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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 46/99 OLG Hamm

Leitsatz: Zur Frage, ob und ggf. wann der Beschwerde gegen einen während der Hauptverhandlung erlassenen Abtrennungsbeschluss § 305 Satz 1 StPO entgegensteht

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Abtrennung von Verfahrensteilen während der Hauptverhandlung, Beschwerde

Normen: StPO 304, StPO 305

Fundstelle: wistra 1999, 235 mit Anm. Weidemann wistra 1999, 399; StraFo 1999, 236 .

Beschluss: Strafsache gegen H.G. wegen Untreue u.a., (hier: Abtrennung eines Teils der Anklagevorwürfe).

Auf die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bochum vom 1. Februar 1999 gegen den Beschluss der 12. großen Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Bochum vom selben Tage hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 09.02.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Amtsgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft, des Angeklagten und seiner Verteidiger beschlossen:

Die Beschwerde wird auf Kosten der Staatskasse, die auch die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten zu tragen hat, als unzulässig verworfen.

Gründe :
I.
Mit der unter dem 6. November 1998 vor der Wirtschaftsstrafkammer des Landgerichts Bochum erhobenen Anklage hat die Staatsanwaltschaft Bochum dem Angeklagten, der sich seit dem 25. Mai 1998 in Untersuchungshaft befindet, zur Last gelegt, in dem Zeitraum von 1992 bis zum 25. September 1998 drei Fälle der Untreue, zwei Fälle des Betruges und sieben Fälle der Steuerhinterziehung begangen sowie in einem Fall unbefugt ausländische akademische Grade und Titel geführt zu haben. Ein Fall der Untreue (Nr. 1 a der Anklage) soll dadurch begangen worden sein, dass der Angeklagte im Dezember 1994 als damaliger Aufsichtsratsvorsitzender der V.AG im Zusammenwirken mit dem damaligen Vorstandsvorsitzenden S. den Erwerb des vor dem Konkurs stehenden Heizungs- und Sanitärbetriebes L. GmbH in Lünen durch die von ihnen vertretene Gesellschaft zu dem angeblich völlig überhöhten Kaufpreis in Höhe von 3,4 Millionen DM veranlasst und durchgeführt haben soll, um sich das Schweigen des Inhabers dieser Firma, der in den zurückliegenden 25 Jahren in erheblichem Umfang Handwerkerarbeiten für führende V.-Mitarbeiter und andere hochgestellte Persönlichkeiten in deren Privatbereich erbracht und die Kosten hierfür über offizielle V.-Bauvorhaben "verrechnet" hatte, zu erkaufen.

Die anderen Untreuvorwürfe betreffen zwar auch das Erbringen von Handwerkerleistungen, nämlich Gartenpflegearbeiten, auf Privatgrundstücken des Angeklagten bei "Verrechnung" zu Lasten der V. Immobilien AG, standen aber im übrigen in keinem direkten Zusammenhang mit dem Firmenkauf L..

Die weiteren angeklagten Taten - Reparaturen, die betrügerisch zu Lasten einer Versicherung wahrheitswidrig als Schadensfälle reguliert worden sind, sowie die Steuerhinterziehungen und das unerlaubte Titelführen - umfassen privates Handeln des Angeklagten und standen mit dem Firmenkauf L. in keinem Zusammenhang.

Nachdem das Verfahren gegen den im Fall 1 a der Angeklagte mitangeklagten S. wegen dessen vorläufiger Verhandlungsunfähigkeit abgetrennt worden war, findet die Hauptverhandlung gegen den Angeklagten nunmehr seit dem 10. Dezember 1998 vor der 12. großen Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Bochum statt. Im Hauptverhandlungstermin vom 28. Januar 1999, dem 13. Verhandlungstag, hat der Vorsitzende mitgeteilt, dass die Strafkammer die Abtrennung des Anklagevorwurfes 1 a (L.) zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung beabsichtige, da insoweit aus ihrer Sicht noch eine umfangreiche Beweisaufnahme erforderlich sei, während das Verfahren im übrigen alsbald abgeschlossen werden könne.

Am darauffolgenden 14. Verhandlungstag, dem 1. Februar 1999, widersprach der Vertreter der Staatsanwaltschaft der beabsichtigten Abtrennung des genannten Anklagepunktes. Die Strafkammer verkündete daraufhin den angefochtenen Beschluss vom selben Tage, durch den das Verfahren hinsichtlich des Anklagesatzes zu Ziffer 1 a zur gesonderten Verhandlung und Entscheidung abgetrennt wurde. Ferner wurden der Vertreter der Staatsanwaltschaft und der Verteidiger gebeten, sich darauf einzurichten, am nächsten Sitzungstag, dem 4. Februar 1999, die Schlussvorträge zu halten.

Gegen diesen Abtrennungsbeschluss richtet sich die Beschwerde der Staatsanwaltschaft Bochum vom selben Tag, die zu Protokoll erklärt sowie in schriftlicher Form vorbereitet war und überreicht wurde. Die Staatsanwaltschaft sieht in der Abtrennung insbesondere eine Hemmung des Fortgangs des Verfahrens und eine ungerechtfertigte Verzögerung des Urteils, zumal später Teile der Hauptverhandlung in neuer Beweisaufnahme wiederholt werden müssten und überdies auch der Vorwurf in Sachen L. nicht losgelöst von den übrigen Untreuevorwürfen gesehen werden könne. Wegen weiterer Einzelheiten wird auf die Beschwerde sowie die in dieser in Bezug genommene Stellungnahme der Staatsanwaltschaft vom 1. Februar 1999 (Bl. 17 - 22 SH Beschwerde) Bezug genommen.

Mit Beschluss vom 2. Februar 1999, auf den ebenfalls Bezug genommen wird, hat die Strafkammer der Beschwerde, der die Generalstaatsanwaltschaft beigetreten ist, nicht abgeholfen.

II.
Die Beschwerde der Staatsanwaltschaft gegen den Beschluss der 12. großen Strafkammer - Wirtschaftsstrafkammer - des Landgerichts Bochum vom 1. Februar 1999 ist unzulässig. Als Entscheidung des erkennenden Gerichts, die der Urteilsfällung vorausgeht, unterliegt die vorgenommene Trennung gemäß § 305 S.1 StPO nicht der Beschwerde.

Der 4. Strafsenat des hiesigen Oberlandesgerichts hat zu dieser Frage in seinem Beschluss vom 11. April 1995 (4 Ws 141/95), durch den die Beschwerde des damaligen Angeklagten gegen die Abtrennung einzelner Anklagepunkte - entsprechend dem damaligen Antrag der Generalstaatsanwaltschaft - als unzulässig verworfen worden war, u.a. zutreffend folgendes ausgeführt:

"Zusammenhängende Strafsachen, die - wie hier - von der Staatsanwaltschaft im Ermittlungsverfahren gem. §§ 2, 3 StPO verbunden werden, können vom Gericht entsprechend § 2 Abs. 2 StPO aus Gründen der Zweckmäßigkeit bis zum Urteilserlass getrennt werden. Ordnet das Gericht die Trennung während der Hauptverhandlung (vgl. BGH NJW 1953, 836) an, ist in Würdigung des Inhalts und der Zielsetzung dieser richterlichen Maßnahme zu prüfen, ob der Regelungszweck des § 305 StPO die Beschwerde ausschließt (vgl. LR-Gollwitzer, 24. Aufl. (1988), § 305 Rn. 3).

Die Vorschrift des § 305 StPO schränkt die Beschwerde gegen Maßnahmen des erkennenden Gerichts zur Sicherung einer konzentrierten, beschleunigten und wirtschaftlichen Durchführung des Verfahrens ein und gewährleistet damit die Verfahrensherrschaft des erkennenden Gerichts (Gollwitzer, a.a.O. § 305 StPO Rn. 1 f). Daran gemessen wird der - weiterreichende - Wortlaut im Einklang mit den Motiven (abgedruckt bei Gollwitzer a.a.O. § 305 StPO Rn. 1) dahin verstanden, dass die Beschwerde nicht statthaft ist gegen Entscheidungen des erkennenden Gerichts, die in innerem Zusammenhang mit der Urteilsfällung stehen, nur ihrer Vorbereitung dienen, bei der Urteilsberatung selbst der nochmaligen Prüfung des Gerichts unterliegen und keine weiteren Verfahrenswirkungen äußern (Gollwitzer a.a.O. § 305 Rn. 12, 13 m.w.N.; Kleinknecht/Meyer-Goßner, 42. Aufl. (1995), § 305 StPO Rn. 1 m.w.N.); in diesen Fällen sind die beschwerenden Umstände mit dem Rechtsmittel gegen die verfahrensabschließende Entscheidung geltend zu machen. Es werden dazu (auch) Maßnahmen gerechnet, deren Zweck es ist, die Abwicklung des Verfahrens zu fördern und die
verfahrensabschließende Entscheidung vorzubereiten (Gollwitzer a.a.O. § 305 StPO Rn. 12)."

So liegt der Fall auch hier und gilt gleichermaßen nicht nur für eine Beschwerde des Angeklagten, sondern auch für eine solche der Staatsanwaltschaft.

Im angefochtenen Trennungsbeschluss hat die erkennende Wirtschaftsstrafkammer gerade zum Zwecke der Verfahrensbeschleunigung den von ihr nunmehr noch zu verhandelnden Prozessstoff bestimmt. rch die Konzentration des Prozessstoffes auf den abgetrennten Anklagepunkt auswirkt. Dieser scheidet aus dem Prozess im gegenwärtigen Verfahrensstadium aus, was aber gerade die schnellere Verfahrensbeendigung im übrigen ermöglichen soll. Eine weitergehende Bedeutung für die Behandlung des abgetrennten Verfahrensteils hat der angefochtene Beschluss jedoch nicht; über dessen weiteres rechtliches Schicksal hat die Wirtschaftsstrafkammer noch zu befinden.

Die in § 305 S. 1 StPO getroffene Regelung dient der Prozessbeschleunigung und -konzentration und soll verfahrensverzögernde Eingriffe in die Souveränität des erkennenden Gerichts bis zur Urteilsverkündung verhindern. Mit dem Ausschluss der Beschwerdemöglichkeit soll sichergestellt werden, dass eine anstehende oder laufende Hauptverhandlung nicht durch isolierte Rechtsmittel und deren Behandlung durch das Beschwerdegericht verzögert oder in Frage gestellt wird (vgl. OLG Düsseldorf, NStZ-RR 1999, 29). Wollte man die Beschwerde gegen urteilsvorbereitende Zwischenentscheidungen - wie hier die Bestimmung des Verfahrensgegenstandes und des Umfangs der Beweisaufnahme - durch das erkennende Gericht zulassen, würde dies die Hauptverhandlung zerreißen und der Prozessverschleppung Tür und Tor öffnen (vgl. LR-Gollwitzer, a.a.O., § 305 Rdnr. 2). Allein diese Auslegung ist mit dem Sinn des § 305 StPO vereinbar.

Beschlüsse über Trennung und Verbindung von Verfahren deren Wirkung sich darauf beschränkt, den Fortgang des Verfahrens zu betreiben oder es sonst zu fördern, sind der Beschwerde entzogen (vgl. LR-Gollwitzer, a.a.O., § 305 Rdnr. 15 m. w. N.).

Wie der hiesige 4. Strafsenat im genannten Beschluss vom 11. April 1995 bereits zutreffend dargelegt hat, ist bei diesem Ergebnis auch nicht zu besorgen, dass die Verfahrenstrennung des Tatrichters nicht überprüft werden könnte. Ist sie für den Inhalt und/oder das Zustandekommen des verfahrensabschließenden Urteils nämlich noch von Bedeutung, ist mit der Revision zwar eine falsche Ermessensausübung nicht zu beanstanden, doch kann das Rechtsmittel aber darauf gestützt werden, dass im Zusammenhang mit der Trennung ein Ermessensmissbrauch oder ein anderer Verfahrensfehler begangen worden sei (vgl. BGHSt 18, 238, 239). Es bliebe der Staatsanwaltschaft damit unbenommen, gegen eine den Angeklagten aus ihrer Sicht begünstigende Entscheidung vorzugehen.

Die von der Staatsanwaltschaft zur Begründung der Zulässigkeit ihrer Beschwerde herangezogenen Entscheidungen betreffen hingegen vom vorliegenden Sachverhalt abweichende Fälle, in denen das Verfahren im Ganzen ausgesetzt worden ist, also ein Urteil tatsächlich insgesamt verzögert worden ist (vgl. OLG Karlsruhe GA 1974, 285; OLG Frankfurt GA 1973, 51).

Auch die Entscheidung des OLG Frankfurt vom 24. Juni 1991 (StV 1991, 504) erfasst den vom vorliegenden Sachverhalt abweichenden Fall, dass das Verfahren gegen einen von mehreren Angeklagten in vollem Umfang abgetrennt worden ist. Abgesehen davon, dass aus der Entscheidung nicht eindeutig hervorgeht, ob der angefochtene Beschluss ebenfalls während laufender Hauptverhandlung ergangen war und darin im übrigen auch keinerlei Ausführungen zu § 305 StPO enthalten sind, kann es daher hier dahinstehen, ob den dortigen Ausführungen zur ohne weitere Begründung gemäß § 304 Abs. 1 StPO angenommenen Zulässigkeit der Beschwerde zu folgen wäre.

Die von der Strafkammer vorgenommene Abtrennung eines Verfahrensteils und der Ausschluss der Beschwerde nach § 305 StPO sind überdies auch im Hinblick auf die bereits mehr als acht Monate andauernde Untersuchungshaft des Angeklagten gerechtfertigt. Denn sie dienen dem beschleunigten Fortgang und dem Abschluss des Verfahrens und damit der Vorbereitung und Förderung der Urteilsfällung (vgl. auch OLG Koblenz MDR 1982, 429 sogar für den Fall der Verbindung zweier anhängiger Verfahren gemäß § 237 StPO).

Nach alledem war die Beschwerde mit der sich aus entsprechender Anwendung der §§ 467, 473 StPO ergebenden Kostenfolge als unzulässig zu verwerfen.


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