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Entscheidungen

Verwaltungsrecht

Fahrtenbuchauflage, Aufklärungspflicht, Halter

Gericht / Entscheidungsdatum: VG Neustadt , Beschl. v. 06.08.2009 - 6 L 671/09.NW

Leitsatz: Ein Fahrzeughalter, der sein Fahrzeug an Dritte weitergibt, muss sich um überprüfbare Angaben zur Identität und Anschrift desjenigen bemühen, dem er sein Fahrzeug übergibt. Insoweit sind die Mitteilung des Namens und die Angabe einer Stadt im Ausland (hier: Rumänien) als Wohnort allein keine hinreichend konkreten und verlässlichen Angaben, denen die Behörde im Rahmen ihrer Ermittlungen zumutbarerweise hätte nachgehen müssen.


In pp.
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.120,00 € festgesetzt.
Gründe
Der Antrag, die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die für sofort vollziehbar erklärte Anordnung zum Führen eines Fahrtenbuches vom 22. Juni 2009 wiederherzustellen, hat keinen Erfolg.
Die Begründung des Antragsgegners für die Anordnung der sofortigen Vollziehung, diese liege im öffentlichen Interesse, weil eine Gefährdung der Verkehrssicherheit zu erwarten wäre, wenn für die Fahrzeuge des Antragstellers nicht baldmöglichst ein Fahrtenbuch geführt werde und deshalb im Interesse der Verkehrssicherheit sicherzustellen sei, dass der Fahrzeugführer bei Verkehrsverstößen jederzeit ermittelt und zur Verantwortung gezogen werden könne, genügt dem Erfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung – VwGO –. Sie gibt zu erkennen, dass er sich des Ausnahmecharakters des Sofortvollzuges bewusst gewesen ist und dessen Anordnung mit der grundsätzlich aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs abgewogen hat. Im Übrigen ist anerkannt, dass die Begründung des Sofortvollzuges auf die Begründung der Verfügung Bezug nehmen kann, wenn – wie hier – bereits aus dieser die besondere Dringlichkeit der Vollzugsanordnung hervorgeht und die von der Behörde getroffene Interessenabwägung klar erkennbar ist (OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. März 2006 – 10 B 10184/06.OVG –).

Bei der nach § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO zu treffenden eigenen Interessenabwägung gelangt auch das Gericht zu dem Ergebnis, dass das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Bescheides das private Interesse des Antragstellers, vorläufig bis zur Entscheidung im Hauptsacheverfahren vom Vollzug verschont zu bleiben, überwiegt. Dies deshalb, weil nach der im Eilverfahren allein möglichen summarischen Prüfung alles dafür spricht, dass die Fahrtenbuchauflage rechtmäßig ist. In einem solchen Fall ist es wegen des öffentlichen Verkehrssicherungsinteresses geboten, sicherzustellen, dass ab sofort bei etwaigen weiteren Verkehrsverstößen der jeweilige Fahrer der Kraftfahrzeuge, deren Halter der Antragsteller ist, ermittelt werden kann.

Rechtsgrundlage für die angeordnete Fahrtenbuchauflage ist § 31a Abs. 1 Satz 1 Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung – StVZO –. Hiernach kann die Verwaltungsbehörde gegenüber einem Fahrzeughalter für ein oder mehrere auf ihn zugelassene Fahrzeuge die Führung eines Fahrtenbuches anordnen, wenn die Feststellung eines Fahrzeugführers nach einer Zuwiderhandlung gegen Verkehrsvorschriften nicht möglich war. Diese Voraussetzungen sind hier erfüllt.

Der Antragsteller ist Halter des Fahrzeuges mit dem Kennzeichen XXXX, mit dem am 12. Februar 2009 auf der B 38 die dort zulässige Höchstgeschwindigkeit von 70 km/h um 37 km/h außerhalb geschlossener Ortschaften überschritten wurde. Der für diese Verkehrsordnungswidrigkeit verantwortliche Fahrer konnte nicht festgestellt werden. Die Feststellung ist im Sinne des § 31a Abs. 1 Satz 1 StVZO unmöglich, wenn die Behörde den Täter trotz Durchführung aller nach den Umständen des konkreten Falles angemessenen und zumutbaren, d.h. im Verhältnis zur Bedeutung des Verkehrsverstoßes stehenden und erfahrungsgemäß Erfolg versprechenden Maßnahmen nicht ermitteln konnte, wobei sie ihre Ermittlungsbemühungen auch an den Erklärungen des Fahrzeughalters ausrichten und auf zeitraubende, kaum Erfolg versprechende Aufklärungsmaßnahmen verzichten kann (BVerwG, Beschluss vom 9. Dezember 1993 – 11 B 113/93 –, Rn. 4; BayVGH, Beschluss vom 12. Februar 2009 – 11 ZB 08.1189 –, Rn. 6; VG Ansbach, Urteil vom 25. Mai 2009 – AN 10 K 08.01984 –, Rn. 32; alle juris).

Nach Übersendung des Anhörungsbogens vom 3. März 2009 teilte der Antragsteller am 11. März 2009 der Bußgeldstelle telefonisch mit, nicht er, sondern ein Bekannter aus Rumänien sei der Fahrer gewesen. Die daraufhin mit den weiteren Ermittlungen beauftragte Polizei suchte seine Pizzeria auf und stellte ausweislich des Ermittlungsberichtes vom 5. April 2009 fest, dass der auf dem Messfoto abgebildete Fahrer nicht der Antragsteller sei. Weder eine Befragung des Personals noch der Nachbarschaft hätten weitere Erkenntnisse über die Person des Fahrzeugführers erbracht. Der Antragsteller habe angegeben, ein Herr XY, ein rumänischer Staatsangehöriger aus Bukarest, sei gefahren. Dieser sei ein Jugendfreund gewesen und habe bei ihm während eines Deutschlandbesuches für drei Tage übernachtet. Nähere Angaben über die Adresse könne der Antragsteller nicht machen. Den genauen Wohnort des Fahrers in Rumänien kenne er nicht. Damit hat die Behörde trotz sachgerechten und rationellen Einsatzes der ihr zur Verfügung stehenden und hier Erfolg versprechenden Maßnahmen den Fahrer nicht ermitteln können.

Dieser Misserfolg ist dem Antragsteller auch zuzurechnen, weil er nicht das ihm Zumutbare und Mögliche zur Aufklärung des Sachverhaltes beigetragen hat. Zwar hat er am 11. März 2009 telefonisch und später auch im Rahmen der polizeilichen Ermittlungen den Namen des Fahrers mitgeteilt. Bei der bloßen Angabe eines Namens und einer Stadt als Wohnort in Rumänien handelt es sich indessen nicht um derart konkrete und verlässliche Angaben, denen die Behörde hätte weiter nachgehen müssen. Vielmehr ist von einem Fahrzeughalter, der sein Fahrzeug an einen Dritten weitergibt, zu verlangen, dass er sich um überprüfbare Angaben zur Identität und Anschrift desjenigen bemüht, dem er sein Fahrzeug übergibt (OVG RP, Beschluss vom 20. Juni 2006 – 7 B 10654/06.OVG –). Nur dann, wenn er zuverlässige und konkrete Angaben über den Fahrer und dessen Anschrift zur Verfügung hat, kann seine Mitwirkung geeignet sein, zur Ermittlung des für den Verkehrsverstoß verantwortlichen Fahrers beizutragen. Gefährdet er indessen die Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dadurch, dass er entgegen seiner Mitwirkungspflicht nicht dartun kann, wer im Zusammenhang mit einer Verkehrszuwiderhandlung zu einem bestimmten Zeitpunkt sein Fahrzeug gefahren hat, darf er durch das Führen eines Fahrtenbuches zu einer nachprüfbaren Überwachung der Fahrzeugbenutzung angehalten werden (vgl. BVerwG, Beschluss vom 23. Juni 1989 – 7 B 90/89 –, Rn. 8, juris; OVG RP, a.a.O.; VG Neustadt, Beschluss vom 15. Mai 2006 – 3 L 677/06.NW –).

Daran ändert der Umstand nichts, dass er im Rahmen der Anhörung über die Auferlegung eines Fahrtenbuches mit anwaltlichem Schreiben vom 16. Juni 2009 – mithin nach Ablauf der dreimonatigen Verjährungsfrist des § 26 Abs. 3 StVG – mitgeteilt hat, der Fahrer sei Herr Y, wohnhaft in der A.str. in B./Rumänien. Denn feststellbar ist der Fahrer nur dann, wenn er vor Ablauf der Verjährungsfrist ermittelt werden konnte (BayVGH, NZV 1998, 88).

Ob die Behörde – im Falle erwiesener Täterschaft – gegenüber dem in Rumänien ansässigen Fahrer ihren Bußgeldbescheid tatsächlich hätte vollstrecken können, ist für die Rechtmäßigkeit der Fahrtenbuchauflage ohne Bedeutung. Sie ist keine Sanktion vergangener Verkehrsverstöße, sondern allein eine Reaktion auf die Nichtfeststellbarkeit des Fahrers im Anlassfall und eine der Sicherheit und Ordnung des Straßenverkehrs dienende Maßnahme der Gefahrenabwehr, mit der die zukünftige Feststellbarkeit des Fahrers gewährleistet werden soll (OVG NRW, Beschluss vom 11. Oktober 2007 – 8 B 1042/07 –, Rn. 4, juris).

Der festgestellte Verkehrsverstoß vom 12. Februar 2009 ist auch von einigem Gewicht. Er wäre nach Nr. 5.4 der Anlage 13 zur Fahrerlaubnis-Verordnung – FeV – mit drei Punkten im Verkehrszentralregister zu bewerten gewesen, was – entgegen der Auffassung des Antragstellers – bereits bei einem Erstverstoß die Anordnung der Führung eines Fahrtenbuches rechtfertigt (OVG RP, Beschluss vom 25. August 2008 – 7 B 10734/08.OVG –; VGH BW, Beschluss vom 15. April 2009 – 10 S 584/09 –, Rn. 6, juris).

Die Behörde durfte die Fahrtenbuchauflage auf alle drei Fahrzeuge des Antragstellers erstrecken, weil unterschiedliche Verhältnisse bei der Benutzung und Überwachung dieser Fahrzeuge weder plausibel dargelegt noch sonst ersichtlich sind (vgl. OVG RP, Beschluss vom 29. Juli 2008 – 7 B 10733/08.OVG –). Auch hinsichtlich der verfügten Dauer der Fahrtenbuchauflage von einem Jahr bestehen in Anbetracht der Erheblichkeit des zugrunde liegenden Verkehrsverstoßes keine Bedenken (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 15. März 2007 – 8 B 2746/06 –, Rn. 22, juris).

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
13
Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 GKG i.V.m. Ziff. 46.13 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit in der Fassung vom 7./8. Juli 2004 (NVwZ 2004, 1324 ff), wobei im Eilverfahren vom hälftigen Streitwert auszugehen ist. Weil die Fahrtenbuchauflage nicht nur das Tatfahrzeug, sondern auch die beiden anderen auf den Antragsteller zugelassenen Fahrzeuge erfasst, hat das Gericht in analoger Anwendung der Ziff. 50.2 des Streitwertkataloges für jedes weitere Fahrzeug im Eilverfahren 360,00 € zugrunde gelegt (vgl. OVG RP, Beschluss vom 29. Juli 2008 – 7 B 10733/08.OVG –).


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