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Entscheidungen

OWi

Entbindungsantrag, Frist, rechtzeitiger Eingang, Missbrauch

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Frankfurt am Main, Beschl. v. 11.06.2021 - 2 Ss-OWi 440/21

Eigener Leitsatz: Der Senat erwägt zukünftig - gestützt auf die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 - Rdn. 66 - einen Entbindungsantrag nur noch als prozessual wirksam anzusehen, wenn er "frühzeitig“, das heißt mindestens 3 Werktage vor der Hauptverhandlung gestellt wird.


2 Ss-OWi 440/21

OBERLANDESGERICHT FRANKFURT AM MAIN

BESCHLUSS

In der Bußgeldsache
pp.
.
hat das Oberlandesgericht Frankfurt am Main - Senat für Bußgeldsachen - durch den Einzelrichter am 11. Juni 2021 gemäß §§ 46 Abs. 1, 79, 80 a OWiG, 349 Abs. 2, 473 Abs. 1 StPO b e s c h l o s s e n :

1. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 13. Oktober 2020 aufgehoben.
2. Gegen den Betroffenen wird wegen vorsätzlichen Nichteinhaltens des erforderlichen Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug eine Geldbuße in Höhe von 360,00 Euro festgesetzt.
3. Der Betroffene hat die Kosten des Verfahrens und seines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels zu tragen.

Gründe

I.

Das Regierungspräsidium Stadt3 hat mit Bußgeldbescheid vom 12.05.2020 gegen den Betroffenen wegen Nichteinhaltens des erforderlichen Abstandes zum vorausfahrenden Fahrzeug eine Geldbuße in Höhe von 180,00 Euro festgesetzt.

Den dagegen erhobenen Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht durch Urteil vom 13.10.2020 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG ohne Verhandlung zur Sache verworfen, da der von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen nicht entbundene Betroffene zur Hauptverhandlung trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen war.

Hiergegen richtet sich sein nach §§ 80 Abs. 1 OWiG statthafter, auch form- und fristgerecht angebrachter und ebenso begründeter Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Der Verteidiger wendet ein, dass am Hauptverhandlungstag um 9.07 Uhr per Fax für die Hauptverhandlung um 13.40 Uhr ein Entbindungsantrag gestellt worden ist. In der Folge hätte keine Verwerfungs-, sondern eine Sachentscheidung ergehen müssen, bei der sein konkreter Sachvortrag, den er mit der Gehörsrüge dem Senat vorgelegt hat, hätte berücksichtigt werden müssen.

II.

Die erhobene Gehörsrüge ist zulässig. Insbesondere wird mit dem Zulassungsantrag auch ausreichend zur Frage der Bevollmächtigung und unter Vorlage des nicht berücksichtigten Vortrags, der grundsätzlich auch geeignet ist, die Sachentscheidung zu beeinflussen, vorgetragen.

Auf die zulässige Rüge wird die Rechtsbeschwerde zugelassen und das Verwerfungsurteil des Amtsgerichts Wiesbaden vom 13.10.2020 aufgehoben.

Nach § 73 Abs. 2 OWiG ist die Entscheidung über einen Antrag auf Entbindung von der Erscheinungspflicht nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt. Entspricht das Gericht dem Antrag nicht und verwirft es den Einspruch nach § 74 Abs. 2 OWiG, verletzt es damit den Anspruch des Betroffenen auf rechtliches Gehör, weil statt der erstrebten Sachentscheidung eine reine Prozessentscheidung ergeht, in der das (ggf. nur schriftliche) Vorbringen des Betroffenen gerichtlich nicht gewürdigt wird (vgl. OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 22.06.2017, 2 Ss-OWi 614/17 m. w. N.; KG Berlin, Beschluss vom 04.09.2006 - 2 Ss 213/06 - 3 Ws (B) 447/06 -, juris; Göhler, OWiG, 18. Auflage, § 73, Rn. 4 ff. m. w. N.).

Etwas Anderes könnte nur dann gelten, wenn der Antrag nicht rechtzeitig gestellt wurde (OLG Rostock, Beschluss vom 15.04.2015, 21 Ss OWi 45/15 (Z), juris). Die Frage, ob ein Entbindungsantrag noch als „rechtzeitig" gestellt anzusehen ist, ist - angelehnt an den Zugang von Willenserklärungen im Zivilrecht - nach derzeit vorherrschender Ansicht danach zu entscheiden, ob unter gewöhnlichen Umständen bei üblichem Geschäftsgang und zumutbarer Sorgfalt das Gericht von ihm Kenntnis hätte nehmen können und ihn deshalb einer Bearbeitung hätte zuführen müssen. Die reine Zeitspanne zwischen Antragseingang bis zum Hauptverhandlungstermin ist dabei nur ein Teilaspekt, wobei in diesem Zusammenhang die gewöhnlichen Geschäftszeiten des jeweiligen Gerichts nicht außer Acht zu lassen sind (vgl. OLG Bamberg, Beschluss vom 30.10.2007, 2 Ss OWi 1409/07, juris). Bei elektronischem Geschäftsverkehr ist zudem zu berücksichtigen, ob das Schreiben an den Anschluss der zuständigen Geschäftsstelle oder an einen allgemeinen Anschluss des Gerichts versandt wurde. Im letzteren Fall bedarf es eines Hinweises auf die Eilbedürftigkeit der Vorlage an den zuständigen Richter (OLG Frankfurt am Main, Beschluss vom 20.10.2020, 1 Ss-OWi 1097/20; OLG Bamberg, Beschluss vom 23.05.2017, 3 Ss OWi 654/17, juris).

Ob diese Grundsätze auch in den Ordnungswidrigkeitenverfahren noch aufrechterhalten werden können, sieht der Senat kritisch. Die von den Oberlandesgerichten zu dem Begriff „rechtzeitig“ aufgestellten Grundsätze gehen von einem an der Sache orientierten, den Grundsätzen einer dem Verfahren dienenden Handlung, eines seriösen Organs der Rechtspflege aus. Dies ist bei Parteiprozessen wie im Zivilrecht in der Regel gewährleistet. In Ordnungswidrigkeitsverfahren ist zunehmend festzustellen, dass diese Grundsätze sehr häufig nicht zur Grundlage des Handelns von Verteidigern gemacht werden, sondern erkennbar ausschließlich merkantile Interessen das Agieren bestimmen. Der Senat muss seit Jahren zunehmend vermehrt zur Kenntnis nehmen, dass in Ordnungswidrigkeitsverfahren Verfahrensrechte bewusst missbraucht werden, um so viel wie möglich an Gebühren zu generieren, ohne dass sich überhaupt die Mühe gemacht wird, sachdienliche Handlungen auch nur vorzuspiegeln. Schriftsätze, die erkennbar aus computergenerierten Textfragmenten bestehen, ohne auch nur ansatzweise einen Zusammenhang mit dem Verfahren erkennen zu lassen, sind zunehmend keine Seltenheit.

Eine andere erkennbar nur der Gebührenvermehrung dienende Methode ist der „Entbindungsantrag am Hauptverhandlungstermin“, mit dem bewusst und gewollt ein angreifbares Verwerfungsurteil erzeugt werden soll, weil in Kenntnis der überlasteten Gerichte davon ausgegangen werden kann, dass diese „Entbindungsanträge“ den zuständigen Richter nicht mehr rechtzeitig erreichen werden. Die Folge ist die Zurückverweisung zur erneuten Entscheidung und damit die Erzeugung einer neuen Gebühr, ohne dass der Verteidiger überhaupt an einer Hauptverhandlung teilnimmt, weil auch das zweite Verfahren ein reiner Abwesenheitsprozess ist. Dass die Rechtsschutzversicherungen dieses auf Grundlage der bisherigen großzügigen Rechtsprechung zur „Rechtzeitigkeit“ offensichtlich missbräuchliche Agieren finanzieren, habe diese ihren Versicherungsnehmern und Aktionären gegenüber zu verantworten. Für den rechtssuchenden Bürger wird dieses Agieren aber dann zu einem Problem, wenn die Gerichte wegen derartiger Verfahren überlastet sind und ihren eigentlichen Aufgaben nicht mehr zeitnah nachkommen können, weil dringend notwendige Personal- und Raumkapazitäten für „Abwesenheitsverhandlungen“ vorgehalten werden müssen, nur weil der Verteidiger aus rein merkantilen Interessen kein Gebrauch vom Beschlussverfahren, das ebenfalls eine Sachentscheidung darstellt, machen will. Der Senat erwägt daher, zukünftig - gestützt auf die Bundesverfassungsgerichtsentscheidung vom 12. November 2020 - 2 BvR 1616/18 -, (Rdn. 66) - einen derartigen Entbindungsantrag nur noch als prozessual wirksam anzusehen, wenn er „frühzeitig“, das heißt mindestens 3 Werktage vor der Hauptverhandlung gestellt wird.

Vorliegend kann die abschließende Entscheidung zu dieser Problematik dahinstehen, weil dem Verteidiger in diesem Verfahren ein solcher Vorwurf gerade nicht gemacht werden kann.

Der Verteidiger hat, wie die Generalstaatsanwaltschaft zutreffend ausgeführt hat, eine zulässige Verfahrensrüge erhoben. Das ist seit 10 Jahren und bei in diesem Zeitraum ca. 12.000 Zulassungsverfahren beim Senat das erste Mal, dass sich ein Verteidiger in einer solchen Konstellation dieser Mühe unterzieht. Dessen hätte es nicht bedurft, wenn es vorliegend um verfahrensfremde Kostengenerierung gegangen wäre.

In der Folge ist daher das Verwerfungsurteil des Amtsgerichts aufzuheben, weil der Entbindungsantrag nach der bisherigen Rechtsprechung noch rechtzeitig unter Hinweis auf die eilbedürftige Vorlage an den zuständigen Richter gestellt worden war.

III.

Der Senat macht vorliegend von der Möglichkeit nach § 79 Abs. 6 OWiG Gebrauch und entscheidet - wie tenoriert - in der Sache selbst, weil durch die zulässige Verfahrensrüge der Verteidigung die notwendigen Tatsachen vorgetragen sind, die es dem Senat ermöglichen, ohne Zurückverweisung an das Amtsgericht die vom Betroffenen geltenden gemachten Einwendungen gegen die Verurteilung selbst zu prüfen und zu bescheiden. Zu Gunsten des Betroffenen wird bei dem Verfahren nach § 79 Abs. 6 OWiG dabei lediglich der Sachvortrag zu Grunde gelegt, der mit der zulässigen Verfahrensrüge vom Betroffenen selbst geltend gemacht wird und den er als Gehörsverstoß vorgetragen hat.

Die Möglichkeit nach § 79 Abs. 6 OWiG beruht auf dem Grundgedanken, dass der Betroffene in zulässiger Weise seinen Anspruch auf ein Sachurteil geltend gemacht hat. Abweichend vom Strafprozess kann dieser Anspruch auf gerichtliche Sachentscheidung beim Ordnungswidrigkeitenverfahren unter den Bestimmungen des § 79 Abs. 6 OWiG auch durch das Rechtsmittelgericht selbst erfolgen. Dadurch soll eine Verfahrensbeschleunigung erreicht werden. Ein rechtlicher Nachteil ist damit nicht verbunden, weil der Betroffene sich hat entbinden lassen und die Entscheidung auch durch das Amtsgericht nur auf Aktenbasis erfolgt wäre.

Danach hat der Betroffene am XX.XX.2020 um 15.51 Uhr in Stadt1, BAB pp. bei km 150,900 Fahrtrichtung Stadt2 als Führer des Pkw mit dem amtlichen Kennzeichen pp. bei einer gefahrenen Geschwindigkeit von 137 km/h den erforderlichen Abstand von 57 m zum vorausfahrenden Fahrzeug nicht eingehalten. Der tatsächliche Abstand zu dem vorausfahrenden Fahrzeug war in dem beobachteten Zeitraum konkret an der verfahrensgegenständlichen Stelle 27 m und damit weniger als 4/10 des halben Tachowertes.

Der Betroffene hat die Fahrereigenschaft eingeräumt.

Der Betroffene handelte vorsätzlich. Er wusste um seine gefahrene Geschwindigkeit und hat auch bemerkt, dass sich der Abstand zum vorausfahrenden Fahrzeug kontinuierlich verringerte. Gleichwohl passte er seine Geschwindigkeit nicht an, so dass er bewusst und gewollt die Abstandunterschreitung herbeiführte. Dabei war ihm als Autofahrer auch bewusst, dass die Unterschreitung des Sicherheitsabstands eine allgemeine Gefährdung der auf der Autobahn mit hoher Geschwindigkeit fahrenden Verkehrsteilnehmer darstellt und ganz konkret für den vor ihm fahrenden Verkehrsteilnehmer und ihn selbst, weil bei einer Verkehrssituation, die ein plötzliches Bremsen verlangt, nicht mehr rechtzeitig reagiert werden kann und ein Unfall mit möglicherweise tödlichem Ausgang nicht unwahrscheinlich ist. Dies alles nahm der Betroffene wissentlich in Kauf, alleine um des schnelleren Fortkommens willen.

Der Tatvorwurf ist ausweislich des Messprotokolls des PP Kreis1 mit dem Verkehrskontrollsystem vom Typ VKS 3.0 (Version 3.2. 3D) mit der Gerätenummer ... und ... (Aufnahme und Auswertung) aufgezeichnet und ausgewertet worden. Das Messgerät war zur Tatzeit gültig geeicht. Die Messdaten zu dem vorliegenden Tatvorwurf sind von der Auswertebeamtin POKin Y ausgewertet worden.

Aufzeichnung und Auswertungen entsprechen den Vorgaben zum standardisierten Messverfahren.

Diese Tatsachen sind mit der Rechtsbeschwerdeschrift vorgetragen. Die maßgebliche Videosequenz, die zur Bewertung des Sachverhalts notwendig ist, ist von der Verteidigung durch 4 Lichtbildauszüge aus dem Video zum Gegenstand der Rechtsbeschwerde gemacht worden. Auf diese in der Rechtsbeschwerdeschrift vorgelegten Lichtbilder und die dort abgebildeten Verkehrsgeschehnisse wird gem. § 267 Abs. 1 Satz 3 StPO ausdrücklich Bezug genommen und zur Grundlage der Entscheidung gemacht.

Die Verteidigung trägt vor, dass danach die abgebildete Abstandsunterschreitung für den Betroffenen unverschuldet war, weil er sich nicht dem Risiko hätte aussetzen müssen, durch ein Abbremsen zum vorausfahrenden Fahrzeug den ohnehin geringen Sicherheitsabstand zu dem hinter ihm fahrenden Fahrzeug zu verringern. Dies hätte anderenfalls die Gefahr eines schweren Auffahrunfalls durch den Betroffenen provoziert. Hätte das Amtsgericht sich mit diesem Vortrag und den vorgelegten Lichtbildern auseinandergesetzt, hätte es den Betroffenen freisprechen müssen.

Dieser Vortrag ist nachweislich sowohl rechtlich als auch tatsächlich unzutreffend. So ist schon ohne Rückgriff auf die Lichtbilder nehmen zu müssen der Ansatz „weil mich einer drängelt, darf ich den anderen auch drängeln“ falsch. Selbst wenn der hinter ihm fahrende Verkehrsteilnehmer den Abstand unterschreitet, erlaubt dies nicht, gleichermaßen den Abstand zum Vorausfahrenden ebenfalls zu unterschreiten. Auch wenn dieser Ansatz immer wieder vorgetragen wird, herrscht auf Deutschlands Straßen noch kein Faustrecht.

Darüber hinaus belegen die vorgelegten und zum Gegenstand der Entscheidung gemachten Lichtbilder auch tatsächlich den Vortrag nicht. Zutreffend ist alleine, dass der nachfahrende Verkehrsteilnehmer ebenfalls Schwierigkeiten mit der Einhaltung der Straßenverkehrsordnung hat und offensichtlich auch unter Wahrnehmungsstörungen hinsichtlich Abstand und Geschwindigkeit leidet. Was aber mitzuteilen vergessen wird, ist, dass die mittlere der drei Spuren - der Betroffene und die übrigen Protagonisten fahren auf der 3. Spur - frei ist. Hätte der Betroffene, wie er vorträgt, aus Befürchtung eines provozierten Unfalls bei Verringerung seiner Geschwindigkeit gehandelt, wäre es für ihn ein Leichtes gewesen, einfach nach rechts auf die mittlere Spur auszuweichen und den Weg für seinen Hintermann frei zu machen. Dieses naheliegende und nach der StVO auch gebotene Verhalten wäre hier einfach zu realisieren gewesen. Dass dieses gebotene Verhalten offensichtlich nach dem eigenen Vortrag nicht einmal angedacht worden ist, exkulpiert ihn gerade nicht, sondern begründet u.a. die vorsätzliche Begehung, stellt aber auch die Eingangsvoraussetzungen für die Verhängung eines Fahrverbots dar.

Da der Betroffene weder das Eine (Verringerung der Geschwindigkeit) noch das Andere (Ausweichen nach rechts unter Verringerung der Geschwindigkeit) getan hat, sondern sich für das Verbotene (Abstandsunterschreitung) entschieden hat, trifft ihn der Vorwurf der vorsätzlichen Abstandsunterschreitung.

Bei der Festsetzung der Rechtsfolge ist der Senat frei.

Da das Amtsgericht nur ein Prozessurteil erlassen hat, indem es den Einspruch verworfen hat, und auf Rechtsmittel des Betroffenen der Senat mit der vorliegenden Entscheidung das Verwerfungsurteil aufgehoben hat, ist der rechtliche Zustand wiederhergestellt, wie er vor der Entscheidung durch das Amtsgericht war. Genau wie das Amtsgericht im Falle der Zurückweisung gilt auch für den nach § 79 Abs. 6 OWiG entscheidenden Senat nicht das Verschlechterungsverbot. Dies ist die konsequente Kehrseite, dass bei Zurückverweisung ohne Teilrechtskraft dem Betroffenen die Möglichkeit der Rücknahme des Einspruchs bleibt (OLG Frankfurt v. 06.05.2019 - 2 Ss-Owi 13/19). Genau wie bei erfolgter Wiedereinsetzung oder erfolgreicher Gehörsrüge wird das Verfahren wieder in den Zustand zurückversetzt, der vor der ersten gerichtlichen Entscheidung bestand. Insoweit korrespondiert dies auch mit dem Wortlaut des § 411 Abs. 3 StPO, der ebenfalls als Zäsur auf die Verkündung des Urteils abstellt.

Da der Betroffene vorliegend wie dargelegt vorsätzlich gehandelt hat, ist das Bußgeld von 180 €, das nur den Fahrlässigkeitsvorwurf ahndet (§ 4 Abs. 1, § 49 StVO; § 24 StVG; 12.7.2. BKat) auf 360 € zu verdoppeln. Dies ist angesichts der besonderen abstrakten Gefahrenlage, die der Betroffene durch seine vorsätzliche Abstandsunterschreitung bewusst und gewollt herbeigeführt hat und vor dem Hintergrund der hohen Geschwindigkeit von 137 km/h tat- und schuldangemessen.

Von der Anordnung eines Fahrverbots sieht der Senat ab. Das Fahrverbot ist vorliegend keine durch den Bußgeldkatalog vorgesehene Regelsanktion. Auch wenn sich die Einlassungen des Betroffene als grobe Verletzung der Pflichten eines Kraftfahrzeugführers darstellen, der das gebotene Verhalten im Straßenverkehr nicht mal mehr in sein Bewusstsein aufnimmt, was grundsätzlich die Notwendigkeit eines Fahrverbots (§§ 24 25 StVG) indiziert, kommt dem Betroffenen vorliegend zu Gute, dass der Senat im Verfahren nach § 79 Abs.6 OWiG auf die gesamte Verfahrensakte keinen Zugriff hat und die Entscheidung alleine auf dem Vortrag des Betroffenen selbst beruht. Dem Senat sind daher allfällige Voreintragungen des Betroffenen nicht bekannt, so dass das vorliegende Verhalten als Einzelfall gewertet wird und der Senat davon ausgeht, dass der Betroffene zukünftig von sich aus ein verkehrsordnungsgemäßes und von gegenseitiger Rücksichtnahme bestimmtes Verkehrsverhalten an den Tag legen wird.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich der Rechtsmittelkosten trägt der Betroffene.


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