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Entscheidungen

beA

beA, Nutzungspflicht, Bevollmächtigter

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 25.03.2022 – 3 Ws (B) 71/22

Leitsatz des Gerichts: 1. Verwerfungsbefugnis des Tatgerichts nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 346 Abs. 1 StPO.
2. Die Pflicht zur elektronischen Übermittlung nach §§ 32d Satz 2 StPO, 111c OWiG gilt (nur) für Verteidiger und Rechtsanwälte. Einem Bevollmächtigten des Betroffenen ist es hingegen möglich, Rechtsbeschwerde nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341 Abs. 1 StPO formgerecht per Telefax einzureichen.
3. Die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist wird erst mit der Zustellung des Aufhebungsbeschlusses des Rechtsbeschwerdegerichts an den Betroffenen in Lauf gesetzt.


3 Ws (B) 71/22 - 162 Ss 38/22

In der Bußgeldsache
gegen pp.

wegen einer Verkehrsordnungswidrigkeit

hat der 3. Senat für Bußgeldsachen des Kammergerichts am 25. März 2022 beschlossen:

Auf den Antrag des Betroffenen auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts wird der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten vom 27. Januar 2022 aufgehoben.

Die Sache wird an das Amtsgericht Tiergarten - Abteilung 293 - zurückgegeben.

Gründe:

I.

Der Polizeipräsident in Berlin hat gegen den Betroffenen mit Bußgeldbescheid vom 6. Oktober 2020 wegen Überschreitung der auf 60 km/h beschränkten zulässigen Höchstgeschwindigkeit innerhalb geschlossener Ortschaften um 32 km/h (nach Toleranzabzug) unter Berücksichtigung der Voreintragungen im Fahreignungsregister eine Geldbuße in Höhe von 260,00 Euro sowie ein einmonatiges Fahrverbot verhängt und eine Wirksamkeitsbestimmung nach § 25 Abs. 2a StVG getroffen.
Unter dem Briefkopf „A & Partner GbR“ und mit der Anzeige, dass „wir die Vertretung des Betroffenen“ übernehmen, ist am 22. Oktober 2020 gegen den Bußgeldbescheid in Vollmacht des Betroffenen rechtzeitig Einspruch eingelegt worden.
In der Folge ist A als Verteidiger und Rechtsanwalt vom Amtsgericht Tiergarten angeschrieben worden, und er hat ein entsprechendes Empfangsbekenntnis am 21. Oktober 2021 unterzeichnet.

In der Hauptverhandlung am 6. Januar 2022, in der nur der Betroffene, nicht aber A anwesend gewesen ist, hat das Amtsgericht Tiergarten den Betroffenen wegen vorsätzlich begangener Verkehrsordnungswidrigkeit zu einer Geldbuße in Höhe von 350,00 Euro verurteilt, ihm für die Dauer von einem Monat verboten, Kraftfahrzeuge im öffentlichen Straßenverkehr zu führen und eine Bestimmung über das Wirksamwerden des Fahrverbotes nach § 25 Abs. 2a StVG getroffen.

Mit per Telefax beim Amtsgericht Tiergarten am 13. Januar 2022 eingegangenen Schriftsatz vom 12. Januar 2022 hat A gegen das Urteil Rechtsbeschwerde eingelegt und teilweise begründet.

Mit Beschluss vom 27. Januar 2022 hat das Amtsgericht Tiergarten die Rechtsbeschwerde nach § 346 Abs. 1 StPO wegen Verstoßes gegen die Formvorschrift nach §§ 32d Satz 2 StPO, 111c OWiG als unzulässig verworfen.

Beschluss und Urteil sind dem Betroffenen am 2. Februar 2022 zugestellt worden.

Mit durch elektronisches Dokument übermitteltem Schriftsatz vom 9. Februar 2022 hat Rechtsanwalt B unter Anzeige der Vertretung des Betroffenen und anwaltlicher Versicherung ordnungsgemäßer Bevollmächtigung „Antrag gemäß § 346 Abs. 2 StPO auf Entscheidung des Revisionsgerichts“ gestellt. Zur Begründung hat die Verteidigung ausgeführt, dass A seit Januar 2020 kein Rechtsanwalt mehr sei und daher die Rechtsbeschwerde nicht elektronisch habe einreichen können.

II.

1. Der Antrag auf Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts, §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 346 Abs. 2 StPO hat Erfolg.

Der statthafte Antrag ist fristgerecht (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 346 Abs. 2 Satz 1 StPO) und auch im Weiteren zulässig.

Der Antrag ist begründet; das Amtsgericht Tiergarten war daran gehindert, die Rechtsbeschwerde als unzulässig zu verwerfen.

Das Amtsgericht hat gegen seine Verwerfungsbefugnis nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 346 Abs. 1 StPO verstoßen. Nach § 346 Abs. 1 StPO darf das Tatgericht lediglich dann das Rechtsmittel als unzulässig verwerfen, wenn die Revision verspätet eingelegt oder die Revisionsanträge nicht rechtzeitig oder nicht in der in § 345 Abs. 2 StPO vorgeschriebenen Form eingelegt worden sind. Die Zulässigkeitsprüfung erstreckt sich nicht auf die Einhaltung der (Schrift-)Form bei der Einlegung der Revision bzw. Rechtsbeschwerde (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 346 Rn. 2; Seitz/Bauer in Göhler, OWiG 18. Aufl., § 79 Rn. 34a).

An der Verwerfung der Rechtsbeschwerde als unzulässig wegen Verstoßes gegen die Formvorschrift nach §§ 32d Satz 2 StPO, 111c OWiG [Anmerkung des Senats: richtig ist § 110c OWiG] war das Amtsgericht also gehindert.

Im Übrigen liegt ein Verstoß gegen die Formvorschrift nach §§ 32d Satz 2 StPO, 110c OWiG nicht vor. A ist nach Angabe des Verteidigers des Betroffenen kein Rechtsanwalt, so dass für ihn die Pflicht zur elektronischen Übermittlung nicht gilt. Es war ihm vielmehr als Bevollmächtigten des Betroffenen möglich, die Rechtsbeschwerde nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 341 Abs. 1 StPO formgerecht per Telefax einzureichen (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 341 Rn. 3; Seitz/Bauer in Göhler, a.a.O., § 79 Rn. 28). Objektive Anhaltspunkte dafür, dass der Betroffene Herrn A nicht bevollmächtigt hatte, Rechtsbeschwerde einzulegen, ergeben sich – entgegen der Auffassung der Generalstaatsanwaltschaft – nicht. A hat insoweit als Vertreter, der nicht Verteidiger ist, für den Betroffenen gehandelt (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, a. a. O., § 297 Rn. 7).

Überdies hätte der Verwerfungsbeschluss erst nach Ablauf der Frist zur Anbringung der (Rechtsbeschwerde-)Anträge und Begründung ergehen dürfen (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 4. Juni 2018 - 2 OLG 120 Ss 29/18 -, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 346 Rn. 4). Die Begründungsfrist nach §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 345 Abs. 1 StPO hat erst nach dem Erlass des Verwerfungsbeschlusses vom 27. Januar 2022, nämlich mit der Zustellung des Urteils am 2. Februar 2022 begonnen (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 345 Abs. 1 Satz 2 StPO) und war dementsprechend noch nicht abgelaufen.

2. Der angefochtene Beschluss vom 27. Januar 2022 ist daher auf den Antrag nach § 346 Abs. 2 StPO aufzuheben.

Die Sache ist mangels Entscheidungsreife an den Tatrichter zurückzugeben, weil dem Rechtsmittelführer hier wegen der Einhaltung des fairen Verfahrens noch die Möglichkeit eingeräumt werden muss, die Rechtsbeschwerde zu begründen. Da dem Rechtsmittelführer nicht zuzumuten ist, in Kenntnis der Verwerfungsentscheidung rein vorsorglich innerhalb der noch verbleibenden Frist seine Rechtsbeschwerde zu begründen, sondern dies erst dann von ihm verlangt werden kann, wenn das Rechtsbeschwerdegericht auf seinen Antrag hin die Verwerfungsentscheidung aufgehoben hat, führt der sachlich-rechtliche Mangel der Verwerfungsentscheidung bei einer solchen Verfahrenskonstellation dazu, dass die Rechtsbeschwerdebegründungsfrist erst mit der Zustellung des Aufhebungsbeschlusses des Rechtsbeschwerdegerichts an den Betroffenen in Lauf gesetzt wird (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 4. Juni 2018 a.a.O.; OLG Oldenburg, Beschluss vom 1. Dezember 2014 - 2 Ss (OWi) 310/14 -, juris).

3. Für das weitere Verfahren wird der Betroffene daher ausdrücklich darauf hingewiesen, dass für die formgerechte Begründung seiner Rechtsbeschwerde, welche - anders als die Einlegung der Rechtsbeschwerde - nur in einer von dem Verteidiger oder einem Rechtsanwalt unterzeichneten Schrift oder zu Protokoll der Geschäftsstelle des Amtsgerichts Tiergarten erfolgen kann, eine Frist von einem Monat ab Zustellung der vorliegenden Senatsentscheidung gilt.

4. Die weitere Behandlung der Sache obliegt nunmehr dem Amtsgericht Tiergarten, das nach Ablauf der einmonatigen Rechtsbeschwerdebegründungsfrist (§§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 345 Abs. 1 StPO) gemäß §§ 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG, 346, 347 StPO zu verfahren haben wird (vgl. Senat, Beschluss vom 16. September 2018 - 3 Ws (B) 233/18 -; OLG Bamberg, Beschluss vom 4. Juni 2018, a.a.O.).


Einsender: RiKG U. Sandherr, Berlin

Anmerkung:


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