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RVG Entscheidungen

Vorbem. 4 Abs. 1 VV

Zeugenbeistand, Abrechnung der Tätigkeit; Einzeltätigkeit;

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dresden, Beschl. v. 07.09.2007, 5 KLs 109 Js 27593/05

Fundstellen:

Leitsatz: 1. Der als Zeugenbeistand tätige Rechtsanwalt rechnet seine Tätigkeit i.d.R. nach Teil 4 Abschnitt 1 VV RVG ab.
2. Das gilt auch für den beigeordneten Beistand.
3. Für den als Zeugenbeistand tätigen Rechtsanwalt entsteht die Verfahrensgebühr nicht automatisch.


5 KLs 109 Js 27593/05
Landgericht Dresden
In der Strafsache
gegen PP.
wegen Anstiftung zum Betrug u. a.
hier: Gebührenfestsetzung für den Beistand des Zeugen L.
Auf die Erinnerung des Zeugenbeistandes wird der Betrag der diesem zu bezahlenden Gebühren in Abänderung der Entscheidung des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle vom 18.12.2006 auf 2.637,84 Euro festgesetzt.
Die weitergehende Erinnerung wird als unbegründet zurückgewiesen.
Die Entscheidung über die Erinnerung ist gebührenfrei, Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:
I.
Am 13.11.2006 wurde Rechtsanwalt H. dem Zeugen L. gem. § 68b StPO als Beistand beigeordnet. Er hat diesen in dem früher gegen den Zeugen selbst geführten Strafverfahren verteidigt. Die Vernehmung des Zeugen wurde an vier Hauptverhandlungstagen durchgeführt, und zwar am 20.11.2006 von 15.21 Uhr bis 17.07 Uhr, am 21.11.2006 von 09.17 Uhr bis 12.10 Uhr, am 05.12.2006 von 09.10 Uhr bis 16.35 Uhr und am 08.12.2006 von 09.10 Uhr bis 15.33 Uhr.
Rechtsanwalt H. hat beantragt, die Gebühren für seine Tätigkeit als beigeordneter Zeugenbeistand wie folgt festzusetzen:
1. Grundgebühr-Nr. 4100 VV RVG 162,00 Euro
2. Verfahrensgebühr-Nr. 4119 VVRVG 322,00 Euro
3. Terminsgebühr für vier Hauptverhandlungstage -
jeweils Nr. 4121 VV RVG 1.736,00 Euro
4. Zusatzgebühr gem. Nr. 4122 VV RVG für die Verhandlung
am 5. und 8.12.2006 356,00 Euro
5. Auslagenpauschale-Nr. 7002 VV RVG 20,00 Euro
Zwischensumme netto 2.596,00 Euro
zzgl. 16 % Umsatzsteuer-Nr. 7008 VV RVG 416,36 EURO
insgesamt 3.011,36 Euro.

Am 18.12.2006 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle die aus der Staatskasse zu zahlende Vergütung auf 779,52 Euro fest. Dabei wurde für jeden Verhandlungstag die Gebühr für eine Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Nr. 4 VV RVG, mithin pro Termin 168,00 Euro, als erstattungsfähig anerkannt, ausweislich der Gründe der Festsetzungsentscheidung sollte zudem die Auslagenpauschale und die Umsatzsteuer auf den Gesamtbetrag anerkannt werden, tatsächlich ergibt sich der festgesetzte Betrag nur ohne den Ansatz der Auslagenpauschale.

Gegen diese, ihm am 21.12.2006 zugestellte Entscheidung hat der Rechtsanwalt mit Schriftsatz vom 22.12.2006, eingegangen beim Landgericht Dresden am 27.12.2006 Erinnerung eingelegt. Dieser hat die Urkundsbeamtin mit Beschluss vom 06.02.2007 nicht abgeholfen und die Erinnerung der Kammer zur Entscheidung vorgelegt.

Die Bezirksrevisorin beim Landgericht Dresden, die ihrerseits gegen viermaligen Ansatz der Einzelgebühr Erinnerung eingelegt hat, bzgl. derer die Urkundsbeamtin im Hinblick auf die hiesige Entscheidung noch keine Abhilfeentscheidung getroffen hat, vertritt die Auffassung, die Beiordnung sei ihrer Rechtsgrundlage, dem § 68b StPO, gemäß dahingehend auszulegen, dass sie lediglich "für die Dauer der Vernehmung", mithin für eine Einzeltätigkeit erfolgt sei. Die Erstreckung der Vernehmung über vier Tage könne nur im Rahmen der Bewilligung einer Pauschalvergütung Rechnung getragen werden.

Der Erinnerungsführer, der ergänzend vorträgt, er habe den Zeugen zur Vorbereitung der Vernehmung in der JVA Waldheim aufgesucht, führt gegen diese Auffassung die Begründung des Gesetzes, nach der ein Zeugenbeistand künftig wie ein Verteidiger vergütete werden solle, ins Feld.

II.
Über die zulässige Erinnerung des Rechtsanwalts hat ungeachtet der über § 56 Abs. 1 Satz 1 RVG entsprechend anwendbaren Regelung des § 33 Abs. 8 Satz 1 RVG die Kammer und nicht eines ihrer Mitglieder als Einzelrichter zu entscheiden. Die Kammer folgt insoweit der von den obersten Bundesgerichten mehrheitlich vertretenen Auffassung, dass die gesetzliche Zuweisung an einen Einzelrichter nur dann beachtlich ist, wenn das Gerichtsverfassungsgesetz für derartige Spruchkörper das Tätigwerden eines Einzelrichters institutionell überhaupt zulässt (BGH NStZ 2006, 239 - 2. Strafsenat -; BGH RPfl 2005, 279 - 5. Zivilsenat -; BFHE 209, 422 f. - wohl a.A. BVerwG NJW 2006, 1450; ohne Diskussion des Problems für Einzelrichter-Zuständigkeit: OLG Köln NStZ 2006, 410; inzident auch OLG Koblenz NStZ-RR 2006, 254 und OLG Schleswig NStZ-RR 2007, 126). Anders als § 75 GVG für die Zivilkammern enthält § 76 GVG für die Strafkammern einen Vorbehalt zur Begründung der Zuständigkeit des Einzelrichters durch die Prozessgesetze nicht.

Die Erinnerung ist dem Grunde nach insoweit begründet, als der Erinnerungsführer die Vergütung nicht nur für eine Einzeltätigkeit gem. § 4301 Nr. 4 VV RVG, sondern entsprechend den Regelungen für einen Verteidiger zu beanspruchen hat.

1. Nach Absatz 1 der Vorbemerkung 4 des VV RVG (zum 4. Teil-Strafverfahren) sind die Vorschriften dieses Teils für die Tätigkeit des Rechtsanwalts als Zeugenbeistand entsprechend anwendbar. Bereits diese Gleichstellungsklausel legt es nahe, dass die - typischerweise in der Hauptverhandlung zu leistende - Tätigkeit des Zeugenbeistandes nicht (lediglich) als Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG vergütet werden soll.

Ein derartiger Leerlauf der Gleichstellungsklausel würde dem in der Entwurfsbegründung klar artikulierten Willen des Gesetzgebers zuwiderlaufen. Dort heißt es: "Neu ist, dass der Rechtsanwalt auch im Strafverfahren als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen die gleichen Gebühren wie ein Verteidiger erhalten soll. ... Damit sollen erstmals auch im Strafverfahren die Gebühren des Rechtsanwalts für seine Tätigkeit als Beistand für einen Zeugen oder Sachverständigen gesetzlich geregelt werden." (BT-Drs. 15/1971, S. 220). Dieser beabsichtigten Aufwertung der Tätigkeit des Zeugenbeistandes durch eine Angleichung seiner Vergütung an diejenige eines Verteidigers widmet sich die Begründung des Gesetzentwurfes ausführlich. Die praktisch häufigste Tätigkeit eines Zeugenbeistandes ist gerade die Begleitung des Zeugen während seiner Vernehmung in einer Hauptverhandlung. Dass der Gesetzgeber den Zeugenbeistand auch nur in dem Falle, in dem sich sein Auftrag gerade auf diese Tätigkeit richtet auf die subsidäre Vergütung wegen einer Einzeltätigkeit beschränken wollte, erscheint ausgeschlossen.

Dass der Zeugenbeistand im gerichtlichen Verfahren nicht auf die Vergütung wegen einer Einzeltätigkeit beschränkt sein soll, ergibt sich auch aus der Vorbemerkung 2 Abs. 2 Satz 2 VV RVG, nach der der Beistand eines Zeugen vor einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss wie für die entsprechende Beistandsleistung in einem Strafverfahren des ersten Rechtszugs vor dem Oberlandesgericht zu vergüten ist (OLG Schleswig NStZ-RR 2007, 126 f.). Nachdem lediglich die Gebühren des Verteidigers nach der Eingangsinstanz differieren ergäbe diese Verweisung keinen Sinn, wenn der Beistand des Zeugen vor dem Oberlandesgericht nur die Gebühr nach 4301 Ziff. 4 VV RVG zu beanspruchen hätte.

Dementsprechend ist - soweit ersichtlich - auch unstreitig, dass der vom Zeugen gewählte rechtsanwaltliche Beistand typischerweise wie ein Verteidiger zu vergüten ist.

2. Für die Vergütung des gerichtlich beigeordneten Zeugenbeistandes gilt nichts grundlegend anderes. Dies ist zwischenzeitlich nahezu allgemeine Meinung (zuletzt OLG Stuttgart NStZ 2007, 343 f.; OLG Schleswig a.a.0. unter Aufgabe seiner früheren Rechtsprechung; OLG Brandenburg NStZ-RR 2007, 287 f. - aA vor allem OLG Oldenburg JurBüro 2006, 197 und NdsRPfl 2006, 353 f.).

a) Die Kammer vermag der Auffassung nicht zu folgen, dass der Gesetzgeber gerade diesen praktisch häufigsten Fall nicht bedacht habe und deshalb eine "Regelungslücke" vorliege, die durch einen Rückgriff auf Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG zu schließen sei (so die Beschlüsse der l. Großen Strafkammer des Landgerichts Dresden vom 24.08.2006 - 1 Qs 80/2006 - und der 15. Großen Strafkammer vom 02.01.2007 - 15 KLs 104 Js 27719/00, bestätigt durch Beschluss des l. Strafsenats des OLG Dresden vom 15.02.2007 - 1 Ws 28/07; der n.M. folgend jedoch der 3. Strafsenat - Beschluss vom 13.06.2007 - 3 Ws 36/07). Begründet wird dies damit, dass bei den aufwandsunabhängigen Festgebühren der beigeordneten Rechtsanwälte die gesetzgeberische Vorstellung, dem konkreten Aufwand des Rechtsanwalt innerhalb der Gebührenrahmen des Verteidigers Rechnung tragen zu können (BT-Drs. 15/1971 a.a.0), verfehlt werde.

aa) Dem ist grundsätzlich entgegen zu halten, dass es dem System aufwandsunabhängiger Festgebühren für beigeordnete Rechtsanwälte immanent ist, dass es im jeweiligen Einzel fall zu einem Missverhältnis von Leistung und Gegenleistung kommen kann (OLG Koblenz NStZ-RR 2006, 254 f.). Auch der kurz vor einer letztlich nur eine halbe Stunde dauernden Hauptverhandlung beigeordnete Verteidiger erhält die gleichen Gebühren wie der von Anbeginn beigeordnete Rechtsanwalt, der in einer fünfstündigen Sitzung zu verteidigen hat.

bb) Im Übrigen versteht es sich nicht vor. selbst, dass es "im Regelfall" zu dem behaupteten Missverhältnis zwischen Leistung und Vergütung kommt.

Zum einen ist die Beiordnungsmöglichkeit des § 68b StPO von Gesetzes wegen auf typischerweise schwierige Fälle beschränkt. Zum anderen erfordert auch die herrschende Ansicht einer entsprechenden Anwendung der für den Verteidiger geltenden Gebührentatbestände eine Orientierung am erteilten Auftrag und an der konkrekt entfalteten Tätigkeit. Nachdem ein Verteidiger die umfassende Vertretung des Beschuldigten im gesamten Verfahren mit allen damit einhergehenden Aufgaben wahrzunehmen hat und dieser Aufwand durch die jeweilige Verfahrensgebühr abgegolten wird, versteht es sich auch auf Grundlage der herrschenden Meinung insbesondere nicht von selbst, dass dem Beistand eines Zeugen, der eine vergleichbar umfassende Aufgabe in der Regel nicht wahrzunehmen hat, diese Gebühr zuzubilligen ist. Zugespitzt geht es mithin vor allem um die Frage, ob für die Beistandsleistung in der Hauptverhandlung der Ansatz der Terminsgebühr(en) oder die Einzeltätigkeitsvergütung sachgerecht ist. Insoweit führt aber gerade das System der Terminsgebühren zu einer am ehesten aufwandsbezogenen Differenzierung der Gebühren eines beigeordneten Rechtsanwalts, weil die Höhe sowohl nach dem Spruchkörper, vor dem die Verhandlung stattfindet, wie nach der Dauer differiert. Demgegenüber führte - wie gerade besonderer Deutlichkeit zeigt - der Rückgriff auf die Einzeltätigkeitsgebühr bei einer mehrtägigen Vernehmung zwangsläufig zu einer unerträglich niedrigen Vergütung, weil sie - wie von der Bezirksrevisorin systemkonsequent vertreten - in jedem Falle unabhängig von der Dauer der der Vernehmung nur einmal anfällt, die Terminsgebühr hingegen für jeden Tag der Hauptverhandlung gesondert entsteht. Dass der Gesetzgeber die Höhe der Terminsgebühr bis zu einer Dauer von fünf Stunden unabhängig vom tatsächlichen zeitlichen Aufwand gestaltet hat, ist wiederum nichts, was ein Spezifikum der Vergütung des Zeugenbeistandes wäre.

b) Auch der (enge) Wortlaut des § 68b Satz 1 StPO, nach dem Dauer der Vernehmung" erfolgt, führt nicht notwendig dazu, dass diese Beistandsleistung Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff. 4 VV RVG zu vergüten ist (so aber das OLG Oldenburg a.a.O.). Denn die Terminsgebühr entsteht allein für die Vertretung des Angeklagten in der Hauptverhandlung, so lange diese dauert. Exakt diese Aufgabe obliegt aber auch dem Zeugenbeistand für die Dauer der Vernehmung des Zeugen in der Hauptverhandlung.

Dementsprechend wurde auch schon zum alten Recht die Auffassung vertreten, über § 95, 2. Halbsatz BRAGO fänden die Gebührenvorschriften der §§ 83 ff. BRAGO Anwendung (OLG Stuttgart StV 1993, 143; OLG Hamm NStZ-RR 2000, 383 f.). Die früher vorherrschende Auffassung, ein Zeugenbeistand sei nach der Auffangvorschrift des § 91 Nr. 1 BRAGO zu vergüten, gründete maßgeblich darauf, dass eine ausdrückliche Regelung der Vergütung des Zeugenbeistandes fehlte (Nachweise bei: OLG Köln RPfl 2002, 95 (96), das seinerseits auf § 91 Nr. 2 BRAGO zurückgriff).

c) Es besteht nach alledem kein Anlass, die Vergütung des beigeordneten Zeugenbeistandes anders als die des Wahlanwaltes nicht (auch) nach den für einen Verteidiger geltenden Gebührentatbeständen zu bemessen.

3. Entsprechend dem umfassenden Verweis auf sämtliche Vorschriften des 4. Teils in Absatz 1 der Vorbemerkung 4 VV RVG ist danach zu prüfen, welchem der Gebührentatbestände, die unmittelbar nur für den Rechtsanwalt des Beschuldigten gelten, Auftrag und Tätigkeit des Zeugenbeistandes im konkreten Fall am ehesten entsprechen..

Für die Beistandsleistung in der Hauptverhandlung sind dies regelmäßig die Gebühren des Verteidigers, insbesondere die Terminsgebühren.

a) Hierfür spricht bereits, dass die Beistandsleistung in der Hauptverhandlung normalerweise nicht dem typischen Leistungsbild einer Einzeltätigkeit nach Nr. 4301 Ziff 4 VV RVG entspricht.

Die Regelung ist im Wesentlichen § 91 Nr. 2 BRAGO nachgebildet. Alle in dieser Vorgängerregelung erfassten Tätigkeiten waren explizit solche außerhalb der Hauptverhandlung. Die Neuregelung zählt abweichend nunmehr allerdings auch "die Beistandsleistung für den Beschuldigten ... in einer Hauptverhandlung" auf. Nachdem eine Einzeltätigkeitsvergütung von vornherein nur in Betracht kommt, wenn der Rechtsanwalt nicht schon mit der Verteidigung oder sonstigen Vertretungen des Beschuldigten beauftragt ist, bleibt jedoch unklar, an welche Fälle der Gesetzgeber hierbei gedacht hat. Die Gesetzesbegründung jedenfalls schweigt hierzu (a.a.O., Seite 230). Praktisch vorstellbar sind Fälle, in denen ein Rechtsanwalt einem Beschuldigten in der Hauptverhandlung beisteht, ohne diesen zugleich zu verteidigen, schwer.

Der Aufwand Zeugenbeistands in der Hauptverhandlung ist - wie bereits ausgeführt - viel eher dem durch die Terminsgebühren abgegolten eines Verteidigers vergleichbar als dem einer Beistandsleistung für einen Beschuldigten außerhalb der Hauptverhandlung.

b) Die Aufgaben des nach § 68b StPO beigeordneten Zeugenbeistandes ähneln auch sonst typischerweise denen eines Verteidigers. Die Vorschrift beruht nämlich auf der Überlegung, dass das Rechtsstaatsprinzip die Beiordnung eines Rechtsbeistandes ..... jedenfalls dann gebietet, wenn sich der Zeuge einer tatsächlich und rechtlich schwierigen Situation gegenüber sieht und die Gefahr besteht, dass er ohne anwaltlichen Beistand seine prozessualen Rechte nicht sachgerecht wahrnehmen kann" (BT Drucksache-DrS nach: SK-Rogall, § 68b, Rz. 1).

Es geht also um Fälle, in denen ein anstelle des Zeugen stehender Beschuldigter notwendig im Sinne von § 140 Abs. 2 StPO Abs. 2 StPO zu verteidigen wäre.

Dementsprechend wird der beigeordnete Zeugenbeistand seiner Aufgabe regelmäßig nur dann voll gerecht werden können, wenn er sich in den Fall einarbeitet und die Problematik mit dem Zeugen ausführlich bespricht. Der seiner gesetzlichen Funktion nach zu leistende Vorbereitungsaufwand ist dabei typischerweise höher, als das auch im Rahmen der Einzeltätigkeiten mit abgegoltene Vorbereitungsgespräch (zur Erstreckung der Beiordnung auf eine angemessene Vor- oder gar Nachbereitung Rogall a.a.O., Rz. 9 m.w.N. - h.M.). Nur ergänzend sei erwähnt, dass die Beiordnung häufig gerade auch zur Beratung über die Ausübung des Auskunftsverweigerungsrechts aus § 55 StPO erfolgt. Damit ist in einem der typischen Anwendungsfälle des § 68b StPO die Zeugenbeistandschaft sogar inhaltlich der Verteidigung angenähert.

c) Die sachlich begrenzte Reichweite des nach § 68b StPO erteilten Auftrages steht der Zubilligung einer Terminsgebühr entgegen der Ansicht des OLG Oldenburg nicht entgegen, weil die Einzeltätigkeitsgebühren als Auffangtatbestände ausgestaltet sind. Entspricht das konkrete Leistungsbild demjenigen eines der allgemeinen Gebührentatbestände besteht danach keine Notwendigkeit, auf die Einzeltätigkeitsgebühr zurückzugreifen.

Ob etwa in dem Sonderfall, dass ein Zeugenbeistand "vom Gerichtsflur weg" in die Hauptverhandlung hinein beigeordnet wird, nur eine Einzeltätigkeitsgebühr zuzubilligen ist, bedarf hier keiner Entscheidung.

IV.
Im vorliegenden Fall ist Rechtsanwalt H. ohne Frage nach den für einen Verteidiger geltenden Vorschriften zu bezahlen. Konkret stehen ihm insgesamt 2.637,84 Euro zu.

1. Deshalb stehen ihm für die von ihm wahrgenommenen vier Hauptverhandlungstermine die Terminsgebühren eines Verteidigers zu. Dabei hat er zu Recht jeweils die Gebühr nach Nr. 4121 VV RVG sowie für die über fünf Stunden dauernden Vernehmungen am 05. und 08.12.2006 die Zusatzgebühr nach Nr. 4122 VV RVG in Ansatz gebracht.

Die Gebühr mit Haftzuschlag nach Nr. 4121 VV RVG steht ihm zu, weil der von ihm vertretene Zeuge Lehmann sich während der Hauptverhandlung in Strafhaft befand. Der hierdurch erhöhte Vorbereitungsaufwand soll durch den Zuschlag abgegolten werden. Der Verteidiger hat den Zeugen auch in der Haft aufgesucht. Diese Tätigkeit war vom Sinn und Zweck der Beiordnung gedeckt. Denn Rechtsanwalt H. hatte den Zeugen auf seine geänderte Prozessrolle - nämlich die eines der Wahrheitspflicht unterliegenden Zeugen gegenüber der früheren eines Angeklagten - vorzubereiten und mit ihm im einzelnen zu besprechen, ob und in welchem Umfang ihm trotz rechtskräftiger eigener Verurteilung noch ein Auskunftsverweigerungsrecht nach § 55 StPO zukommen könnte.

Für die Tätigkeit in der Hauptverhandlung hat Rechtsanwalt H. mithin insgesamt 2.092,00 Euro netto zu beanspruchen.

2. Auch die Grundgebühr nach Nr. 4001 VV RVG in Höhe von 162,00 Euro steht Rechtsanwalt H. wie typischerweise jedem gleich einem Verteidiger zu vergütenden Zeugenbeistand zu. Mit ihr wird die Einarbeitung in den konkreten Fall abgegolten. Dass Rechtsanwalt H. dem Zeugen in dessen eigenem, sachlich den gleichen Gegenstand wie das hiesige Verfahren betreffenden Strafverfahren verteidigt hat, lässt die Grundgebühr nicht entfallen. Rein gebührenrechtlich handelt es sich zunächst nicht um "dieselbe Angelegenheit" im Sinne von § 15 Abs. 2 Satz 1 RVG (OLG Koblenz a.a.0.). Aufgrund der insoweit umfassenden Kenntnis des Falles war zwar die erstmalige Einarbeitung in die Sache erleichtert, nicht jedoch obsolet. Dies schon deswegen, weil die Frage, ob dem rechtskräftig verurteilten Zeugen noch ein Restbestand seines ursprünglichen Auskunftsverweigerungsrechts verblieb, zu prüfen war. Im Übrigen wird durch die Grundgebühr gerade auch das Erstgespräch mit dem Mandanten abgegolten (Gerold u.a./Madert, RVG, 17. Aufl. <2006>, Nr. 4100 bis 4105 VV, Rz. 47/49).

3. Keinen Anspruch hat der Rechtsanwalt jedoch auf die Verfahrensgebühr.

Deren Anfall ergibt sich insbesondere nicht automatisch, wenn der Beistand wie ein Verteidiger zu vergüten ist (a.A.: KG - 3. Strafsenat - NStZ-RR 2005, 358; wohl auch OLG Schleswig a.a.O.). Denn die entsprechende Anwendung der für den Verteidiger geltenden Gebührentatbestände bedeutet nicht automatisch eine unterschiedslose Gleichsetzung der Vergütung. Auch wenn die Verfahrensgebühr für das "Betreiben des Geschäfts" anfällt, kann nicht außer Betracht bleiben, dass der typische Aufwand des Verteidigers im Verfahren weit umfangreicher als der eines Zeugenbeistandes ist. Dieser wirkt im Gegensatz zu jenem nicht umfassend an der Gestaltung des Strafverfahrens mit, ihm steht insbesondere kein Recht auf Einsichtnahme in die Akten zu. Während der Verteidiger den Beschuldigten umfassend während des gesamten Verfahrens - einschließlich aller Nebenverfahren - begleitet, hat der Zeugenbeistand typischerweise begrenzte Aufgaben.

Ob die Tätigkeit eines gewählten Zeugenbeistandes im Einzelfall derjenigen eines Verteidigers nahe komnmen kann, bedarf keiner Entscheidung. Jedenfalls der beigeordnete Zeugenbeistand hat eine derartige Aufgabe nicht. Insoweit kommt der begrenzten Reichweite des § 68b StPO als Grundlage der Beiordnung entscheidende Bedeutung zu. Die Kammer folgt deshalb dem 5. Strafsenat des Kammergerichts (Beschluss vom 15.03.2006 - 5 Ws 506/05 StraFo 2007, 41 f. - ), dass der beigeordnete Zeugenbeistand eine Verfahrensgebühr nicht zu beanspruchen hat.

Soweit demgegenüber differenzierend die Ansicht vertreten wird, dem Rechtsanwalt sei die Verfahrensgebühr dann zuzubilligen, wenn er einen entsprechenden Vorbereitungsaufwand für die Hauptverhandlung dartue (KG - 4. Strafsenat - AGS 2006, 176 f.; Oberlandesgerichte Köln, Koblenz, Stuttgart und Brandenburg - jeweils a.a.O.) ist dem entgegenzuhalten, dass dieser Besprechungsaufwand bereits durch die Zubilligung der Termins- und der Grundgebühr abgegolten ist (KG - 5. Strafsenat - a.a.O.).

4. Nach Ansatz auch der Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG und der auf den gesamten Betrag entfallenden Umsatzsteuer - Nr. 7008 VV RVG - ergibt sich danach die festzusetzende Gesamtvergütung von 2.637,84 Euro brutto.

Die weitergehende Erinnerung war als unbegründet zurückzuweisen.

V.

Nach § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG ist das Verfahren über die Erinnerung gebührenfrei und werden Kosten nicht erstattet.

Einsender: RA Hübner, Dresden

Anmerkung:


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