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RVG Entscheidungen

Gebühren-/Kostenfragen - Vergütungsfestsetzung

Pflichtverteidiger, Vergütungsanspruch, Aufrechnung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Nürnberg, Beschl. v. 20.05.2014 - 2 Ws 225/14

Leitsatz: 1. § 126 Abs. 1 und 2 ZPO ist nicht entsprechend auf den Vergütungsanspruch des Pflichtverteidigers anwendbar.
2. Hat die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Beschuldigten, Angeklagten oder Verurteilten zu tragen, so kann dessen Pflichtverteidiger seine über die Pflichtverteidigergebühren hinausgehende Vergütung somit nicht im eigenen Namen gegen die Staatskasse geltend machen.
3. Etwas anderes gilt nur dann, wenn der Beschuldigte, Angeklagte oder Verurteilte seinen Auslagenerstattungsanspruch gegen die Staatskasse seinem Verteidiger abgetreten hat. In diesem Fall kann § 43 RVG einer Aufrechnung der Staatskasse mit eigenen Gegenansprüchen entgegenstehen.


In dem Strafvollstreckungsverfahren
gegen pp.
wegen sexuellen Missbrauchs eines Kindes u.a.
hier: Beschwerde der Pflichtverteidigerin gegen Kostenfestsetzungsbeschluss

erlässt das Oberlandesgericht Nürnberg -2. Strafsenat- durch die unterzeichnenden Richter am 20.05.2014 folgenden

Beschluss
1. Die sofortige Beschwerde der Rechtsanwältin Dr. G… gegen den Beschluss der auswärtigen Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing - Rechtspfleger - vom 19.03.2014 wird als unbegründet verworfen.
2. Die Beschwerdeführerin hat die Kosten ihres Rechtsmittels zu tragen.

Gründe:

Im Verfahren über die Erledigterklärung der Unterbringung in der Sicherungsverwahrung nach § 67d Abs. 3 StGB hat die auswärtige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Regensburg mit dem Sitz in Straubing (künftig: Strafvollstreckungskammer) die beschwerdeführende Rechtsanwältin dem Verurteilten mit Verfügung vom 02.12.2010 entsprechend § 140 Abs. 2 StPO als Pflichtverteidigerin beigeordnet.
Mit Beschluss vom 27.10.2011 hat die Strafvollstreckungskammer unter anderem die Unterbringung in der Sicherungsverwahrung für erledigt erklärt. Mit Beschluss vom 21.12.2011 (2 Ws 610/11) hat der Senat über die hiergegen eingelegten Rechtsmittel der Staatsanwaltschaft München I (sofortige und einfache Beschwerde) und des Verurteilten (einfache Beschwerde) entschieden und die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die hierbei entstandenen notwendigen Auslagen des Verurteilten der Staatskasse auferlegt.
Mit Beschluss vom 24.02.2012 hat die Strafvollstreckungskammer durch den Rechtspfleger die aus der Staatskasse an die beigeordnete Pflichtverteidigerin zu erstattende Vergütung für das vor dem Oberlandesgericht Nürnberg geführte Beschwerdeverfahren (Az. 2 Ws 610/11) auf 300 € festgesetzt. Das hiergegen eingelegte Rechtsmittel der Pflichtverteidigerin, mit dem diese eine Erhöhung des Honorars um 266 € beantragte, da das Oberlandesgericht über drei Rechtsmittel gleichzeitig entschieden habe, blieb ohne Erfolg.
Die Verteidigerin beantragte daraufhin mit Schreiben vom 12.08.2012 unter Berufung auf die Kostengrundentscheidung des Senats im Beschluss vom 21.12.2011 (2 Ws 610/11), die ihr im Beschwerdeverfahren entstandenen Gebühren auf 400 € (Verfahrensgebühr gem. RVG VV-Nr. 4201 in Höhe von 700 € abzüglich bezahltem Pflichtverteidigerhonorar in Höhe von 300 €) zuzüglich fünf Prozentpunkten über dem jeweils gültigen Basiszinssatz festzusetzen. In der von der Verteidigerin vorgelegten Verteidigervollmacht vom 19.12.2007 war sie vom Verurteilten auch hinsichtlich der "Kostenfestsetzung" bevollmächtigt worden.
Der Bezirksrevisor bei dem Landgericht Regensburg (künftig: Bezirksrevisor) trat dem mit Schreiben vom 21.08.2012 nicht entgegen. Daraufhin setzte die Rechtspflegerin der Strafvollstreckungskammer am 08.10.2012 durch handschriftlich ergänzten und unterschriebenen Stempelaufdruck auf dem Antragsschreiben der Verteidigerin die "dem Angeklagten aus der Staatskasse zu zahlenden notwendige Auslagen ... auf 400 € plus 5% Zinsen ü. Basiszins seit dem 12.08.12" fest.

Der Betrag gelangte nicht zur Auszahlung, da die Staatskasse mit rückständigen Gerichtskosten gegen den Verurteilten aufrechnete.
Die Verteidigerin machte daraufhin mit Schreiben vom 08.12.2013 im eigenen Namen im Wege der Nachliquidation Gebühren in Höhe von 400 € mit der Begründung geltend, ein gerichtlich bestellter Rechtsanwalt - und damit auch ein Pflichtverteidiger - könne gemäß § 464b Satz 3 StPO i.V.m. § 126 Abs. 1 ZPO einen Kostenfestsetzungsantrag im eigenen Namen stellen.
Dem trat der Bezirksrevisor mit Schreiben vom 29.01.2014 entgegen, da der Betrag bereits am 12.08.2012 geltend gemacht und ausbezahlt worden sei, so dass eine neue Kostenfestsetzung nicht in Betracht komme.
Mit Schreiben vom 06.02.2014 (ergänzt durch Schreiben vom 28.02.2014) wies die Verteidigerin darauf hin, dass ihr der Betrag nie ausbezahlt wurde, da die Staatsanwaltschaft Regensburg - Zweigstelle Straubing - am 23.10.2012 die Aufrechnung mit rückständigen Gerichtskosten ihres Mandanten aus dem Verfahren 133 VRs 90086/08 erklärt habe. Eine solche Aufrechnung sei aber aufgrund des § 126 Abs. 2 ZPO erst ab der Zustellung des auf die Partei lautenden Kostenfestsetzungsbeschlusses zulässig (unter Hinweis auf Musielak, ZPO, § 126 Fn. 51 und 52).
Der Bezirksrevisor vertrat gemäß Schreiben vom 21.02.2014 die Auffassung, für eine nochmalige Festsetzung des damaligen Erstattungsanspruchs, der durch Aufrechnung erloschen sei, bestehe kein Rechtsschutzbedürfnis.
Die Strafvollstreckungskammer hat mit Beschluss des Rechtspflegers vom 19.03.2014 den Antrag der Verteidigerin vom 08.12.2013 auf Festsetzung notwendiger Auslagen im eigenen Namen gegen die Staatskasse zurückgewiesen und dies damit begründet, dass bereits auf den im Namen des Verurteilten gestellten Antrag seiner Rechtsanwältin ein Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen und der geltend gemachte Betrag zur Auszahlung angewiesen wurde. Der Anspruch auf Erstattung notwendiger Auslagen sei jedoch mit der Aufrechnung erloschen, so dass der Antrag vom 08.12.2013 zurückzuweisen sei.
Gegen diesen ihr am 25.03.2014 zugestellten Beschluss legte die Verteidigerin mit per Telefax am 25.03.2014 bei der Strafvollstreckungskammer eingegangenem Schreiben sofortige Beschwerde ein. In dieser führt sie vor allem an, dass ein Kostenfestsetzungsbeschluss bislang weder erlassen noch zugestellt worden sei. Vielmehr liege nur eine formlose Anweisung an die Staatskasse vor, einen Betrag von 403,81 € an sie auszuzahlen. Ein Kostenfestsetzungsbeschluss verlange aber ein vollständiges Rubrum und zumindest die Wiedergabe der Kostenberechnung des Antragstellers. Außerdem müsste der Kostenfestsetzungsbeschluss an den Verurteilten zugestellt werden, woran es ebenfalls fehle. Deshalb sei die Aufrechnung unvereinbar mit § 126 ZPO.
Der Bezirksrevisor hält im Schreiben vom 16.04.2014 die sofortige Beschwerde für unbegründet und verweist auf die Stellungnahme der Staatskasse vom 21.02.2014 und die zutreffende Begründung in der angefochtenen Entscheidung.
II.
1. Die sofortige Beschwerde der Verteidigerin gegen den ihren Antrag auf Kostenfestsetzung zurückweisenden Beschluss des Rechtspflegers vom 19.03.2014 ist statthaft (§ 464b Satz 3 StPO, § 104 Abs. 3 Satz 1 ZPO, § 11 Abs. 3 RPflG) und auch im Übrigen zulässig, vor allem formgerecht und innerhalb der Wochenfrist des § 311 Abs. 2 StPO erhoben. Der Beschwerdewert von 200 € (§ 304 Abs. 3 Satz 1 StPO) ist überschritten.
Das Beschwerdeverfahren richtet sich nach StPO-Grundsätzen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt StPO, 57. Aufl. § 464b Rdn. 6 f.). Für die Entscheidung ist somit nicht gemäß § 464b Satz 3 StPO i.V.m. § 568 Satz 1 ZPO der Einzelrichter, sondern der gesamte Senat zuständig (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 06.12.2010 – 2 Ws 567/10, zfs 2011, 226 Rdn. 7 nach juris). Der Senat folgt der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (BGH, NJW 2003, 763 Rdn. 9 nach juris), wonach gemäß § 464 b Satz 3 StPO auf das Verfahren (§§ 103 ff. ZPO) und die Vollstreckung (§§ 794 ff. ZPO) der Kostenfestsetzung die Vorschriften der Zivilprozessordnung lediglich insoweit Anwendung finden, als sie strafprozessualen Prinzipien nicht widersprechen. Demgemäß sind für das Beschwerdeverfahren die §§ 304 ff. StPO und nicht die entsprechenden Vorschriften der Zivilprozessordnung anwendbar (vgl. BGH a.a.O.; OLG Hamm, AGS 2013, 254 Rdn. 15 nach juris m.w.N.).
2. In der Sache erweist sich die sofortige Beschwerde der Verteidigerin als unbegründet.
Die Strafvollstreckungskammer hat im Ergebnis zu Recht ihren Antrag auf Festsetzung der Wahlverteidigergebühren zurückgewiesen. Entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin ist § 126 ZPO nämlich auf das Verhältnis der Pflichtverteidigerin zur Staatskasse nicht anwendbar, da die Beschwerdeführerin dem Verurteilten entsprechend § 140 Abs. 2 StPO als Pflichtverteidigerin und nicht im Wege der Bewilligung von Prozesskostenhilfe beigeordnet wurde.
a) Bei der vorliegenden Fallkonstellation, in der die Beschwerdeführerin dem Verurteilten als Pflichtverteidigerin beigeordnet wurde und gemäß dem Beschluss des Senats vom 21.12.2011 (2 Ws 610/11) die Staatskasse die notwendigen Auslagen des Verurteilten zu tragen hat, bestehen somit folgende Möglichkeiten, Anwaltsgebühren gegenüber der Staatskasse geltend zu machen:
aa) Der Pflichtverteidiger kann - wie geschehen - seine aus der Staatskasse zu gewährende Pflichtverteidigervergütung gemäß § 55 Abs. 1 Satz 1 RVG festsetzen lassen. § 55 RVG betrifft nur den eigenen Vergütungsanspruch des Anwalts gegen die Staatskasse und keinen Erstattungsanspruch seines Mandanten gegen einen Dritten. Antragsberechtigt ist grundsätzlich der beigeordnete Anwalt selbst (Volpert, in: Burhoff RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl., Teil A Rdn. 582 und 586).
bb) Hinsichtlich der Wahlverteidigergebühren gilt, dass das Gericht des ersten Rechtszugs auf Antrag eines Beteiligten gemäß § 464b Satz 1 StPO die Höhe und Kosten der Auslagen, die ein Beteiligter (hier die Staatskasse) einem anderen Beteiligten (hier: dem Verurteilten) zu erstatten hat, festsetzt. Antragsberechtigt ist der sich aus der Kostengrundentscheidung ergebende Erstattungsberechtigte (Volpert, aaO., Teil A Rdn. 904), hier also der Verurteilte. Bei Vorliegen einer entsprechenden Vollmacht (vgl. hierzu Volpert, aaO., Teil A Rdn. 907 f.) kann der Verteidiger diesen Antrag im Namen seines Mandanten stellen. Für das Verfahren (sowie die Höhe des Zinssatzes und die Vollstreckung) sind gemäß § 464b Satz 3 StPO die Vorschriften der Zivilprozessordnung entsprechend anwendbar. Dies betrifft hinsichtlich des Verfahrens die Vorschriften der §§ 103 ff. ZPO über die Kostenfestsetzung (Meyer-Goßner/Schmitt aaO., § 464b Rdn. 3; KK-StPO/Gieg, 7. Aufl., § 464b Rn. 3 f.).
Die Festsetzung bezieht sich auf die vom Beschuldigten seinem Verteidiger gemäß § 52 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1 RVG geschuldeten Wahlverteidigergebühren (vgl. Volpert, aaO, Teil A Rdn. 866).
Da es sich um einen Anspruch des Verurteilten (und nicht seines Verteidigers) gegen die Staatskasse handelt, kann die Staatskasse grundsätzlich - wie geschehen - mit eigenen Ansprüchen gegen den Verurteilten auf Zahlung von Verfahrenskosten aufrechnen. Eine Einschränkung besteht lediglich darin, dass dem Pflichtverteidiger auch im Fall der Aufrechnung der Anspruch auf Pflichtverteidigergebühren verbleiben muss (vgl. Volpert, aaO., Teil B § 52 RVG Rn. 29 mwN.). Diese sind vorliegend jedoch nicht betroffen.
b) § 126 Abs. 2 ZPO steht der Aufrechnung nicht entgegen. Denn die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe (§§ 114 ff. ZPO) - und damit auch § 126 ZPO - sind hinsichtlich der Vergütung eines nach § 140 Abs. 2 StPO beigeordneten Verteidigers nicht anwendbar. Soweit im Strafverfahren die Vorschriften über die Prozesskostenhilfe anzuwenden sind, ist dies konkret geregelt. So verweist die Strafprozessordnung ausdrücklich etwa in § 379 Abs. 3 StPO für den Privatkläger, in § 397a Abs. 2 StPO für den Nebenkläger sowie - betreffend das Adhäsionsverfahren - in § 404 Abs. 5 StPO für den Antragsteller und den Angeschuldigten auf die Anwendung der Vorschriften über die Prozesskostenhilfe in bürgerlich-rechtlichen Rechtsstreitigkeiten. Demgemäß kann etwa der dem Privatkläger, dem Nebenkläger und dem Antragsteller im Klageerzwingungsverfahren im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordnete Rechtsanwalt seine über die aus der Staatskasse gezahlten Beträge hinausgehende Vergütung gegen den Verurteilten gemäß § 126 ZPO selbst beitreiben (vgl. Volpert, aaO., Teil B § 53 RVG Rdn. 34 mwN.; Burhoff, in Gerold/Schmidt, RVG, 21. Aufl., § 53 Rn. 10, 12; Schmahl, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 9. Aufl., § 53 Rn. 4). § 126 ZPO ermöglicht jedoch auch in diesen Fällen keine Festsetzung der über die Pflichtverteidigergebühren hinausgehenden Vergütung gegen die Staatskasse. Eine derartige Verweisung findet sich bei den Vorschriften der §§ 140 ff. StPO über die notwendige Verteidigung nicht.
c) Wegen der unterschiedlichen Voraussetzungen und Zweckrichtung für die Bestellung eines Pflichtverteidigers einerseits und die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Wege der Bewilligung von Prozesskostenhilfe andererseits kommt auch eine analoge Anwendung der Vorschriften der §§ 114 ff. ZPO über die Prozesskostenhilfe nicht in Betracht.
aa) Die Prozesskostenhilfe nach §§ 114 ff. ZPO wie auch die Verfahrenskostenhilfe nach §§ 76 ff. FamFG haben ihre Grundlage im Sozialstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 1 GG), im allgemeinen Gleichheitssatz (Art. 3 Abs. 1 GG) sowie im Rechtsstaatsgrundsatz (Art. 20 Abs. 3 GG). Danach darf der unbemittelten Partei die Rechtsverfolgung und -verteidigung im Vergleich zur bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden (vgl. BVerfGE 63, 380, 394 f. = NJW 1983, 1599 Rdn. 40 nach juris). Sie muss einem solchen Bemittelten gleichgestellt werden, der seine Aussichten vernünftig abwägt und dabei auch sein Kostenrisiko berücksichtigt (vgl. BVerfGE 81, 347, 357 = NJW 1991, 413 Rdn. 25 nach juris). Demgemäß setzt die Bewilligung von Prozesskostenhilfe das persönliche und wirtschaftliche Unvermögen, die Prozesskosten zu tragen, als auch die Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung voraus (§ 114 Satz 1 ZPO; vgl. Zöller/Geimer, ZPO, 30. Aufl., § 114 Rdn. 16, 18 ff.).
Im Unterschied hierzu hängt die Beiordnung eines Pflichtverteidigers weder von den wirtschaftlichen Verhältnissen (vgl. hierzu Volpert, aaO., Teil B § 52 RVG Rdn. 1) noch von der Erfolgsaussicht der Verteidigung ab. Deren Zweck besteht ausschließlich darin, im öffentlichen Interesse dafür zu sorgen, dass der Beschuldigte in schwerwiegenden Fällen rechtskundigen Beistand erhält und der ordnungsgemäße Verfahrensablauf gewährleistet wird (BVerfGE 39, 238 = NJW 1975, 1015, Rdn. 13 nach juris; BVerfGE 68, 237 = NJW 1985, 727, Rdn. 42 nach juris; OLG Bamberg StraFo 2009, 350 Rdn. 18 nach juris). Mit dem Institut der notwendigen Verteidigung und mit der Bestellung eines Pflichtverteidigers ohne Rücksicht auf die Einkommens- und Vermögensverhältnisse des Betroffenen sichert der Gesetzgeber somit das Interesse des Rechtsstaats an einem prozessordnungsgemäßen Strafverfahren und zu diesem Zweck nicht zuletzt an einer wirksamen Verteidigung des Beschuldigten (Meyer-Goßner/Schmitt aaO. § 140 Rdn. 1 mwN.).
bb) Unabhängig hiervon kommt eine entsprechende Anwendung des § 126 ZPO auf den Pflichtverteidiger auch deshalb nicht in Betracht, da der Regelungsgehalt dieser auf einen Zweiparteienprozess zugeschnittenen Vorschrift auf die vorliegende Fallkonstellation nicht passt und eine Regelungslücke nicht besteht.
(1) Nach § 126 Abs. 1 ZPO kann der für die Partei bestellte Rechtsanwalt seine Gebühren und Auslagen (Wahlanwaltsgebühren) von dem in die Prozesskosten verurteilten Gegner im eigenen Namen beitreiben. Diese Vorschrift soll die Staatskasse entlasten, die zunächst nach § 45 Abs. 1 RVG dem im Wege der Prozesskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalt seine gesetzliche Vergütung auszahlen und diese dann nach Anspruchsübergang (§ 59 Abs. 1 Satz 1 RVG) wieder vom Gegner, der nach der Kostengrundentscheidung zur Tragung der Kosten verpflichtet ist, gemäß § 59 Abs. 2 Satz 1 RVG eintreiben müsste (vgl. Zöller/Geimer, aaO, § 126 Rn. 1; Musielak/ Fischer ZPO 11. Aufl. § 126 Rn. 1).
Eine derartige Konstellation, die zu einer Entlastung der Staatskasse führen würde, liegt im Fall des Gebührenanspruchs des Pflichtverteidigers nicht vor, da es (anders als bei der Privatklage, der Nebenklage oder dem Adhäsionsverfahren) keinen Dritten gibt, der letztlich zur Kostententragung verpflichtet wäre, bei dem die Staatskasse also Regress nehmen könnte. Demgemäß kommt auch der in § 126 Abs. 2 ZPO geregelte Fall einer Aufrechnung des Gegners gegen den eigenen Beitreibungsanspruch des beigeordneten Rechtsanwalts bei der aus der Staatskasse zu entrichtenden Vergütung des Verteidigers nicht vor (zur Aufrechnung der Staatskasse siehe sogleich unter b) bb).
(2) Ungeachtet der bereits erörterten Umstände, die gegen eine analoge Anwendung des § 126 ZPO sprechen, besteht auch keine Regelungslücke, die eine Heranziehung des 2. Absatzes dieser Vorschrift erforderlich machen würde. Demgemäß wird bei der in der Kommentarliteratur vorgenommenen Erörterung der Aufrechnung mit einem der Staatskasse zustehenden Anspruch wegen Verfahrenskosten gegen einen dem Beschuldigten gegen die Staatskasse zustehenden Auslagenerstattungsanspruch § 126 ZPO auch nicht erörtert (vgl. etwa Volpert, aaO., Teil B § 43 Rdn. 12 ff., 27, ff).
Eine Aufrechnung der Staatskasse gegen den Kostenerstattungsanspruch des Verurteilten kann nämlich dadurch verhindert werden, dass der Verteidiger sich diesen vom Verurteilten rechtzeitig abtreten lässt. Gemäß § 43 RVG ist im Falle der Abtretung des Anspruchs des Betroffenen gegen die Staatskasse auf Erstattung von Anwaltskosten als notwendige Auslagen an den Rechtsanwalt eine Aufrechnung durch die Staatskasse (und zwar im vorliegenden oder in einem anderen, früheren Verfahren; vgl. Volpert, aaO., Teil B § 43 Rdn. 11, 13) insoweit unwirksam, als sie den Anspruch des Rechtsanwalts vereiteln oder beeinträchtigen würde. Eine solche Abtretung ist nicht erfolgt. Damit steht der Beschwerdeführerin kein Anspruch gegen die Staatskasse auf Erstattung ihrer Wahlverteidigervergütung zu.
d) Auf die von der Beschwerdeführerin zu § 126 Abs. 2 ZPO aufgeworfenen Fragen, ob ein förmlicher Kostenfestsetzungsbeschluss ergangen und zugestellt ist, kommt es somit nicht an. Diesbezüglich sei nur ergänzend darauf hingewiesen, dass zwar nach § 464b StPO, § 104 ZPO, § 21 Abs. 1 Nr. 1 RPflG die der Staatskasse auferlegten notwendigen Auslagen des Beschuldigten auf Antrag vom Rechtspfleger grundsätzlich durch Beschluss festgesetzt werden. Gemäß Nr. 2.11 der Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums der Justiz über die Einführung und Ergänzung der Richtlinien für das Strafverfahren und das Bußgeldverfahren (EBekRiStBV) vom 02.12.1976 (Az.: 4208 - II - 5500/76), zuletzt geändert durch Bekanntmachung vom 08.02.2012 (JMBl S. 23), diese geändert durch Bekanntmachung vom 05.03.2012 (JMBl S. 30), kann der Rechtspfleger aber ohne gleichzeitigen Erlass eines Festsetzungsbeschlusses (vgl. Nr. 145 Abs. 4 RiStBV) die Auszahlung an den Antragsteller anordnen, wenn der Vertreter der Staatskasse - wie geschehen - die geltend gemachten Erstattungsbeträge anerkennt. In diesem Fall genügt die Übersendung eines Abdrucks der Auszahlungsanordnung an den Antragsteller.
3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 473 Abs. 1 StPO.

Einsender: 2. Strafsenat des OLG Nürnberg

Anmerkung:


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