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Entscheidungen

OWi

Widersprüchliche Urteilsfeststellungen zur Schuldform

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Bamberg, Beschl. v. 13.07.2010 - 3 Ss OWi 1124/10

Fundstellen:

Leitsatz: 1. Auch in Bußgeldsachen muss den Urteilsgründen zu entnehmen sein, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandsele-menten getroffen hat und welche Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der Anordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen zugrunde liegen (§ 267 I und III StPO i.V.m. § 71 OWiG).

2. Eine für das Rechtsbeschwerdegericht hinreichende Prüfungs- bzw. Entschei-dungsgrundlage mit der Folge eines zur Urteilsaufhebung zwingenden sachlich-rechtlichen Mangels fehlt, wenn die tatrichterlichen Feststellungen zur inneren Tatseite unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind oder wenn sie den Un-rechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen.


In pp.
Zum Sachverhalt:
Das AG hat den Betr. wegen einer „Verkehrsordnungswidrigkeit des fahrlässigen Überschrei-tens der zulässigen Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaft um 81 km/h“ zu einer Geldbuße von 500 Euro verurteilt und gegen ihn ein Fahrverbot von 3 Monaten verhängt. Hierzu hat es festgestellt: „Der Betr. fuhr am 24.05.08 um 19.34 Uhr mit dem Pkw (…) auf der Bundesautobahn bei km 304,75 in nördlicher Richtung. An der genannten Stelle war die zuläs-sige Höchstgeschwindigkeit durch Zeichen 274 (doppelseitige Aufstellung) auf 100 km/h be-schränkt. Die Verkehrsschildaufstellung hatte sich bei km 304,947 befunden, davor war die zulässige Höchstgeschwindigkeit bei km 305,49 durch doppelseitige Aufstellung auf 120 km/h beschränkt. Dennoch fuhr der Betr. mit einer Geschwindigkeit von mindestens 181 km/h.“ Im Rahmen der rechtlichen Würdigung hat das AG sodann ausgeführt, dass der Betr. „durch sein Verhalten (…) eine fahrlässige Ordnungswidrigkeit gem. §§ 41 Abs. 2, 49 Abs. 3 Ziff. 4 StVO i.V.m. § 24 StVG begangen“ hat. Unter Ziffer V. seiner Urteilsgründe hat das AG schließlich zur Rechtsfolgenbemessung folgende Ausführungen getroffen: „Gemäß Ziff. 11.3.10 BKat war eine Geldbuße i.H.v. 375.- EUR schuld- und tatangemessen. Gemäß § 4 I BKatV musste daneben ein Fahrverbot nach § 25 StVG für die Dauer von 3 Monaten verhängt werden. Die Geldbuße von 375.- EUR war wegen den Vorbelastungen auf 500.- EUR zu erhöhen. Nach Überzeugung des Gerichts liegt eine vorsätzliche Tatbegehung vor. Es hatte an der Messstelle eine wieder-holte Verkehrsschildaufstellung stattgefunden, die Geschwindigkeitsüberschreitung des Betr. war so erheblich, so dass zumindest bedingter Vorsatz anzunehmen ist.“
Die gegen das Urteil gerichtete Rechtsbeschwerde des Betr. erwies sich als erfolgreich.

Aus den Gründen:
I. Die statthafte (§ 79 I 1 Nrn. 1 und 2 OWiG) und auch im Übrigen zulässige Rechtsbe-schwerde erweist sich bereits auf die Sachrüge hin als begründet, weshalb auf die weiteren Beanstandungen nicht mehr einzugehen war. Das Urteil kann – wie der Betr. zu Recht beanstandet - aufgrund widersprüchlicher Ausführungen zur inneren Tatseite keinen Bestand haben.
1. Wenn auch in Bußgeldsachen an die Abfassung der Urteilsgründe keine übertrie-ben hohen Anforderungen zu stellen sind, müssen diese doch wenigstens so be-schaffen sein, dass ihnen das Rechtsbeschwerdegericht im Rahmen der Nachprü-fung einer richtigen Rechtsanwendung entnehmen kann, welche Feststellungen der Tatrichter zu den objektiven und subjektiven Tatbestandselementen getroffen hat und welche tatrichterlichen Erwägungen der Bemessung der Geldbuße und der An-ordnung oder dem Absehen von Nebenfolgen zugrunde liegen (§ 267 I und III StPO i.V.m. § 71 OWiG). Eine hinreichende Prüfungs- bzw. Entscheidungsgrundlage fehlt insbesondere, wenn die Feststellungen zur Tat - auch zur inneren Tatseite - unvollständig, unklar oder widersprüchlich sind oder wenn sie den Unrechts- und Schuldgehalt der Tat nicht erkennen lassen, weil die Schuldform nicht eindeutig festgestellt ist (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 23.04.2008 – 1 Ss 59/08 ; OLG Düsseldorf NZV 1994, 117 f. = VRS 86, 353; OLG Hamm VRS 90, 210 f.; Senge in KK-OWiG 3. Aufl. § 79 Rn. 143; Göhler-Seitz OWiG 15. Aufl. § 79 Rn. 32, jeweils m.w.N.; vgl. auch OLG Bamberg, Beschluss vom 02.07.2007 – 3 Ss OWi 849/07 = VRS 2007, 238 f. = VerkMitt. 2008, Nr. 15 zu widersprüchlichen Feststellungen, ob der Geschwindigkeitsverstoß innerhalb oder außerhalb geschlossener Ortschaften begangen wurde).
2. Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil hier nicht gerecht. Die bishe-rigen Feststellungen und die ihnen zugrunde liegende Beweiswürdigung erweisen sich als widersprüchlich und tragen demgemäß bereits den Schuldspruch und damit auch die verhängten Rechtsfolgen nicht. Nach den Urteilsgründen bleibt nämlich unklar, ob das AG den Betr. entsprechend der nach dem Hauptverhandlungsprotokoll vom 01.04.2010 verkündeten Urteilsformel lediglich wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung verurteilt hat oder aber der Verurteilung im Schuld- und Rechtsfolgenausspruch - ungeachtet des anders lautenden Urteilstenors - tatsächlich eine vorsätzliche Tatbegehung zu Grunde gelegt hat. Nachdem das AG im Rahmen seiner Sachdarstellung zur inneren Tatseite keinerlei Feststellungen getrof-fenen hat, ist auch eine - gegebenenfalls ergänzend aus dem Gesamtzusammenhang der Entscheidungsgründe zu entnehmende – eindeutige Auslegung nicht ermöglicht. Auch die Verurteilung zu einer gegenüber dem Regelsatz von 375 Euro gemäß § 4 I 1 Nr. 1 BKatV i.V.m. Nr. 11.3.10 der Tabelle 1c zum BKat in seiner zur Tatzeit gültigen Fassung erhöhten Geldbuße von 500 Euro erlaubt keine - im Umkehrschluss - eindeutige Bestimmung der Schuldform im Sinne eines Fahrlässigkeitsvorwurfs. Denn nach der Begründung der Rechtsfolgenentscheidung ist nicht auszuschließen, dass das AG die Geldbuße zum Nachteil des Betr. gerade nicht nur „wegen der Vorbelastungen“ auf 500 Euro erhöht hat, sondern vielmehr auch (oder sogar gerade) deshalb, weil es neben den - überdies nach Auffassung des AG nicht mehr vollständig verwertbaren Voreintragungen - von einer vorsätzlichen Ge-schwindigkeitsüberschreitung des Betr. ausgegangen ist.
3. Da die dem Betr. angelastete Verkehrsordnungswidrigkeit vorsätzlich und fahrlässig begangen werden kann (§ 24 I StVG), liegt in den widersprüchlichen Urteilspassagen zur verwirklichten Schuldform zugleich ein sachlich-rechtlicher Mangel des Urteils, auf dem die angefochtene Entscheidung beruht (vgl. OLG Düsseldorf NStZ-RR 1996, 22 f. m.w.N.).
II. Aufgrund des aufgezeigten sachlich-rechtlichen Mangels ist das angefochtene Urteil mit den Feststellungen insgesamt aufzuheben (§ 79 III 1 OWiG, § 353 StPO) und die Sache zur neuen Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdever-fahrens, an das AG zurückzuverweisen (§ 79 VI OWiG).
III. Für das weitere Verfahren bemerkt der Senat vorsorglich: Sollte wiederum ein Fahr-verbot in Betracht kommen, wird das AG im Rahmen der neuen Rechtsfolgenbemes-sung gegebenenfalls zu berücksichtigen haben, ob wegen der verfahrensgegenständlichen Ordnungswidrigkeit im Hinblick auf die Verfahrensdauer neben einer Geldbuße ausnahmsweise eine Abkürzung der an sich verwirkten Fahrverbotsdauer in Betracht kommt. Insoweit ist u.a. von Bedeutung, ob sich der Betr. in der Zwischenzeit verkehrsgerecht verhalten hat oder durch neue Verkehrsordnungwidrigkeiten in Erscheinung getreten ist (vgl. hierzu u.a. OLG Bam-berg DAR 2006, 337; OLG Karlsruhe DAR 2007, 528 f. = NStZ-RR 2007, 323 = VRR 2007, 351 f. sowie insbesondere OLG Bamberg, Beschlüsse vom 16.07.2008 - 2 Ss OWi 835/08 = zfs 2008, 591 f = DAR 2008, 651 f. = OLGSt BKatV § 4 Nr. 6 = OLGSt StVG § 25 Nr. 41 und vom 04.12.2008 - 3 Ss OWi 1386/08 = NJW 2009, 2468 f. = NZV 2009, 201 ff. = zfs 2009, 229 ff. = VRR 2009, 152 f. = OLGSt StVG § 25 Nr. 44, jeweils m.w.N.; speziell zu den Anforderung an eine Abkürzung der Fahrverbotsdauer vgl. zudem OLG Bamberg, Beschluss vom 11.04.2006 - 3 Ss OWi 354/06 = zfs 2006, 533 ff. = DAR 2006, 515 f. = VRR 2006, 230 ff. m. Anm. Gieg = VRS 111, 62 ff. = SVR 2007, 65 f. m. Anm. Krumm und OLG Bamberg, Beschluss vom 18.03.2009 – 3 Ss OWi 196/09 = DAR 2009, 401 f. = VerkMitt 2009, Nr. 63 = VRR 2009, 309 f. m. Anm. Burhoff = OLGSt StVG § 25 Nr. 46).

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