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RVG Entscheidungen

§ 52

Feststellung, Leistungsfähigkeit, Angeklagter, Darlegung, Vermutungswirkung, Beschwerdewert

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Köln, Beschl. v. 10.02.2017 - 2 Ws 85/17

Eigener Leitsatz: 1. Die Vorschrift des § 304 Abs. 3 StPO, wonach die Beschwerde gegen Entschei-dungen über Kosten und notwendige Auslagen nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- EUR übersteigt, findet im Beschwerdeverfahren nach § 52 Abs. 4 RVG keine Anwendung findet.
2. Macht der Angeklagte Ausführungen zur Höhe und Herkunft seines aktuellen Einkommens keine hinreichende Darlegung und erfolgt keine Glaubhaftmachung seiner Behauptungen, greift die Vermutungswirkung des § 52 Abs. 3 Satz 2 RVG ein.


2 Ws 85/17
OBERLANDESGERICHT KÖLN
BESCHLUSS

In der Strafsache
gegen pp.
Verteidiger:
Antragsteller:

hat der 2. Strafsenat des Oberlandesgerichts Köln auf die sofortige Beschwerde des Angeklagten vom 19.01.2017 gegen den Beschluss des Landgerichts Aachen vom 05.01.2017 (Az. 66 KLs 17/15), mit dem festgestellt worden ist, dass der Angeklagte ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhaltes zur Zahlung oder Leistung von Raten in der Lage ist,
unter Mitwirkung des Vorsitzenden Richters am Oberlandesgericht, der Richterin am Oberlandesgericht und des Richters am Oberlandesgericht
am 10. Februar 2017

beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird auf Kosten des Angeklagten verworfen.

Gründe:
I.
Der Antragsteller wurde dem zu dieser Zeit inhaftierten Angeklagten im Rahmen ei-nes Haftverkündungstermins mit Beschluss des Amtsgerichts Aachen vom 16.01.2015 (Az. 621 Gs 68/15) als Pflichtverteidiger beigeordnet. Am 25.03.2015 bestellte sich Frau Rechtsanwältin N. als Wahlverteidigerin des Angeklagten. Dieser erteilte ihr im Haftprüfungstermin am 07.04.2015 eine unwiderrufliche Zustellungs- und Ladungsvollmacht. Mit Beschluss vom 07.04.2015 (Az. 621 Gs 418/15) setzte das Amtsgericht Aachen den Haftbefehl unter anderem gegen Zahlung eine Kaution in Höhe von 10.000 € außer Vollzug, die der Angeklagte noch am selben Tag hinter-legte und worauf er sofort aus der Haft entlassen wurde. Nachdem die Wahlverteidi-gerin mit Schreiben vom 01.07.2015 anwaltlich versicherte, dass eine Mandatsnie-derlegung wegen alsbaldiger Mittelosigkeit des Mandanten nicht erfolgen und eine Wahlverteidigung zugesichert werde, nahm das Amtsgericht Aachen mit Beschluss vom 15.07.2015 (Az. 621 Gs 418/15) die Bestellung des Antragstellers als Pflichtver-teidiger zurück, da sich Frau Rechtsanwältin N. als Wahlverteidigerin bestellt hatte.

Mit Anklageschrift vom 26.08.2015 (Az. 102 Js 878/14) legt die Staatsanwaltschaft Aachen dem Angeklagten unerlaubte Einfuhr von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge in drei Fällen jeweils in Tateinheit mit unerlaubten Handeltreiben mit Betäu-bungsmitteln in nicht geringer Menge zur Last. Das Landgericht Aachen (Az. 66 KLs 17/15) stellte am 05.04.2016, sachverständig beraten durch die psychiatrische Sach-verständiger Dr. J., das Verfahren aufgrund der Verhandlungsunfähigkeit des Ange-klagten vorläufig gemäß § 205 StPO ein.

Der Antragsteller hat mit Schreiben vom 05.11.2015 beantragt, die ihm zustehenden Gebühren des gerichtlich bestellten Verteidigers auf 723,82 € festzusetzen. Mit Schreiben vom gleichen Tag hat er zudem beantragt, gemäß § 52 Abs. 2 RVG fest-zustellen, dass der Angeklagte ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts zur Zahlung der gesetzlichen Gebühren eines Wahlverteidi-gers, die er mit 884,17 € beziffert hat, in der Lage ist. Mit Beschluss der Rechtspfle-gerin des Landgerichts Aachen vom 07.11.2016 (Az. 66 KLs 17/15) sind die dem Antragsteller zu erstattenden Gebühren und Auslagen antragsgemäß auf 723,82 € festgesetzt worden. Mit Schreiben vom 10.11.2016 hat der Vorsitzende der 6. gro-ßen Strafkammer des Landgerichts Aachen den Angeklagten und seine Verteidigerin von dem Antrag des Antragstellers in Kenntnis gesetzt und dem Angeklagten eine Frist von einem Monat gesetzt, binnen derer er eine Erklärung zu seinen persönli-chen und wirtschaftlichen Verhältnissen (Familienverhältnisse, Beruf, Vermögen, Einkommen und Belastungen) mit entsprechenden Belegen vorlegen habe mit dem Hinweis, dass, sofern die Erklärung nicht innerhalb der gesetzten Frist abgegeben werde, vermutet werde, dass er leistungsfähig im Sinne des gestellten Antrages sei. Hierzu könne er auch ein Formular verwenden, welches zur Beantragung von Pro-zesskostenhilfe im Zivilprozess verwendet werde. Dieses Schreiben ist der Verteidi-gerin des Angeklagten am 02.12.2016 zugestellt worden. Mit Faxschreiben, Eingang bei Gericht am 22.12.2016, hat die Verteidigerin vier Jahresendabrechnung des nie-derländischen Leistungsträgers für Arbeitnehmerversicherungen für die Jahre 2012-2015 zu den Akten gereicht. Mit Beschluss vom 05.01.2017, der Verteidigerin am 17.01.2017 zugegangen, hat das Landgericht Aachen festgestellt, dass der Ange-klagte ohne Beeinträchtigung des für ihn und seine Familie notwendigen Unterhalts zur Zahlung oder zur Leistung von Raten in der Lage ist. Zur Begründung hat die Strafkammer ausgeführt, dass seine Leistungsfähigkeit zu vermuten sei, da er inner-halb der ihm gesetzten Frist keine aussagekräftigen Erklärungen und Unterlagen im Hinblick auf seine Leistungsfähigkeit zur Akte gereicht habe. Der Angeklagte hat mit Verteidigerschreiben vom 19.01.2017, eingegangen bei Gericht am 23.01.2017, hiergegen „Beschwerde“ eingelegt und ausgeführt, dass der Angeklagte intellektuell und sprachlich nicht in der Lage sei, ein deutsches Verfahrenskostenformular auszu-füllen. Gleichzeitig hat sie weitere Unterlagen in niederländischer Sprache, die sie nur mit sehr viel Geduld von dem Angeklagten erhalten habe, zur Akte gereicht.

II.
Die als sofortige Beschwerde auszulegende Beschwerde ist zulässig, hat in der Sache jedoch keinen Erfolg.

1. Gegen die Zulässigkeit der nach § 52 Abs. 4 RVG statthaften und auch im Übri-gen gemäß §§ 311 Absatz 2, 306 Absatz 1 StPO form- und fristgerecht eingelegten sofortigen Beschwerde bestehen auch im Hinblick auf die Vorschrift des § 304 Abs. 3 StPO im Ergebnis keine durchgreifenden Bedenken. Nach § 304 Abs. 3 StPO ist die Beschwerde gegen Entscheidungen über Kosten und notwendige Auslagen nur zulässig, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes 200,- € übersteigt. Ob diese Vorschrift im Beschwerdeverfahren nach § 52 Abs. 4 RVG überhaupt Anwendung findet, ist streitig (bejahend: OLG Karlsruhe, Beschluss vom 01.07.1977, 2 Ws 156/77, Justiz 1977, 439; Hartmann, Kostengesetze, 46. Auflage, § 52 Rn. 39; Har-tung in Hartung/Schons/Enders, RVG, 3. Auflage, § 52 Rn. 71; Kremer in Rie-del/Sußbauer/Schmahl, RVG; 10. Auflage, § 52 Rn. 25; verneinend: OLG München Beschluss vom 05.05.1978, 2 Ws 264/78, MDR, 1978, 779; Stollenwerk in Schnei-der/Volpert/ Fölsch, Gesamtes Kostenrecht, 2. Auflage, § 52 Rn. 19; Burhoff in Ge-rold/Schmidt, RVG, 22. Auflage, § 52 Rn. 26; Houben in Baumgär-tel/Hergenröder/Houben, RVG, 16. Auflage, § 52 Rn. 8; Kroiß in Mayer/Kroiß, RVG, 6. Auflage, § 52 Rn. 22 (der jedoch mit Verweis auf den bereits am 30.06.2004 au-ßer Kraft getretenen § 304 Abs. 3 S. 2 StPO unzutreffend einen Beschwerdewert von 50,- € annimmt)). Der Senat schließt sich der überzeugend begründeten Auffassung des OLG München an. Die Entscheidung gemäß § 52 Abs. 2 RVG ergeht allein über die Leistungsfähigkeit, über die Kosten selbst wird gerade nicht entscheiden. Dies folgt bereits daraus, dass zum Zeitpunkt der Antragstellung, die bereits mit Fälligkeit der Vergütung gemäß § 8 Abs. 1 RVG erfolgen kann (vgl. KG Berlin, Beschluss vom 07.03.2007, 1 Ws 21/07, StRR 2007, 239), noch gar nicht ab-sehbar ist, in welcher Höhe Ansprüche geltend gemacht werden. Denn der Pflichtver-teidiger ist grundsätzlich nicht verpflichtet, seine Ansprüche – wie vorliegend gesche-hen – bereits zu beziffern. Schließlich spricht auch ein Vergleich mit den Vorschriften zur Prozesskostenhilfe gegen die Geltung der Wertgrenze des § 304 Abs. 3 StPO. Diese sind unabhängig von ihrer Beschwer anfechtbar (vgl. Fischer in Musielak/Voit, ZPO, 16. Auflage, § 127 Rn. 14).

2. Das nach alledem zulässige Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.

Das Landgericht hat zu Recht die Voraussetzungen für die Feststellung der Zah-lungsfähigkeit des Angeklagten angenommen. Der Antrag des früheren Pflichtvertei-digers enthält die zur Beurteilung der Leistungsfähigkeit erforderlichen Mindestanga-ben. Er hat unwidersprochen behauptet, dass der Angeklagte nicht nur eine Sicher-heitsleistung in Höhe von 10.000,- € hinterlegt, sondern zudem seine Wahlverteidige-rin ausdrücklich versichert hat, dass eine Mandatsniederlegung wegen alsbaldiger Mittellosigkeit des Angeklagten nicht erfolgen werde. Demgegenüber ist der Ange-klagte der Verpflichtung, seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach Maßgabe des § 117 Abs. 2 bis 4 ZPO darzulegen (§ 52 Abs. 3 S. 1 RVG) innerhalb der ihm durch das Landgericht gesetzten Frist nicht nachgekommen. Die Strafkam-mer hat ihre Entscheidung danach zu Recht auf § 52 Abs. 3 S. 2 RVG gestützt. Mit dieser im (alten) Gebührenrecht der BRAGO noch nicht enthaltenen Bestimmung wollte der Gesetzgeber gerade verhindern, dass es sich zu Lasten des Rechtsan-walts auswirkt, wenn der Angeklagte bei der Ermittlung seiner persönlichen und wirt-schaftlichen Verhältnisse nicht in der gebotenen Weise mitwirkt (vgl. BT-Drucksache 15/1971 S. 202).

Auch die von dem Angeklagten mit Beschwerdeeinlegung eingereichten Unterlagen in niederländischer Sprache, die der Senat hat übersetzen lassen, rechtfertigen keine andere Entscheidung. Die Auskünfte des Angeklagten lassen bereits deshalb keine Schluss auf seine aktuelle Leistungsfähigkeit zu, weil er vorgetragen hat, dass er insgesamt 1.119,- € monatliche Rente aus der Bundesrepublik Deutschland beziehe, wovon die „niederländische Rente“ abgezogen werde, so dass „nichts Zusätzliches“ übrig bleibe. Es bleibt mithin offen, über welchen Geldbetrag der Angeklagte und sei-ne Familie monatlich verfügen können. Auch seine weitere Behauptung, dass seine Familie üblicherweise ein Geldbetrag von „+/- 140,- €“ monatlich weniger als das Minimum in den Niederlanden zur Verfügung stehe, ist durch keine entsprechenden Unterlagen belegt. Die von ihm eingereichten Unterlagen betreffen darüber hinaus das Jahr 2015 und geben keine Aufschluss über seine aktuelle finanzielle Situation, auf die es jedoch entscheidend ankommt (vgl. Stollenwerk a.a.O., Rn. 15). Nach seinen eigenen Angaben ist darüber hinaus jedenfalls davon auszugehen, dass er derzeit in der Lage ist einen Kredit in monatlichen Raten zu je 50,- € zurückzuzahlen.

Im Ergebnis ist der Angeklagte Ausführungen zur Höhe und Herkunft seines aktuel-len Einkommens ebenso schuldig geblieben wie einer hinreichende Darlegung und Glaubhaftmachung seiner Behauptungen.

III.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: VorsRiLG Dr. T. Stollenwerk, Bonn

Anmerkung:


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