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Entscheidungen

StPO

Pflichtverteidiger, Dauer der Bestellung, TOA, Strafrahmen

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 25.02.2022 – (2) 161 Ss 25/22 (7/22)

Leitsatz des Gerichts: 1. Liegen die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB vor, ist die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung zu erörtern.
2. Die Pflichtverteidigerbestellung endet regelmäßig erst mit dem rechtskräftigen Abschluss oder der Einstellung des Strafverfahrens; eine Beschränkung der Bestellung auf die jeweilige Instanz ist daher grundsätzlich fehlerhaft.


KAMMERGERICHT

Beschluss

(2) 161 Ss 25/22 (7/22)

In der Strafsache
gegen pp.

wegen veruntreuender Unterschlagung

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin – zu 2. durch den Vorsitzenden – am 25. Februar 2022 beschlossen:

1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Berlin vom 15. Dezember 2021 aufgehoben.
2. Dem Angeklagten wird Rechtsanwalt pp. gemäß § 140 Abs. 2 StPO zum Pflichtverteidiger bestellt.
3. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere Strafkammer des Landgerichts Berlin zurückverwiesen.

Gründe:

Das Amtsgericht Tiergarten in Berlin verurteilte den Angeklagten am 20. September 2021 wegen veruntreuender Unterschlagung zu einer Freiheitsstrafe von acht Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte, und ordnete die Einziehung von Wertersatz in Höhe von 1.703,83 Euro an. Auf die – auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkte – Berufung der Staatsanwaltschaft hob das Landgericht Berlin das Urteil im Rechtsfolgenausspruch – einschließlich der Einziehungsentscheidung – auf und verurteilte den Angeklagten zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von acht Monaten. Mit seiner gegen dieses Urteil gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung materiellen Rechts.

II.

Die form- und fristgerecht eingelegte Revision des Angeklagten hat mit der allgemeinen Sachrüge (vorläufigen) Erfolg.

Der Strafausspruch hält der sachlich-rechtlichen Nachprüfung durch den Senat nicht stand.

Die Rechtsfolgenentscheidung weist einen grundlegenden Fehler bei der Strafrahmenwahl auf, weil die Berufungskammer die Möglichkeit einer Strafrahmenverschiebung (§ 49 Abs. 1 StGB) aufgrund des vertypten Strafmilderungsgrundes des § 46a StGB unerörtert gelassen hat, obwohl nach den getroffenen Feststellungen hierzu Anlass bestand. In Betracht zu ziehen war die Bestimmung des § 46a Nr. 2 StGB, die nach ständiger Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs als Regelung über den Täter-Opfer-Ausgleich an den Ausgleich der durch die Tat entstandenen materiellen Schäden anknüpft (vgl. BGH NJW 2020, 486).

Nach den Feststellungen zahlte der Angeklagte am 30. November 2021 an die geschädigte Firma T. zum Ausgleich des unterschlagenen Betrages in Höhe von 1.703,83 Euro einen Betrag von 1.750,00 Euro. Demgemäß wertete die Strafkammer strafmildernd, dass der Angeklagt den unterschlagenen Betrag mit einem Aufschlag von knapp 3% an die Geschädigte zurückerstattete, wenn auch erst zweieinhalb Jahre nach der Tat.

Erörterungen zu der nach § 46a Nr. 2, § 49 Abs. 1 StGB möglichen Milderung fehlen jedoch und können auch nicht in der erst nach Bestimmung des Strafrahmens erfolgten strafmildernden Berücksichtigung der von dem Angeklagten vorgenommenen Schadenswiedergutmachung gesehen werden.

Die in § 46a Nr. 2 StGB normierte Fallgruppe verlangt, dass der Täter das Opfer ganz oder zum überwiegenden Teil entschädigt und dies erhebliche persönliche Leistungen oder persönlichen Verzicht erfordert. Die Bestrebungen müssen Ausdruck der Übernahme von Verantwortung sein. Verlangt wird, damit die Schadenswiedergutmachung ihre friedensstiftende Wirkung entfalten kann, dass der Täter einen über die rein rechnerische Kompensation hinausgehenden Beitrag erbringt (BT-Drucks. 12/6853 S. 22) Die Erfüllung von Schadensersatzansprüchen allein genügt nicht (vgl. BGH NStZ 1995, 492).

Da eine mögliche Strafrahmenverschiebung unerörtert bleibt, vermag der Senat schon nicht zu beurteilen, ob die Strafkammer die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB als nicht erfüllt angesehen oder zu hohe Anforderungen an die Milderungsmöglichkeit nach § 46a Nr. 2, § 49 Abs. 1 StGB gestellt hat. Ob die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB erfüllt sind, kann auf der Grundlage der getroffenen Feststellungen nicht abschließend beurteilt werden. Die bisherigen Feststellungen zu den persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen des Angeklagten sprechen allerdings dafür, dass die Entschädigungszahlung an die geschädigte Firma bei diesem zu erheblichen Einbußen im finanziellen Bereich geführt hat und deshalb die Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB gegeben sein könnten. Der Tatrichter hat daher in neuer Verhandlung diese Frage zu prüfen und dabei sicher zu entscheiden, ob die inzwischen geleistete Zahlung Ausdruck der Übernahme von Verantwortung durch den Angeklagten für die Folgen seiner Straftat ist.

Da die allgemeine strafmildernde Berücksichtigung der Zahlung die hier gebotene Prüfung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 46a Nr. 2 StGB nicht ersetzen kann, ist über die Strafe neu zu befinden. Die zum Strafausspruch getroffenen tatsächlichen Feststellungen weisen keinen Rechtsfehler auf und bleiben daher aufrechterhalten, da sie lediglich ergänzungsbedürftig sind und durch die lückenhafte Erörterung nicht tangiert werden.

Eine eigene Sachentscheidung nach § 354 Abs. 1a StPO war dem Senat schon deshalb nicht möglich, da für die Bemessung der Strafe ggf. ein anderer Strafrahmen in Betracht kommt (vgl. BGH StraFo 2010, 159).

III.

Aus Gründen der Klarstellung war dem Angeklagten auf seinen Antrag Rechtsanwalt pp. gemäß § 140 Abs. 2 StPO zum Pflichtverteidiger zu bestellen. Zwar endet eine Beiordnung gemäß § 143 Abs. 1 StPO erst mit dem rechtskräftigen Abschluss des Strafverfahrens und gilt somit auch für das Revisionsverfahren einschließlich einer etwaigen Revisionshauptverhandlung (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO 64. Aufl., § 143 Rdn. 1, § 350 Rdn. 9, 11). Da die Beiordnung durch das Landgericht am 15. Dezember 2021 jedoch ausdrücklich mit dem (einschränkenden) Zusatz „für das Berufungsverfahren“ erfolgt ist, war die Beiordnung klarstellend noch einmal auszusprechen.

IV.

Über die Kosten der Revision und die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Angeklagten wird der neue Tatrichter im Lichte der von ihm zu treffenden Sachentscheidung insgesamt zu befinden haben.


Einsender: VorsRiKG O. Arnoldi, Berlin

Anmerkung:


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