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Entscheidungen

Gebühren

Aufwendungen des Pflichtverteidigers, Notwendigkeit, bindende Feststellung des Gerichts

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG München, Beschl. v. 07.12.2022 – 4 Ws 23/22

Eigener Leitsatz:

Die Feststellung der Erforderlichkeit von Aufwendungen des Pflichtverteidigers durch das Gericht ist nach § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG für das Festsetzungsverfahren nach § 55 bindend. der Kostenbeamte hat die Entscheidung grundsätzlich hinzunehmen.


Oberlandesgericht München

4 Ws 23/22
3 Qs 285/22 Landgericht Augsburg

In dem Strafverfahren
gegen pp.

Verteidiger:

wegen Anhörung im Auslieferungsverfahren

hier: weitere Beschwerde der Staatskasse

erlässt das Oberlandesgericht München - 4. Strafsenat - durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, die Richterin am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 7. Dezember 2022 folgenden

Beschluss

1. Die weitere Beschwerde der Staatskasse gegen den Beschluss des Landgerichts Augsburg vom 28.09.2022 wird als unbegründet verworfen.
2. Das Verfahren ist gebührenfrei; Kosten werden nicht erstattet.

Gründe:

Die Staatskasse begehrt mit ihrer weiteren Beschwerde erfolglos die Versagung der Erstattung von Übersetzungskosten, deren Notwendigkeit durch das zuständige Gericht festgestellt wurde.

Im Verfahren über die Auslieferung des pp. ordnete das zuständige Amtsgericht Dillingen a. d. Donau mit Beschluss vom 21.05.2021 Rechtsanwältin pp. als Pflichtverteidigerin bei.

Diese beantragte mit Schreiben vom 02.06.2021, eingegangen am 07.06.2021, gemäß § 46 Abs. 2 RVG die gerichtliche Feststellung, dass die Übersetzung von 259 Seiten aus den Verfahrensakten des dem Antrag auf Auslieferung zugrundeliegenden, in Serbien geführten Strafverfahren für eine ordnungsgemäße Verteidigung notwendig sei.

Mit Beschluss vom 15.062021 stellte das Amtsgericht Dillingen a. d. Donau die Notwendigkeit der Übersetzung fest. Eine vorherige Anhörung des Bezirksrevisors erfolgte nicht. Der Beschluss enthält keine Gründe.

Mit Schreiben vom 04.08.2021, eingegangen am 05.08.2021, beantragte die Pflichtverteidigerin unter Rechnungsvorlage die Erstattung der angefallenen Übersetzerkosten in Höhe von insgesamt 25.000,63 € direkt an die Übersetzerin.

Der Kostenbeamte verlangte mit Schreiben vom 01.09.2021 eine Glaubhaftmachung des Kostenansatzes. Nach Anhörung des Bezirksrevisors wurden die zu erstattenden Übersetzungskosten mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.04.2022 auf 14.615,25 € festgesetzt, weil der Kostenbeamte - ohne weitere Begründung - bei einer Vielzahl der übersetzten Dokumente deren Übersetzung für eine sachgerechte Verteidigung nicht für erforderlich erachtete.

Mit Kostenfestsetzungsbeschluss vom 20.04.2022 wurde eine weitere Vergütung in Höhe von 2.776,90 € festgesetzt, die der Kostenbeamte versehentlich nicht anerkannt hatte.

Mit Schreiben vom 26.04.2022 erhob die Pflichtverteidigerin Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.04.2022 und beantragte unter Verweis auf die vom Amtsgericht festgestellte Notwendigkeit der Übersetzung die Erstattung der gesamten beantragten Übersetzungskosten.

Der Kostenbeamte half der Erinnerung nicht ab.

Das Amtsgericht Dillingen a. d. Donau half der Erinnerung vollumfänglich ab und hob die vorgenannten Kostenfestsetzungsbeschlüsse mit der Maßgabe auf, dass die weiteren Übersetzungskosten iHv 7.808,48 € ebenfalls aus der Staatskasse zu erstatten sind.

Die hiergegen von der Staatskasse eingelegte Beschwerde, der das Amtsgericht nicht abhalf, verwarf das Landgericht Augsburg mit Beschluss vom 28.09.2022, der Staatskasse zugestellt am 29.09.2022, und ließ die weitere Beschwerde zu.

Mit Schreiben vom 06.10.2022 erhob die Staatskasse weitere Beschwerde, weil die Übersetzungskosten nur in der im Kostenfestsetzungsbeschluss gewährten Höhe zu erstatten seien.

Das Landgericht Augsburg half der weiteren Beschwerde mit Beschluss vom 06.10.2022 nicht ab.

Auf die Gründe der vorstehend in Bezug genommenen Schreiben und Entscheidungen wird zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen.

1. Die weitere Beschwerde der Staatskasse ist statthaft, weil das Landgericht Augsburg sie zugelassen hat (§§ 56 Abs. 2 Satz 1, 33 Abs. 6 Satz 1 RVG). Diese vom Beschwerdegericht nicht näher begründete Zulassung ist für das Oberlandesgericht München als Gericht der weiteren Beschwerde bindend, wenngleich anzumerken ist, dass der Senat keine grundsätzliche Bedeutung der zu klärenden Rechtsfrage zu erkennen vermag.

2. Die weitere Beschwerde ist auch im Übrigen zulässig, insbesondere wurde sie form- und fristgerecht erhoben.

3. Sie hat jedoch in der Sache keinen Erfolg, da die angefochtene Entscheidung des Landgerichts Augsburg, deren Begründung der Senat beitritt, der Sach- und Rechtslage entspricht. Ergänzend ist anzumerken:

a) Die Entscheidung über die Erstattung von Auslagen des beigeordneten oder bestellten Rechtsanwaltes erfolgt in zwei Stufen:

Auf der ersten Stufe entscheidet das Gericht, das den Rechtsanwalt beigeordnet oder bestellt hat, dem Grunde nach darüber, ob die geltend gemachten Auslagen für eine sachgemäße Durchführung der Sache, hier der Vertretung des Auszuliefernden im Rahmen des Auslieferungsverfahrens, erforderlich waren. In keinem Fall ist für Feststellung der Erforderlichkeit der Rechtspfleger oder der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle zuständig. Denn es geht um solche Fragen, die nur das erkennende Gericht aus seiner Beurteilung der materiell-rechtlichen und prozessualen Gesamtsituation beantworten kann (vgl. Toussaint/Toussaint, 52. Aufl. 2022, RVG § 46 Rn. 38). Nach der ausdrücklichen und unmissverständlichen Regelung in § 46 Abs. 2 Satz 1 RVG ist die gerichtliche Feststellung der Notwendigkeit von Auslagen, zu denen gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3 RVG auch die Kosten für Übersetzungen und Dolmetscher gehören, für das weitere Kostenfestsetzungsverfahren bindend. Die Entscheidung des Gerichts, mit der die Erforderlichkeit festgestellt wird, erfolgt nach Anhörung des Bezirksrevisors und sie ist zu begründen. Sie ist jedoch nicht anfechtbar (vgl. Toussaint/Toussaint, 52. Aufl. 2022, RVG § 46 Rn. 46), auch nicht für die Staatskasse (NK-GK/Hagen Schneider, 3. Aufl. 2021, RVG § 46 Rn. 28).

Auf der zweiten Stufe, nämlich im Rahmen des Kostenfestsetzungsverfahrens nach § 55 RVG, entscheidet der zuständige Kostenbeamte, ob die auf der ersten Stufe vom Gericht für erforderlich erachteten Auslagen auch der Höhe nach erstattungsfähig sind. Werden Auslagen für Übersetzungen oder Dolmetscher geltend gemacht, so prüft er insbesondere, ob diese sich - wie in § 46 Abs. 2 Satz 3 2. HS RVG geregelt - auf die nach JVEG erstattungsfähigen Beträge beschränken.

b) Dies zugrunde gelegt hatte der Kostenbeamte die mit Beschluss vom 15.06.2021 getroffene Entscheidung des Amtsgerichts Dillingen a. d. Donau, dass die Übersetzung der fraglichen 259 Seiten für eine sachgerechte Verteidigung im Auslieferungsverfahren erforderlich war, hinzunehmen. Er war nicht berechtigt, unter Verstoß gegen die ausdrückliche gesetzliche Regelung und unter Missachtung der gesetzlich bestimmten Bindungswirkung der gerichtlichen Entscheidung im Rahmen der von ihm vorzunehmenden Prüfung der Höhe inzident erneut und ohne Zuständigkeit die Erforderlichkeit der Übersetzungskosten zu prüfen, wie dies im Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.04.2022 geschehen ist.

Etwas anderes gilt auch nicht etwa deshalb, weil die Entscheidung des Amtsgerichts insofern fehlerhaft war, als weder eine Anhörung des Bezirksrevisors noch eine eigene Prüfung der beantragten Auslagen stattgefunden hat und der Beschluss außerdem jegliche Begründung vermissen lässt. Stellt ein Gericht, und sei es auch fehlerhaft, die Erforderlichkeit einer Reise oder anderer Auslagen fest, schafft es für den Rechtsanwalt einen Vertrauenstatbestand, auf den sich der Rechtsanwalt verlassen darf (Hartung/Schons/Enders/Hartung, 3. Aufl. 2017, RVG § 46 Rn. 59).

Anzumerken ist, dass der Kostenbeamte, wenn er sich denn über eine gerichtliche Entscheidung hinwegsetzen möchte, seine eigene zumindest in einem solchen Umfang begründen sollte, damit eine inhaltliche Nachprüfung möglich ist. Der Kostenfestsetzungsbeschluss vom 07.04.2022 teilt zu keinem der als nicht für eine sachgerechte Verteidigung erforderlich erachteten Dokumente mit, worauf sich diese Einschätzung stützt. Auch die Stellungnahme des Bezirksrevisors verhält sich dazu nicht.

Da die Höhe der geltend gemachten Kosten, dh. das für das jeweilige Einzeldokument geltend gemachte Zeilenhonorar, vom Kostenbeamten nicht beanstandet wurde, hat es mit der Entscheidung des Landgerichts Augsburg sein Bewenden.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 56 Abs. 2 Satz 2 und 3 RVG.


Einsender: RÄin E.Hößler, Dillingen a.d.Donau

Anmerkung:


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