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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 65/01 OLG Hamm

Leitsatz: Die Zuständigkeit des Gerichts des ersten Rechtszuges besteht für die Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung auch dann, wenn in einer Jugendschutzsache die Jugendkammer - entgegen dem Jugendschöffengericht - in der Berufungsinstanz erstmals die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt hat.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Aufhebung, Unzuständigkeit der Jugendkammer, Jugendschutzsache, Bewährung erst durch die Jugendkammer in der Berufungsinstanz, Gericht des ersten Rechtszuges, Widerruf der Bewährung

Normen: StPO 462 a Abs. 3 S. 1, StPO 453, StGB 56 f

Beschluss: Strafsache gegen H.V ,
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes.

Auf den Antrag des Verurteilten auf Beiordnung eines Pflichtverteidigers für das Beschwerdeverfahren und auf seine sofortige Beschwerde vom 27. Februar 2001 gegen den Beschluss der 3. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Münster vom 20. Februar 2001 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29.03.2001 durch den Vorsitzen den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und die Richterin am Landgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

1. Der Antrag auf Beiordnung des Rechtsanwalts B. aus Meppen als Pflichtverteidiger für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt (Entscheidung des Vorsitzenden).

2. Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.

3. Die Sache ist dem Jugendschöffengericht Rheine zur neuen Behandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Beschwerdeverfahrens - zuzuleiten.

Gründe:
I. Das Jugendschöffengericht Rheine hat als Jugendschutzgericht im Sinne von §§ 24, 26 GVG gegen den Verurteilten am 26. Februar 1997 wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes in einem minderschweren Fall auf eine Freiheitsstrafe von zehn Monaten erkannt. Auf die Berufung des Verurteilten hat die 3. Strafkammer - Jugendkammer - des Landgerichts Münster durch Urteil vom 26. Mai 1997 die Vollstreckung der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt. Nachdem der Verurteilte innerhalb der Bewährungszeit erneut straffällig geworden und gegen ihn durch Urteil des Amtsgerichts Lingen vom 24. März 1998 in Verbindung mit dem Berufungsurteil des Landgerichts Osnabrück vom 28. Mai 1998 wegen vorsätzlicher Trunkenheit in Verkehr und Widerstandes gegen Vollstreckungsbeamte eine Gesamtgeldstrafe von 210 Tagessätzen zu je 30,00 DM festgesetzt worden war, hat die Jugendkammer durch Beschluss vom 17. Dezember 1998 die Bewährungszeit um ein weiteres Jahr auf nunmehr vier Jahre verlängert.

Nach seiner vorläufigen Festnahme am 17. August 2000 befindet sich der Verurteilte auf Grund des Haftbefehls des Amtsgerichts Meppen vom 18. August 2000 (7 Gs 597/00) in Untersuchungshaft in der Justizvollzugsanstalt Lingen I. Die in diesem Verfahrens bereits erhobene Anklage der Staatsanwaltschaft Osnabrück legt dem Verurteilten zur Last, in der Zeit vom 16. Mai 1992 bis zum 5. August 2000 durch insgesamt zehn Straftaten u.a. sexuelle Handlungen an Kindern vorgenommen zu haben. Der Verurteilte hat die im angetasteten Straftaten vom 5. Juni 2000, Juni/Juli 2000, 3. und 5. August 2000 sowohl bei seiner verantwortlichen Vernehmung als auch vor dem Haftrichter eingestanden. Deshalb hat die Jugendkammer des Landgerichts Münster die durch ihr Urteil vom 26. Mai 1997 ausgesprochene Strafaussetzung zur Bewährung widerrufen.

Hiergegen richtet sich die nicht näher ausgeführte sofortige Beschwerde des Verurteilten. Gleichzeitig beantragt er, ihm Rechtsanwalt B. als Pflichtverteidiger für das Beschwerdeverfahren beizuordnen.

II.
Der Antrag auf Beiordnung des Rechtsanwalts B. aus Meppen als Pflichtverteidiger für das Beschwerdeverfahren wird abgelehnt, weil dieses weder in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht Schwierigkeiten aufweist noch sonst ein Anlaß besteht, der ausnahmsweise die Mitwirkung eines Pflichtverteidigers in einem Widerrufsverfahrens angezeigt erscheinen lassen könnten. Der Umstand, dass der Verurteilte sich seit August 2000 in anderer Sache in Untersuchungshaft befindet, genügt dazu nicht. Im übrigen ist den Akten, insbesondere den Berichten des Bewährungshelfers zu entnehmen, dass der Verurteilte ohne weiteres in der Lage ist, seine Anliegen selbst sachgerecht vorzutragen (Entscheidung des Vorsitzenden).

III.
Die sofortige Beschwerde gegen den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung hat vorläufigen Erfolg. Sie führt zur Aufhebung der angefochtenen Entscheidung. Die Sache ist dem Jugendschöffengericht Rheine zur neuen Behandlung und Entscheidung vorzulegen.

Die Jugendkammer des Landgerichts Münster war und ist für die nach §§ 453 StPO, 56 f StGB zu treffende Entscheidung über den Widerruf der Strafaussetzung zur Bewährung nicht zuständig. Zuständig für die Entscheidung in der vorliegenden Jugendschutzsache ist vielmehr nach § 462 a Abs. 3 Satz 1 StPO ungeachtet dessen, dass die Jugendkammer entgegen dem Urteil des Jugendschöffengerichts Rheine vom 26. Februar 1997 erstmals die Vollstreckung der erkannten Strafe zur Bewährung ausgesetzt hat, das Gericht des ersten Rechtszuges (vergl. auch Kleinknecht/Meyer-Goßner, StPO, 44. Auflage, § 462 a Rdn. 19; KK-Fischer, StPO, 4. Auflage, § 462 a Rdn. 31), mithin das Jugendschöffengericht Rheine. Die besonderen Vorschriften betreffend die Zuständigkeiten für die Vollstreckungsentscheidungen nach Jugendrecht (§ 58 JGG) sind hier nicht anzuwenden, weil der Beschwerdeführer nicht nach Jugendrecht, sondern ausschließlich nach Erwachsenenstrafrecht verurteilt worden ist. Das Jugendschöffengericht war ausnahmsweise als Jugendschutzgericht in Anwendung des § 26 GVG mit der Sache befasst worden, weil sich die zu beurteilende Straftat gegen ein Kind gerichtet hat und dieses als Zeuge benötigt wurde (vergl. Kleinknecht/Meyer-Goßner a.a.O. § 26 GVG Rdn. 4). Derartige Gesichtspunkte des Jugendschutzes sind jedoch für das Vollstreckungsverfahren gegen den bereits zur Tatzeit erwachsenen Verurteilten ohne Bedeutung, so dass insoweit ausschließlich Erwachsenenrecht, hier also die Zuständigkeitsregelung des § 462 a Abs. 3 Satz 1 StPO, anzuwenden ist.

Dass gegen die Entscheidung des Jugendschöffengerichts die Jugendkammer im Falle von Rechtsmitteln der Beteiligten letztendlich abschließend entscheiden könnte, begründet keine Sachentscheidungsbefugnis des Senats, zumal gegen eine Beschwerdeentscheidung der Jugendkammer eine weitere Beschwerde nicht zulässig ist (§ 310 StPO).

Da der Senat über die Frage des Widerrufs der Strafaussetzung keine Sachentscheidung getroffen hat, bestand auch kein Raum für eine verfahrensabschließende Kostenentscheidung. Über die Kosten des Beschwerdeverfahrens wird daher ebenfalls das Jugendschöffengericht Rheine zu entscheiden haben.


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