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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ws 233/01 OLG Hamm

Leitsatz: Die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich auch darauf, dass der Postzusteller die Benachrichtigung über die Niederlegung an dem angegebenen Tag in den Zustellungsempfänger betreffenden Hausbriefkasten eingeworfen hat. Der Gegenbeweis ist zwar zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Dieser ist aber substantiiert anzutreten.

Senat: 2

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, Zustellung im Hausbriefkasten, Beweiskraft der Zustellungsurkunde, substantiierter Gegenbeweis

Normen: StPO 329, StPO 44, ZPO 418

Beschluss: Strafsache
gegen J.G.,
wegen Trunkenheit im Verkehr

Auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten gegen den Beschluss der 7. Strafkammer des Landgerichts Hagen vom 9. August 2001 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 18. 09. 2001 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht Strafrichter Hagen hat den Angeklagten am 27. Februar 2001 wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe in Höhe von 100 Tagessätzen zu je 100,00 DM verurteilt und ihm darüber hinaus die Fahrerlaubnis entzogen, seinen Führerschein eingezogen und eine Sperrfrist für die Erteilung einer neuen Fahrerlaubnis von noch zwei Jahren gegen ihn verhängt. Auf die dagegen gerichtete Berufung des Angeklagten hat der Vorsitzende der 7. Strafkammer des Landgerichts Hagen Termin zur Hauptverhandlung auf den 27. Juli 2001 bestimmt, zu dem der Angeklagte im Wege der Ersatzzustellung durch Niederlegung am 6. Juli 2001 geladen worden ist. Die ordnungsgemäß ausgestellte und unterzeichnete Postzustellungsurkunde vom 6. Juli 2001 weist aus, dass die Benachrichtigung über die erfolgte Niederlegung in den Hausbriefkasten eingeworfen worden ist. Da der Angeklagte in der Berufungshauptverhandlung nicht erschienen ist, hat die Strafkammer die Berufung durch Urteil nach § 329 Abs. 1 StPO verworfen. Zur Begründung hat sie ausgeführt, der Angeklagte habe zwar rechtzeitig Berufung eingelegt, sei aber im Termin zur Berufungshauptverhandlung ungeachtet der durch die Urkunde vom 6. Juli 2001 nachgewiesenen Ladung ohne genügende Entschuldigung ausgeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten worden.

Gegen das seinem Verteidiger am 1. August 2001 zugestellte Verwerfungsurteil hat der Angeklagte mit Schriftsatz seines Verteidigers vom 8. August 2001, am selben Tage beim Landgericht in Hagen eingegangen, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gegen die Versäumung der Berufungshauptverhandlung beantragt. Zur Begründung hat er unter Bezugnahme auf eine eigene eidesstattliche Versicherung vorgetragen, er habe keine Kenntnis von dem Hauptverhandlungstermin gehabt, da er während seiner urlaubsbedingten Ortsabwesenheit in der Zeit vom 8. Juli bis zum 23. Juli 2001 weder eine Zustellung für den neuen Hauptverhandlungstermin noch eine Benachrichtigung über die erfolgte Niederlegung erhalten habe.

Das Landgericht hat das Wiedereinsetzungsgesuch durch den angefochtenen Beschluss vom 9. August 2001 mangels Glaubhaftmachung (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO) als unzulässig verworfen.

Gegen diesen Beschluss richtet sich die sofortige Beschwerde des Angeklagten, der nunmehr zur Glaubhaftmachung eine eidesstattliche Versicherung seiner Freundin beigefügt ist, in der diese angibt, auch in den Tagen vor Antritt der Urlaubsreise am 8. Juli 2001 keine Benachrichtigung über die versuchte Zustellung vorgefunden zu haben. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die gemäß § 46 Abs. 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde des Angeklagten ist zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet.

Die 7. Strafkammer des Landgerichts Hagen hat dem Wiedereinsetzungsgesuch des Angeklagten zu Recht nicht stattgegeben, da es unzulässig ist.

Nach §§ 329 Abs. 3 i.V.m. § 44 Satz 1, 45 StPO kann der Angeklagte Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beanspruchen, wenn er ohne eigenes Verschulden verhindert war, in der Berufungshauptverhandlung anwesend zu sein. Die Tatsachen zur Begründung dieses Antrages sind darzulegen und glaubhaft zu machen (§ 45 Abs. 2 Satz 1 StPO). Hierzu ist ein Sachverhalt vorzutragen, der ein der Wiedereinsetzung entgegenstehendes Verschulden des Antragstellers ausschließt. Erforderlich ist hierzu eine genaue Darstellung der Umstände, die für die Frage bedeutsam sind, wie und ggfs. durch welche Umstände es zu der Versäumung der Berufungshauptverhandlung gekommen ist. Der Antrag muss deshalb unter Angabe von Tatsachen so vollständig begründet sein, dass ihm die unverschuldete Verhinderung des Antragstellers ohne weiteres entnommen werden kann. Die insoweit notwendige genaue Darstellung der Umstände, die zur Versäumung der Berufungshauptverhandlung geführt haben, ist binnen der Wochenfrist nach § 329 Abs. 3, 45 Abs. 1 Satz 1 StPO anzubringen. Nach Ablauf der Frist können diese Angaben allenfalls ergänzt oder verdeutlicht werden.

Diesen Anforderungen genügt das Wiedereinsetzungsgesuch vom 8. August 2001 ersichtlich nicht. Abgesehen von dem Mangel an jeglicher Glaubhaftmachung die eigene eidesstattliche Versicherung des Angeklagten genügt nicht, da sie nur den Wert einer eigenen schlichten Erklärung hat - fehlt es bereits an dem erforderlichen umfassenden Sachvortrag.

Das erst im Beschwerderechtszug geltend gemachte neue Vorbringen des Angeklagten, auch in den Tagen vor Antritt der Urlaubsreise keine Benachrichtigung über die Zustellung erhalten zu haben, kann keine Berücksichtigung finden (vgl. hierzu OLG Hamm VRS 86, 179, 180). Zu diesem Zeitpunkt war die Wochenfrist der §§ 329 Abs. 3, 45 Abs. 2 Satz 1 StPO bereits verstrichen.

Aber auch wenn dieses neue Vorbringen rechtzeitig geltend gemacht worden wäre, hätte dem Angeklagten die beantragte Wiedereinsetzung nicht gewährt werden können. Aufgrund der Beweiskraft der Postzustellungsurkunde als öffentliche Urkunde über die am 6. Juli 2001 durch Niederlegung bei der Postanstalt erfolgte Ersatzzustellung (§§ 37 Abs. 1 StPO, 418 Abs. 1 ZPO) ist nämlich davon auszugehen, dass die Ladung zur Berufungshauptverhandlung dem Angeklagten ordnungsgemäß zugestellt wurde. Denn die Beweiskraft der Zustellungsurkunde erstreckt sich auch darauf, dass der Postzusteller die Benachrichtigung über die Niederlegung an dem angegebenen Tag in den Zustellungsempfänger betreffenden Hausbriefkasten eingeworfen hat (vgl. BverfG NJW 1992, 224, 225; NStZ-RR 1998, 73). Der Gegenbeweis ist zwar zulässig (§ 418 Abs. 2 ZPO). Dieser ist aber substantiiert anzutreten. Entweder muss ein Sachverhalt vorgetragen werden, der sich auf die Urkunde und deren inhaltliche Richtigkeit bzw. die inhaltliche Richtigkeit des beurkundeten Vorgangs selbst bezieht (vgl. Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 45. Aufl., § 37 Rdnr. 27 m.w.Nachw.) oder aber der Antragsteller muss Einzelheiten vortragen und glaubhaft machen, aus denen sich ergeben kann, dass aufgrund der konkreten Umstände ein Abhandenkommen des Benachrichtigungszettels möglich erscheint (vgl. BVerfG NStZ-RR 1998, 73, 74). Beschränkt sich der Antragsteller jedoch, wie vorliegend, lediglich darauf, den Erhalt des Benachrichtigungszettels zu bestreiten, so fehlt es in jeder Hinsicht an der gebotenen Substantiierung (vgl. hierzu auch OLG Düsseldorf VRS 87, 441, 442).

Ob der Wiedereinsetzungsantrag wie die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Stellungnahme vom 4. September 2001 meint schon deshalb als unzulässig zu verwerfen war, weil der Angeklagte darin nicht angegeben hat, wann ihm das Verwerfungsurteil zugegangen ist, brauchte der Senat angesichts des bereits unsubstantiierten Sachvortrags nicht zu entscheiden. Zwar ist diese Angabe grundsätzlich unentbehrlich und gehört zu den Zulässigkeitsvoraussetzungen eines Wiedereinsetzungsantrags, da das Gericht bei der summarischen Prüfung des Wiedereinsetzungsantrages in die Lage versetzt werden soll, ohne Beweiserhebungen und weitere Erkundigungen überprüfen zu können, ob die Wochenfrist des § 329 Abs. 3 i.V.m. 45 Abs. 1 Satz 1 StPO gewahrt ist (vgl. OLG Düsseldorf VRS 64, 269,271; MDR 1990, 1035). Dies kann aber nicht uneingeschränkt gelten, insbesondere dann nicht, wenn dieser Zeitpunkt aktenkundig ist. Ausweislich der Akten ist das Berufungsurteil dem Verteidiger des Angeklagten am 1. August 2001 zugestellt worden, so dass davon auszugehen ist, dass es dem Angeklagten, dem es nach der richterlichen Anordnung formlos zugesandt werden sollte, zeitgleich am 1. August zugegangen ist. Bei Zweifeln ist insoweit zu Gunsten des Angeklagten zu entscheiden (vgl. KK-Maul, StPO, 2. Aufl., § 45 Rdnr. 3 m. w. Nachw.; a. A. Kleinknecht/Meyer-Goßner, a.a.O., § 45 Rdnr. 3).

Da nach alledem die Strafkammer dem Wiedereinsetzungsgesuch des Angeklagten zu Recht nicht stattgegeben hat, musste seine sofortige Beschwerde mit der sich aus § 473 Abs. 1 StPO ergebenden Kostenfolge als unbegründet verworfen werden.


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