffene nach den Feststellungen des Amtsgerichts ebenfalls erfüllt. Er hatte sich beim Ausparken nach' hinten orientiert und jedenfalls beim Verlassen der Parklücke das Fahrzeug des Unfallgegners wahrgenommen und dementsprechend durch sofortiges Abbremsen reagiert. Durch das Anhalten und das gleichzeitige Geben von Lautzeichen hat er darüber hinaus versucht, die nach § 1 Abs. 2 StVO gebotene Verständigung mit dem Unfallgegner herbeizuführen (vgl. Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 8 StVO Rdnr. 31 a), was ihm allein aufgrund dessen Unachtsamkeit nicht gelang. Es muss hier davon ausgegangen werden, dass der Unfallgegner, hätte er den rückwärtigen Verkehrsraum beachtet, innerhalb der Zeitspanne von einigen Sekunden, die zwischen dem Anhalten des Fahrzeugs des Betroffenen und dem Zusammenstoß der beiden Fahrzeuge lag, sein Fahrzeug ebenfalls hätte ohne weiteres anhalten können. Hatte sich der Betroffene mithin selbst verkehrsgerecht verhalten, so durfte er nach dem sich aus § 1 Abs. 2 StVO ergebenden Vertrauensgrundsatz darauf vertrauen, dass auch der Unfallgegner beim Zurücksetzen den rückwärtigen Verkehrsraum beobachten und nicht gleichsam ,,blind" in die Parklücke hineinsetzen würde. Dieses Verhalten des Unfallgegners war auch grob verkehrswidrig und für den Betroffenen nicht vorhersehbar. Insbesondere auf einer Parkfläche, auf der üblicherweise auch Fußgänger - häufig mit Waren beladen auf dem Weg zu ihren Fahrzeugen - die Parkfläche überqueren, stellt es nämlich ein äußerst verantwortungsloses Verhalten dar, ohne jede Beobachtung des rückwärtigen Verkehrsraums rückwärts in eine Parklücke hineinzusetzen. Es handelt sich dabei um ein äußerst gefährliches Fahrverhalten, mit dem kein anderer Verkehrsteilnehmer ohne weiteres rechnen muss (vgl. Jagusch/Hentschel, a.a.O., § 9 StVO Rdnr. 51; OLG Düsseldorf VRS 87, 87, 47 f).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWIG i.V.m. § 467 Abs. 1 StPO. Damit hat sich die sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Amtsgerichts erledigt.


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