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Öffentlichkeitsgrundsatz; Dauerhafte Videoüberwachung des Eingangsbereichs eines Gerichtsgebäudes

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Itzehoe, Beschl. v. 02.06.2010 - 1 T 61/10

Fundstellen:

Leitsatz: Eine Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Verhandlung ist nicht durch eine Videoüberwachung im Eingangsbereich eines Amtsgerichts gegeben.


In pp.
Der Beschluss des Amtsgerichts Meldorf vom 18.05.2010 über die Aussetzung des Rechtsstreits wird aufgehoben. Der Rechtsstreit ist fortzusetzen.
Gründe:
Die gegen die Aussetzung des Verfahrens gerichtete Beschwerde der Klägerin ist zulässig, § 252 ZPO, und hat auch in der Sache Erfolg. Das Amtsgericht hat das Verfahren fortzusetzen.
Die von Amts wegen angeordnete Aussetzung des Zivilverfahrens aufgrund der Überwachung des Zuganges zum Gebäude des Amtsgerichts Meldorf mit einer Videokamera ist nicht gerechtfertigt. Eine Verletzung des Grundsatzes der Öffentlichkeit der Verhandlung, § 169 GVG, ist darin nicht zu sehen.
Der Grundsatz der Öffentlichkeit verlangt, dass jedermann ohne Ansehung seiner Zugehörigkeit zu bestimmten Gruppen der Bevölkerung und ohne Ansehung bestimmter persönlicher Eigenschaften die Möglichkeit hat, an den Verhandlungen der Gerichte teilzunehmen.
Dieser Grundsatz gilt jedoch nicht uneingeschränkt. Grenzen ergeben sich nicht nur aus den tatsächlichen Gegebenheiten, wie der beschränkten Zahl der zur Verfügung stehenden Plätze in den Gerichtssälen, sondern u.a. auch aus Sicherheitsgründen. Sowohl der Vorsitzende, als auch der jeweilige Hausrechtsinhaber können vorbeugende Maßnahmen ergreifen, um eine sichere und ungestörte Durchführung der Verhandlung zu gewährleisten. Zu derartigen verhältnismäßigen Sicherheitsmaßnahmen können unter Umständen sogar Ausweiskontrollen und Durchsuchungen zutrittswilliger Personen fallen. (OVG Berlin-Brandenburg vom 26.03.2010, zitiert nach juris).
Eine Beeinträchtigung des Öffentlichkeitsgrundsatzes kommt in erster Linie in den Fällen in Betracht, in denen bestimmten Zuhörern die physische Möglichkeit des Zutritts zu Gerichtsverhandlungen verwehrt wird.
Trotz tatsächlich bestehender Zutrittsmöglichkeit kann in Ausnahmefällen eine Beeinträchtigung auch dann vorliegen, wenn von Seiten staatlicher Organe den Besuchern an einer Verhandlung Nachteile angedroht werden oder wenn von Maßnahmen staatlicher Organe im unmittelbaren Bereich des Zugangs zum Verhandlungssaal ein derart starker psychischer Druck ausgeht, dass dies in dem unbefangenen Interessenten den Eindruck einer realen Gefahr entstehen lässt, der Besuch der Hauptverhandlung könne für ihn konkrete Nachteile von Seiten staatlicher Organe nach sich ziehen. Allerdings kommt keineswegs jede möglicherweise als psychologische Hemmschwelle wirkende Maßnahme einer Verwehrung des Zutritts zur Hauptverhandlung gleich (BGH vom 11.07.1979, NJW 1980, 249).
Die Videoüberwachung im Eingangsbereich des Amtsgerichtsgebäudes in Meldorf könnte allenfalls eine psychische Zutrittsbeeinträchtigung darstellen. Aufgrund der allenfalls geringen Eingriffsintensität stünde sie einer physischen Zutrittsverwehrung jedoch nicht gleich, so dass damit eine Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht einherginge.
Es ist weder von den Parteien vorgetragen noch sonst ersichtlich, wodurch eine gewichtige Zwangswirkung entstehen sollte, die potentielle Besucher von dem Betreten des Gebäudes abhalten könnte. Weder das Amtsgericht hat dazu Ausführungen gemacht, noch ist unter Beachtung der gesamten Umstände denkbar, worin die konkreten Nachteile bestehen könnten, die einem Besucher aufgrund der Videoüberwachung des Eingangsbereiches des Gerichtsgebäudes drohen könnten. Anders als z.B. bei einer Videoüberwachung einer Demonstration könnte allein aus der Tatsache, dass eine bestimmte Person zu einem bestimmten Zeitpunkt ein öffentliches Gerichtsgebäude betritt, keinerlei Kategorisierung oder Bewertung der Person oder ihres Tuns erfolgen, welche denkbare Nachteile von staatlichen Organen nach sich ziehen könnte.
Schließlich lassen sich auch allgemeine Erhebungen zu Auswirkungen von Videoüberwachungen nicht zum Beleg für das Vorliegen einer konkreten Beeinträchtigung in der hier fraglichen Situation heranziehen.
Mangels Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes kam es vorliegend nicht mehr darauf an, ob es ermessensgerecht war, die nur notfalls in Betracht zu ziehende Aussetzung des Verfahrens bei einem Zivilverfahren vorzunehmen, bei dem die Parteien – die einen Anspruch auf Prozessförderung und Terminierung haben – selber die Verletzung des Öffentlichkeitsgrundsatzes nicht gerügt haben.


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Anmerkung:


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