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Rechtsprechung


Aktenzeichen: 4 Ss 7/99 OLG Hamm

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Aufhebung, Fahrlässigkeit, Trunkenheit im Verkehr, Vorsatz

Normen: StGB 316 Abs. 1

Beschluss: Strafsache gegen M.F.,
wegen Trunkenheit im Verkehr.

Auf die (Sprung-)Revision des Angeklagten gegen das Urteil des Amtsgerichts Ahaus vom 15.10.1998 hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 04.02.1999 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft gemäß § 349 Abs. 4 StPO einstimmig beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Ahaus zurückverwiesen.

Gründe: Das Amtsgericht hat den Angeklagten wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr zu einer Geldstrafe von 40 Tagessätzen zu je 50,- DM verurteilt. Gleichzeitig hat es ihm die Fahrerlaubnis entzogen, den Führerschein eingezogen und angeordnet, daß ihm vor Ablauf von noch 9 Monaten keine neue Fahrerlaubnis erteilt werden darf.
Zum Schuldspruch hat das Amtsgericht folgende Feststellungen getroffen:
"Der Angeklagte befuhr am frühen Morgen des 28.06.1998 mit dem Krad Suzuki Enduro mit dem amtlichen Kennzeichen BOR-PZ 57 gegen 1.00 Uhr die innerorts gelegene Parallelstraße in Ahaus in Fahrtrichtung B 70. An der Einmündung der Parallelstraße in die B 70 bog der Angeklagte rechts ab in Fahrtrichtung Heek. Der Angeklagte fuhr mit stark überhöhter Geschwindigkeit. Der Zeuge PK S., der dem Angeklagten als Fahrer eines Funkstreifenwagens folgte, las bei gleichbleibendem Abstand zum Motorrad des Angeklagten auf dem Tacho des Funkstreifenwagens eine Geschwindigkeit von ca. 110 km/h ab. Der Angeklagte befuhr die B 70 in starken Schlangenlinien, wobei er mehrmals auf den Gegenfahrstreifen, aber auch bis dicht an den rechten Fahrbahnrand fuhr. Bereits auf der Parallelstraße gab der Zeuge S. dem Angeklagten mit einem auf dem Funkstreifenwagen montierten Signalgeber, der spiegelbildlich in roter Leuchtschrift "STOP POLIZEI" zeigte, Haltezeichen. Der Angeklagte beachtete dieses Haltezeichen nicht.
Der Zeuge schaltete dann auf der B 70 das Blaulicht und das Martinshorn ein. Der Angeklagte hielt auch auf der B 70 das Motorrad nicht an. Nach einer Fahrt von ca. 500 m auf der B 70 bog der Angeklagte am Kreisverkehr B 70/Rottweg nach rechts in den Rottweg ein. Auch diesen befuhr er dann in Schlangenlinien mit stark überhöhter Geschwindigkeit. Vom Rottweg bog der Angeklagte schließlich in die Dieselstraße ab, die Zeugen folgten ihm im Funkstreifenwagen noch immer. Der Zeuge S. konnte den Angeklagten schließlich auf der Dieselstraße überholen und so zum Anhalten bewegen. Die Zeugen stellten beim Angeklagten alkoholische Beeinflussung fest. Die dem Angeklagten um 1.50 Uhr entnommene Blutprobe enthielt eine Blutalkoholkonzentration von 1,53 gr. Von der Blutalkoholkonzentration in mindestens dieser Höhe ist auch für den Zeitpunkt der Fahrt gegen 1.15 Uhr auszugehen. Der Angeklagte war zum Zeitpunkt der Fahrt alkoholbedingt fahruntüchtig für das Führen von Kraftfahrzeugen. Der Angeklagte rechnete spätestens beim Befahren der B 70 damit, aufgrund des zuvor erfolgten Alkoholgenusses, fahruntüchtig zu sein. Er nahm diese Möglichkeit in Kauf, denn er nahm die vom Zeugen PK S. am Funkstreifenwagen eingeschalteten Signale spätestens beim Befahren der B 70 wahr. Er beachtete die Anhaltezeichen deshalb nicht, weil er fürchtete, bei einer Kontrolle werde seine alkoholbedingte Fahruntüchtigkeit entdeckt und dann ein entsprechendes Verfahren gegen ihn eingeleitet."
Der Angeklagte hat sich zu dem Tatvorwurf nicht eingelassen.
Das Amtsgericht wertet das festgestellte Verhalten als vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr. Der Angeklagte habe vorsätzlich gehandelt, denn er habe spätestens bei Wahrnehmung des Blaulichtes und des Martinshorns mit der Möglichkeit, zu viel Alkohol getrunken zu haben, sowie als Folge dessen mit seiner Fahruntüchtigeit gerechnet und diese Möglichkeit billigend in Kauf genommen, da er sein Fahrzeug beschleunigt und auf öffentlichen Straßen gefahren sei. "Letzte Zweifel" seien nach der Erklärung des Angeklagten für seine Trunkenheitsfahrt beseitigt worden. Der Angeklagte habe angegeben, er habe zunächst nach der Feier, auf der Alkohol getrunken wurde, nicht mehr mit dem Motorrad fahren wollen. Er habe sich dann aber über diese Bedenken hinweggesetzt, weil auch seine Freunde die Feier mit einem Motorrad verließen.
Gegen dieses Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner auf die Rüge der Verletzung materiellen Rechts gestützten, form- und fristgerecht eingelegten (Sprung-)Revision, mit der er seine Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr angreift.
II. Das Rechtsmittel hat Erfolg. Im Ergebnis zu Recht macht der Verteidiger in seiner Revisionsbegründung geltend, daß die von dem Amtsgericht getroffenen Feststellungen die Verurteilung wegen vorsätzlicher Trunkenheit im Verkehr nicht tragen.
Zwar hat das Amtsgericht im Rahmen der Prüfung des Tatbestandes der Trunkenheit im Verkehr die objektiven Voraussetzungen des § 316 StGB rechtsfehlerfrei bejaht. Durchgreifenden sachlichrechtlichen begegnete jedoch die Annahme einer vorsätzlichen Tatbegehung.
Im Ausgangspunkt hat das Amtsgericht nicht die in der ständigen Rechtsprechung des Senats wie auch von der wohl einhelligen Meinung der Oberlandesgerichte vertretene Auffassung verkannt, daß vorsätzliche Trunkenheit im Verkehr nicht bereits aus einer hohen Blutalkoholkonzentration zur Tatzeit geschlossen werden kann (vgl. zuletzt die Senatsentscheidung vom 11.08.1998 in Blutalkohol 1998, S. 462 m.w.N.). Es gibt nach wie vor keinen Erfahrungssatz, daß derjenige, der in erheblichen Mengen Alkohol getrunken hat, seine Fahruntüchtigkeit erkennt. Vielmehr müssen weitere auf die vorsätzliche Tatbegehung hinweisende Umstände hinzutreten. Dabei kommt es auf die vom Tatrichter näher festzustellende Erkenntnisfähigkeit des Fahrzeugführers bei Fahrtantritt an (Senatsentscheidung vom 11.08.1998, a.a.O.). Für die Annahme vorsätzlicher Begehung bedarf es deshalb der Berücksichtigung aller Umstände des Einzelfalles, insbesondere der Täterpersönlichkeit, des Trinkverlaufs wie auch dessen Zusammenhang mit dem Fahrtantritt sowie des Verhaltens des Täters während und nach der Tat (vgl. OLG Düsseldorf, VRS 86, 111 m.w.N.).
Insofern läßt das Urteil angesichts des Schweigens des Angeklagten in der Hauptverhandlung hinreichende Feststellungen - etwa zum Trinkverlauf oder zur Art der vom Angeklagten zu sich genommenen Getränke - sowie eine Auseinandersetzung mit den insoweit für die Beurteilung der Schuld bedeutsamen Gesichtspunkte vermissen. Die Annahme des Amtsgerichts, der hohe Blutalkoholwert könne "nur zurückgeführt werden auf entweder die häufige, sich wiederholende Aufnahme von Getränken mit relativ niedrigem Alkoholgehalt (z.B. Bier) oder aber den Genuß hochprozentiger Alkoholika", beruht lediglich auf einer Vermutung des Amtsgerichts ohne Darlegung konkreter Anhaltspunkte.
Soweit das Amtsgericht Umstände für die Annahme einer vorsätzlichen Trunkenheit darin gesehen hat, daß der Angeklagte versuchte, sich der Polizeikontrolle durch Flucht zu entziehen und dabei mit hoher Geschwindigkeit sowie in Schlangenlinien gefahren ist, reicht dies für eine Ableitung einer vorsätzlichen Tatbegehung ebenfalls nicht aus. Vielmehr hätte sich das Amtsgericht bei der Würdigung der Umstände mit anderen, dem Angeklagten günstigeren naheliegenden Tatsachen auseinandersetzen müssen. Die schnelle, die Herbeiführung der polizeilichen Überprüfung geradezu provozierende Fahrweise des Angeklagten weist auf einen beträchtlichen Grad von Enthemmung und Kritiklosigkeit hin. Im übrigen kann Schlangenlinienfahren eines Motorradfahrers zu verkehrsarmer Zeit auch von Mutwillen oder "sportlichem Ehrgeiz" getragen sein. Es braucht jedenfalls nicht denknotwendig von dem Angeklagten als Folge des genossenen Alkohols erkannt worden zu sein. Schließlich ist es möglich, daß der Angeklagte in Kenntnis der polizeilichen Verfolgung versucht hat, sich einer Kontrolle zu entziehen, um sich nicht wegen der hohen Geschwindigkeitsüberschreitung verantworten zu müssen, zumal er bereits verkehrsrechtlich in Erscheinung getreten war und er möglicherweise mit einem Fahrverbot rechnete. Das Verhalten des Angeklagten nach Einschreiten der Polizei am Anhalteort und seine dabei geäußerte Erklärung, er habe zunächst wegen des auf der Feier getrunkenen Alkohols nicht mehr mit dem Motorrad fahren wollen, sich jedoch dann über die Bedenken hinweggesetzt, weil auch seine Freunde die Feier mit einem Motorrad verließen, kann ohne weiteres auf einer durch die Polizeikontrolle eingetretenen Ernüchterung beruhen. Abgesehen davon kann diese Äußerung auch als Umschreibung bewußter Fahrlässigkeit des Angeklagten in dem Sinne gemeint gewesen sein, daß er bei Fahrtantritt angenommen habe, trotz des Alkoholkonsums noch nicht fahruntüchtig zu sein.
Das Urteil beruht auf den aufgezeigten Rechtsfehlern. Es war daher mit den zugrundeliegenden Feststellungen aufzuheben und die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an eine andere Abteilung des Amtsgerichts Ahaus zurückzuverweisen (§ 354 Abs. 2 StPO). Das nunmehr entscheidende Tatgericht hat auch über die Kosten der Revision zu befinden, da deren Erfolg i.S.d. § 473 StPO noch nicht feststeht.


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