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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 3 Ws 243/03 OLG Hamm

Leitsatz: Bei einem mehrmonatigen Aufenthalt in einer Therapieeinrichtung kann ein Beschluss über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung unter der vormaligen Wohnanschrift nicht mehr wirksam im Wege der Ersatzzustellung zugestellt werden, weil Wohnung ohne Rücksicht auf Wohnsitz oder polizeiliche Anmeldung nur diejenige Räumlichkeit ist, die der Adressat zur Zeit der Zustellung tatsächlich für einen gewissen Zeitraum zum Wohnen benutzt.

Senat: 3

Gegenstand:

Stichworte: Zustellung; Ersatzzustellung; Aufenthalt in einer Therapieeinrichtung; Wohnsitz

Normen: StPO 46, StPO 37, StPO 181

Beschluss: Strafsache
gegen J.B.
wegen Diebstahls (hier: Sofortige Beschwerde des Verurteilten gegen die Ablehnung des Antrags auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen einen Widerrufsbeschluss.
Auf die sofortige Beschwerde des Verurteilten vom 11.04.2003 gegen den Beschluss der IV. Strafkammer des Landgerichts Essen vom 21.03.2003 hat der 3. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 17. 06. 2003 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:
Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Dem Verurteilten wird Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 18.02.2001 gewährt.
Die Kosten der Beschwerde werden der Staatskasse auferlegt.
Gründe:
Das Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer hat gegen den Beschwerdeführer am 13.02.1997 wegen Diebstahls in 15 Fällen eine Gesamtfreiheitsstrafe von einem Jahr unter Strafaussetzung zur Bewährung verhängt.
Mit Beschluss vom 18.09.2001 hat das Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer die durch sein Urteil vom 13.02.1997 bewilligte Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen. Der Widerrufsbeschluss ist dem Beschwerdeführer am 11. 10.2001 unter der Anschrift „P.weg 17, 4XXXX G." durch Niederlegung zugestellt worden.
Mit am 05.03.2003 bei dem Amtsgericht Gelsenkirchen-Buer eingegangenem Schriftsatz seines Verteidigers vom 04.03.2002 hat der Beschwerdeführer sofortige Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss eingelegt und gleichzeitig für den Fall, dass die Beschwerde verspätet eingelegt sein sollte, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Beschwerdefrist beantragt. Zur Begründung hat er ausgeführt, dass er sich ab dem 11. 10.2001 zu einer Entgiftung im Krankenhaus in Hemer befand und anschließend nahtlos in die Therapieeinrichtung Sirius gekommen sei, wo er sich zum Zeitpunkt der Beschwerde bzw. des Wiedereinsetzungsgesuches noch aufhalte.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das Landgericht die sofortige Beschwerde vom 04.03.2002 als unzulässig verworfen und das Wiedereinsetzungsgesuch des Beschwerdeführers zurückgewiesen. Zur Begründung hat das Landgericht ausgeführt, dass der Beschwerdeführer die Beschwerdefrist nicht eingehalten habe. Dies habe er auch selbst verschuldet, da er selbst, etwa durch einen Nachsendeantrag, dafür hätte Sorge tragen müssen, dass ihn gerichtliche Post jederzeit erreichen könne, nachdem ihm am 06.09.2001 durch Niederlegung das Anhörungsschreiben des Amtsgerichts im Widerrufsverfahreri zugestellt worden sei.

Gegen den seinem Verteidiger am 08.04.2003 zugestellten Beschluss des Landgerichts hat der Beschwerdeführer mit am 11.04.2003 bei dem Landgericht eingegangen Schreiben seines Verteidigers sofortige Beschwerde eingelegt.

Die sofortige Beschwerde ist gemäß § 46 Abs. 3 StPO statthaft, soweit sie sich gegen die Verwerfung des Wiedereinsetzungsgesuches des Beschwerdeführers gegen die Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss richtet. Die fristgerecht, § 311 Abs. 2 StPO, eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg.

Der angefochtene Beschluss war aufzuheben, soweit der Antrag des Verurteilten auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Wochenfrist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde zurückgewiesen worden ist. Der Beschwerdeführer hat die befriste Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen den Widerrufsbeschluss des Amtsgerichts nämlich gar nicht versäumt, da die Beschwerdefrist mangels wirksamer Zustellung des Widerrufsbeschlusses nicht in Lauf gesetzt worden ist. Er ist aber durch den angefochtenen Beschluss so behandelt worden, als hätte er die Frist versäumt, so dass ihm Wiedereinsetzung gewährt werden muss (ständige Rechtsprechung, vgl.: Meyer-Goßner, StPO, 46. Aufl., § 44 Rdnr. 2).

Die Zustellung des Widerrufsbeschlusses des Amtsgerichts Gelsenkirchen-Buer vom 18.09.2001 im Wege der Niederlegung ist nicht wirksam. Der Beschwerdeführer hatte nämlich zum Zeitpunkt der Niederlegung vom 11.10.2001 unter der Zustellanschrift „P.weg 17, 4XXXX G." nicht mehr seine Wohnung im Sinne seines tatsächlichen Lebensmittelpunktes (vgl. Meyer-Goßner, aa0, § 37 Rdnr. 8). Wohnung ist ohne Rücksicht auf Wohnsitz oder polizeiliche Anmeldung die Räumlichkeit, die der Adressat zur Zeit der Zustellung tatsächlich für einen gewissen Zeitraum zum Wohnen benutzt (ebda). Insoweit ist anerkannt, dass etwa bei einem mehrmonatigen Aufenthalt in einer Therapieeinrichtung unter der vormaligen Wohnanschrift nicht mehr wirksam im Wege der Ersatzzustellung zugestellt werden kann (ebda, vgl. auch OLG Hamm NStZ 1982, 521; OLG Karlsruhe, NJW 1997, 2183). Hier hatte sich der Beschwerdeführer am Tage der Zustellung, dem 11. 10.2001, zur Entgiftungsbehandlung in die Hans-Prinzhorn-Klinik in Hemer begeben, wie er durch ärztliche Bescheinigung der Klinik vom 15.10.2001 glaubhaft gemacht hat. Die Aufnahme dort erfolgte bis auf weiteres, wobei im Anschluss an die Entgiftung die Durchführung einer voraussichtlich 26 Wochen dauernden Langzeittherapie in der Therapieeinrichtung Sirius in Altena geplant und durch Bescheid der Westfälischen Arbeitsgemeinschaft für Rehabilitation vom 24.09.2001 auch bewilligt worden war. Tatsächlich begab sich der Beschwerdeführer, wie sich aus den von ihm vorgelegten Bescheinigungen der Therapieeinrichtung Sirius ergibt, unmittelbar im Anschluss an die Durchführung der Entgiftung am 05.11.2002 in diese Therapieeinrichtung und verblieb dort bis zum 01.07.2002. An jenem Tage wurde er in die Nachsorgeeinrichtung Haus Kadisch in Herne entlassen, wo er bis zum 06.09.2002 verblieb. Der Beschwerdeführer hatte damit zum Zeitpunkt der Zustellung am 11. 10.2001 seinen Lebensmittelpunkt für einen Zeitraum von 11 Monaten in die vorgenannten Therapieeinrichtungen verlegt und war damit unter der Zustellanschrift nicht mehr wohnhaft im Sinne von § 181 ZPO a. F.. Unschädlich ist dabei, dass der Tag der Zustellung und der Wechsel des Lebensmittelpunktes des Beschwerdeführers in einem Tag zusammenfielen. Hier ist nämlich davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer jedenfalls zum Zeitpunkt der Niederlegung seinen Lebensmittelpunkt bereits in der beschriebenen Weise verlegt hatte. Denn nach den vorliegenden Auskünften der Deutschen Post ist der Benachrichtigungsschein über die Ersatzzustellung vom 11.10.2001 in der Folgezeit nicht abgeholt worden, so dass die zuzustellende Postsendung schließlich an das Amtsgericht zurückgeschickt werden musste. Diesem deutlichen Indiz für einen Wechsel des Lebensmittelpunktes des Beschwerdeführers bereits zum genannten Zeitpunkt stehen keine Anhaltspunkte gegenüber, die die Annahme begründen könnten, der Beschwerdeführer habe am Tage der Niederlegung noch die Möglichkeit der Kenntnisnahme von dem Benachrichtigungszettel gehabt, diese aber aus ihm zurechenbaren Gründen nicht wahrgenommen.
Soweit das Landgericht in dem angefochtenen Beschluss die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers gegen den Widerrufsbeschluss als unzulässig verworfen hat, ist der angefochtene Beschluss infolge der Gewährung von Wiedereinsetzung gegen die Versäumung der Beschwerdefrist gegenstandslos (vgl. Meyer-Goßner, aa0, § 44 Rdnr. 24). Der Senat hat den angefochtenen Beschluss daher zur Klarstellung auch insoweit aufgehoben.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 3 StPO analog.


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