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RVG Entscheidungen

Nr. 6101 VV

Terminsgebühr; Haftverkündungstermin, Auslieferungsverfahren

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 15. 12. 2009, (2) 4 Ausl. A 98/06

Fundstellen:

Leitsatz: Tätigkeiten eines Rechtsbeistands im Auslieferungsverfahren sind grundsätzlich mit der Verfahrensgebühr abgegolten. Eine Terminsgebühr entsteht nur dann, wenn vor Gericht verhandelt wird. Dagegen ist für die Teilnahme an einer bloßen gerichtlichen Vernehmung des Verfolgten zu seinen persönlichen Verhältnissen, wie zum Beispiel beim Haftverkündungstermin, keine Terminsgebühr zuzubilligen.


OLG Hamm
BESCHLUSS
Auslieferungssache
betreffend den türkischen Staatsangehörigen
wegen Auslieferung des Verfolgten aus Deutschland in die Türkei zur Strafverfolgung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung,
(hier: Terminsgebühr des Beistands für die Teilnahme an der Vernehmung des Verfolgten gem. § 22 IRG ).
Auf die Erinnerung des Beistands des Verfolgten vom 08. Oktober 2009 gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 19. September 2009 hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15. Dezember 2009 durch beschlossen:
Die Erinnerung des Beistands gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle vom 19. September 2009 wird als unbegründet zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Interpol Ankara hatte mit Fernschreiben vom 9. März 2006 um die Festnahme des Verfolgten zum Zwecke der Auslieferung zur Strafverfolgung wegen Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ersucht. Das Ersuchen war gestützt auf den Haftbefehl der 11. Kammer des Schwurgerichts in Ankara vom 22. Juli 2005 (Aktenzeichen: 205/2172 D.IS). Darin war dem Verfolgten zur Last gelegt worden, an der Gründung und der Führungsspitze der illegalen Terrororganisation DHKP/C in Europa beteiligt gewesen zu sein und die Aktivitäten dieser Gruppierung in der Türkei, insbesondere die Begehung von Straftaten, aus dem Ausland angewiesen und gesteuert zu haben. Insoweit soll er seit seiner Tätigkeit im Jahre 1993 verantwortlich für sämtliche seitdem begangenen Straftaten sein.
Aufgrund dieses Ersuchens war der Verfolgte am 22. September 2006 in Dortmund festgenommen worden und befand sich aufgrund der Festhalteanordnung des Amtsgerichts Dortmund vom selben Tage in Haft bis zum 26. Oktober 2006.
Mit Beschluss vom 26. Oktober 2006 hatte der Senat die vorläufige Auslieferungshaft zwar angeordnet, den Vollzug des vorläufigen Auslieferungshaftbefehls aber unter Auflagen außer Vollzug gesetzt.
Mit Beschluss vom 14. August 2008 hat der Senat die Auslieferung des Verfolgten für unzulässig erklärt und den vorläufigen Auslieferungshaftbefehl vom 26. Oktober 2006 aufgehoben. Wegen der Einzelheiten wird auf den Senatsbeschluss vom 14. August 2008 Bezug genommen.
Mit Beschluss des Senatsvorsitzenden vom 26. Oktober 2006 war Rechtsanwalt X. aus Dortmund dem Verfolgten als Beistand beigeordnet worden. Mit Schriftsatz vom 23. Dezember 2008 beantragte dieser die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von insgesamt 847,64 €, u. a. eine Terminsgebühr nach Nr. 6101 VV-RVG in Höhe von 356,00 €. Ferner beantragte er mit Schreiben vom 26. März 2009 die Festsetzung der Kosten für die Aktenversendung in Höhe von 12,00 €. Durch den angefochtenen Beschluss vom 19. September 2009 sind die Rechtsanwalt X. aus der Landeskasse zu erstattenden Gebühren und Auslagen auf 438,28 € festgesetzt worden. Die geltend gemachte Terminsgebühr gemäß Nr. 6101 VV RVG in Höhe von 356,00 € für die Teilnahme an dem Haftbefehlsverkündungstermin am 22. September 2006 vor dem Amtsgericht Dortmund wurde abgesetzt. Dagegen richtet sich die Erinnerung. Die Urkundsbeamtin hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache dem Senat vorgelegt.
II.
Die Erinnerung ist zwar zulässig ( §§ 55, 56, 33 Abs. 4 Satz 1, Abs. 7 und 8 RVG ), kann in der Sache aber keinen Erfolg haben. Entgegen der Ansicht des Beistands fand im Haftbefehlsverkündungstermin vor dem Amtsgericht Dortmund am 22. September 2006 nämlich keine „Verhandlung“ im Sinne des Nr. 6101 VV RVG statt.
Das Vergütungsverzeichnis zum RVG enthält Regelungen zur Vergütung des Beistands im Auslieferungsverfahren in Teil 6, Abschnitt 1. Dort sind lediglich zwei Gebührentatbestände aufgeführt; neben der „Verfahrensgebühr“ nach Nr. 6100 VV-RVG die hier in Rede stehende „Terminsgebühr je Verhandlungstag“ nach Nr. 6101 VV-RVG. Die Höhe der „Terminsgebühr je Verhandlungstag“ beträgt für den Wahlbeistand 110 bis 780 EUR, für den gerichtlich bestellten Beistand 356 EUR. In der Vorbemerkung 6, die für alle Abschnitte des Teils 6 des Vergütungsverzeichnisses gilt, ist in Abs. 3 Satz 1 bestimmt, dass die Terminsgebühr für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen entsteht, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Das Gesetz über die Internationale Rechtshilfe in Strafsachen (IRG) verwendet den Begriff der „Verhandlung“ in den §§ 30 Abs. 3, 31 IRG, die sich mit der Durchführung einer mündlichen Verhandlung vor dem Oberlandesgericht zur Vorbereitung der Entscheidung über die Zulässigkeit der Auslieferung befassen. Die Vernehmung des Verfolgten gemäß § 22 bzw. § 28 IRG vor dem Amtsgericht wird vom Gesetz hingegen nicht als Verhandlung bezeichnet.
Angesichts dieser doch klaren gesetzlichen Regelung war dem Beistand – in Übereinstimmung mit der ganz überwiegenden obergerichtlichen Rechtsprechung – für die Teilnahme an der Vernehmung des Verfolgten gemäß § 22 oder § 28 IRG vor dem Amtsgericht eine Terminsgebühr nach Nr. 6101 VV-RVG nicht zuzubilligen (vgl. den Beschluss des erkennenden Senats vom 30. März 2006 in 2(s)Sbd IX 43/06; vgl. ferner OLG Bremen, Beschl. v. 28. Juni 2005 – Ausl 8/04; OLG Hamburg, Beschl. v. 21. Februar 2006 – Ausl 24/05; OLG Köln , Beschl. v. 14. März 2006 – 2 ARs 35/06; OLG Dresden, Beschl. v. 6. 2. 2007 – OLG 33 Ausl 84/06; KG, Beschl. v. 13. August 2007 – 1 Ws 109/07; OLG Stuttgart, Beschl. v. 28. September 2007 – 3 Ausl 55/07; OLG Koblenz, Beschl. v. 29. Februar 2008 – (1) Ausl-III-20/07; OLG Rostock, Beschl. v. 12. März 2009 – Ausl 14/08 I 7/08; OLG Oldenburg, Beschl. v. 16. März 2009 – Ausl 56/08 – zitiert jeweils nach juris; OLG Brandenburg, Beschl. v. 25. Juli 2009 – 2 Ausl (A) 30/08, NStZ-RR 2009, 392).
Der erkennende Senat hatte demzufolge bereits in seiner Entscheidung vom 30. März 2006 in 2(s)Sbd IX 43/06 ausgeführt, dass mit der Verfahrensgebühr (Nr. 6100 VV) in Höhe von 264 € alle Tätigkeiten des Beistands in dem Auslieferungsverfahren abgegolten werden, soweit dafür keine besonderen Gebühren vorgesehen sind. Als besondere Gebühr ist insoweit die Terminsgebühr Nr. 6101 VV vorgesehen, die nach Vorbemerkung 6 Abs. 3 Satz 1 RVG für die Teilnahme an gerichtlichen Terminen entsteht, soweit nicht anderes bestimmt ist. Vorliegend hat der Beistand zwar auch an dem gerichtlichen Termin am 22. September 2006 vor dem Amtsgericht Dortmund teilgenommen, in diesem fand aber keine Verhandlung statt, so dass die Terminsgebühr in Höhe von 356 € (gesetzliche Gebühr) nicht ausgelöst worden ist. In diesem Termin ist dem Verfolgten lediglich das Auslieferungsersuchen der türkischen Behörden bekannt gegeben worden und der Amtsrichter hat eine Festhalteanordnung gemäß § 22 Abs. 3 IRG erlassen. Der Verfolgte wurde zu seinen persönlichen Verhältnissen gehört; zum Tatvorwurf selbst wollte er aber keine Erklärung abgeben. Sodann erhob er Einwendungen gegen die Auslieferung in die Türkei. Eine Verhandlung über die Haftanordnung bzw. Haftfortdauer fand nicht statt und verbot sich auch schon wegen der weitgehend ausgeschlossenen Befugnis des Amtsgerichts, eine eigene Sachentscheidung zu treffen (vgl. §§ 21 III, 22 III, 23 IRG). Der Termin diente vielmehr der Anhörung und Belehrung des Verfolgten ( §§ 21, 22, 28, 41 IRG ). Eine Verhandlung im Sinne der gebührenrechtlichen Vorschriften hat demzufolge nicht stattgefunden (vgl. zu ähnlich gelagerten Fällen: OLG Bremen, Beschluss vom 28. Juni 2005 in Ausl 8/2004; OLG Hamburg, Beschluss v. 21. Februar 2006 in Ausl 24/05, beide in www.burhoff.de).
Dass die bloße Teilnahme des Beistands an dem Termin nach der vorläufigen Festnahme des Verfolgten und dessen damit einhergehender Vernehmung eine Gebühr nach Nr. 6101 VV RVG nicht auslösen kann, zeigt sich darüber hinaus bei einem Vergleich mit der Regelung der Vergütung eines Verteidigers für dessen Teilnahme an einem Termin zur Verkündung des die Untersuchungshaft anordnenden Haftbefehls. Nach VV 4102 Nr. 3 erhält der Verteidiger eine Terminsgebühr nur dann für die Teilnahme an einem Termin, in dem außerhalb der Hauptverhandlung über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft (§§ 115, 118 StPO) oder der einstweiligen Unterbringung (§ 126a i.V.m. §§ 115, 118 StPO) verhandelt wird, wenn in diesem Termin auch tatsächlich „verhandelt“ wird (vgl. hierzu auch den Beschluss des erkennenden Senats vom 18. Dezember 2005 in 2(s) Sbd. VIII 224/05, www.burhoff.de). Sinn und Zweck dieser einschränkenden Regelung ist es, die häufig nur sehr kurzen reinen Haftbefehlsverkündungstermine nicht mit einer Gebühr nach Ziffer 3 zu honorieren (vgl. BT-Drucksache 15/1971 S. 222 Li.Sp).
Es besteht auch keine Veranlassung, den Beistand, der an einem Termin gemäß § 22 IRG bzw. § 28 IRG teilnimmt, gebührenrechtlich zu bevorzugen, da dessen Tätigkeit keinen größeren Aufwand erfordert als die eines Verteidigers eines Betroffenen, bei dem die Untersuchungshaft angeordnet worden ist. Hinzu kommt, dass dem Amtsrichter in Auslieferungssachen ohnehin nur eine sehr begrenzte Entscheidungsbefugnis zusteht. Vom Verfolgten in diesem Termin vorgebrachte Einwendungen werden nämlich lediglich zu Protokoll genommen, darüber zu befinden hat jedoch nicht der Amtsrichter, sondern das zuständige Oberlandesgericht. Gemäß § 10 Abs. 2 IRG findet auch nur in ganz begrenztem Umfang eine Tatverdachtsprüfung statt, während im Haftbefehlsverfahren nach §§ 112 ff. StPO der Verteidiger sehr wohl gehalten ist, den dringenden Tatverdacht auszuräumen.
Die Gegenansicht, die in der obergerichtlichen Rechtsprechung nur vom Oberlandesgericht Jena vertreten wird ( NStZ-RR 2008, 63f.), vermag dagegen nicht zu überzeugen. Soweit argumentiert wird, gerichtliche Termine i.S. der Vorbemerkung zu Teil 6 VV könnten auch solche vor dem Amtsgericht sein und die Bedeutung der Formulierung „Terminsgebühr je Verhandlungstag“ erschöpfe sich in der Klarstellung, dass die Gebühren nicht nur einmal, sondern für die Teilnahme an jedem Termin erneut entstünden, wäre dies systemfremd. Im Vergleich zu dem in allgemeinen Strafsachen vergleichbaren Gebührentatbestand Nr. 4102 VV-RVG, der die Terminsgebühr für die Teilnahme an richterlichen Vernehmungen und Augenscheinseinnahmen (dort Nr. 1) oder an Terminen außerhalb der Hauptverhandlung, in denen über die Anordnung oder Fortdauer der Untersuchungshaft oder der einstweiligen Unterbringung verhandelt wird (dort Nr. 3), wäre dann der Beistand im Auslieferungsverfahren gegenüber dem Verteidiger in allgemeinen Strafsachen besser gestellt, ohne dass es dafür einen sachlichen Grund gäbe. Die Gebühr nach Nr. 4102 VV-RVG ist nicht nur wesentlich niedriger (30-250 EUR für den Wahlanwalt und 112 EUR für den gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt) als diejenige nach Nr. 6101 VV-RVG; sie entsteht im vorbereitenden Verfahren und in jedem Rechtszug für die Teilnahme an jeweils bis zu drei Terminen auch nur einmal. Nicht nachzuvollziehen ist vor diesem Hintergrund, warum der Beistand im Auslieferungsverfahren für jede Teilnahme an einer Vernehmung des Verfolgten nach § 28 IRG die wesentlich höhere Gebühr nach Nr. 6101 VV-RVG verdienen sollte.
Soweit weiter argumentiert wird, dass das Gesetz auch in anderem Zusammenhang den Begriff „Verhandlungstag“ bzw. „Hauptverhandlungstag“ verwende, ohne damit ausschließlich „Verhandlungen“ zu meinen, sondern Anhörungen oder Vernehmungen mit einschließe – insbesondere im Rehabilitierungsverfahren, in dem eine Hauptverhandlung i.S. des Gesetzes gar nicht stattfände – ist auch dies nicht überzeugend. Nr. 4126 VV-RVG enthält den Gebührentatbestand der „Terminsgebühr je Hauptverhandlungstag in Berufungsverfahren“; im Berufungsverfahren gibt es aber unstreitig Hauptverhandlungstage. Soweit der Gebührentatbestand weiter bestimmt, dass diese Gebühr „auch für Beschwerdeverfahren nach § 13 StrRehaG “ entsteht, ist somit lediglich eine entsprechende Anwendung auf etwaige mündliche Anhörungen von Verfahrensbeteiligten im strafrechtlichen Rehabilitierungsverfahren normiert. Eine sprachliche Ausdehnung des Begriffes des Hauptverhandlungstages lässt sich dem Gesetz an dieser Stelle nicht entnehmen; im Übrigen wäre eine sprachliche Ungenauigkeit in diesem Zusammenhang kein ausreichendes Argument dafür, den in ganz anderem Zusammenhang stehenden Gebührentatbestand nach Nr. 6101 VV-RVG über dessen Wortlaut hinaus auszudehnen (vgl. auch OLG Brandenburg, Beschluss vom 25. Juli 2009 – 2 Ausl (A) 30/08, NStZ-RR 2009, 392).

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