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Entscheidungen

OWi

Leivtec XV3, standardisiertes Messverfahren, Urteilsgründe

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 16.11.2021 - 5 RBs 96/21

Eigener Leitsatz: Bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät Leivtec XV3 handelt es sich derzeit nicht um ein standardisiertes Messverfahren.


In pp.

Die Sache wird auf den Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich der Vorsitzenden übertragen (Alleinentscheidung des mitunterzeichnenden Einzelrichters).
Das angefochtene Urteil wird mit den getroffenen Feststellungen aufgehoben, wobei die rechtsfehlerfrei getroffenen Feststellungen zur Fahrereigenschaft der Betroffenen hiervon ausgenommen sind. Insoweit wird die Rechtsbeschwerde als unbegründet verworfen.
Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens - an das Amtsgericht Brilon zurückverwiesen.

Gründe

I.

Durch das angefochtene Urteil vom 06. Januar 2021 hat das Amtsgericht Brilon die Betroffene wegen vorsätzlicher Überschreitung der zulässigen Höchstgeschwindigkeit zu einer Geldbuße von 340,00 Euro und einem Fahrverbot von einem Monat verurteilt.

Die Betroffene befuhr nach den Urteilsfeststellungen am 00. November 2019 mit dem PKW Kennzeichen01 die innerorts gelegene (..)straße01 in A. Es galt die allgemeine Geschwindigkeitsbegrenzung von 50 km/h. Die Geschwindigkeitsmessung, bei der auch ein entsprechendes Lichtbild ausgelöst wurde, erfolgte mit dem Messgerät B (..).

Nach Abzug des Sicherheitsabschlages wurde eine Geschwindigkeitsüberschreitung von 34 km/h festgestellt.

Gegen dieses Urteil richtet sich die frist- und formgerecht erhobene Rechtsbeschwerde der Betroffenen. Sie rügt die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

II.

Die Rechtsbeschwerde war dem Bußgeldsenat in der Besetzung mit drei Richtern einschließlich der Vorsitzenden zu übertragen (§ 80 a Abs. 3 Satz 1 OWiG). Die Beantwortung der Frage, ob es sich bei Messungen mit dem Messgerät B (..) derzeit um ein standardisiertes Messverfahren handelt, dient der Fortbildung des Rechts und der Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung, § 80a Abs. 3 OWiG.

III.

Die Rechtsbeschwerde hat mit der Sachrüge in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Einer Entscheidung über die Verfahrensrüge, mit welcher die Betroffene letztlich die unterbliebene Einholung eines Sachverständigengutachtens zur Frage der Richtigkeit des Messergebnisses rügt, bedarf es nicht.

1. Die gemäß § 79 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 OWiG statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde führt zur Urteilsaufhebung und Zurückverweisung der Sache an das Amtsgericht Brilon. Lediglich die Feststellungen hinsichtlich der Fahrereigenschaft können bestehen bleiben. Diese sind rechtsfehlerfrei getroffen, die Rechtsbeschwerde war insoweit als unbegründet zu verwerfen.

Das angefochtene Urteil leidet im Übrigen jedoch an einem durchgreifenden sachlich-rechtlichen Feststellungs- und Darstellungsmangel im Sinne von § 71 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 267 Abs. 1 StPO. Das Amtsgericht ist in seinem Urteil davon ausgegangen, es handele sich bei dem B (..) um ein standardisiertes Messverfahren und hat dementsprechend die insoweit gebotenen reduzierten Feststellungen getroffen und entsprechend dargelegt.

Die Ausführungen in dem angefochtenen Urteil halten der rechtlichen Prüfung insoweit nicht stand. Gegenwärtig handelt es sich bei dem vorliegend eingesetzten Messgerät B (..) nicht (mehr) um ein standardisiertes Messverfahren im Sinne der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes (vgl. hierzu BGH, NJW 1998, 321). Der Senat schließt sich der Bewertung der Oberlandesgerichte Celle (Beschluss vom 18.6.2021 - 2 Ss (Owi) 69/21, BeckRS 2021, 15516 Rn. 5, beck-online), Oldenburg (vgl. nur Beschluss vom 19.07.2021, BeckRS 2021, 19614), Stuttgart (Beschluss vom 10.6.2021 - 6 Rb 26 Ss 133/21, BeckRS 2021, 14050 Rn. 6, beck-online) sowie des Bayerischen Obersten Landesgerichts (Beschluss vom 12.8.2021 - 202 ObOWi 880/21, BeckRS 2021, 25634 Rn. 3, beck-online) an.

Nach Abschluss der Überprüfung des Messverfahrens mit dem Messgerät B (..) durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (vgl. Abschlussstand im Zusammenhang mit unzulässigen Messwertabweichungen beim Geschwindigkeitsüberwachungsgerät B (..) [Stand: 09.06.2021/Physikalisch-Technische Bundesanstalt, Braunschweig und Berlin - DOI: doi01]) bietet das Messgerät nicht mehr die Gewähr dafür, dass es bei Beachtung der Vorgaben für seine Bedienung zu hinreichend zuverlässigen Messergebnissen kommt. Vielmehr haben die Überprüfungen durch die Physikalisch-Technische Bundesanstalt (PTB) ergeben, dass es unter bestimmten Voraussetzungen bei Geschwindigkeitsmessungen mit dem Messgerät zu unzulässigen Messwertabweichungen auch zu Ungunsten Betroffener kommen kann, wobei Abweichungen zu Ungunsten Betroffener (bisher) nur bei Rechtsmessungen festgestellt worden sind, also wenn das Messgerät aus Fahrersicht am linken Fahrbahnrand platziert war. Gleichwohl ist nach der Bedienungsanleitung der Herstellerfirma nach wie vor eine Rechtsmessung zulässig. Mit Kundeninformation vom 12. März 2021 (link01) hat der Hersteller darum gebeten, von weiteren amtlichen Messungen vorerst Abstand zu nehmen. Eine entsprechende Anpassung der Bedienungsanleitung ist nicht mehr erfolgt. Ein Messverfahren, bei dem es auch unter Einhaltung der Bedienungsanleitung zu unzulässigen Messwertabweichungen kommen kann, erfüllt die an ein standardisiertes Messverfahren zu stellenden Anforderungen nicht. Vor diesem Hintergrund überzeugt auch die Entscheidung des OLG Schleswig vom 17.08.2021 (BeckRS 2021, 23044) nicht.

Unter diesen Umständen sind die bei Zugrundelegung der Grundsätze eines standardisierten Messverfahrens erleichterten Darlegungsanforderungen, die das Amtsgericht vorliegend angewandt hat, nicht ausreichend zur Begründung der Fehlerfreiheit der Messung. Vielmehr wäre zur Beurteilung der Frage, ob die Geschwindigkeitsmessung vorliegend fehlerfrei erfolgt war, die Einholung eines Sachverständigengutachtens erforderlich gewesen, was jedoch - vor dem Hintergrund der Annahme eines standardisierten Messverfahrens - unterblieben ist.

2. Das angefochtene Urteil war daher in dem aus dem Terror ersichtlichen Umfang aufzuheben und die Sache im Umfang der Aufhebung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an das Amtsgericht Brilon zurückzuverweisen.

IV.

Die von den Verfahrensbeteiligten beantragte bzw. angeregte Vorlegung gemäß § 121 Abs. 2 GVG an den Bundesgerichtshof kommt nicht in Betracht. Gegenstand der Vorlegung kann nämlich nur die beabsichtigte Abweichung in einer Rechtsfrage sein, nicht in einer Tatfrage.

Die Frage, ob es sich bei einer Messung mit dem Messgerät B (..) um ein standardisiertes Messverfahren handelt bzw. ob dieses beweiskräftige, zutreffende Ergebnisse liefert, ist eine Frage des Einzelfalls. Sie ist daher durch den Tatrichter zu beurteilen und kann deshalb nicht Gegenstand einer zulässigen Vorlegung sein (vgl. BGH, Beschluss vom 03.04.2001, 4 StR 507/00 - juris).


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