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RVG Entscheidungen

§ 51

Pauschgebühr; Unzumutbarkeit

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 15. 8. 2006, 2 (s) Sbd. IX – 68/06 OLG Hamm

Fundstellen:

Leitsatz: Sinn und Zweck der Pauschgebühr ist es nicht, dem Verteidiger einen zusätzlichen Gewinn zu verschaffen; sie soll nur eine unzumutbare Benachteiligung verhindern. Die Bewilligung einer Pauschgebühr kommt danach grundsätzlich nur noch in Ausnahmefällen in Betracht.


Strafsache
gegen S.S. u.a.,
wegen gewerbsmäßigen Betruges, (hier: Pauschgebühr für den bestellten Verteidiger gem. § 51 RVG).

Auf den Antrag des Rechtsanwalts O. aus E. vom 28. Februar 2006 auf Bewilligung einer Pauschgebühr für die Pflichtverteidigung des früheren Angeklagten hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 15. 08. 2006 durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin gemäß §§ 51, 42 Abs. 3 Satz 1 RVG - nach Anhörung des Leiters des Dezernats 10 der Verwaltungsabteilung des Oberlandesgerichts beschlossen:

Dem Antragsteller wird für seine Tätigkeit als gerichtlich bestellter Verteidiger des ehemaligen Angeklagten für das vorbereitende Verfahren anstelle der gesetzlichen Gebühr „Verfahrensgebühr VV-Nr. 4104“ in Höhe von 112,00 EURO eine Pauschgebühr in Höhe von 250,00 EURO (in Worten: zweihundertundfünfzig EURO) und anstelle der gesetzlichen Gebühr „Verfahrensgebühr Nr. 4112 RVG“ in Höhe von 124,00 EURO eine Pauschgebühr in Höhe von 270,00 (in Worten: zweihundertundsiebzig EURO) bewilligt.

Der weitergehende Antrag wird zurückgewiesen.

Gründe:

I.
Der Antragsteller begehrt als gerichtlich bestellter Verteidiger des ehemaligen Angeklagten für seine Tätigkeit die Gewährung einer angemessenen Pauschgebühr. Seinen Antrag hat er beschränkt auf die Bewilligung einer Pauschgebühr für das vorgerichtliche Verfahren und das gerichtliche Verfahren erster Instanz außerhalb der Hauptverhandlung.
Er ist dem ehemaligen Angeklagten durch Beschluss vom 24. September 2004 als Pflichtverteidiger beigeordnet worden, mithin nach der am 12. Juli 2004 erfolgten Anklageerhebung. Erstmals tätig geworden ist er am 27. August 2001.
Im Hauptverhandlungstermin vom 15. Februar 2006 ist das Verfahren gegen den ehemaligen Angeklagten gemäß § 153 Abs. 2 StPO eingestellt worden.
Hinsichtlich der Tätigkeiten des Antragstellers im Einzelnen wird auf die Stellungnahme des Leiters des Dezernats 10 vom 26. Mai 2006 Bezug genommen, die dem Antragsteller bekannt ist und in der dessen Tätigkeitsumfang zutreffend dargestellt ist.

II.
Die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG liegen für das vorgerichtliche und das gerichtliche Verfahren erster Instanz außerhalb der Hauptverhandlung vor, da das Verfahren für den Antragsteller insoweit besonders umfangreich war und die gesetzlichen Gebühren „unzumutbar“ im Sinne des § 51 RVG sind.

Das am 1. Juli 2004 in Kraft getretene RVG sieht bei den Gebühren des Strafverteidigers in Teil 4 VV RVG in erster Linie eine verfahrensabschnittsweise Vergütung vor, die - so der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 220) - eine bessere Honorierung der Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Strafverfahren ermöglichen soll. Dem hat er bei der Neufassung des § 51 RVG dadurch Rechnung getragen, dass nunmehr ausdrücklich in § 51 Abs. 1 Satz 1 RVG die Bewilligung einer Pauschgebühr für einen Verfahrensabschnitt möglich ist (vgl. dazu BT-Dr. 15/1971, S. 201). Danach ist eine Pauschgebühr für das gesamte Verfahren oder – wie im vorliegenden Fall beantragt – für einzelne Verfahrensabschnitte zu gewähren, wenn die gesetzlichen Gebühren wegen des besonderen Umfangs und/oder der besonderen Schwierigkeit der Tätigkeit des Pflichtverteidigers nicht zumutbar sind

1.
Besonders schwierig war das Verfahren hingegen nicht. Der Senat schließt sich insoweit der Stellungnahme des Vorsitzenden der Strafkammer an, wonach die Strafsache für den Pflichtverteidiger keine besondere Schwierigkeiten in tatsächlicher Hinsicht geboten hat. Es ist kein Grund ersichtlich, sich der sachnahen Einschätzung des Vorsitzenden des Gerichts nicht anzuschließen (vgl. zu deren grundsätzlicher Maßgeblichkeit grundlegend Senat in AnwBl. 1998, 416 = ZAP EN-Nr. 609/98 = AGS 1998, 104 und Senat in JurBüro 1999, 194 = AGS 1999, 104 = AnwBl. 2000, 56; zur Weitergeltung dieser Rechtsprechung nach Inkrafttreten des RVG Senat in StraFo 2005, 130 = RVGreport 2005, 68 = NStZ-RR 2005, 127 (Ls.) = Rpfleger 2005, 214 = AGS 2005, 117).

2.
Der Antragsteller ist sowohl im Ermittlungsverfahren, dem vorbereitenden Verfahren im Sinne des Teils 4 Unterabschnitt 2 des Vergütungsverzeichnisses, als auch im gerichtlichen Verfahren im Sinne des Teils 4 Unterabschnitt 3 des Vergütungsverzeichnisses in weit überdurchschnittlichem Maße tätig gewesen, so dass die gesetzlichen Gebühren „unzumutbar“ im Sinne des § 51 RVG sind.
Hinsichtlich des vorbereitenden Verfahrens waren insoweit insbesondere die lange Verfahrensdauer und die dadurch erforderliche wiederholte Einarbeitung in den umfangreichen Prozessstoff von über 1300 Blatt Akten von Belang.
Bezüglich des gerichtlichen Verfahrens außerhalb der Hauptverhandlung war die Tätigkeit des Verteidigers unter Berücksichtigung der von ihm gefertigten Einlassungsschriften und Anträge ebenfalls als weit überdurchschnittlich einzustufen.

Die Bemessung der Höhe der Pauschgebühr orientiert sich grundsätzlich an den gesetzlichen Gebühren eines Wahlverteidigers. Zwar ist die Pauschgebühr der Höhe nach nicht beschränkt und darf grundsätzlich auch die gesetzlichen Rahmenhöchstgebühren des Vergütungsverzeichnisses überschreiten, allerdings hat die Höchstgebühr eines Wahlverteidigers in der Vergangenheit in der Rechtsprechung der Oberlandesgerichte in der Regel die obere Grenze gebildet. Überschritten wurde diese Grenze nur in Sonderfällen und zwar dann, wenn auch die Wahlverteidigerhöchstgebühr in einem grob unbilligen Missverhältnis zu der Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers gestanden hätte oder wenn die Strafsache über einen längeren Zeitraum die Arbeitskraft des Verteidigers ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch genommen hat, was zum Beispiel bei außergewöhnlich umfangreichen und schwierigen Strafsachen angenommen wurde ( vgl. OLG Hamm, StraFo 1998, 215 = JurBüro 1998, 415 für ein umfangreiches Wirtschaftsstrafverfahren). Um einen solchen Sonderfall handelt es sich hier jedenfalls nicht.
Die Wahlverteidigerhöchstgebühr beträgt für das vorbereitende Verfahren (Verfahrensgebühr mit Zuschlag Nr. 4104) 250,00 EURO. Der Senat hält diese Gebühr im vorliegenden Fall nach Abwägung aller Umstände für angemessen und ausreichend. Hinsichtlich der Verfahrensgebühr Nr. 4113 VV RVG hält der Senat die Wahlverteidigerhöchstgebühr in Höhe von 270,00 EURO für angemessen und ausreichend.

3.
Der weitergehende Antrag, den der Senat in Übereinstimmung mit dem Vertreter der Staatskasse für übersetzt hält, war demzufolge abzulehnen.
Ergänzend merkt der Senat an:
Der Anwendungsbereich der Bewilligung einer Pauschgebühr nach § 51 RVG ist gegenüber § 99 BRAGO erheblich eingeschränkt. Nach dem neuen Recht ist eine Pauschgebühr nur noch zu bewilligen, wenn die im Vergütungsverzeichnis bestimmten Gebühren wegen des besonderen Umfangs oder der besonderen Schwierigkeit der Sache nicht zumutbar sind. Diese Einschränkung ist nach der amtlichen Begründung (vgl. BT-Dr. 15/1971 S.203) gerechtfertigt, weil in das Gebührenverzeichnis zum RVG neue Gebührentatbestände aufgenommen worden sind, bei denen die zugrunde liegenden Tätigkeiten in der Vergangenheit häufig bei der Bewilligung einer Pauschgebühr berücksichtigt worden sind. Das gilt zum Beispiel für die Teilnahme an Vernehmungen im Ermittlungsverfahren oder die Teilnahme an Haftprüfungsterminen. Für diese Tätigkeiten steht dem Pflichtverteidiger nach neuem Recht ein gesetzlicher Gebührenanspruch gemäß VV Nummern 4102 Nr.1 und Nr.3 zu. Gleiches gilt für die Dauer der Hauptverhandlung, da das Vergütungsverzeichnis für den Pflichtverteidiger für mehr als 5 bzw. 8 Stunden dauernde Hauptverhandlungstermine Zuschläge zu den Hauptverhandlungsgebühren vorsieht (vgl. VV Nummern 4122 und 4123). Die bisherigen Grundsätze für die Bewilligung einer Pauschgebühr sind damit nur noch sehr eingeschränkt anwendbar.
Weitere Voraussetzung für die Bewilligung einer Pauschvergütung ist nach dem Gesetzeswortlaut, dass die gesetzlichen Gebühren unzumutbar sind. Damit soll verhindert werden, dass der Pflichtverteidiger ein Sonderopfer erbringt. Zur Stellung des Pflichtverteidigers hat das Bundesverfassungsgericht in der Entscheidung vom 6. November 1984 - 2 BvL 16/83 u.a. ausgeführt:
"Die Bestellung zum Pflichtverteidiger ist eine besondere Form der Indienstnahme Privater zu öffentlichen Zwecken (vgl. BVerfGE 39, 238 (241)). Sinn der Pflichtverteidigung ist es nicht, dem Anwalt zu seinem eigenen Nutzen und Vorteil eine zusätzliche Gelegenheit beruflicher Betätigung zu verschaffen. Vielmehr besteht ihr Zweck ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen (§ 140 StPO) rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfGE a.a.O. S. 242; vgl. auch BGHSt 3, 395 (398)). Der vom Gerichtsvorsitzenden ausgewählte und beigeordnete Rechtsanwalt darf die Übernahme der Verteidigung nicht ohne wichtigen Grund ablehnen (§ 49 in Verbindung mit § 48 Abs. 2 BRAO), sondern muss - gegebenenfalls unter Hintansetzung anderer beruflicher Interessen - die ihm übertragene Verteidigung führen. Ein Widerruf der Bestellung des Pflichtverteidigers ist ebenfalls nur aus wichtigem Grund zulässig (vgl. BVerf- GE a.a.O. S. 244 m. w. N.). Im Gegensatz zum gewählten Verteidiger, der seine Aufgaben in der Hauptverhandlung im Falle kurzfristiger Verhinderung durch sonstige Geschäfte von einem anderen Verteidiger wahrnehmen lassen kann (vgl. BGHSt 15, 306 (308)), hat der Pflichtverteidiger stets und ununterbrochen an der Verhandlung teilzunehmen. Er darf zu seiner Entlastung weder Untervollmacht erteilen (vgl. BGH, Strafverteidiger 1981, S. 393) noch einem Referendar Verteidigerfunktionen übertragen (vgl. § 139 StPO; BGH, NJW 1958, S. 1308 f.). Im übrigen weist die Strafprozessordnung dem Pflichtverteidiger die gleichen Aufgaben zu wie dem Wahlverteidiger. Wie dieser hat er auch die gleichen standesrechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen.

Angesichts dieser umfassenden Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers für Aufgaben, deren ordentliche Wahrnehmung im öffentlichen Interesse liegt, hat der Gesetzgeber die Pflichtverteidigung nicht als eine vergütungsfrei zu erbringende Ehrenpflicht des Anwaltsstandes angesehen, sondern den Pflichtverteidiger honoriert. Der Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers aus § 97 BRAGO liegt indessen erheblich unter den als angemessen geltenden Rahmengebühren des Wahlverteidigers. Diese Begrenzung ist durch einen vom Gesetzgeber im Sinne des Gemeinwohls vorgenommenen Interessenausgleich, der auch das Interesse an einer Einschränkung des Kostenrisikos berücksichtigt, gerechtfertigt, sofern die Grenze der Zumutbarkeit noch gewahrt ist. In Strafsachen besonderen Umfangs, die die Arbeitskraft des Pflichtverteidigers für längere Zeit ausschließlich oder fast ausschließlich in Anspruch nehmen, ohne dass er sich dieser Belastung entziehen könnte, gewinnt die Höhe des Entgelts für ihn existenzielle Bedeutung. Eine Verteidigung zu den verkürzten Gebühren des § 97 BRAGO könnte dann dem Pflichtverteidiger ein unzumutbares Opfer abverlangen. Schon das Grundrecht auf freie Berufsausübung (Art. 12 Abs. 1 GG) gebietet für solch besondere Fallgestaltungen eine Regelung, die es, wie § 99 BRAGO, ermöglicht, der aufgezeigten Inanspruchnahme des Pflichtverteidigers Rechnung zu tragen und ihn entsprechend zu vergüten (vgl. BVerfGE 47, 285 (321 f.); 54, 251 (271))."

Sinn und Zweck der Pauschgebühr ist es danach nicht, dem Verteidiger einen zusätzlichen Gewinn zu verschaffen; sie soll nur eine unzumutbare Benachteiligung verhindern (vgl. auch Hartmann, Kostengesetze, 34. Aufl., RVG § 51 Rdn.2). Die Bewilligung einer Pauschgebühr kommt danach grundsätzlich nur noch in Ausnahmefällen in Betracht.

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