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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 1449/98

Leitsatz: 1. Zur Annahme von Vorsatz hinsichtlich einer Geschwindigkeitsüberschreitung (Abgrenzung zu Senat vom 21.04.1998) - 2 Ss OWi 375/98 = DAR 1998, 281 = MDR 1998, 901 = VRS 95, 293.
2. Zum existenzgefährdenden Fahrverbot (Baufirma, 2 Mitarbeiter/2 Lkw, der Betroffene muß selbst fahren) .

Senat: 2

Gegenstand: OWi

Stichworte: Geschwindigkeitsüberschreitung, Vorsatz, Fahrlässigkeit, erhebliche Überschreitung, 80 %, Fahrverbot, Existenzgefährung

Fundstelle: VRS 96, 291; ZAP EN-Nr. 172/99; MDR 1999, 419; DAR 1999, 178; VRS 96, 291; NZV 1999, 301

Beschluss: OLG Hamm, Beschluß vom 04.01.1999

Das AG hat gegen den Betr. wegen einer vorsätzlich begangenen Geschwindigkeitsüberschreitung eine Geldbuße in Höhe von 260,- DM sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt.
Es hat folgende Feststellungen getroffen:
Der 44jährige Betr. ist Inhaber einer Straßen- und Tiefbaufirma in Iserlohn, er hat zwei Mitarbeiter. Das Unternehmen verfügt über zwei Lkw.
Der Betr. besitzt den Führerschein der Klasse 3 seit dem 04.11.1997. Im Verkehrszentralregister ist eine Eintragung vorhanden. Durch Bußgeldbescheid der Stadt Bielefeld vom 18.10.1996, rechtskräftig seit dem 27.11.1996, wurde gegen ihn eine Geldbuße von 500,00 DM festgesetzt, da er am 03.08.1996 mit einem Pkw außerhalb der geschlossenen Ortschaft eine Geschwindigkeitsüberschreitung begangen hat. Auf der A 2 wurden statt der zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h 161 km/h gefahren.
Aufgrund der geständigen Einlassung des Betr. im Hauptverhandlungstermin in Verbindung mit dem in Augenschein genommenen Foto Blatt 3 der Akte sowie dem verlesenen Meßprotokoll sowie der ebenfalls verlesenen Bescheinigung des Eichamtes Dortmund bezüglich des benutzten Geschwindigkeitsmeßgerätes der Bauart Traffiphot-S steht folgender Sachverhalt fest:
Am Morgen des 14.01.1998 gegen 06:00 Uhr befuhr der Betr. mit seinem Fahrzeug mit dem Kennzeichen MK-RR 1000 die Igelstraße in Iserlohn in Richtung Stadt. Unwiderlegt fuhr vor ihm ein Fahrzeug mit ca. 30 km/h, obwohl die zulässige Höchstgeschwindigkeit 50 km/h betrug. Nachdem der Betr. ca. 3 bis 4 Kilometer hinter dem besagten Fahrzeugführer hergefahren war, bog dieser an der Düsingstraße nach links ab. Unmittelbar danach gab der Betr. Gas, da er sich geärgert hatte. Er nahm dabei zumindest billigend in Kauf, daß die zulässige Höchstgeschwindigkeit von ihm erheblich überschritten wurde.
Als sich der Betr., der mit den Örtlichkeiten vertraut ist, dann einem sogenannten Starenkasten näherte, bremste er sein Fahrzeug noch ab, da ihm bewußt war, daß die zulässige Höchstgeschwindigkeit weiterhin, auch außerhalb der geschlossenen Ortschaft, 50 km/h betrug. Gleichwohl betrug seine Geschwlndigkeft abzüglich eines Toloranzwertes von 3 km/h beim Passieren des sogenannten Starenkasten noch 91 km/h."
Hiergegen richtet sich die in zulässiger Weise erhobene Rechtsbeschwerde des Betr., die, mit näherer Begründung, die Verletzung sachlichen Rechts rügt.
Die GeneralStA hat beantragt, das angefochtene Urteil mit den Feststellungen aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das AG zurückzuverweisen.
Der Rechtsbeschwerde ist, nur ein - zumindest vorläufiger - Teilerfolg beschieden.
Die vom AG getroffenen tatsächlichen Feststellungen tragen die Verurteilung des Betr. wegen einer vorsätzlich begangenen Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit.
Zwar läßt die im amtsgerichtlichen Urteil nicht näher erläuterte geständige Einlassung des Betr. allein nicht den Schluß zu, daß er die zulässige Höchstgeschwindigkeit gerade auch in dem vom AG festgestellten Umfang bewußt und gewollt überschritten hat. Insoweit folgt der Senat der auf den Senatsbeschluß vom 21.04.1998 - 2 Ss OWi 375/98 - gestützten Auffassung der GeneralStA. Das nicht näher konkretisierte Geständnis des Betr. ist jedoch ein Indiz für eine vorsätzliche Begehungsweise, das, im Zusanunenhang mit hier vorliegenden weiteren Umständen, die vom AG, gezogene Schlußfolgerung rechtfertigt. Nach den getroffenen Feststellungen ist der Betr. mit einer vorwerfbaren Geschwindigkeit von 91 km/h gefahren, so daß er die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h um 82 % überschritten hat. Diese erhebliche, für einen Kraftfahrer wahrnehmbare Überschreitung ist ebenfalls ein Anhaltspunkt für Vorsatz, zumal der Betr. mit den Örtlichkeiten und der geltenden Geschwindigkeitsregelung vertraut war (vgl OLG Düsseldorf, VRS 69, 50; 91, 149; BayObLG, NStZ 1987, 548; OLG Hamm, VRS 90, 210; Jagusch/Hentschel, Straßenverkehrsrecht, 34; Aufl, § 3 StVO Rdn 56).
Schließlich kann auch das Abbremsen des ortskundigen Betr. beim Erreichen des Geschwindigkeitsmeßgerätes für die wissentlich von ihm begangene Geschwindigkeitsüberschreitung sprechen.
Wenn auch keiner dieser aufgezeigten Gesichtspunkte für sich allein genommen die Annahme von Vorsatz zu begründen vermag, so gewinnen diese doch bei einer Gesamtschau - die geständige Einlassung, die Überschreitung um 82 %, Ortskenntnis, Abbremsen vor der Meßstelle - insgesamt ein derartiges Gewicht, daß die vom AG daraus gezogene Schlußfolgerung auf eine vorsätzlich begangene Geschwindigkeitsüberschreitung im festgestellten Umfang - ohne daß der Vorsatz die Überschreitung ziffernmäßig genau erfassen muß, das Wissen um das Maß der Erheblichkeit reicht aus - keinen durchgreifenden Bedenken begegnet.
Der Schuldspruch ist nach alledem nicht zu beanstanden, so daß die Rechtsbeschwerde insoweit zu verwerfen war.
Die Überprüfung des Rechtsfolgenausspruches des angefochtenen Urteils läßt indes Rechtsfehler erkennen, die zur Aufhebung des angefochtenen Urteils insoweit und zur Zurückverweisung der Sache an das AG führen.
Zwar ist gegen die Höhe der verhängten Geldbuße in Anbetracht der einschlägigen Vorbelastung des Betr. nichts zu erinnern. Das angefochtene Urteil verkennt auch nicht, daß bei einem Verkehrsverstoß der hier gegebenen Art die Verhängung eines Fahrverbots nicht zwingend ist, sondern in Ausnahmefällen, etwa im Falle besonderer beruflicher Härten, davon abgesehen werden kann, u.U. bei gleichzeitiger Erhöhung der Geldbuße. Das AG läßt jedoch in diesem Zusammenhang eine - zwingend erforderliche - Auseinandersetzung mit dem Vortrag des Betr., sein Unternehmen, eine Baufirma, die nach den getroffenen Feststellungen über zwei Mitarbeiter und zwei Lkw verfügt, befinde sich in einer schwierigen finanziellen Situation und er sei darauf angewiesen, selbst zu fahren, vermissen. Über diese knappen Ausführungen hinaus hätte das AG die berufliche und wirtschaftliche Situation des Betr. im einzelnen darlegen und die Frage einer eventuellen Existenzvernichtung, die in der Regel, aber nicht zwingend, ein Absehen von der Verhängung eines Fahrverbotes erfordert, klären müssen (vgl Senatsbeschluß vom 18.07.1995 in NZV 1995, 498 = VRS 90, 213). Auf der Grundlage der bisher getroffenen (und nicht gewürdigten) Feststellungen ist dem Senat als Rechtsbeschwerdegericht eine abschließende Überprüfung der amtsgerichtlichen Entscheidung verwehrt.
Soweit mit der Rechtsbeschwerde im einzelnen, über die Urteilsfeststellungen hinausgehend, für den Fall der Verhängung des (Regel-)Fahrverbotes die Gefährdung der wirtschaftlichen Existenz behauptet wird, wird das AG in der erneuten Hauptverhandlung dieses Vorbringen, sollte es wiederholt werden, einer kritischen Würdigung unterziehen und ggf. darüber Beweis erheben müssen (vgl Senatsbeschluß vom 29.02.1996 - 2 Ss OWi 122/96).
Der Senat hat daher auch von der durch § 79 Abs 6 OWiG eingeräumten Möglichkeit, selbst in der Sache zu entscheiden, keinen Gebrauch gemacht.
Der aufgezeigte Begründungsmangel verhilft der Rechtsbeschwerde zu einem - jedenfalls vorläufigen - Teilerfolg. Die Sache war daher nach alledem unter Verwerfung der Rechtsbeschwerde im übrigen im Rechtsfolgenausspruch mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und in diesem Umfange zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das AG Iserlohn zurückzuverweisen.


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