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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Sicherungsverwahrung

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 25.03.2022 - 2 Ws 2-7/22

Leitsatz des Gerichts: Der Transport eines "vornotierten“ Gefangenen zu einem externen Arzt stellt keine Maßnahme dar, die der Umsetzung des § 66c Abs. 1 StGB dient.


KAMMERGERICHT

Beschluss

In den Strafvollzugssachen

des Strafgefangenen pp.

wegen Ablehnung der Beiordnung einer Rechtsanwältin gem.
§ 109 Abs. 3 Satz 1 StVollzG

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 25. März 2022 beschlossen:

Die Beschwerden des Gefangenen gegen die Beschlüsse des Landgerichts Berlin – Strafvollstreckungskammer – vom 10. Dezember 2021 werden verworfen.
Der Beschwerdeführer hat die Kosten seiner Rechtsmittel zu tragen.

Gründe:

I.

Der Beschwerdeführer verbüßt zurzeit eine Gesamtfreiheitsstrafe von acht Jahren wegen schweren sexuellen Missbrauchs von Kindern und der Anstiftung zum schweren sexuellen Missbrauch von Kindern in zwei Fällen sowie wegen Anstiftung zum sexuellen Missbrauch von Kindern, der Anstiftung zur Herstellung kinderpornographischer Schriften und der versuchten Nötigung in zwei Fällen aus dem Urteil des Landgerichts Mosbach vom 7. September 2017. Das Landgericht Mosbach hat weiterhin die Sicherungsverwahrung angeordnet. Die Strafe wurde zunächst in der Justizvollzugsanstalt Offenburg vollstreckt, sodann ab dem 29. November 2018 in der Justizvollzugsanstalt Moabit. Seit dem 21. Dezember 2018 befindet sich der Beschwerdeführer in der Teilanstalt V der Justizvollzugsanstalt Tegel. Das Strafende ist für den 7. August 2022 notiert; anschließend ist die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung vorgesehen.

Gegenstand aller eingangs aufgeführten Strafvollzugssachen sind Ausführungen des Gefangenen am:
• 21. Mai 2019 (Verfahren LG 589 StVK 228/19 Vollz)
• 22. Februar 2021 (Verfahren LG 589 StVK 71/21 Vollz)
• 23. Februar 2021 (Verfahren LG 589 StVK 61/21 Vollz)
• 22. März 2021 (Verfahren LG 589 StVK 88 und 89/21 Vollz)
in öffentliche Krankenhäuser aus medizinischen Gründen.

Bei den Ausführungen trug der Gefangene gemäß der Anordnung der Justizvollzugsanstalt jeweils Fesseln und Anstaltskleidung und wurde von zwei uniformierten Justizvollzugsbediensteten begleitet. Der Gefangener wendet sich mit seinen Anträgen gegen diese Sicherungsmaßnahmen und macht im Wesentlichen geltend, dass eine Begleitung durch (nicht uniformierte) Beamte ausreichend gewesen wäre. In all diesen Verfahren hatte der Gefangene jeweils beantragt, ihm Rechtsanwältin B. gemäß § 109 Abs. 3 Satz 1 StVollzG beizuordnen. Die Strafvollstreckungskammer hatte diese Anträge durch Beschlüsse vom 10. Dezember 2021 abgelehnt. Hiergegen richten sich die Beschwerden des Gefangenen.

II.

Da sich der Antragsteller nicht gegen eine – bislang ohnehin nicht ergangene – abschließende Entscheidungen im Verfahren nach §§ 109 ff. StVollzG wendet, sondern lediglich die Versagung der Beiordnung eines Rechtsanwalts angreift, kommt als Rechtsmittel allein die Beschwerde nach § 120 Abs. 1 StVollzG i.V.m. § 304 Abs. 1 StPO in Betracht.

1. Das Rechtsmittel ist, soweit es die Entscheidung zum Verfahren der Strafvollstreckungskammer zum Aktenzeichen 589 StVK 89/21 Vollz (hier 2 Ws 7/22 Vollz) betrifft, unzulässig. Denn dieser „Streitgegenstand“ ist mit jenem im (älteren) Verfahren der Strafvollstreckungskammer zum Aktenzeichen 589 StVK 88/21 Vollz (hier 2 Ws 6/22 Vollz) identisch. Hier wie dort hatte der Gefangene beantragt festzustellen, dass die „am 22.03.20221 erfolgte Ausführung … rechts- und verfassungswidrig war“ und zudem begehrt „die JVA einstweilig zu verpflichten, zeitnahe Ausführungen … nur unter Begleitung von 1-5 nicht uniformierten Beamten … vorzunehmen“. Eine doppelte Rechtshängigkeit führt grundsätzlich zur Unzulässigkeit des zeitlich später anhängig gewordenen Verfahrens (Senat, Beschlüsse vom 8. Juni 2021 – 2 Ws 32/21 Vollz – und vom 27. Juli 2017 – 2 Ws 70/17 Vollz –, jeweils bei juris). Ob dieses beim Landgericht überhaupt als eigenständiges Verfahren hätte eingetragen werden dürfen, kann offenbleiben. Jedenfalls konnte aber der zu diesem Aktenzeichen gestellte Antrag auf Beiordnung der genannten Anwältin (schon) mit Blick auf das genannte Prozesshindernis keinen Erfolg haben.

2. Die weiteren Rechtsmittel sind zwar zulässig, aber unbegründet.

a) Sie sind insbesondere nicht durch § 305 Satz 1 StPO ausgeschlossen. Zwar ist auch die Strafvollstreckungskammer im Sinne des § 305 Satz 1 StPO ein „erkennendes Gericht“ (vgl. Senat NStZ 2014, 423; NStZ 2001, 448 = ZfStrVo 2001, 370). Doch handelt es sich bei der Bestellung eines Rechtsanwalts gemäß § 109 Abs. 3 Satz 1 StVollzG um keine Entscheidung, „die der Urteilsfällung vorausgeht“. Es gilt insoweit nichts anderes als bei der Bestellung eines Pflichtverteidigers nach §§ 140, 141 StPO, die nach h.M. in keinem inneren Zusammenhand mit der späteren Urteilsfällung steht (vgl. KK-StPO-Zabeck, 8. Aufl. § 305 Rdn. 8 mit weiteren Nachweisen). Denn dieses Verfahren ist ausweislich der Gesetzesbegründung der Regelung in § 140 StPO nachgebildet (vgl. BT-Drucks. 17/9874 S. 27; so auch OLG Hamm NStZ-RR 2014, 294 Senat, StV 2015, 577). Ein Ausschluss der Anfechtung folgt auch nicht aus § 120 Abs. 2 StVollzG i.V.m. § 127 Abs. 2 Satz 2 ZPO. Denn diese Bestimmungen sind auf die vorliegend nach § 109 Abs. 3 Satz 1 StVollzG beantragte – und damit unabhängig von den Regeln der Prozesskostenhilfe mögliche – Bewilligung der Bestellung eines Rechtsanwalts nicht anwendbar.

b) Die Beschwerden sind jedoch unbegründet, da die im Streit stehenden Ausführungen keine „Maßnahmen“ im Sinne des § 109 Abs. 3 Satz 1 StVollzG sind.

aa) Anlass für die Regelung in § 109 Abs. 3 StVollzG und der damit einhergehenden Privilegierung von Sicherungsverwahrten und Strafgefangenen, bei denen die Vollstreckung der Sicherungsverwahrung ansteht oder zumindest möglich ist, war das Urteil des Bundesverfassungsgerichts vom 4. Mai 2011 – 2 BvR 2365/09 – (NJW 2011, 1931). In diesem führte das Bundesverfassungsgericht u.a. aus, dass Untergebrachten ein effektiv durchsetzbarer Rechtsanspruch auf Durchführung der Maßnahmen eingeräumt werden müsse, die zur Reduktion ihrer Gefährlichkeit geboten seien. Das von Verfassungs wegen geltende „Rechtsschutz- und Unterstützungsgebot“ erfordere, dem Untergebrachten einen geeigneten Beistand beizuordnen, der ihn in der Wahrnehmung seiner Rechte und Interessen unterstütze (BVerfG a.a.O. S. 1939). Diese Ausführungen hat sich der Gesetzgeber zu Eigen gemacht (vgl. BT-Drucks. 17/9874 S. 27) und mit § 109 Abs. 3 StVollzG eine Regelung getroffen, die es erlaubt, bestimmten Antragstellern unter privilegierten Voraussetzungen einen Rechtsanwalt beizuordnen. Nach dem Willen des Gesetzgebers stellt die Beiordnung – bei Vorliegen der persönlichen Voraussetzungen sowie bei einem Streit über die dort genannten Maßnahmen dann – den Regelfall dar (vgl. BT-Drucks. 17/9874 S. 27).

bb) Eine Beiordnung nach § 109 Abs. 3 Satz 1 StVollzG ist dabei allein im Hinblick auf eine „Maßnahme“ möglich, „die der Umsetzung des § 66c Abs. 1 des Strafgesetzbuches“ dient. Denn die Beiordnung soll nur für solche Streitigkeiten erfolgen, die eine den Leitlinien des § 66c StGB konforme Umsetzung des Abstandsgebotes betreffen (vgl. Senat NStZ 2017, 115). Das ist hier nicht der Fall. Denn es handelt sich vorliegend um keine Maßnahme im Sinne des § 66c Abs. 1 StGB. Im Einzelnen:

Bei den hier konkret im Streit stehenden Ausführungen handelt es sich um keine spezifische „Betreuung“ im Sinne des § 66c Abs. 1 Nr. 1 StGB, insbesondere auch nicht um eine „psychiatrische, psycho- oder sozialtherapeutische Behandlung“. Die Ausführungen waren allein bewilligt worden, um dem Gefangenen medizinische Hilfe außerhalb der Justizvollzugsanstalt, nämlich in der Charité zukommen zu lassen. Diese allgemeine Gesundheitsfürsorge an sich ist aber in aller Regel keine spezifische „Betreuung“ im Sinne der genannten Vorschrift (so schon Senat, Beschluss vom 22. Juli 2021 – 2 Ws 37/21 Vollz –). Nichts Anderes kann für die bloße Ausführung dorthin gelten. Denn ihr Zweck erschöpft sich allein darin, dem Gefangenen dann vor Ort externe ärztliche Hilfe zukommen zu lassen. Entsprechendes hatte der Senat auch schon für die Ausführung von Sicherungsverwahrten zu Gerichtsterminen entschieden (Beschluss vom 5. Dezember 2016 – 2 Ws 242/16 Vollz –). Ebenso wenig betreffen die hier streitigen Einzelmodalitäten der Ausführungen die in § 66c Abs. 1 Nr. 2 StGB beschriebenen grundsätzlichen Anforderungen an die Unterbringung. Dies gilt insbesondere auch für das in lit. b der Vorschrift beschriebene (räumliche) Trennungsgebot. Schließlich handelte es sich auch nicht um eine Maßnahme im Sinne des § 66c Abs. 1 Nr. 3 StGB. Zwar kann auch eine Ausführung grundsätzlich eine „vollzugsöffnende Maßnahme“ im Sinne von lit. a) der Vorschrift sein. Doch dienten die hier bewilligten Maßnahmen gerade nicht der (für Nr. 3 erforderlichen) „Erreichung des in Nummer 1 Buchstabe b genannten Ziels“, nämlich die Gefährlichkeit des Gefangenen zu mindern, sondern galten allein der allgemeinen Gesundheitsfürsorge (§§ 70 ff. StVollzG Bln). Schon aus diesem Grund liegt auch keine Maßnahme im Sinne des § 66c Abs. 1 Nr. 3 lit. b) StGB vor, zumal es sich hier nicht um eine „nachsorgende Betreuung“ handelte.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 121 Abs. 4 StVollzG, § 473 Abs. 1 StPO.


Einsender: VorsRiKG O. Arnoldi, Berlin

Anmerkung:


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