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Entscheidungen

Corona

Corona, CoronaschutzVO NRW, Wirksamkeit, Kontaktverbot

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Wuppertal, Urt. v. 29.03.2021 – 82 OWi-923 Js 192/21-2/21

Leitsatz: § 2 Abs. 1, 2 CoronaSchVO vom 30.10.2020 in der ab dem 10.11.2020 gültigen Fassung scheidet als taugliche Rechtsgrundlage für die gegenständlichen Bußgeldbescheide aus, weil die Norm gegen höherrangiges Recht verstößt. Sie ist nicht mit Art. 20 Abs. 3 bzw. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar.


In pp.

Die Betroffenen werden auf Kosten der Staatskasse, die auch ihre notwendigen Auslagen trägt, freigesprochen.

Gründe

I.

Das Ordnungsamt der Stadt X wirft den Betroffenen einen Verstoß gegen die Kontaktbeschränkungen des § 2 Abs. 1, 2 Nr. 1 Coronaschutzverordnung vom 30.10.2020 in der ab dem 10.11.2020 gültigen Fassung (im Folgenden: CoronaSchVO) vor.

Die vier Betroffenen sollen am 15.11.2020 gegen 0:22 Uhr an der Örtlichkeit V-Straße in X mit Angehörigen von mehr als dem eigenen und einem weiteren Hausstand zusammengetroffen sein.

Wegen dieses Vorwurfs erließ das Ordnungsamt der Stadt X unter dem 17.12.2020 gegen jeden der vier Betroffenen einen Bußgeldbescheid, in welchem jeweils eine Geldbuße von 250 EUR festgesetzt wurde. Hiergegen habe die Betroffenen fristgerecht Einspruch eingelegt.

II.

Unabhängig von der Frage, ob der Vorwurf tatsächlich zutrifft, waren die Betroffenen vorliegend aus rechtlichen Gründen freizusprechen.

§ 2 Abs. 1, 2 CoronaSchVO stellt keine taugliche Rechtsgrundlage für die gegenständlichen Bußgeldbescheide dar. Zum einen ist die Vorschrift nicht von ihrer gesetzlichen Grundlage in § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG gedeckt. Zum anderen ist § 2 Abs. 1, 2 CoronaSchVO nicht mit dem sich aus Art. 20 Abs. 3 GG ergebenden Vorbehalt des Gesetzes bzw. dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar.

1) § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG als unzureichende gesetzliche Grundlage für § 2 Abs. 1, 2 CoronaSchVO

Der § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG ist auch nach seiner Änderung durch Gesetz vom 27.03.2020 erkennbar als Generalklausel ausgestaltet, mit welcher der Gesetzgeber lediglich die allgemeinverbindliche Regelung einer lokal begrenzten Gefahrenlage ermöglichen wollte (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29. Oktober 2020, 20 NE 20.2360, Rn. 30). Dies ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift. So heißt es in § 28 Abs. 1, die zuständige Behörde "...kann insbesondere Personen...", nicht jedermann, verpflichten "...bestimmte Orte oder öffentliche Orte...", nicht jeden öffentlichen Ort, nicht zu betreten und "...Veranstaltungen oder sonstige Ansammlungen..." nicht jegliches Zusammentreffen, verbieten. Dementsprechend führt die Gesetzesbegründung zur Vorgängerregelung aus, die Verordnungsermächtigung lehne sich "...an die in verschiedenen Ländern bestehenden Ermächtigungsvorschriften zum Erlaß von ordnungsbehördlichen Verordnungen (Polizeiverordnungen) an", und nennt als einziges Beispiel möglicher Maßnahmen Badeverbote für "ein bestimmtes Gewässer oder einen Teil eines (fließenden) Gewässers" (vgl. BT-Drs. 8/2468, S. 21). § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG kann somit keine taugliche gesetzliche Grundlage für derart weitgehende Kontaktbeschränkungen im gesamten öffentlichen Raum Nordrhein-Westfalens darstellen, wie § 2 Abs. 1 und 2 CoronaSchVO sie vorsieht.

Des Weitere ist darauf hinzuweisen, dass § 2 Abs. 1 und 2 CoronaSchVO sich an Jedermann wendet, § 28 Abs. 1 und 2 IfSG jedoch keine Regelung zu der Frage enthält, unter welchen Voraussetzungen Nichtstörer - also nicht mit dem Corona-Virus infizierte Personen - in Anspruch genommen werden dürfen. Beschränkungen für Personen, die de facto keinerlei Gefahr darstellen, sind im Falle einer Pandemie verfassungsrechtlich sicherlich möglich, bedürfen jedoch im Hinblick auf die erhebliche Breite und Tiefe der gegenständlichen Grundrechtseingriffe zumindest einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung (vgl. Prof. Dr. Thorsten Kingreen, Stellungnahme als geladener Einzelsachverständiger zum Entwurf eines Zweiten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite, Deutscher Bundestag, Ausschuss f. Gesundheit, 07.05.2020, S. 6; a.A. wohl VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 09.04.2020, 1 S 925/20, Rn. 32 unter schwer nachvollziehbarem Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 22.03.2012, 3 C 16/11, welches ein individuell angeordnetes Schulbetretungsverbot betrifft). In Ermangelung einer solchen Regelung sind Maßnahmen gegen Jedermann auf Grundlage des § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG nicht möglich.

Im Sinne der dargestellten Argumentation sind die flächendeckenden Eingriffe in den verschiedensten Bereichen der einzelnen Bundesländer, welche allesamt auf § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG gestützt wurden, von der Rechtsprechung auch wiederholt als von der gesetzlichen Grundlage nicht gedeckt angesehen worden (Bezüglich des Eingriffs in das Recht auf informationelle Selbstbestimmung vgl. : Verfassungsgerichtshof des Saarlandes, Beschluss vom 28. August 2020, Lv 15/20, Rn. 84 ff. / bezüglich Betriebsschließungen vgl. : VG Hamburg, Beschluss vom 10. November 2020, 13 E 4550/20, Rn. 13 ff. / bezüglich Kontaktbeschränkungen vgl.: AG Dortmund, Urteil vom 02. November 2020, 733 OWi - 127 Js 75/20, 64/20, Rn. 29 ff.; AG Ludwigsburg, Urteil vom 29. Januar 2021, 7 OWi 170 Js 112950/20, Rn. 23 ff.; AG Reutlingen, Beschluss vom 09. Dezember 2020, 4 OWi 23 Js 16246/20, Rn. 4 ff.; AG Weimar, Urteil vom 11. Januar 2021, 6 OWi - 523 Js 202518/20, Rn.10 ff.).

Des Weiteren wurden von mehreren der im Rahmen der Reform des IfSG angehörten Sachverständigen massive Bedenken bezüglich der Praxis geäußert, die umfangreichen, im Rahmen der Corona-Krise von den Landesregierungen beschlossenen Beschränkungen auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG zu stützen. Im Einzelnen wird in den Stellungnahmen ausgeführt:

"Es dürfte unstreitig sein, dass § 28 InfSchG als sehr spezifische Norm des besonderen Gesundheitsgefahrenrechts ursprünglich nicht dazu gedacht war, auf unbestimmte Zeit gegenüber Jedermann praktisch jede hoheitliche Maßnahme zu rechtfertigen, ..."
Randnummer12
(vgl. Prof. Dr. Hinnerk Wißmann, Sachverständige Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD für ein "Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite", BT-Drs. 19/23944 und weiteren Anträge der Fraktionen des Bundestags, 10.11.2020, B, II. 1.)

"Die geltenden §§ 28 ff. IfSG sind erkennbar nicht auf eine Rechtfertigung flächendeckender Eingriffe gegenüber "Jedermann" angelegt, sondern als eine Art spezifischer Störerhaftung ausgestaltet, in der nur qualifizierte Personengruppen in ihren Rechten beschränkt werden dürfen, nicht aber die gesamte Bevölkerung."

(vgl. Prof. Dr. Christoph Möllers, Stellungnahme zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite Drucksache 19/23944 und begleitende Anträge, 11.11.2020, S. 2).

"Durch die Corona-Schutzmaßnahmen der letzten acht Monate wurde und wird die Bevölkerung massiv in ihren Grundrechten eingeschränkt. Betroffen sind Art. 11 Abs. 1, Art. 8 Abs. 1, Art. 4 Abs. 1, 2, Art. 12 Abs. 1, Art. 6 Abs. 1, Art. 2 Abs. 1 iVm 1 Abs. 1 GG und auch Art. 2 Abs. 2 S.1 GG selbst, wenn solche Einschränkungen negative Auswirkungen auf die Gesundheit haben. Solche intensiven Grundrechtseingriffe können nicht dauerhaft auf eine Generalklausel wie § 28 Abs. 1 IfSG gestützt werden."

(vgl. Dr. Andrea Kießling, Stellungnahme als geladene Einzelsachverständige für die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages am 12.11.2020, B.)

Im Ergebnis kann somit kein Zweifel daran bestehen, dass die gegenständlichen Kontaktbeschränkungen der CoronaSchVO nicht auf eine lediglich an die Feststellung einer ansteckenden Krankheit geknüpfte Generalklausel gestützt werden können.

2) Verstoß gegen Art. 20 Abs. 3 bzw. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG

§ 2 Abs. 1, 2 CoronaSchVO scheidet des Weiteren als taugliche Rechtsgrundlage für die gegenständlichen Bußgeldbescheide aus, weil die Norm gegen höherrangiges Recht verstößt. Sie ist nicht mit Art. 20 Abs. 3 bzw. Art. 80 Abs. 1 S. 2 GG vereinbar.

Rechtsstaatsprinzip und Demokratiegebot verpflichten den Gesetzgeber, die für die Grundrechtsverwirklichung maßgeblichen Regelungen im Wesentlichen selbst zu treffen und diese nicht dem Handeln und der Entscheidungsmacht der Exekutive zu überlassen. Wie weit der Gesetzgeber die für den fraglichen Lebensbereich erforderlichen Leitlinien selbst bestimmen muss, richtet sich maßgeblich nach dessen Grundrechtsbezug. Eine Pflicht dazu besteht, wenn miteinander konkurrierende grundrechtliche Freiheitsrechte aufeinandertreffen und deren jeweilige Grenzen fließend und nur schwer auszumachen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990, 1 BvR 402/87, Rn. 39). Im Bereich der Grundrechtsausübung hat der Gesetzgeber daher die Rechtssphäre, die der staatlichen Eingriffsmöglichkeit offenliegt, selbst abgrenzen und darf dies nicht dem Ermessen der Verwaltungsbehörde überlassen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. Juni 1989, 1 BvR 921/85, Rn. 87). Er muss bei der Abgrenzung konkurrierenden Freiheitsrechte der gesetzesanwendenden Verwaltung im Einzelnen inhaltlich vorzugeben, bis zu welchem Grade sie die betroffenen Freiheitsbereiche beschränken darf (vgl. BVerfG, Beschluss vom 27. November 1990,1 BvR 402/87, Rn. 74).

Grundsätzlich können zwar auch Gesetze, die zu Rechtsverordnungen und Satzungen ermächtigen, den Voraussetzungen des Gesetzesvorbehalts genügen, die wesentlichen Entscheidungen müssen aber durch den parlamentarischen Gesetzgeber selbst erfolgen. Die parlamentarische Leitentscheidung ist an den rechtsstaatlichen Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG zu messen, wonach Inhalt, Zweck und Ausmaß der Ermächtigung im Gesetz bestimmt werden müssen. Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG führt als eine Ausprägung des "allgemeinen Gesetzesvorbehalts" den staatlichen Eingriff durch die Exekutive nachvollziehbar auf eine parlamentarische Willensäußerung zurück. Die Bestimmtheit der Ermächtigungsnorm muss der Grundrechtsrelevanz der Regelung entsprechen, zu der ermächtigt wird: Je erheblicher diese in die Rechtsstellung des Betroffenen eingreift, desto höhere Anforderungen müssen an den Bestimmtheitsgrad der Ermächtigung gestellt werden. Eine Ermächtigung darf daher nicht so unbestimmt sein, dass nicht mehr vorausgesehen werden kann, in welchen Fällen und mit welcher Tendenz von ihr Gebrauch gemacht werden wird und welchen Inhalt die auf Grund der Ermächtigung erlassenen Verordnungen haben können. Schon aus der Ermächtigung muss daher erkennbar und vorhersehbar sein, was dem Bürger gegenüber zulässig sein soll (vgl. BVerfG, Beschluss vom 21. April 2015, 2 BvR 1322/12, Rn. 54/55).

Diese verfassungsrechtlichen Anforderungen erfüllt § 2 Abs. 1, 2 CoronaSchVO nicht.

a) Wesentliche Entscheidungen nicht durch den Gesetzgeber

§ 2 Abs. 1 S. 2 CoronaSchVO verbietet zunächst generell das Zusammentreffen von Personen im gesamten öffentlichen Raum Nordrhein-Westfalens, statuiert jedoch in Abs. 2 unter bestimmten Voraussetzungen eine Anzahl von Ausnahmen beispielsweise in den Bereichen Begleitung minderjähriger und unterstützungsbedürftiger Personen, Betreuung von Kindern in Kindertageseinrichtungen, Betrieb von Schulen, Nutzung von Spielplätzen, Inanspruchnahme von Beförderungsleistungen des Personenverkehrs, Einsatzsituationen von Sicherheitsbehörden, Feuerwehr, Rettungsdienst und Katastrophenschutz, Berufsausübung, Jagdausübung, Trauungen oder allgemeines Zusammentreffen von Personen maximal zweier Hausstände. Gleicht man die aufgezeigten Regelungen mit der gesetzlichen Grundlage in § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG ab, so ist schwerlich bestreitbar, dass vorliegend alle wesentlichen Entscheidungen das generelle Kontaktverbot und seine Ausnahmen betreffend, auch die hier gegenständliche Ausnahme für Zusammentreffen von maximal 10 Personen zweier Hausstände, durch den Verordnungsgeber, nicht den Gesetzgeber, getroffen wurden. Auch im Rahmen von Einschränkungen der allgemeinen Handlungsfreiheit darf aber nach dem Grundsatz der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung kein Verbot einer Betätigung praktisch in das unüberprüfbare Ermessen der Verwaltung gestellt werden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 06. Juni 1989, 1 BvR 921/85, Rn. 87). Im Hinblick auf den mit § 2 Abs. 1 und 2 CoronaSchVO verbundenen, erheblichen Eingriff in die Rechtsstellung der Betroffenen müssten ferner hohe Anforderungen an den Bestimmtheitsgrad der gegenständlichen Ermächtigung gestellt werden, welchen § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG evidenter Weise nicht gerecht wird. Abschließend kann festgehalten werden:

"So ist es kaum eine Übertreibung festzustellen, dass alle wesentlichen Entscheidungen im Pandemiegeschehen in Form von Rechtsverordnungen ergangen sind."

(vgl. Prof. Dr. Christoph Möllers, Stellungnahme zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite Drucksache 19/23944 und begleitende Anträge, 11.11.2020, S. 5).

b) Keine Abwägung widerstreitender Grundrechte durch den Gesetzgeber

Aus den dargestellten Regelungen in § 2 Abs. 2 CoronaSchVO ist des Weiteren erkennbar, dass das generelle Kontaktverbot, neben dem Eingriff in die vorliegend primär relevante allgemeine Handlungsfreiheit aus Art. 2 Abs. 1 GG, in eine Reihe weitere Grundrecht beispielsweise aus Art. 4 Abs. 1 und 2, Art. 6 Abs. 1 und 2 und Art. 12 Abs. 1 GG eingreift. Diesen Eingriffen steht im Falle der Corona-Pandemie die sich aus Art. 2 Abs. 2 S. 1 GG ergebende Pflicht des Staates gegenüber, vor Gefahren für Leib und Leben zu schützen. Gerade für den vorliegenden Fall aufeinandertreffender Grundrechte (bzw. sich aus Grundrechten ergebender Schutzpflichten) ergibt sich aber aus der dargestellten verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung die Pflicht des Gesetzgebers, derartig widerstreitendes Verfassungsrecht wertend gegeneinander abzuwägen und in Einklang zu bringen. Wiederum zeigt jedoch der Abgleich von § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG mit § 2 Abs. 1 und 2 CoronaSchVO, dass die gesetzliche Grundlage keinerlei Abwägungen solcher Art enthält, sondern sich diese - wenn auch äußerst rudimentär ausgestaltet - lediglich in der Verordnung selber finden. Eine inhaltliche Vorgabe im Einzelnen, bis zu welchem Grade die betroffenen Freiheitsrechte im Hinblick auf die kollidierenden Grundrechte beschränkt werden dürfen, ist § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG nicht im Ansatz zu entnehmen. Nur am Rande sei hier darauf hingewiesen, dass die notwendige politische Gestaltungsentscheidung im Sinne eines Ausgleichs der widerstreitenden Belange bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite schon der Natur der Sache nach nur durch den Bundesgesetzgeber erfolgen kann (vgl. Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, Beschluss vom 29. Oktober 2020, 20 NE 20.2360, Rn. 34).

c) Keine Vorhersehbarkeit des Verordnungsinhalts

Schließlich kann auch aus der Lektüre des § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG keinesfalls vorausgesehen werden, dass Zusammentreffen jeglicher Art im gesamten öffentlichen Raum Nordrhein-Westfallens grundsätzlich verboten werden, Jagdausübung, Trauungen oder allgemeines Zusammentreffen von Personen maximal zweier Hausstände hingegen unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt bleiben. Eine sich schon aus der Ermächtigung ergebende Vorhersehbarkeit bezüglich der zulässigen Eingriffe gegenüber dem Bürger, wie sie in der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung statuiert wird, ist daher bei Zugrundlegung irdischer geistiger Fähigkeiten nicht gegeben. Insgesamt bleibt zu konstatieren:

"Die Ermächtigungsgrundlage für diese Verordnungen, § 32 IfSG, unterliegt dem besonderen Maßstab des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG, demzufolge "Inhalt, Zweck und Ausmaß" der Verordnung dem Gesetz zu entnehmen sein müssen. Die Rechtsverordnungsermächtigung muss so gestaltet sein, dass der Inhalt der Rechtsverordnung für die Betroffenen vorhersehbar ist, (...).

Die Einhaltung dieses Standards im geltenden Recht ist nicht zu erkennen."

(vgl. Prof. Dr. Christoph Möllers, Stellungnahme zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite Drucksache 19/23944 und begleitende Anträge, 11.11.2020, S. 3).

3) § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG als unzureichende gesetzliche Ermächtigung trotz möglicher übergangsweiser Nutzung einer defizitären Grundlage.

Verfassungsrechtlich sollen keine durchgreifenden Bedenken bestehen, wenn Gerichte angesichts des Gewichts in Frage stehender Rechtsgüter eine vorhandene Grundlage im vorläufigen Rechtsschutzverfahren als noch tragfähig ansehen und die Frage der Rechtsgrundlage erst im Hauptsacheverfahren einer abschließenden Klärung zuführen (vgl. BVerfG, Stattgebender Kammerbeschluss vom 08. November 2012, 1 BvR 22/12, Rn. 25). Diese Möglichkeit ist jedoch schon nach dem Wortlaut der zitierten Entscheidung auf den vorläufigen Rechtsschutz beschränkt und kann des Weiteren auch ihrer verfassungsrechtlichen Logik nach im repressiven Bereich keine Wirkung entfalten (vgl. AG Reutlingen, Beschluss vom 09. Dezember 2020, 4 OWi 23 Js 16246/20, Rn. 14.). Selbst wenn man jedoch die übergangsweise Nutzung einer defizitären Ermächtigungsgrundlage auch im repressiven Bereich für möglich halten sollte, würde eine solche übergangsweise Nutzung für den vorliegenden Zeitraum von knapp acht Monaten die verfassungsrechtlichen Grenzen deutlich überschreiten (vgl. auch: VG Hamburg, Beschluss vom 10. November 2020, 13 E 4550/20, Rn. 11).

4) Gesetzgebungsverfahren zum Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage nationaler Tragweite (BT-Drs. 19/23944)

Auch dem Gesetzgebungsverfahren zum Dritten Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage nationaler Tragweite lässt sich eine Reihe von Hinweisen entnehmen, welche die dargestellte verfassungsrechtliche Bewertung des § 2 Abs. 1, 2 CoronaSchVO stützen.

a) Gesetzesbegründung

Zunächst ist das im genannten Gesetzentwurf definierte Problem und Ziel aufschlussreich. Dort heißt es:

"Um den verfassungsrechtlichen Anforderungen des Parlamentsvorbehalts aus Artikel 80 Absatz 1 Satz 1 und 2 des Grundgesetzes angesichts der länger andauernden Pandemielage und fortgesetzt erforderlichen eingriffsintensiven Maßnahmen zu entsprechen, ist eine gesetzliche Präzisierung im Hinblick auf Dauer, Reichweite und Intensität möglicher Maßnahmen angezeigt. Der Gesetzgeber nimmt vorliegend die Abwägung der zur Bekämpfung einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite erforderlichen Maßnahmen und der betroffenen grundrechtlichen Schutzgüter vor und regelt somit die wesentlichen Entscheidungen". (vgl. BT-Drs. 19/23944, S. 2).

Im Hinblick auf diese erfreulich deutliche Formulierung des verfassungsrechtlichen Ziels der Neuregelung drängt sich die Schlussfolgerung auf, dass der Gesetzgeber die Rechtslage vor dem 19.11.2020 selbst als nicht mit Art. 80 Abs. 1 GG vereinbar einschätzt. Sollten der Gesetzgeber mit der Formulierung "...angesichts der längere andauernden Pandemielage und der fortgesetzt erforderlichen eingriffsintensiven Maßnahmen..." ein Tätigwerden lediglich aufgrund des Zeitablaufs als verfassungsrechtlich notwendig erachten, so kann dieses Argument wenigstens vorliegend nicht verfangen. Auf die Ausführungen unter II. 3) wird verwiesen.

b) Sachverständige Stellungnahmen

Erhebliche Verfassungsrechtliche Bedenken bezüglich des im Rahmen des obigen Gesetzgebungsprozesses intendierten § 28a IfSG wurde schließlich von den durch den Bundestag hinzugezogenen Sachverständigen geäußert. Hierbei wird nicht verkannt, dass sich die Stellungnahmen auf den Entwurf des Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage nationaler Tragweite (BT-Drs. 19/23944) beziehen. Jedoch stützen die Ausführungen der Sachverständigen die darstellte Argumentation im Sinne eines argumentum a fortiori. Die in Bezug auf die gesetzliche Grundlage des intendierten § 28a Abs. 1 IfSG vorgebrachten verfassungsrechtlichen Bedenken müssen erst recht für die entsprechenden Maßnahmen des Verordnungsgebers, hier solche der CoronaSchVO, gelten, welche auf die hier gegenständliche Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG gestützt wurden.

Im Einzelnen führen die Sachverständigen aus:

"Auch wenn der mit der Novellierung (des § 28a IfSG, Anm. d. Verf.) erreichte Rechtszustand als eine Verbesserung zu verstehen ist, bestehen damit weiterhin gravierende Zweifel, ob dieser verfassungsrechtlichen Anforderungen genügt."

(vgl. Prof. Dr. Christoph Möllers, Stellungnahme zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite Drucksache 19/23944 und begleitende Anträge, 11.11.2020, S. 5).

"Die legitimatorische Wirkung der bisher vorgelegten gesetzlichen Neu-Regelung des § 28a InfSchG ist gering. Das liegt insbesondere daran, dass letztlich das materielle Gesetz hier keine Steuerungswirkung übernehmen will, sondern die reaktionsschnelle Handhabung der Situation durch Verordnungsrecht nur absichernd flankiert, aber nicht anleitet. Das eingesetzte Mittel einer deklaratorischen Aufzählung von (bereits bekannten) Exekutivmaßnahmen ohne Strukturierung, Begrenzung oder innerer Ordnung ist in der Sache kein aktiver Beitrag zur Gewaltenteilung im herkömmlichen Sinn, sondern eine nachlaufende Bestätigung der Bund-Länder-Aktivitäten der letzten Monate."

(vgl. Prof. Dr. Hinnerk Wißmann, Sachverständige Stellungnahme zum Gesetzentwurf der Fraktionen von CDU/CSU und SPD für ein "Drittes Gesetz zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite", BT-Drs. 19/23944 und weiteren Anträge der Fraktionen des Bundestags, 10.11.2020, C.)

"Die Zusammenstellung der in § 28a Abs. 1 S. 1 E-IfSG aufgelisteten Maßnahmen ist in dieser Form nicht geeignet, die Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes in Bezug auf eingriffsintensive Bekämpfungsmaßnahmen zu wahren."
(...)

"In § 28 Abs. 3 E-IfSG heißt es schließlich: "Notwendige Schutzmaßnahmen im Sinne des Absatz 1 und der §§ 28 Absatz 1 Satz 1 und 2, 29 bis 31 können, soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 erforderlich ist, einzeln oder kumulativ angeordnet werden. Weitere zur Bekämpfung des Coronavirus SARS-CoV-2 erforderliche Schutzmaßnahmen bleiben unberührt." Die Vorschrift ist letztlich eine Blankettermächtigung . Die Formulierung "soweit und solange es zur Verhinderung der Verbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2 erforderlich ist" lässt die notwendige Grundrechtsabwägung vermissen und richtet die Verhältnismäßigkeitsprüfung allein am Infektionsgeschehen aus."

(vgl. Prof. Dr. Anika Klafki, Stellungnahme als Einzelsachverständige zum Entwurf eines Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite (BT-Drs. 19/23944), 10. November 2020, S. 2 und 6/7).

"Der geplante § 28a IfSG genügt den Vorgaben von Parlamentsvorbehalt und Bestimmtheitsgrundsatz nicht. Die Vorschrift lässt keinerlei Abwägung der grundrechtlich betroffenen Interessen erkennen, sondern will offenbar einseitig das bisherige Vorgehen während der Corona-Epidemie legitimieren."
(...)

In der Konsequenz bedeutet das, dass weiterhin die Exekutive die erforderlichen Abwägungen vornehmen muss. Es ist aber die Aufgabe des Gesetzgebers, darüber zu entscheiden, in welchen Situationen welche Maßnahmen überhaupt in Erwägung gezogen werden dürfen"

(vgl. Dr. Andrea Kießling, Stellungnahme als geladene Einzelsachverständige für die öffentliche Anhörung im Gesundheitsausschuss des Deutschen Bundestages am 12.11.2020, A / C.I.)

Abschließend sei hier darauf hingewiesen, dass auch der Wissenschaftliche Dienst des Bundestages verfassungsrechtliche Zweifel an der Praxis geäußert hat, breit wirkende Grundrechtseingriffe auf die Generalklausel des § 28 Abs. 1 S. 1 und 2 IfSG zu stützen:

"Es bestehen Bedenken, ob die äußerst intensiven und breit wirkenden Grundrechtseingriffe im Rahmen der Corona-Pandemie auf eine bloße Generalklausel wie § 28 Abs. 1 S. 1 IfSG gestützt werden können. Das Rechtsstaatsprinzip und das Demokratieprinzip verpflichten den parlamentarischen Gesetzgeber, wesentliche Entscheidungen selbst zu treffen und nicht der Verwaltung zu überlassen. Je intensiver und breiter wirkend der Grundrechtseingriff ist, desto höher muss die parlamentsgesetzliche Regelungsdichte sein."

(vgl. Empfehlenswerte Maßnahmen zur Stärkung des Bundestages gegenüber der Exekutive bei der Bewältigung der Corona-Pandemie, 19. Oktober 2020, abrufbar unter: https://www.bundestag.de/resource/blob/800008/935d55b4b84c5cce286d08247886197b/2020-10-19-Empfehlungen-Corona-data.pdf / für weitergehende Kritik an dem Gesetzesentwurf BT-Drs. 19/23944 vgl. "Aktuelle Änderungen des Infektionsschutzrechts", Ausarbeitung des Wissenschaftlichen Dienstes des deutschen Bundestags vom 04.11.2020, WD 3 - 3000 - 256/20).

5) Prof. Dr. Kingreen - Stellungnahme als geladener Einzelsachverständiger im Landtag NRW vom 16.02.2021

Aufgrund der erfreulichen Klarheit wird abschließend auf die Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. Kingreen verwiesen. Die Bewertung, welche sich auf den inzwischen eingefügten § 28a IfSG bezieht, streitet - wie bereits unter II. 4) b) ausgeführt - im Rahmen eines Erst-Recht-Schlusses für die vorangestellte Argumentation.

"Die parlamentsgesetzlichen Vorgaben auf Bundesebene sind damit derart unkonkret, dass sie in immer wiederkehrenden parakonstitutionellen Konferenzen von Ministerpräsident*innen und Kanzleramt konkretisiert werden müssen, deren Vereinbarungen dann mehr oder weniger durch Rechtsverordnungen auf der Grundlage von § 32 IfSG umgesetzt werden. Nach wie vor fällt damit die Exekutive die wesentlichen Entscheidungen über gravierende Grundrechtseingriffe - eine problematische Umkehrung des Parlamentsvorbehalts, der diese Entscheidungen den Parlamenten vorbehält."

(vgl. Prof. Dr. Kingreen, Stellungnahme als geladener Einzelsachverständiger zum Entwurf eines Gesetzes zur parlamentarischen Absicherung der Rechtsetzung in der COVID-19 Pandemie - LT-Drucks. 17/12425, 16.02.2021, S. 2/3).

6) Von der dargestellten Wertung abweichende Rechtsprechung

Bezüglich der verschiedenen Entscheidungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen zur gegenständlichen Rechtslage wird zunächst darauf verwiesen, dass diese sämtlich im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes ergangen sind und daher keine abschließende, verfassungsrechtliche Prüfung beinhalten. Ferner weist das Oberverwaltungsgericht auf die Möglichkeit der Nutzung einer defizitären gesetzlichen Grundlage für einen Übergangszeitraum ausdrücklich hin (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 30. November 2020, 13 B 1675/20.NE, Rn. 24 ff.), ein Argument, welches - wie unter II. 3) dargestellt - vorliegend nicht verfangen kann.

Die Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 08.02.2021, 1 RBs 4-5/21) ist bekannt. Die ihr zugrundeliegende Wertung wird nicht geteilt. Die Entscheidung ist im Kern mit dem "dynamischem Infektionsgeschehen" begründet, welches eine "Einengung der Ermächtigungsnorm" (vgl. Rn. 21) nicht erlaube, und läuft dementsprechend auf eine notstandsähnliche Generalermächtigung des Verordnungsgebers hinaus, die dem grundgesetzlichen Rechtsstaats- und Demokratieverständnis diametral entgegensteht. Abschließend wird darauf hingewiesen, dass der Senat zugunsten der in Rede stehenden CoronaSchVO ausdrücklich die im Rahmen der Kontaktbeschränkungen vorgenommene Abwägung grundrechtlicher Belange anführt (vgl. Rn. 45). Gerade diese Abwägung muss aber nach der insoweit eindeutigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts dem Gesetzgeber vorbehalten bleiben.

7) Keine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG

Eine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 GG besteht nicht.

Nach Art. 100 Abs. 1 S. 1 GG sind nur Gesetze, nicht Rechtsverordnungen vorlagepflichtig (vgl. Maunz/Dürig, Grundgesetz-Kommentar, Werkstand: 92. EL August 2020, Art. 100 GG, Rn. 2). Auch eine sogenannte mittelbaren Entscheidungserheblichkeit (vgl. hierzu: BVerfG, Beschluss vom 14.04.1987 - 1 BvL 25/84) liegt im Hinblick auf § 28 Abs. 1 S. 1, 2 IfSG nicht vor. Die verfassungsrechtliche Bewertung der § 2 Abs. 1, 2 CoronaSchVO entscheidet nicht zugleich über die Verfassungsmäßigkeit des § 28 Abs. 1 S. 1, 2 IfSG. Die Ermächtigungsgrundlage in § 28 Abs. 1 S. 1, 2 IfSG ist - anders als ihr hier gegenständlicher Gebrauch - nach hiesiger Auffassung nicht verfassungswidrig.

Auch eine Vorlagepflicht nach Art. 100 Abs. 1 S. 2 GG besteht nicht. Trotz des divergierenden Sprachgebrauchs ("Gesetz" in S. 1 gegenüber "Landesrecht" in S. 2) sind auch nach S. 2 nur förmliche Gesetze vorlagefähig (vgl. Sachs, Grundgesetz, 8. Auflage 2018, Art. 100 GG, Rn. 7).

8) Obiter Dictum

Der Unterzeichner erlaubt sich das Urteil mit den folgenden Anmerkungen zu beschließen:

Gerichtliche Entscheidungen stellen keine rein mathematische Subsumtion unter einen Tatbestand dar, sondern werden im Kontext politischer, gesellschaftlicher, wirtschaftlicher oder auch pandemischer Entwicklungen getroffen. Sie lassen sich auch in der Entscheidungsfindung nicht von ihren - gegebenenfalls weitreichenden - Konsequenzen entkoppeln. Dies kenntlich zu machen kann zu einer ehrlichen Auseinandersetzung über die gegenständlichen Einschränkungen und die sie betreffenden gerichtlichen Entscheidungen beitragen.

Bei der Lektüre einer Vielzahl von gerichtlichen Entscheidungen das Regelungsregime in der Pandemie betreffend konnte sich der Unterzeichner nicht des Eindrucks erwehren, dass diese oft weniger von inhaltlicher Überzeugung als von dem Wunsch getragen zu sein schienen, die effektive Bekämpfung einer unbestritten gefährlichen Pandemie nicht zu erschweren. Auch die auffällige Diskrepanz in der verfassungsrechtlichen Bewertung zwischen Rechtsprechung und Lehre zeigt in diese Richtung.

Bei allem Verständnis für diese Beweggründe sei hier der Hinweis erlaubt, dass so das Bewusstsein für ein grundlegendes Problem getrübt werden könnte. Gerade in Krisenzeiten dürfen die demokratischen Prinzipien des Grundgesetzes keine Aufweichung erfahren. Die freiheitlich-demokratische Grundordnung selbst ist der wirksamste Schutz gegen autoritäre und antidemokratische Strömungen, welche oft in Krisenzeiten und den mit ihnen verbundenen Unsicherheiten an Einfluss gewinnen. Parlamentarische Entscheidungen tendieren dazu, differenzierter auszufallen und erreichen so ein höheres Maß an gesellschaftlicher Akzeptanz, die einer krisenbedingten Polarisierung und Radikalisierung entgegenwirken kann. Auch die friedensstiftende Wirkung parlamentarisch-demokratischer Entscheidung streitet somit für den vorliegenden Versuch, von grundgesetzlichen Standards auch in Pandemiezeiten nicht abzuweichen.

III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 46 Abs. 1 OWiG, § 467 Abs. 1 StPO.


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