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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Rechtsmittel

Wiedereinsetzung, Beschwerde, Kosten- und Auslagenentscheidung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Celle, Beschl. v. 21.06.2016 - 1 Ws 287/16

Leitsatz: 1. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung einer sofortigen Beschwerde kommt nicht in Betracht, wenn die verspätete Beschwerdeeinlegung darauf beruht, dass die rechtliche Tragweite der angefochtenen Entscheidung zunächst verkannt wurde.
2. Im Verfahren über eine sofortige Beschwerde gegen eine Kosten- und Auslagenentscheidung ist dem beschwerdeführenden Angeklagten Verschulden seines Verteidigers zuzurechnen.
3. In einem freisprechenden Urteil ist eine Kosten- und Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 1 StPO auch dann zu treffen, wenn ein Fall des § 469 Abs. 1 StPO vorliegt. Die Kostentscheidung nach § 469 Abs. 1 StPO ergeht unabhängig von der Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils durch gesonderten Beschluss.


Oberlandesgericht Celle
Beschluss
1 Ws 287/16
In der Strafsache
gegen pp.,
wegen schweren Raubes u. a.

hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Celle nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft durch den Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgericht am 21. Juni 2016 beschlossen:

Der Antrag des Beschwerdeführers vom 1. Juni 2016 auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 21. April 2016 (33 KLs 21/15) wird als unbegründet verworfen.

Die sofortige Beschwerde vom 1. Juni 2016 gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 21. April 2016 (33 KLs 21/15) wird auf Kosten des Beschwerdeführers als unzulässig verworfen.

Gründe:
I.
Durch Urteil des Landgerichts Hannover vom 21. April 2016 wurden der Beschwerdeführer Z. B. und der Mitangeklagte O. A. freigesprochen, nachdem der Nebenkläger – das mutmaßliche Tatopfer – in der Hauptverhandlung eingeräumt hatte, die gegen die Angeklagten erhobenen und von ihm zur Anzeige gebrachten Tatvorwürfe wider besseres Wissen frei erfunden zu haben. In dem seit dem 29. April 2016 rechtskräftigen vorgenannten Urteil hat das Landgericht folgende auf § 469 Abs. 1 Satz 1 StPO gestützte Kosten- und Auslagenentscheidung getroffen: „Die Kosten des Verfahrens einschließlich der notwendigen Auslagen der Angeklagten werden dem Nebenkläger auferlegt.“ Eine Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 1 StPO unterblieb.

Zu einem an die Staatskasse gerichteten Antrag des Verteidigers des freigesprochenen Beschwerdeführers vom 29. April 2016 auf Erstattung der Wahlverteidigergebühren als notwendige Auslagen des Angeklagten hat die Bezirksrevisorin bei dem Landgericht Hannover in ihrer Stellungnahme ausgeführt, der Beschwerdeführer könne auf der Basis der Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils des Landgerichts Hannover keinen Erstattungsanspruch geltend machen, weil die Strafkammer verabsäumt habe, gemäß § 467 Abs. 1 StPO eine Auslagenentscheidung dahingehend zu treffen, dass die notwendigen Auslagen der Angeklagten der Staatskasse auferlegt werden.

Nachdem der Verteidiger des Beschwerdeführers die Stellungnahme der Bezirksrevisorin am 17. Mai 2016 erhalten hatte, erhob er mit Schriftsatz vom 1. Juni 2016, beim Landgericht eingegangen am selben Tage, sofortige Beschwerde gegen die Kostenentscheidung des Urteils des Landgerichts Hannover vom 21. April 2016 und beantragte zugleich eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, sofern die Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde versäumt worden sein sollte.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, den Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und die sofortige Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.

II.

Die sofortige Beschwerde ist unzulässig.

1. Die angefochtene Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils des Landgerichts Hannover wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 35 Abs. 1 Satz 1 StPO mit der Verkündung des Urteils am 21. April 2016, bei der er und sein Verteidiger anwesend waren, bekannt gemacht. Die Frist von einer Woche zur Einlegung der sofortigen Beschwerde nach § 464 Abs. 3 Satz 1 StPO begann mit dieser Bekanntmachung am 21. April 2016 (vgl. § 311 Abs. 2 StPO) und endete damit gemäß § 43 Abs. 2 StPO mit Ablauf des 28. April 2016. Die erst am 1. Juni 2016 beim Landgericht Hannover eingegangene sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung des Urteils ist damit nicht fristgerecht eingelegt worden.

2. Eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde kommt nicht in Betracht. Denn eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand setzt ein Fristversäumnis voraus; eine Rechtsmittelfrist versäumt im Sinne des § 44 Satz 1 StPO hat jedoch nur derjenige, der das Rechtsmittel einlegen wollte, die dafür gesetzlich vorgesehene Frist jedoch nicht eingehalten hat. Wer dagegen von einem Rechtsbehelf bewusst keinen Gebrauch gemacht hat, war – unabhängig davon, ob ihm die Fristgebundenheit des Rechtsbehelfs bekannt war oder nicht – nicht im Sinne des § 44 Satz 1 StPO an der Einlegung des Rechtsbehelfs „verhindert“ (vgl. BGH, Beschluss vom 20. August 2013 – 1 StR 305/13, NStZ-RR 2013, 381; BGH, Beschluss vom 10. August 2000 – 4 StR 304/00, NStZ 2001, 160; LR-StPO-Graalmann-Scherer, 26. Aufl. 2006, § 44 Rn. 18; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 44 Rn. 5).

So liegt es hier: Der Verteidiger des Beschwerdeführers hat im Rahmen seiner Beschwerdebegründung erklärt, er sei bei der Urteilsverkündung – und damit der Bekanntmachung der Kosten- und Auslagenentscheidung – davon ausgegangen, dass „die Kostenentscheidung korrekt im Sinne des § 467 StPO ergangen“ sei. Der Verteidiger des Beschwerdeführers hat mithin von einer sofortigen Beschwerde innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO abgesehen, weil er irrig davon ausging, dass eine Kosten- und Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 1 StPO getroffen worden war.

Tatsächlich hätte das Landgericht als notwendige Folge des Freispruchs im Urteilstenor, der alleinige Grundlage für das Kostenfestsetzungsverfahren ist, eine Kosten- und Auslagenentscheidung nach § 467 Abs. 1 StPO treffen müssen. Daneben – nicht jedoch stattdessen – hätte das Landgericht nach § 469 Absatz 1 StPO eine weitere Kosten- und Auslagenentscheidung dahingehend treffen müssen, die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen der Angeklagten dem Nebenkläger als demjenigen aufzuerlegen, der das Verfahren durch eine vorsätzlich erstattete unwahre Anzeige veranlasst hatte. Diese zusätzliche Kostenentscheidung hätte indes außerhalb des Urteils durch gesonderten Beschluss ergehen müssen. Denn die Regelung des § 469 Absatz 1 StPO soll einem Freigesprochenen nicht den aus § 467 Abs. 1 StPO resultierenden Auslagenerstattungsanspruch gegen die Staatskasse nehmen und ihn stattdessen an den – möglicherweise zahlungsunfähigen – Anzeigeerstatter verweisen, sondern primär der Staatskasse einen Regressanspruch gegen denjenigen verschaffen, der die Kosten des Verfahrens schuldhaft verursacht hat (vgl. zum Ganzen BayObLG, Urteil vom 3. Oktober 1957 – Rreg 4 St 39/57, NJW 1958, 1933; KK-StPO-Gieg, 7. Aufl. 2014, § 469 Rn. 3; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 467 Rn. 2, § 469 Rn. 7).

Dieses fehlerhafte Vorgehen des Landgerichts hat der Verteidiger des Angeklagten (zunächst) nicht erkannt. Er hat mithin die rechtliche Konsequenz der verkündeten Kosten- und Auslagenentscheidung nicht erfasst und deshalb von deren Anfechtung abgesehen.

Dieses „Verschulden“ seines Verteidigers muss sich der Beschwerdeführer zurechnen lassen, so dass er sich nicht darauf berufen könnte, selbst schuldlos eine – fristgerechte – Einlegung der sofortigen Beschwerde nicht veranlasst zu haben. Denn der Grundsatz, dass einem Angeklagten ein Verteidigerverschulden nicht zuzurechnen ist, gilt im Verfahren der Anfechtung einer Kostenentscheidung nicht (BGH, Beschluss vom 6. Mai 1975 –5 StR 139/75, BGHSt 26, 126; OLG Düsseldorf, Beschluss vom 9. Januar 1989 – 2 Ws 1/89; OLG Koblenz, Beschluss vom 15. Januar 1988 – 1 Ws 37/88; OLG Celle, Beschluss vom 9. Juni 1959 – 2 Ss 140/59, NJW 1959, 1932; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 44 Rn. 19, § 464 Rn. 21).

Unerheblich ist, dass der Verteidiger in seiner Beschwerdebegründung vorträgt, er gehe davon aus, dass seine sofortige Beschwerde nicht verfristet sei, weil ihm das schriftliche Urteil noch nicht zugestellt worden sei, also geltend macht, sich auch über den Zeitpunkt des Fristbeginns für die Einlegung einer Kostenbeschwerde geirrt zu haben und weiter zu irren. Denn er hätte, wie seine oben angeführte Erklärung zeigt, auch dann nicht innerhalb einer Woche nach Verkündung des Urteils Beschwerde gegen die Kostenentscheidung erhoben, wenn er gewusst hätte, dass eine sofortige Beschwerde gegen die Kosten- und Auslagenentscheidung eines Urteils innerhalb einer Woche nach Urteilsverkündung einzulegen ist.

Auch die Regelung des § 44 Satz 2 StPO vermag dem Wiedereinsetzungsantrag nicht zum Erfolg zu verhelfen. Zwar ist ausweislich des Hauptverhandlungsprotokolls rechtsfehlerhaft eine Belehrung nach § 35a StPO über das Rechtsmittel der Kostenbeschwerde und die dafür vorgesehene Frist unterblieben, dies führt jedoch nur dazu, dass nach § 44 Satz 2 StPO eine Versäumung der Rechtsmittelfrist als unverschuldet anzusehen wäre (BGH, Beschluss vom 16. August 2000 – 3 StR 339/00, NStZ 2001, 45; OLG Bamberg, Beschluss vom 1. Juli 2014 – 3 Ss 84/14, NStZ-RR 2014, 376; KK-StPO-Gieg, 7. Aufl. 2014, § 44 Rn. 36; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl. 2015, § 44 Rn. 22). Hierauf kommt es vorliegend indes nicht an, weil – wie dargelegt – bereits kein Fristversäumnis im Sinne des § 44 Satz 1 StPO vorliegt, so dass die Frage eines etwaigen Verschuldens hinsichtlich einer Fristversäumung irrelevant ist.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.

IV.
Gegen diese Entscheidung ist kein Rechtsmittel gegeben (§ 304 Abs. 4 Satz 2 StPO).


Einsender: eingesandt vom 1. Strafsenat des OLG Celle

Anmerkung:


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