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Entscheidungen

Gebühren

Berechnung; Mindestschaden; Honorarvereinbarung, Stundensatz, Höhe

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG München, Urt. v. 30.06.2010 - 7 U 1879/10

Leitsatz: 1. Ist der Vorstand einer Gesellschaft gegenüber seiner Gesellschaft zum Schadensersatz verpflichtet, muss er, sofern es sich um Rechtsanwaltskosten handelt, auch angemessene Vergütungen aus Honorarvereinbarungen entrichten, wenn in dem konkreten Streitfall eine Abrechnung nach RVG nicht üblich ist.
2. Eine pauschale Schätzung nach § 287 ZPO ist allerdings unzulässig. Zur Berechnung des (Mindest-) Schadens müssen sich aus der zugrundeliegenden anwaltlichen Honorarabrechnung die Positionen eindeutig ergeben, die auf das Verhalten des Schädigers zurückzuführen sind. Eine Schätzung nach § 287 ZPO ist darüber hinaus nur in engen Grenzen zulässig.
3. Bei der Berechnung des Schadens sind grundsätzlich Stundensätze in Höhe von 260,-- € bzw. 225,-- € für angestellte Rechtsanwälte nicht zu beanstanden. Auch ist der Abschluss einer Honorarvereinbarung kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB).


7 U 1879/10
Urteil
In dem Rechtsstreit pp.
wegen Forderung
erlässt der 7. Zivilsenat des Oberlandesgerichts München durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht …, den Richter am Oberlandesgericht … und die Richterin am Oberlandesgericht … aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 30.6.2010 folgendes Endurteil:
I.
Auf die Berufung des Beklagten wird das Endurteil des Landgerichts München I vom 30.12.2009 dahingehend abgeändert, dass der Beklagte verurteilt wird, an die Klägerin 39.562,14 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 1.3.2008 zu bezahlen.
II.
Im Übrigen werden die Berufung des Beklagten zurück- und die Klage abgewiesen.
III.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz werden gegeneinander aufgehoben.
Die Kosten des Rechtsstreits zweiter Instanz tragen die Klägerin zu 79% und der Beklagte zu 21%.
Die Kosten der Streithilfe erster Instanz trägt der Beklagte zu 50%. Die Kosten der Streithilfe zweiter Instanz trägt der Beklagte zu 21%. Im Übrigen tragen die Streithelfer ihre Kosten selbst.
IV.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Die Parteien können die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung jeweils in Höhe von 110% des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Gegner vor der Vollstreckung jeweils Sicherheit in Höhe von 110% des zu vollstreckenden Betrages leistet.
V.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe:
I.
Gemäß § 540 ZPO wird auf die tatsächlichen Feststellungen im angefochtenen Urteil Bezug genommen, soweit sich aus den nachfolgenden Ausführungen nichts anderes ergibt.
Die Parteien streiten um das Bestehen von Schadensersatzansprüchen wegen des Vorwurfs von Pflichtverletzungen aus der Tätigkeit des Beklagten als Vorstand bei der Klägerin in der Zeit vom 22.7.2005 bis 12.7.2007.
Der Vorwurf richtet sich gegen den Beklagten wegen des pflichtwidrigen Erwerbs von Aktien aufgrund des Beschlusses der Hauptversammlung vom 24.10.2005, die der Beklagte erwarb, ohne die Zustimmung des Aufsichtsrats einzuholen oder diesen über den Erwerb zu informieren.
Die Klägerin beauftragte die Kanzlei P., R. und S. mit der Erstellung eines Gutachtens zur Beurteilung der im Zusammenhang mit dem Erwerb der eigenen Aktien anstehenden Fragen. Die Rechtsanwaltskanzlei stellte der Klägerin mit Kostennote vom 6.9.2007 (Anlage K7) einen Betrag von 21.000,-- € netto zuzüglich 19% Umsatzsteuer in Rechnung, wobei diese Rechnung auch die Tätigkeit für ein weiteres - nicht streitgegenständliches - Gutachten dieser Anwaltskanzlei in Bezug auf den Erwerb der PI-Aktien und zu einem Optionsvertrag mit T. umfasste.
Weiter warf die Klägerin dem Beklagten vor, in der Einberufung zur Hauptversammlung vom 12.7.2007 mit der Vorbereitung zur Beschlussfassung zu Tagesordnungspunkt (TOP) 7 einen Pflichtenverstoß begangen zu haben. Darin ging es um die Ermächtigung zum Erwerb von Aktien der PI P. Immobilien AG nach § 119 Abs. 2 AktG. Der Vorstand schlug danach vor, mit Zustimmung des Aufsichtsrats zu beschließen:
„Der Vorstand wird ermächtigt, Aktien der PI P.Immobilien AG zu einem Kaufpreis von bis zu 1.600.000,-- € zu erwerben. Die Ermächtigung ist nicht befristet; sie gilt, bis von der Hauptversammlung etwas anderes beschlossen wird.“
Die Hauptversammlung fasste den Beschluss zu TOP 7 entsprechend dem Beschlussvorschlag der Verwaltung und zu TOP 2 folgenden weiteren Beschluss:
„Den Mitgliedern des Vorstands wird Entlastung erteilt.“
Mehrere Aktionäre der Klägerin erhoben gegen die Beschlüsse zu TOP 2 und TOP 7 Anfechtungsklage zum Landgericht München I (Az.: 5 HKO 14581/07). Mit rechtskräftigem Endurteil vom 4.10.2007 (Anlage K8) erklärte das Landgericht München I die zu TOP 2 und TOP 7 gefassten Beschlüsse der Hauptversammlung vom 12.7.2007 der hiesigen Klägerin für nichtig; die hiesige Klägerin und dortige Beklagte trug die Kosten des Rechtsstreits. Die hiesige Klägerin verzichtete ebenso wie die damaligen Kläger auf Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittel hinsichtlich dieses Endurteils.
In dem Anfechtungsverfahren hat die Klägerin die Rechtsanwaltskanzlei N. R. auf der Basis einer Honorarvereinbarung mandatiert. Ihre damaligen Prozessbevollmächtigten stellten der Klägerin insgesamt einen Betrag von 29.540,-- € zuzüglich 19% Mehrwertsteuer, somit 35.152,60 € in Rechnung (Anlage K18).
Das Landgericht München I verurteilte den Beklagten antragsgemäß zum begehrten Schadensersatz in Höhe von 78.291,64 € nebst Zinsen.
Das Erstgericht führt aus, der Beklagte sei zum Schadensersatz nach § 93 Abs. 2 Satz 1 AktG verpflichtet, er habe im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien als auch mit der Einberufung der Hauptversammlung seine Pflichten schuldhaft verletzt. Der Beklagte sei daher zum Ersatz des Börsenverlustes in Höhe von 9.100,89 €, der gerichtlich und außergerichtlich entstandenen Kosten in Höhe von 21.227,74 € sowie der Kosten verpflichtet, die für die Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei P., R. und S. in Höhe von 12.810,41 € (inklusive Umsatzsteuer), was anteilsmäßig für die hier streitgegenständliche Tätigkeit angefallen sei, und der Rechtsanwaltskanzlei N. R. in Höhe von 35.152,60 € (inkl. Umsatzsteuer) verpflichtet. Unter Berücksichtigung der Vorgabe von § 287 ZPO seien die beiden Rechnungen nicht zu beanstanden.
Wegen des weiteren Inhalts wird auf die dortigen Feststellungen des Landgerichts Bezug genommen.
Die Berufung des Beklagten richtet sich allein gegen die Honorarrechnungen der Rechtsanwaltskanzlei P., R. und S. in Höhe von 12.810,41 € sowie der Rechtsanwaltskanzlei N. R. in Höhe von 35.152,60 €, letztere soweit diese einen Betrag in Höhe von 4.281,03 € übersteigt.
Der Beklagte rügt die Verletzung der Bestimmungen der §§ 249, 254 BGB und § 287 ZPO. Hinsichtlich der ihm vorgeworfenen Pflichtverletzungen im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien vermöge das Urteil nicht zu begründen, weshalb ein Rechtsgutachten mit einem Kostenaufwand von 12.810,41 € zur Feststellung der Pflichtverletzungen und der Haftung des Vorstands erforderlich gewesen sein soll. Zudem sei die Angemessenheit der geltend gemachten Kosten bestritten worden. Auch die in der Kostenrechnung vorgelegten Zeitnachweise würden keine ausreichende Substantiierung des behaupteten Schadens darstellen. Aus dem Zeitaufwand sei nicht ersichtlich, welche konkreten Tätigkeiten in Bezug auf seine Pflichtverletzungen erfolgt sein sollen. Das Erstgericht habe daher sein Schätzungsermessen rechtsfehlerhaft ausgeübt.
Dasselbe gelte bezüglich der Rechnung der Rechtsanwaltskanzlei N. R., soweit der über das RVG hinausgehende behauptete Aufwand zugesprochen worden ist. Keinesfalls sei bei dieser offensichtlich klaren Sach- und Rechtslage der enorme Zeitaufwand von 157 Arbeitsstunden (dies entspreche einem Zeitraum von 20 Arbeitstagen mit täglich 8 Stunden) erforderlich gewesen. Der abgerechnete Zeitaufwand werde hinsichtlich Anfall, Erforderlichkeit und Angemessenheit bestritten. Die Kosten nach RVG betragen brutto 4.281,03 €, auf den Mehraufwand von 30.871,57 € (35.152,60 € abzüglich 4.281,03 €) habe die Klägerin keinen Anspruch.
Der Beklagte beantragt daher,
teilweise abändernd das Urteil des Landgerichts München I aufzuheben und die Klage abzuweisen, soweit der Beklagte verurteilt worden ist, mehr als 34.609,66 € zu bezahlen.
Die Klägerin und die Streithelfer beantragen
die Zurückweisung der Berufung.
Sie verteidigen das angefochtene Ersturteil. Seitens des Erstgerichts sei eine ordnungsgemäße Anwendung des § 287 ZPO erfolgt. Sowohl hinsichtlich des Anfalls des Schadens wie auch dessen Verursachung seien Tatsachen vorgetragen und unter Beweis gestellt worden, die für eine Schadensschätzung nach § 287 ZPO hinreichende Anhaltspunkte boten. Der jeweils vorgelegte Zeitnachweis sei ausreichend substantiiert. Im Zusammenhang mit dem Erwerb eigener Aktien sei die Aufbereitung des umfangreichen und komplexen Sachverhalts äußerst zeitintensiv und schwierig gewesen und habe aktienrechtliches Spezialwissen erfordert. Die für die Prozessvertretung angefallenen Kosten der Kanzlei N. R. seien durch Anlage K18 nachgewiesen. Die Anfechtungsklagen seien infolge einer schuldhaften Pflichtverletzung des Beklagten erforderlich gewesen, so dass der Beklagte die Kosten für die Prozessvertretung zurechenbar verursacht habe.
Mit Verfügung des Senats vom 18.4.2010 zur Terminsladung (Bl. 116 d. A.) erfolgte nach § 139 ZPO entsprechender Hinweis, es bestünden Zweifel, ob das Erstgericht § 287 ZPO bezüglich der Aufteilung und Bejahung von Anwaltskosten sachgerecht angewendet hat.
Ergänzend wird auf die im Berufungsverfahren gewechselten Schriftsätze der Parteivertreter und das Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 30.6.2010 (Bl. 124/127 d. A.) Bezug genommen.
II.
Auf die zulässige Berufung des Beklagten war das Ersturteil dahingehend abzuändern, dass der Beklagte zur Zahlung von insgesamt 39.562,14 € nebst Zinsen zu verurteilen war.
Im Übrigen waren die Berufung zurück- und die Klage abzuweisen.
Im Berufungsverfahren sind zwischen den Parteien nur noch streitig die von der Klägerin begehrten Schadensersatzforderungen aus den vorgelegten Honorarrechnungen der Rechtsanwaltskanzlei P., R. und S. vom 6.9.2007 (Anlagen K4, K7) und der Rechtsanwaltskanzlei N. R. vom 11.12.2007 (Anlage K18), letztere lediglich soweit diese den Betrag von 4.281,03 € übersteigt).
Zunächst ist festzustellen, dass hier eine konkrete Schadensberechnung zu erfolgen hat. Die Ersatzpflicht setzt voraus, dass der Schaden durch das zum Schadensersatz verpflichtende Ereignis verursacht worden ist. Das Verhalten des Schädigers, hier des Beklagten, muss für den Schaden kausal sein (vgl. Grüneberg in Palandt, BGB, 69. Aufl., vor § 249 Rz. 24).
Die begehrte Schadensposition muss konkret dem pflichtwidrigen Verhalten des Schädigers zugeordnet werden können. Zur Haftungsbegründung genügt zwar Mitursächlichkeit. Die Zurechnung wird nicht dadurch ausgeschlossen, dass außer dem zum Schadensersatz verpflichtenden Ereignis auch andere Ursachen zur Entstehung des Schadens beigetragen haben. Der zum Schadensersatz verpflichtende Umstand braucht nicht die überwiegende oder wesentliche Ursache zu sein. Auch im Rahmen der haftungsausfüllenden Kausalität reicht eine bloße Mitverursachung aus (vgl. Grüneberg in Palandt a. a. O. vor § 249 Rz. 33, 34).
Bleibt allerdings unklar, inwieweit wenigstens Mitverursachung des Schadens durch den Beklagten erfolgt ist, kann der Anspruch nicht zuerkannt werden.
Unter Berücksichtigung dieses Grundsatzes ist in den beiden streitgegenständlichen Rechnungen der geforderte Zurechnungszusammenhang nur in einzelnen Punkten (siehe dazu im Einzelnen unten unter 1. und 2.) sicher feststellbar.
Gleichwohl ist auf der Grundlage des klägerischen Vorbringens die Schätzung jedenfalls eines Mindestschadens möglich und auch geboten (§ 287 ZPO, vgl. BGH VIII ZR 332/07, II ZR 224/00, X ZR 222/98).
Bei der Berechnung dieses Mindestschadens sind grundsätzlich die von den beiden Rechtsanwaltskanzleien abgerechneten Stundensätze in Höhe von 260,-- € bzw. 225,-- € (für angestellte Rechtsanwälte) nicht zu beanstanden.
Insbesondere kann in der Beauftragung dieser Kanzleien und dem Abschluss einer Honorarvereinbarung kein Verstoß gegen die Schadensminderungspflicht (§ 254 BGB) gesehen werden. Die vereinbarten Stundensätze sind durchaus ortsüblich. Sie liegen auch nicht außerhalb des Rahmens, was andere Anwaltskanzleien, die sich im Wirtschaftsrecht spezialisiert haben, oder insbesondere auch andere Berufsträger wie Wirtschaftsprüfer gerichtsbekannt in vergleichbaren Fällen verlangen.
Der Mindestschaden aus den beiden Rechnungen berechnet sich damit wie folgt:
1. Honorarrechnung der Kanzlei P., R. und S. vom 6.9.2007 in Höhe von 12.810,41 € (Anlagen K7, K4):
Da diese Rechtsanwaltskanzlei eine einheitliche Rechnung gestellt hat, die auch einen weiteren - hier nicht streitgegenständlichen - Gutachtensauftrag (vgl. Anlage K11) umfasst hat, ist aus der zugrunde liegenden Aufstellung über die Zeiterfassung (Anlage K7) der Zeitaufwand zu berechnen, der konkret der hier streitgegenständlichen Schadensersatzverpflichtung durch den Beklagten zugrunde liegt. Es kann dabei nicht pauschal die Relation der beiden Aufträge (Anlage K4 und Anlage K11) zum behaupteten Gesamtaufwand genommen werden und der so festgesetzte Prozentsatz dann in Relation zum vereinbarten Höchstbetrag gesetzt werden, wie dies vom Erstgericht berechnet wurde.
Im Zusammenhang mit der Pflichtverletzung der Beklagten war die Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei zur Abklärung erforderlich, wie die vom Beklagten veranlasste unzulässige Maßnahme des Erwerbs eigener Aktien rückabzuwickeln war. Aus der vorgelegten Zeiterfassung können danach nur folgende Positionen sicher zugeordnet werden:
- 13.8.2007 L. Beteiligungs AG, Vorbereitung und Durchführung, Besprechung mit Herrn K.; Sichtung Unterl., rechtliche Unters. zum Erwerb eigener Aktien, 3,9 Stunden, Stundensatz 260,-- € = 1.014,-- €
- 14.8.2007 L. Beteiligungs AG, rechtliche Prüfung mit Lit.recherche zum Erwerb eigener Aktien; Entwurf Gutachten 7,4 Stunden, Stundensatz 260,-- € = 1.924,-- €
- 30.8.2007 L. Beteiligungs AG, Schlussredaktion der rechtlichen Stellungnahme zum Erwerb eigener Aktien; Brief an Herrn Re., K., C., 0,5 Stunden, Stundensatz 260,-- € = 130,-- €.
Dies ergibt einen Gesamtbetrag von 3.068,-- € (netto).
Die hierbei in Ansatz gebrachten Stunden hält der Senat im Hinblick auf die zu prüfenden Rechtsfragen für durchaus angemessen.
Die weiter in Anlage K7 aufgeführten Positionen sind entweder eindeutig dem anderen Gutachtensauftrag (Anlage K11) zuzuordnen (soweit etwa auf „T.“ Bezug genommen wird) oder deren Zuordnung bleibt unklar:
Die behauptete Tätigkeit „Durchsicht verschiedener AR- und HV-Protokolle, sowie die Einladung zur HV und erg. Unterlagen, Bearb., Vermerk mit SV-Übersicht“ (Datum 1.8.2007) über 484,50 € kann zwar im Zusammenhang mit dem Fehlverhalten des Beklagten stehen, zwingend ist dies aus der genannten Beschreibung aber nicht. Insbesondere bleibt unklar, welche „HV-“ (wohl Hauptversammlungs-)protokolle betroffen sein sollen. Zudem geht es offensichtlich um verschiedene Hauptversammlungen (vgl. Begriff „versch…Protokolle.“). Die Pflichtverletzung des Beklagten ergibt sich aber vorliegend allein als Folge aus der Hauptversammlung vom 24.10.2005. Aus Seite -5- des nicht streitgegenständlichen Gutachtens (Anlage K 11) ergibt sich, dass für die dortige Begutachtung sogar eine Vielzahl von Hauptversammlungsprotokollen gesichtet wurde. Es spricht daher eher dafür, dass der behauptete Zeitaufwand für die dortige Gutachtenserstellung angefallen ist. Jedenfalls unterblieb seitens der Klagepartei hierzu eine ergänzende Erläuterung, so dass diese Position, da sie weiterhin unklar bleibt, nicht zuerkannt werden kann.
Desgleichen verhält es sich mit den übrigen Positionen, soweit sie nicht oben zuerkannt wurden:
Rechtliche Prüfungen und Stellungnahmen, Bearbeitung Gutachten, rechtliche Prüfung, Berichte, Schreiben, Besprechungen, Telefonate und Akteneinsicht sind nach der in der Zeiterfassung erfolgten Beschreibung nicht eindeutig dem Fehlverhalten des Beklagten zuzuordnen. Es bleibt unklar, auf welchen konkreten Gutachtensauftrag der beiden Gutachten (entsprechend Anlage K 4 oder entsprechend Anlage K 11) sich der jeweils behauptete Stundenaufwand beziehen soll. Nähere Erläuterungen hierzu sind seitens der Klagepartei ebenfalls nicht erfolgt. Auch aus den vorgelegten Anlagen K 4 und K 11 ergeben sich keine näheren Aufschlüsselungen. Wieso die „Einsicht im Handelsregister bezüglich Ch. AG“ sowie das Schreiben an das Handelsregister (1.274,-- € und 806,-- €) im Zusammenhang mit dem Fehlverhalten des Beklagten stehen sollen, ist in keiner Weise ersichtlich.
Damit kann der Senat als Mindestschaden lediglich die genannten drei Positionen in Höhe von insgesamt 3.068,-- €, zuzüglich 19% Umsatzsteuer (582,92 €), somit 3.650,92 € als erstattungsfähigen Betrag zusprechen.
2. Honorarrechnung der Kanzlei N. R. vom 11.10.2007 (Anlage K18) über 35.152,60 €:
Die Beauftragung der Rechtsanwaltskanzlei mit der Rechtsberatung und Rechtsvertretung der Klägerin (als dortige Beklagte) im Anfechtungsverfahren vor dem Landgericht München I (5 HKO 14581/07) bezog sich auf TOP 7 und TOP 2 der in der Hauptversammlung vom 12.7.2007 gefassten Beschlüsse.
Den Beklagten trifft eindeutig zurechenbar eine Schadensersatzpflicht hier nur insoweit, als es um sein eigenes Fehlverhalten geht, also TOP 7.
TOP 2 hingegen bezog sich auf die Entlastung des Vorstands, ein Akt, der mit dem hiesigen Vorwurf der Sorgfaltspflichtverletzung speziell durch den Beklagten nicht in nachgewiesenem kausalen Zusammenhang steht.
Die Rechnung der Kanzlei N. R. ist daher nur hinsichtlich derjenigen Positionen erstattungsfähig, die sich auf die im Anfechtungsverfahren behauptete Nichtigkeit des Beschlusses zu TOP 7 beziehen.
Weiter gilt auch hier für die Berechnung des Schadens, dass eine eindeutige Zuordenbarkeit der einzelnen in der Rechnung beschriebenen Positionen zum Fehlverhalten des Beklagten gegeben sein muss.
Dies gilt für folgende Positionen:
- 11.9.2007 1,2 Stunden Stundensatz 225,-- €, Prüfung Zulässigkeit, Ausübung Put-Option Tungsten bzgl. Verbot Einlagenrückgewähr = 270,-- €
- 12.9.2007 2,2 Stunden Stundensatz 225,-- €, Prüfung Optionsvertrag Tungsten hinsichtlich Verstoß gegen Verbot der Einlagenrückgewähr = 495,-- €
- 22.8.2007 1,9 Stunden Stundensatz 225,-- €, „Prüfung Informationspflichten des Vorstandes bei Vorlagen an HV nach § 119 Abs. 2 AktG“ = 427,50 €
- 30.8.2007 7,7 Stunden Stundensatz 225,-- €, „Prüfung Pflichtverletzung wegen Nichteinholung Genehmigung des Erwerbs der PI-Aktien durch Aufsichtsrat ? Diktat, Ss „= 1.732,50 €.
Die weitere Position vom 2.10.2007, „2,3 Stunden Vorbereitung Gerichtstermin“ = 517,50 €“ betrifft zwar die Vorbereitung des Gerichtstermins, da sich dies zwangsläufig aber auch auf beide Beschlüsse (TOP 7 und TOP 2) bezieht, kann daher ein dem Beklagten zurechenbarer Schaden nur in Höhe des hälftigen Anteils geltend gemacht werden, somit 258,75 €
Die Position vom 4.9.2007 „7,4 Stunden umfangreich recherchiert im Beck-Online betreffend §§ 111 IV, 119 AktG Pflichtverletzung des Vorstands, Informationspflichten gegenüber der Hauptversammlung und deren Umfang“ = 1.665,-- €“ bezieht sich ebenfalls auf die beiden Beschlüsse TOP 7 und TOP 2, so dass grundsätzlich auch hier dem Beklagten ein zurechenbarer Schaden nur in Höhe der begehrten Schadensersatzposition, somit in Höhe von 832,50 € zugesprochen werden kann.
Bei allen sonstigen Positionen bleibt unklar, inwieweit diese auf das konkret dem Beklagten vorwerfbare Verhalten zurückzuführen sind.
Dies betrifft etwa die Besprechungen und Prüfungen, Vorbereitungen zur Anfechtungsklage, Korrespondenz mit dem Landgericht.
Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass die Abwehr der Anfechtungsklage vor dem Landgericht wegen der Anfechtung zu TOP 2 ohnehin von der Klägerin als dortige Beklagte hätte geführt werden müssen.
Mangels näherer Aufschlüsselung ist nicht abgrenzbar, welche der hier aufgewendeten und geltend gemachten Stunden sich auf TOP 7 und welche sich auf TOP 2 der im Anfechtungsverfahren in Streit befindlichen Beschlüsse beziehen.
Bei der Position vom 23.8.2007 „3,3 Stunden Stundensatz 225,-- € = 742,50 € Prüfung Vorgehensweise Klageerwiderung hinsichtlich Anfechtung Entlastungsbeschluss Vorstand“ spricht sogar die Beschreibung dafür, dass sich dies allein auf die Entlastung des Vorstands (TOP 2) bezieht.
Auch die Position vom 4.10.2007 „3,6 Stunden Stundensatz 225,-- € = 810,-- € Vorbereitung und Gerichtstermin LG München I, Erstellung Terminnotiz, Aufstellung RVG Berechnungen“ enthält neben der Vorbereitung zum Gerichtstermin noch weitere Aufstellungen, die ohne nähere Erklärung nicht dem Fehlverhalten des Beklagten zugeordnet werden können.
Mangels näherer Aufschlüsselung kann daher auch nicht pauschal der hälftige Betrag in Ansatz gebracht werden. Immerhin ist zu berücksichtigen, dass die Vorbereitung des Gerichtstermins bereits unter der Position vom 2.10.2007 „2,3 Stunden Vorbereitung Gerichtstermin“ =517,50 € aufgeführt ist und hier bereits zur Hälfte in Ansatz gebracht wird.
Auch die Position vom 31.8.2007 „6,7 Stunden Stundensatz 225,-- € Prüfung zur Anfechtung wegen Verstoß gegen Informationspflicht, Entwurf Klage = 1.507,50 €“ ist ebenfalls unklar. Während sie einerseits den Vorwurf gegen den Beklagten wegen Verstoßes gegen die Informationspflicht betrifft, bleibt unklar, was mit dem Entwurf der Klage gemeint sein soll. Die hiesige Klägerin war im Anfechtungsverfahren nicht Klägerin, sondern Beklagte.
Es kann auch keine hälftige Zuteilung erfolgen, da nicht abzuschätzen ist, in welchem Verhältnis diese beiden Positionen zueinander stehen, zumal sich in den nachfolgenden Spalten erneut der Entwurf der Klageschrift mit 6,4 Stunden Arbeitszeit befindet.
Das gleiche gilt bezüglich der danach aufgelisteten Spalte vom 4.9.2007 „9 Stunden Stundensatz 225,-- € Besprechung M., Änderungen des diktierten Sachverhalts, Einfügen besprochene Aspekte, Prüfung zum gesetzeswidrigen Erwerb eigener Aktien, Verarbeitung Gutachten dazu“ = 2.025,-- €. Mangels eindeutiger Zuordnung zu den jeweils geprüften und bearbeiteten Sachverhalten in diesen Positionen kann auch nicht pauschal eine hälftige Zuordnung in Bezug auf das Fehlverhalten des Beklagten gemacht werden.
Aus diesen Gründen scheitert auch eine pauschale hälftige Zuordnung der übrigen Positionen, soweit sie nicht zugesprochen wurden, da ohne nähere Erläuterung seitens des Senats nicht eingeschätzt werden kann, welcher Zeitaufwand sich auf Positionen bezieht, die dem Fehlverhalten des Beklagten zurechenbar sind.
Da aus den genannten Gründen mangels klarer Abtrennung weitere Positionen nicht in Ansatz gebracht werden können, sind aber nach Auffassung des Senats jedenfalls als weiterer Mindestschaden Kosten für eine Besprechung in Ansatz zu bringen, welche der Senat mit 3 Stunden á 225,-- € als angemessen bemisst.
Solches fällt, auch in relativ einfach gelagerten Fällen wie hier, bei einer Rechtsanwaltskanzlei an. Verschiedene Besprechungen sind auch tatsächlich erfolgt, wie sich aus der vorgelegten Zeiterfassung ergibt. Allerdings konnten diese Positionen wegen unklarer Definition nicht konkret zugeordnet werden. Der Senat bemisst daher als weiteren Mindestschaden einen Zeitaufwand an Besprechungen von insgesamt 3 Stunden á 225,-- € = 675,-- € als angemessenen Schadensersatz.
Damit ergibt sich aus der Honorarrechnung der Kanzlei N. R. ein ersatzfähiger Mindestschaden in Höhe von 4.691,25 €, ohne Umsatzsteuer (270,- € +495,-€ +427,50 € +1732,50 € + 258,75 € + 832,50 € +675,- € = 4.691,25 €). Zuzüglich 19% gesetzlicher Umsatzsteuer (891,34 €) ergibt dies einen erstattungsfähigen Mindestschaden von 5582,59 €.
Den hierbei angesetzten Stundensatz von 225,-- € erachtet der Senat aus den bereits oben genannten Gründen für angemessen. Entgegen der Auffassung der Beklagten ist eine Kostenberechnung nach dem RVG hier nicht angemessen. Es ist gerichtsbekannt, dass eine Rechtsanwaltskanzlei mit aktien- und gesellschaftsrechtlichem Spezialwissen nicht nach RVG, sondern nur aufgrund Honorarvereinbarung auf der Basis von Stundensätzen abrechnet.
Der Senat verkennt nicht, dass die hier als Mindestschaden zugesprochenen Beträge weit und hinter dem ursprünglich begehrten Schadensersatzbetrag in Höhe von 35.152,60 € zurückbleiben.
Aus welchen Gründen eine derart hohe Rechnung gerechtfertigt sein soll, bleibt im Dunkeln.
Wieso eine in Wirtschafts- und Aktienrecht spezialisierte Kanzlei wie die Rechtsanwaltskanzlei N. R. zur Vorbereitung und Durchführung der Abweisung der Anfechtungsklage mit nicht übermäßig schwierigen Sachverhalt und Rechtsfragen vor dem Landgericht München I für die hier im Streit stehenden TOP 2 und TOP 7 einen derart hohen Zeitaufwand von insgesamt 157 Arbeitsstunden benötigt, erschließt sich dem Senat nicht.
Schließlich hat auch das Landgericht im damaligen Anfechtungsprozess durch sogenanntes „Stuhlurteil“ entschieden, und die Beteiligten haben entgegen den sonstigen Gepflogenheiten auf Tatbestand und Entscheidungsgründe verzichtet; dies alles ein Indiz für eine relativ klare und übersichtliche Rechtslage. Schon deshalb können die von einer in Wirtschaftssachen versierten Kanzlei in Rechnung gestellten 157 Arbeitstunden nicht allein und ausschließlich dem Beklagten aufgebürdet werden. Deshalb war es dem Senat mangels Vorliegen weiterer konkreter Anhaltspunkte verwehrt, im Wege der Schätzung für einen Mindestschaden noch weitere Bearbeitungsstunden in Ansatz zu bringen. Immerhin ist zu bedenken, dass mit den zugesprochenen Schadenspositionen bereits insgesamt 20,85 Stunden (= 20 Stunden und 52 Minuten) an Arbeitszeit als schadensersatzfähige Positionen festgestellt wurden.
3. Es verbleibt damit aus den Honorarrechnungen der beiden Rechtsanwaltskanzleien ein erstattungsfähiger Gesamtschaden in Höhe von 9.233,51 € (3.650,92 € + 5582,59 €).
Damit berechnet sich die Schadensersatzverpflichtung des Beklagten insgesamt wie folgt:
9.100,89 € Ersatz des Börsenverlusts (insoweit erstinstanzlich bereits rechtskräftig zugesprochen)
21.227,74 € Gerichtliche und außergerichtliche Kosten (insoweit erstinstanzlich ebenfalls bereits rechtskräftig zugesprochen)
9.233,51 € Rechtsanwaltsgebühren der Kanzlei P. und Kollegen und der Kanzlei N. R.
Gesamt: 39.562,14 €.
In Höhe dieses Betrages war der Beklagte insgesamt zur Zahlung zu verurteilen.
Der Einräumung der klägerseits beantragten Schriftsatzfrist zur näheren Erläuterung ihrer klägerischen Positionen bedurfte es nicht.
Der Beklagte hat die Honorarrechnungen der Klägerin von Anfang an hinsichtlich Zeitaufwand, Erforderlichkeit und Angemessenheit bestritten (vgl. Klageerwiderungsschriftsatz vom 10.2.2009, Bl. 30/35 d. A.). Auch der Senat hat mit Verfügung vom 18.4.2010 zur Terminsladung (Bl. 116 d. A.) entsprechenden Hinweis erteilt, es bestünden Zweifel, ob das Erstgericht § 287 ZPO bezüglich der Aufteilung und Bejahung von Anwaltskosten sachgerecht angewendet hat
Die Voraussetzungen für eine Wiedereröffnung des Verfahrens nach § 156 ZPO sind nicht gegeben.
4. Die Kostenfolge ergibt sich aus §§ 97 Abs. 1, 92 Abs. 1, 101 Abs. 1 ZPO.
Die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus §§ 708 Nr. 10, 711 ZPO.
Die Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision gemäß § 543 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts.


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