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Entscheidungen

Corona

Corona, Begriff der Ansammlung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Zweibrücken, Beschl. v. 18.02.2022 – 1 OWi 2 SsRs 155/21

Leitsatz des Gerichts: § 4 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S.1 i.V.m. § 15 Nr. 26 der Vierten Corona-Bekämpfungs-verordnung von Rheinland-Pfalz (4. CoBeLVO RP) beinhaltet einen gegenüber § 4 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 15 Nr. 27 der Verordnung eigenständigen Bußgeldtatbestand.


In pp.

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Germersheim vom 15.09.2021 wird als unbegründet verworfen.
2. Dem Beschwerdeführer werden die Kosten seines Rechtsmittels auferlegt.

Gründe

Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen Verstoßes gegen § 4 Abs. 1 S. 1 der 4. CoBeLVO RP zu einer Geldbuße von 100,-- EUR verurteilt. Hiergegen wendet sich der Betroffene mit seiner Rechtsbeschwerde.

Der Einzelrichter des Senats hat mit Beschluss vom 16.02.2022 die Rechtsbeschwerde gem. §§ 79 Abs. 1 S. 2, 80 Abs. 1 Nr. 1, Abs. 2 Nr. 1 OWiG zur Fortbildung des Rechts zugelassen und die Sache gem. § 80a Abs. 3 S. 1 OWiG dem Senat in der Besetzung mit drei Richtern übertragen.

Die Rechtsbeschwerde erweist sich als nicht begründet.

I.

Das Amtsgericht hat folgende Feststellungen zum Tatgeschehen getroffen:

„Am Sonntag, den 26.04.2020 hielt sich der Betroffene X zwischen 19:10 Uhr und 20:45 Uhr mit zumindest weiteren 5 Personen in 76744 Wörth, Hafen Wörth, Sandstrand am Ostufer auf. Es herrschte ausgelassene Partystimmung. Die Gruppe, welche sich zum Feiern verabredet hatte, hielt sich in der Nähe senkrecht aufgestellter Baumstämme auf. Dort waren Kühltaschen, Getränke und Campingstühle aufgestellt. Die Personen gehörten dabei zumindest mehr als zwei verschiedenen Haushalten an. Ob der erforderliche Mindestabstand von 1,5 m eingehalten wurde, konnte nicht mehr festgestellt werden. Masken wurden von den Anwesenden keine getragen.“

Das Amtsgericht hat in diesem Verhalten des Betroffenen eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von §§ 4 Abs. 1 S. 1, 15 Nr. 23 der 4. CoBeLVO RP (Stand: 17.04.2020) i.V.m. § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG gesehen. Insoweit sei bereits der Aufenthalt im öffentlichen Raum mit mehr als einer nicht im Haushalt lebenden Person jedenfalls dann bußgeldbewehrt, wenn ein geplantes, ohne zusätzliche Schutzmaßnahmen ausgeübtes Treffen vorliegt. Die Norm stelle einen selbstständigen Bußgeldtatbestand dar, bei dem es nicht auf die Einhaltung des Mindestabstandes ankomme.

II.

1. Der Schuldspruch des angefochtenen Urteils ist nicht zu beanstanden. Zutreffend hat der Tatrichter in § 4 Abs. 1 S. 1 i.V.m. Abs. 2 S. 1 der 4. CoBeLVO RP einen gegenüber § 4 Abs. 1 S. 2 der 4. CoBeLVO RP selbstständigen Verbotstatbestand erkannt, der durch § 15 Nr. 26 der 4. CoBeLVO i.V.m. § 73 Abs. 1a Nr. 24 IfSG mit Bußgeld bewehrt ist.

a) § 4 Abs. 1 und 2 sowie § 15 der 4. CoBeLVO RP in der zur Tatzeit geltenden Fassung vom 24.04.2020 hatten (soweit hier relevant) folgenden Wortlaut:

㤠4
(1) Der Aufenthalt im öffentlichen Raum ist nur alleine oder mit einer weiteren nicht im Haushalt lebenden Person und im Kreis der Angehörigen des eigenen Hausstands zulässig. Zu anderen als den in Satz 1 genannten Personen ist in der Öffentlichkeit, wo immer möglich, ein Mindestabstand von 1,5 Metern einzuhalten. Dem nicht in häuslicher Gemeinschaft lebenden Elternteil ist es erlaubt, sein Umgangsrecht weiterhin auszuüben. Versammlungen unter freiem Himmel können ausnahmsweise durch die nach dem Versammlungsgesetz zuständige Behörde unter Auflagen zugelassen werden, soweit dies im Einzelfall aus infektionsschutzrechtlicher Sicht vertretbar ist.
(2) Jede übrige, über Abs. 1 S. 1 hinausgehende Ansammlung von Personen (Ansammlung) ist [..] untersagt. [...].“

§ 15
Ordnungswidrig im Sinne des § 73 Abs. 1 a Nr. 24 IfSG handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
Randnummer13
[...]
26. entgegen § 4 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 Satz 1 sich mit weiteren als den genannten Personen im öffentlichen Raum aufhält,
27. entgegen § 4 Abs. 1 Satz 2 nicht den erforderlichen Mindestabstand einhält, [...]“

b) Die Vorschriften waren für den vorliegenden Fall anwendbar.

aa) Soweit das Amtsgericht seiner rechtlichen Bewertung die 4. CoBeLVO RP in der Fassung vom 17.04.2020 zugrunde gelegt und dabei offenkundig übersehen hat, dass § 15 der CoBeLVO RP durch die 2. LVO zur Änderung der 4. CoBeLVO vom 24.04.2020 abgeändert wurde, ist dies nicht relevant. Denn die damit verbundene Einfügung weiterer Bußgeldtatbestände hat für die hier maßgeblichen Bußgeldtatbestände lediglich eine Änderung der Nummerierung gebracht (vgl. Art. 1 Nr. 4 c der 2. LVO zur Änderung der 4. CoBeLVO vom 24.04.2020).

bb) Zutreffend ist das Amtsgericht von der Anwendbarkeit dieser Bestimmungen ausgegangen, obwohl die Rechtsverordnung bis zum 06.05.2020 befristet (§ 16 der 4. CoBeLVO RP) und zum Zeitpunkt der Hauptverhandlung bereits nicht mehr in Kraft war. Denn nach § 4 Abs. 4 S. 1 OWiG ist ein Gesetz, das nur für eine bestimmte Zeit gelten soll, auf Handlungen, die während seiner Geltung begangen sind, auch dann anzuwenden, wenn es außer Kraft getreten ist. Der Senat schließt sich zudem der Rechtsansicht des OLG Koblenz (Beschluss vom 08.03.2021 - 3 OWi 6 SsRs 395/20, juris Rn. 14 ff.) an, dass das Ansammlungsverbot nach § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 iVm. § 15 Nr. 26 der 4. CoBeLVO RP sowohl formell als auch materiell rechtmäßig ist.

c) Das Amtsgericht hat zutreffend in dem festgestellten Treffen am Rheinufer eine „Ansammlung“ i.S.v. § 4 Abs. 1 S. 1 und Abs. 2 S. 1 der 4. CoBeLVO RP gesehen.

aa) Das OLG Koblenz (aaO. Rn. 23 ff) hat den Begriff der „Ansammlung“ in § 4 Abs. 2 S. 1 der 4. CoBeLVO RP unter Abwägung des öffentlichen Interesses an der Verhinderung der weiteren Ausbreitung des Infektionsgeschehens und den Bedürfnissen und unantastbaren Rechten der Bürger ausgelegt und näher bestimmt. Danach erfordert eine Ansammlung im Rahmen der Vorschriften zur Bekämpfung der COVID19-Pandemie ein gezieltes Zusammensein von Menschen an einem Ort um der kollektiven Ansammlung willen, was nicht schon bei jeder bloß zufällig gegebenen gleichzeitigen Anwesenheit von mehreren Menschen erfüllt ist. Eine Ansammlung im Sinne der Vorschrift liegt im Hinblick auf den Schutzbereich der Norm (Verhinderung der Ausbreitung des Infektionsgeschehens) insbesondere dann nicht vor, wenn eine über den Mindestabstand von 1,5 Metern (§ 4 Abs. 1 S. 2 der 4. CoBeLVO RP) hinausgehende deutliche Trennung bzw. Distanz zwischen den Angesammelten besteht, die – insbesondere, wenn zusätzlich Masken getragen werden - eine Übertragung der Infektion von vornherein verlässlich ausschließt. Ebenfalls nicht verboten sind nach der Vorschrift kurze, unter Einhaltung des Mindestabstandes durchgeführte soziale Interaktionen, etwa ein kurzer Informationsaustausch zwischen Bekannten. Dieser Auslegung durch das OLG Koblenz schließt sich der Senat an. Sie entspricht im Ergebnis auch der Auslegung des Begriffs der „Ansammlung“ i.S.d. § 12 Abs. 1 CoronaSchVO NRW durch das OLG Hamm. Auch das OLG Hamm (vgl. Beschluss vom 28.01.2021 - III-4 RBs 3/21, juris Rn. 40) hält zwar mit Blick auf den Zweck der Bestimmung eine räumliche Komponente für erforderlich. Diese soll aber (erst) dann nicht mehr gegeben sein, wenn eine verlässliche Wahrung eines eine Übertragung ausschließenden Mindestabstandes nicht mehr vorliegt. Ein solcher Übertragungsausschluss ist nicht schon bei Überschreiten eines Abstandes von 1,5 m anzunehmen, sondern wird von den konkreten Umständen des Zusammentreffens bestimmt.

bb) § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S.1 i.V.m. § 15 Nr. 26 der 4. CoBeLVO RP beinhaltet entgegen der von der Rechtsbeschwerde vertretenen Auffassung damit einen gegenüber § 4 Abs. 1 S. 2 i.V.m. § 15 Nr. 27 der 4. CoBeLVO RP, der wegen des eingehaltenen Mindestabstandes von 1,5 m hier nicht erfüllt ist, eigenständigen Bußgeldtatbestand. Hierfür spricht bereits, worauf schon das Amtsgericht zutreffend hingewiesen hat, die Systematik der Vorschrift. Denn der Gesetzgeber hat in § 15 Nr. 26 und Nr. 27 der 4. CoBeLVO RP die verbotene Ansammlung und das Nichteinhalten des Sicherheitsabstandes jeweils als eigenständige Bußgeldvorschriften normiert. Hierin unterscheidet sich die damalige Verordnungslage in Rheinland-Pfalz im Übrigen auch entscheidend von der Verordnungslage in Baden-Württemberg, weshalb die Entscheidungen des OLG Stuttgart vom 14.05.2021 (1 Rb 24 Ss 95/21, juris) sowie des OLG Karlsruhe vom 30.03.2021 (22 Rb 34 Ss 2/21, juris) und vom 27.04.2021 (2 Rb 34 Ss 198/21, juris dort insbes. Rn. 4 ff. zum Wortlaut der Verordnung) nicht ohne weiteres auf die hier maßgeblichen Bestimmungen übertragbar sind. Ein solches Verständnis entspricht auch dem Schutzzweck der Vorschrift. Die Gefahr einer Infektionsübertragung ist sowohl bei einer - eine zeitlich, räumlich und soziale Komponente voraussetzenden - Ansammlung im Sinne des § 4 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1 der 4. CoBeLVO RP, als auch bei einer Unterschreitung des Mindestabstandes (§ 4 Abs. 1 S. 2 der 4. CoBeLVO RP) im Rahmen eines - ggfs. nur zufälligen und kurzfristigen - Zusammentreffens gegeben.

cc) Gemessen an diesen Grundsätzen tragen die getroffenen Feststellungen die Annahme einer Ansammlung im Sinne von § 4 Abs. 2 S. 1 i.V.m. Abs. 1 S. 1 der 4. CoBeLVO RP.

Dem gemeinsamen Aufenthalt des Betroffenen mit den (mindestens) vier weiteren Personen am Ostufer des Hafens von Wörth lag eine gezielte Verabredung zu einem nicht lediglich nur für eine kurze Zeitdauer vorgesehenen Treffen (“zum Feiern verabredet“) zugrunde. Demzufolge hatten die Beteiligten auch Kühltaschen, Getränke und Campingstühle mitgebracht und waren bei ihrer Feststellung durch Polizeibeamten in „ausgelassener Partystimmung“ (UA S. 2). Die Wertung des Amtsgerichts, dass der Zusammenkunft in lockerer Atmosphäre schon deshalb ein eigenständiges Infektionsrisiko innewohnte, weil die Einhaltung des erforderlichen Mindestabstandes nicht durchgängig zu gewährleisten war und weitere Schutzmaßnahmen (Tragen von Mund-Nase-Schutzmasken) nicht getroffen wurden, ist rechtlich nicht zu beanstanden und drängt sich angesichts der festgestellten Gesamtumstände (“Feierstimmung“) sogar auf.

2.

Auch im Rechtsfolgenausspruch erweist sich das angefochtene Urteil als frei von den Betroffenen benachteiligenden Rechtsfehlern.

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 473 Abs. 1 S. 1 StPO i. V. m. § 46 Abs. 1 OWiG.


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