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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Allgemeines

Verfahrensgebühr, Rücknahme, Berufung, Staatsanwaltschaft

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dortmund, Beschl. v. 25.11.2015 - 31 Qs 83/15

Leitsatz: Für das Entstehen der Verfahrensgebühr nach Nr. 4124, 4125 VV RVG reicht auch im Falle einer späteren Rücknahme der Berufung der Staatsanwaltschaft durch die Staatsanwaltschaft eine vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist entfaltete Tätigkeit des Verteidigers.


31 Qs 83_15
Landgericht Dortmund
Beschluss
In dem Beschwerdeverfahren
betreffend
geboren wohnhaft
Verteidiger:,
hier: Verfahrensgebühr im Berufungsverfahren
hat die 31. große Strafkammer des Landgerichts Dortmund auf die sofortige Beschwerde des Rechtsanwalts S. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 02.10.2015 - Az: 52 Ds 325/15 - durch den Vorsitzenden Richter am Landgericht, die Richterin am Landgericht und den Richter am 25.11.2015 beschlossen:

Auf die sofortige Beschwerde des Beschwerdeführers wird der Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 2.10.2015, AZ. 52 DS -410 Js 98/15 - 325/15, aufgehoben.

Zu Gunsten des Beschwerdeführers Rechtsanwalt S. werden im Berufungsverfahren Gebühren und Auslagen in Höhe von 285,60 € festgesetzt. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens und die notwendigen Auslagen des Beschwerdeführers werden der Staatskasse auferlegt.

Gründe:
I.
Mit Urteil des Amtsgerichts Hamm vom 10.6.2015, Az: 52 DS-410 Js 98/15-325/15, wurde der Angeklagte der angeklagt worden war, gemäß § 2 Abs. 2 WaffG i.V.m. Anl. 2 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 S. 1 vorsätzlich ohne Erlaubnis eine Schusswaffe geführt zu haben, freigesprochen. Die Staatsanwaltschaft, die in der Hauptverhandlung einen Freispruch beantragt hatte, legte mit Schriftsatz vom 16.6.2015, eingegangen am selben Tag beim Amtsgericht Hamm, Berufung gegen dieses Urteil ein. Dies wurde dem Beschwerdeführer mit Schreiben vom 16.6.2015 durch das Amtsgericht Hamm mitgeteilt. Die Staatsanwaltschaft nahm die Berufung mit Verfügung vom 22.6.2015 wieder zurück. Mit Schriftsatz vom 9.7.2015 beantragte Rechtsanwalt S. die Festsetzung einer Verfahrensgebühr für die Berufung gem. Nr. 4124 VV RVG i.H.v. 220,00 EUR, einer Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV RVG i.H.v. 20,00 € sowie von 19 % Umsatzsteuer gem. Nr. 7008 VV RVG, also insgesamt von 285,60 EUR. Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Dortmund nahm mit Schriftsatz vom 27.7.2015 Stellung und führte aus, dass eine Verfahrensgebühr gemäß Nr. 4124 VV RVG nicht entstanden sei, da die Staatsanwaltschaft ihre Berufung vor deren Begründung zurückgenommen habe. Er regte deshalb an, den Antrag des Rechtsanwalts S. vom 9.7.2015 als unbegründet zurückzuweisen. Mit Schriftsatz vom 5.8.2015 nahm Rechtsanwalt S. dazu Stellung und hielt an seinem Festsetzungsantrag fest. Mit Beschluss vom 2.10.2015 wies das Amtsgericht Hamm den Kostenfestsetzungsantrag vom 9.7.2015 kostenpflichtig zurück. Mit Schriftsatz vom 12.10.2015, eingegangen beim Amtsgericht Hamm am 14. Oktober 2015, legte Rechtsanwalt S. gegen den Beschluss des Amtsgerichts Hamm vom 2.10.2015, der ihm am 8.10.2015 zugestellt worden war, sofortige Beschwerde ein. Das Amtsgericht Hamm hat der sofortigen Beschwerde nicht abgeholfen.

II.
Die zulässige sofortige Beschwerde ist begründet.
1.
Die sofortige Beschwerde ist zulässig, § 11 Abs. 3 RPfIG i.V.m. §§ 311, 304 ff. StPO; insbesondere ist sie fristgerecht erhoben worden.

2.
Die sofortige Beschwerde hat auch in der Sache Erfolg.

Die Frage der Notwendigkeit der Tätigkeit eines Verteidigers in der Berufungsinstanz in den Fällen, in denen die Staatsanwaltschaft die eingelegte Berufung vor einer Begründung zurücknimmt, und der Entstehung einer Verfahrensgebühr bei dieser Konstellation ist in der Rechtsprechung umstritten (vgl. Meyer/Goßner, StPO, 58. Aufl. 2015, § 464a Rn. 10).

Eine Auffassung verneint das Entstehen einer Gebühr bei einer Berufungsrücknahme vor Begründungseingang mit den Argumenten, dass vor einer Begründung der Berufung durch die Staatsanwaltschaft alle Erörterungen ohne objektiven Wert seien, solange Umfang und Zielrichtung der Berufung nicht bekannt seien, und zudem die Konstellation mit derjenigen im Revisionsverfahren, in welchem nach der Rechtslage vor Begründung der Revision kein Gebührenanspruch des Rechtsanwaltes bestehe, deswegen vergleichbar sei, weil nach Nr. 146 Abs. 1 der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (RiStBV.) die Staatsanwaltschaft jedes von ihr eingelegte Rechtsmittel begründen müsse. Ein Verteidiger könne deshalb davon ausgehen, dass - wenn keine Berufungsrücknahme erfolge - die Berufung der Staatsanwaltschaft innerhalb der Frist des § 117 StPO begründet würde. Für das Anfallen einer Verfahrensgebühr für Berufung und Revision sei daher in der vorliegenden Konstellation keine unterschiedliche Beurteilung geboten (OLG Köln, Beschl. v. 3.7.2015, Az: 111-2 Ws 400/15, 2 Ws 400/15; KG Berlin, Beschl. v. 19.5.2011, Az. 1 WS 168/10; LG Bochum, JurBüro 2007, 38; LG Koblenz, JurBüro 2009, 198; LG Köln, StraFo 2007, 305; OLG Bamberg, JurBüro 1988, 64).

Nach anderer Auffassung reicht auch im Falle einer späteren Rücknahme der Berufung durch die Staatsanwaltschaft für das Entstehen der Gebühr nach Nr. 4124, 4125 VV RVG eine vor Ablauf der Berufungsbegründungsfrist entfaltete Tätigkeit des Verteidigers (LG München 1, Beschl. v. 29.08.2014, Az: 22 Qs 55/14; Burhoff, RVG, 3. Aufl. 2012, Nr. 4124 VV RVG Rn. 24 ff; Burhoff, in: Gerold/Schmitt, RVG, 22. Aufl. 2015, Einleitung zu Nr. 4124, 4125 VV RVG Rdn. 7 und Nr. 4124, 4125 VV RVG Rdn. 6; Uher, in: Bischof/Jungbauer/Bräuer/Curkovic/Matthias/Uher, RVG, 6. Aufl. 2014, Nr. 4128 - 4135 VV RVG Rdn. 93; Schneider, in: Schneider/Wolf, Anwaltskommentar, RVG, 7. Aufl. 2014, VV 4124 - 4125 Rdn. 7; Hartung, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl. 2013, Nr. 4124 - 4129 VV RVG Rdn: 11; Hartmann, a.a.O., Nr. 4124 - 4129 VV RVG, Rdn. 7; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 464a Rdn. 10 für den Regelfall; Gieg, in: Karlsruher Kommentar StPO, 7. Aufl. 2013, § 464 a Rdn. 10).

Der zuletzt genannten Ansicht schließt sich die Kammer an.

Es ist zur Überzeugung der Kammer mit den Grundsätzen eines rechtsstaatlichen Verfahrens nicht vereinbar, das Informations- und Beratungsbedürfnis eines Angeklagten nach Eingang eines Rechtsmittels der Staatsanwaltschaft stets als „überflüssig" anzusehen, solange dessen Zielrichtung und Umfang nicht bekannt sind (so auch LG München I, a.a.O.). Im vorliegenden Fall wurde der Verteidiger durch das Amtsgerichts Hamm von der (noch nicht begründeten) Berufung der Staatsanwaltschaft informiert. Auch in diesem Verfahrensstadium, kommen seitens des Angeklagten und seitens des Verteidigers durchaus zweckgerichtete Maßnahmen in Betracht, welche die Rechtslage klären oder die weitere Verteidigung vorbereiten. Dies gilt insbesondere dann, wenn, wie hier, die Zielrichtung des staatsanwaltschaftlichen Rechtsmittelangriffs nach der Sachlage und aus der Sicht der Verteidigung nicht zweifelsfrei war, da die Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht einen Freispruch beantragt hatte.

Eine andere Entscheidung ist auch schwerlich mit dem Grundsatz der Chancengleichheit im Strafverfahren zu vereinbaren. Denn wenn die Staatsanwaltschaft nur vorsorglich ein Rechtsmittel einlegt, so muss es dem Angeklagten unbenommen sein, ebenso vorsorglich vorbereitende Maßnahmen zur Verteidigung gegen dieses Rechtsmittel zu treffen, zumal er mit der Möglichkeit der Durchführung des Rechtsmittels rechnen muss (vgl. OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.4.1993, Az: 1 WS 110/93).

Letztlich ist die Konstellation auch nicht vollends mit derjenigen im Revisionsverfahren zu vergleichen, weil anders als für die Revision (§§ 344, 146 Abs. 1 StPO) im Berufungsverfahren keine gesetzliche Begründungspflicht besteht, so dass eine fehlende Begründung zwar ein Verstoß gegen § 146 Abs. 1 RiStBV darstellt, die Berufung hierdurch jedoch nicht unzulässig wird.

Zu Gunsten des Beschwerdeführers waren daher dessen Gebühren und Auslagen antragsgemäß festzusetzen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 467 Abs. 1 (analog) StPO.

Einsender: RA P. Speth, Hamm

Anmerkung:


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