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RVG Entscheidungen

Nr. 4142 VV

Beistand eines Nebenbeteiligten, Verbandsgeldbuße

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Stuttgart, Beschl. v. 07.11.2017 - 1 Ws 143/17

Leitsatz: Der Beistand einer Nebenbeteiligten hat Anspruch auf die Gebühr Nr. 4142 VV RVG, wenn gegen die Nebenbeteiligte die Verhängung eines Bußgelds nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG beantragt wird.


1. STRAFSENAT
Oberlandesgericht Stuttgart
1 Ws 143/17
Beschluss
In dem Strafverfahren
gegen
1. W.
2. H.
wegen Marktmanipulation
Nebenbeteiligte:
Prozessbevollmächtigte:
hat das Oberlandesgericht Stuttgart - 1. Strafsenat - am 7. November 2017 beschlossen:
1. Auf die sofortige Beschwerde der Nebenbeteiligten wird der Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Stuttgart vom 22. Juni 2017 dahingehend abgeändert, dass zusätzlich zu dem im genannten Kostenfestsetzungsbeschluss festgesetzten Betrag weitere 91.496 Euro (in Worten: einundneunzigtausendvierhundertsechsundneunzig Euro) nebst Zinsen in Höhe von 5%-Punkten über dem Basiszinssatz gemäß § 247 BGB hieraus seit 10. Januar 2017 festgesetzt werden.
2. Im Übrigen wird die sofortige Beschwerde verworfen.
3. Eine Gebühr wird nicht erhoben. Die der Beschwerdeführerin entstandenen notwendigen Auslagen trägt zu 95% die Staatskasse, die weiteren 5% hat die Beschwerdeführerin zu tragen.
4. Der Beschwerdewert wird auf 96.767,35 Euro festgesetzt.

Gründe:
I.
Mit Urteil des Landgerichts Stuttgart vom 18. März 2016, rechtskräftig seit 28. Juli 2016, wurden die Angeklagten W. und H. vom Vorwurf der Marktmanipulation freigesprochen. Das Landgericht hatte zuvor angeordnet, dass die Beschwerdeführerin an dem Verfahren beteiligt ist und hat in seinem freisprechenden Urteil die notwendigen Auslagen der Nebenbeteiligten der Staatskasse auferlegt.

Entsprechend der Kostengrundentscheidung macht die Beschwerdeführerin ihren Anspruch auf Ersatz der notwendigen Auslagen gegen die Staatskasse geltend.

Mit dem angefochtenen Kostenfestsetzungsbeschluss vom 22. Juni 2017 erfolgte eine Festsetzung der an die Nebenbeteiligte zu erstattenden Auslagen in Höhe von 23.147,30 Euro.

Gegen den am 6. Juli 2017 zugestellten Kostenfestsetzungsbeschluss hat die Nebenbeteiligte mit Schreiben ihres Verteidigers vom 7. Juli 2017, eingegangen bei Gericht am 10. Juli 2017, sofortige Beschwerde eingelegt und diese mit Schriftsatz vom 10. Juli 2017 begründet. Die sofortige Beschwerde richtet sich gegen die Ablehnung der Erstattung von - dem nicht am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalt K. aufgrund der Entfernung zwischen Kanzlei- und Gerichtsort entstandenen - Reisekosten in Höhe von 2.297,55 Euro, von Tage- und Abwesenheitsgeldern und Übernachtungskosten in Höhe von 2.973,80 Euro sowie gegen die Nichtanerkennung der Verfahrensgebühr nach Nr. 4142 VV RVG in Höhe von 91.496 Euro.

II.
Nach § 464b Satz 3 StPO i.V.m. § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO ist gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss das Rechtsmittel der sofortigen Beschwerde gegeben, wobei sich das Beschwerdeverfahren nach den Grundsätzen der StPO richtet (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 60. Auflage, § 464b Rn. 6). Der Senat entscheidet über die sofortige Beschwerde gemäß § 122 Abs. 1 GVG auch im Kostenfestsetzungsverfahren in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich des Vorsitzenden (OLG Rostock, Beschluss vom 18. Januar 2017, 20 Ws 21/17, juris Rn. 5; OLG Celle, Beschluss vom 21. April 2016, 1 Ws 187/16, juris Rn. 6; OLG Düsseldorf, NStZ-RR 2012, 160, juris Rn. 6; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464b Rn. 7).
6Das zulässige Rechtsmittel hat in der Sache teilweise Erfolg.

1. Auslagen des nicht-ortsansässigen Rechtsanwalts

Zu den notwendigen Auslagen eines Beteiligten gemäß § 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO gehören die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts, soweit sie nach § 91 Abs. 2 ZPO zu erstatten sind. Die Reisekosten eines Rechtsanwalts, der - wie vorliegend - nicht im Bezirk des Prozessgerichts niedergelassen ist und dort auch nicht wohnt, sind nur insoweit von der Staatskasse zu erstatten, als dessen Zuziehung zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendig war, §§ 464a Abs. 2 Nr. 2 StPO, 91 Abs. 2 S. 1 ZPO (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O, § 464a Rn. 12). Grundsätzlich macht allein weder das Bestehen eines besonderen Vertrauensverhältnisses zu einem auswärtigen Rechtsanwalt noch die ständige Zusammenarbeit mit diesem dessen Hinzuziehung notwendig (BGH, Beschluss vom 22. Februar 2007, VII ZB 93/06, juris Rn. 14; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O.).
8Die Nebenbeteiligte wurde von insgesamt drei Rechtsanwälten vertreten, von denen einer, Rechtsanwalt W., in Stuttgart ortsansässig ist. Da grundsätzlich nur die Hinzuziehung eines Rechtsanwalts notwendig im vorgenannten Sinne ist, sind die Kosten des ortsansässigen Rechtsanwalts zu erstatten und nicht diejenigen, die einem weiteren Wahlverteidiger dadurch entstanden sind, dass er seinen Kanzleiort nicht am Sitz des zuständigen Gerichts hat.
9Darüber hinaus ist auch die vom Verteidiger vorgebrachte Wertung des § 142 StPO auf den vorliegenden Fall nicht anwendbar, da diese Vorschrift die Bestellung eines Pflichtverteidigers für den Beschuldigten regelt. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts für einen Nebenbeteiligten richtet sich hingegen nach §§ 444 Abs. 2 S. 2, 434 Abs. 2 StPO, die insoweit eine abweichende Regelung treffen.
Die Festsetzung weiterer Reisekosten sowie die Erstattung von Tage- und Abwesenheitsgeldern und Übernachtungskosten war daher abzulehnen.

2. Gebühr Nr. 4142 VV RVG

Der Gebührentatbestand Nr. 4142 VV RVG ist vorliegend erfüllt.

Grundsätzlich kann die Gebühr Nr. 4142 VV RVG nach der Vorbemerkung 4 Abs. 1 VV RVG entsprechend auch für die Tätigkeit als Beistand eines Nebenbeteiligten anfallen (vgl. auch Burhoff in Gerold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, VV 4142 Rn. 3).

Die Staatsanwaltschaft hat bereits in der Anklageschrift vom 10. Juni 2015 die Beteiligung der … am Verfahren nach §§ 444, 431 StPO beantragt, da gegen diese die Verhängung eines Bußgelds nach § 30 Abs. 1 Nr. 1 OWiG in Betracht komme (vgl. S. 102 der Anklageschrift). Zwar liegt damit dem Wortlaut nach kein Fall des Gebührentatbestands der Nr. 4142 VV RVG vor, der sich - ausdrücklich und (auch nach der Neufassung durch das Gesetz zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13. April 2017, BGBl. 2017 I 22 v. 21.4.2017, weiterhin) enumerativ aufgezählt - auf die Einziehung oder dieser gleichstehende Rechtsfolgen nach § 442 StPO bezieht. Anerkannt ist, dass dieser Gebührentatbestand Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Rahmen von Maßnahmen betrifft, die darauf gerichtet sind, dem Betroffenen den Gegenstand endgültig zu entziehen und dadurch einen endgültigen Vermögensverlust zu bewirken. Es handelt sich hierbei um Maßnahmen, die dem Betroffenen den Gegenstand endgültig entziehen und es dadurch zu einem endgültigen Vermögensverlust kommen lassen (OLG Frankfurt, Urteil vom 11. Mai 2017 – 1 U 203/17 –, Rn. 53, juris; Burhoff in Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 4142, Rn. 6; Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Auflage, Nr. 4142 VV Rn. 5, S. 1105). Die Verbandsgeldbuße setzt sich aus einem Ahndungs- und einem Abschöpfungsteil zusammen (BGH, 3 StR 103/17, Urteil vom 18. Mai 2017, juris Rn. 32; vgl. auch BGH Kartellsenat, Beschluss vom 25. April 2005, KRB 22/04, juris Rn. 23). Die Staatsanwaltschaft hat vorliegend in ihrem Schlußplädoyer die Verhängung einer Geldbuße gegen die Nebenbeteiligte als juristische Person nach §§ 444 StPO, 30 Abs. 1 - 3 OWiG in Höhe von 806.177.498,96 Euro beantragt, wovon 805.177.498,96 Euro ausdrücklich als Abschöpfungsteil beziffert wurden. Dieser Abschöpfungsteil dient dem ebengenannten Zweck, nämlich der endgültigen Entziehung dieses Geldbetrages, weshalb die anwaltliche Tätigkeit in diesem Zusammenhang auch unter Nr. 4142 VV RVG fällt.

Hierfür spricht auch, dass nach § 30 Abs. 5 OWiG n.F. die Anordnung der Einziehung (bisher: Verfall) neben der Verhängung der Geldbuße nicht möglich ist. Die Einziehung zielt aber darauf, dem Verband unrechtmäßig erlangte Gewinne abzunehmen. Diesem Zweckt dient die Verbandsgeldbuße auch; sie hat jedoch weitergehende Zwecke und ist deshalb (auch der Wirkung nach) grundsätzlich die umfassendere Maßnahme (Göhler, OWiG, 17. Auflage, § 30 Rn. 37).

Die Gebühr Nr. 4142 VV RVG berechnet sich nach dem Gegenstandswert; dies ist gemäß § 2 Abs. 1 RVG der Wert, den der Gegenstand der anwaltlichen Tätigkeit hat. Dabei ist der objektive Wert maßgebend (vgl. Burhoff in Gerold/Schmidt, a.a.O., VV 4142, Rn. 18f.). Unabhängig davon, ob man vorliegend von dem Wert ausgeht, den die Staatsanwaltschaft in ihrer Anklageschrift als Gesamtgewinn der Nebenbeteiligten aus dem Verkauf der Aktien in Höhe von 380.831.412,32 Euro beziffert (vgl. Bl. 103 der Anklageschrift) oder ob die Beantragung eines Abschöpfungsbetrags in Höhe von 805 Mio. Euro im Schlussplädoyer als Grundlage dient (hiergegen: OLG Stuttgart, 5 Ws 151/10, Beschluss vom 24. August 2010, juris Rn. 4), ist jedenfalls aufgrund von § 22 Abs. 2 RVG als zugrunde zulegender Wert ein Höchstbetrag von 30 Mio. Euro anzunehmen. Gemäß § 13 Abs. 1 RVG errechnet sich hieraus die Gebühr in Höhe von 91.496 Euro.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 4 StPO.

IV.
Der Beschwerdewert entspricht der als erstattungsfähig geltend gemachten Gebührensumme, deren zusätzliche Festsetzung der Beschwerdeführer begehrt hat.


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