Diese Homepage verwendet Cookies, um Inhalte und Anzeigen zu personalisieren, Funktionen für soziale Medien anbieten zu können und die Zugriffe auf die Website zu analysieren. Außerdem gebe ich Informationen zu Ihrer Nutzung meiner Website an meine Partner für soziale Medien, Werbung und Analysen weiter.

OK Details ansehen Datenschutzerklärung

Entscheidungen

Zivilrecht

Obliegenheitsverletzung, Kfz-Kaskoversicherung, Entfernen vom Unfallort

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Karlsruhe, Urt. v. 06.08.2020 – 12 U 53/20

Leitsatz: 1. Es stellt keine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit gemäß E.1.1.3, 1. Spiegelstrich AKB 2015 dar, wenn der Versicherte nach einem schweren Verkehrsunfall ohne Fremdbeteiligung und bei klarer Haftungslage zur Nachtzeit im Januar auf einer Landstraße in dörflicher Gegend, bei dem er sich eine blutende Kopfverletzung zugezogen hatte, trotz eines verursachten Fremdschadens von ca. 200 € den Unfallort zur ärztlichen Abklärung seines Gesundheitszustandes ohne Einhaltung einer Wartezeit verlässt.
2. Jedenfalls ist in einem solchen Fall das Entfernen von der Unfallstelle berechtigt.
3. Mit der telefonischen Unterrichtung der Polizei am nächsten Morgen wird in diesem Fall einer etwaigen Obliegenheit zur unverzüglichen nachträglichen Ermöglichung von Feststellungen noch genügt.


In pp.

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Landgerichts H vom 18.02.2020, Az. 2 O 312/19, im Kostenpunkt aufgehoben und wie folgt abgeändert:
a) Die Beklagte wird verurteilt, 15.150,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit dem 06.10.2019 an den Kläger zu zahlen.
b) Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 958,19 EUR freizustellen.
2. Die Beklagte hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
4. Die Revision gegen dieses Urteil wird nicht zugelassen.
Gründe
I.

Die Parteien streiten über Ansprüche aus einer Vollkaskoversicherung.

Der Kläger unterhält bei der Beklagten seit dem 27.02.2018 unter der Versicherungsnummer ... eine Vollkaskoversicherung mit einer Selbstbeteiligung in Höhe von 300,00 EUR (vgl. den Versicherungsschein AS 1 Anlageheft Kläger 2. Instanz).

Die dem Vertrag zugrunde liegenden Allgemeinen Bedingungen für die Kfz-Versicherung (AKB 2016) - Stand 01.04.2016 (im Folgenden: AKB [vgl. AS 7 Anlageheft Beklagte 2. Instanz]), die in 2. Instanz erstmalig angefordert wurden, enthalten unter anderem die folgenden Regelungen:

„E.1.1.3

Sie müssen alles tun, was zur Aufklärung des Versicherungsfalls und des Umfangs unserer Leistungspflicht erforderlich ist. Sie müssen dabei insbesondere folgende Pflichten beachten:

- Sie dürfen den Unfallort nicht verlassen, ohne die gesetzlich erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen und die dabei gesetzlich erforderliche Wartezeit zu beachten (Unfallflucht).
(...)
E.2.1

Verletzen Sie vorsätzlich eine Ihrer in E.1.1 bis E.1.6 geregelten Pflichten, haben Sie keinen Versicherungsschutz. Verletzen Sie Ihre Pflichten grob fahrlässig, sind wir berechtigt, unsere Leistung in einem der Schwere Ihres Verschuldens entsprechenden Verhältnis zu kürzen. Weisen Sie nach, dass Sie die Pflicht nicht grob fahrlässig verletzt haben, bleibt der Versicherungsschutz bestehen.
E.2.2

Abweichend von E.2.1 sind wir zur Leistung verpflichtet, soweit Sie nachweisen, dass die Pflichtverletzung weder für die Feststellung des Versicherungsfalls noch für die Feststellung oder den Umfang unserer Leistungspflicht ursächlich war. Dies gilt nicht, wenn Sie die Pflicht arglistig verletzen.“

Am 28.01.2019 befuhr der Kläger mit seinem PKW VW Golf mit dem amtlichen Kennzeichen ... aus B kommend die Kreisstraße K... in Richtung G. An der Einmündung K.../L... überfuhr er ein Verkehrsschild (Sachschaden: 200,00 EUR), das Fahrzeug überschlug sich und kam in dem neben der Straße verlaufenden Bach zum Endstand. Der Kläger begab sich nach der Kollision zu einem nicht genau feststellbaren Zeitpunkt zurück zu einem Vereinsheim in B. Um 7:00 Uhr verständigte er seine Ehefrau telefonisch über den Unfall. Die Ehefrau des Klägers holte diesen in der Folge im Vereinsheim in B ab und verbrachte ihn in das J-Krankenhaus in H. Durch den Unfall zog sich der Kläger eine 10 cm lange klaffende, 1 cm tiefe Risswunde oberhalb der Hutkrempe orthogonal zur Sagittalnaht auf der Verbindungslinie zwischen den Ohren sowie eine Hautablederung und eine Schürfwunde zu (vgl. den vorläufigen Arztbrief in Anl. K1). Gegen 8:30 Uhr verständigte die Ehefrau des Klägers die Polizei.

Ausweislich eines im Auftrag der Beklagten erstellten Gutachtens vom 06.02.2019 (Anl. K 2) lagen die unfallbedingten Reparaturkosten bei 41.650,00 EUR brutto, der Wiederbeschaffungswert bei 16.800,00 EUR brutto und der Restwert bei 1.350,00 EUR.

Ein unter dem Az. ... Js .../19 gegen den Kläger geführtes Ermittlungsverfahren wegen des Vorwurfs des unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft H vom 21.05.2019 gemäß § 153 Abs. 1 StPO eingestellt (vgl. AS 59 der beigezogenen Ermittlungsakte).

Die Beklagte lehnte mit Schreiben vom 14.06.2019 (Anl. K3) eine Regulierung ab. Zur Begründung führte sie an, der Kläger habe Obliegenheiten aus dem Versicherungsvertrag verletzt. Er habe Alkohol zu sich genommen und sich unerlaubt von der Unfallstelle entfernt. Die Prozessbevollmächtigten des Klägers forderten die Beklagte mit Schreiben vom 01.08.2019 (Anl. K5) außergerichtlich zur Zahlung auf. Dies wies die Beklagte mit Schreiben vom 06.08.2019 zurück (Anl. K6).

Der Kläger hat behauptet:

Er sei am 28.01.2019 gegen 00:30 Uhr mit seinem Fahrzeug von der Straße abgekommen. Er sei mit dem Kopf gegen ein Fahrzeugteil im Innenraum geprallt. Der heftige Anprall habe eine Gehirnerschütterung hervorgerufen. Er könne sich an das Unfallgeschehen vor dem Unfall, den eigentlichen Unfall sowie das Geschehen nach dem Unfall nicht mehr erinnern. Er leide an Amnesie. Das Unfallgeschehen könne daher lediglich anhand der polizeilichen Feststellungen sowie der Angaben seiner Ehefrau wie folgt rekonstruiert werden:

Der Kläger sei Mitglied und technischer Vorstand bei der DLRG B. Einen Tag vor dem Unfall sei in dem Vereinsheim der DLRG eine Feierlichkeit durchgeführt worden. Er sei am darauffolgenden Abend zum Versammlungsort im Schwimmbad B zurückgekehrt, um dort aufzuräumen und sauber zu machen. Wann genau er dort eingetroffen sei, könne er aufgrund der Amnesie nicht mehr sagen. Wahrscheinlich sei es, dass er zwischen 18:00 Uhr und 20:00 Uhr von zu Hause aufgebrochen sei. Während der Aufräumarbeiten habe er ein bis zwei Gläser Weizenbier - im Nachhinein meine er eher ein Glas - getrunken. Gegen 0:30 Uhr habe er mit seinem Fahrzeug aus B kommend die Kreisstraße K... in Richtung G befahren. Die Fahrbahn sei rutschig und teils auch glatt gewesen. Er habe sich nach der Kollision selbstständig zurück zum Vereinsheim in B begeben, um von dort aus seine Ehefrau zu kontaktieren. Beim Verlassen des Pkw habe er sowohl seine Geldbörse als auch seinen Schlüsselbund und sein Mobiltelefon im Fahrzeug zurückgelassen. Es sei daher davon auszugehen, dass er verwirrt gewesen sei bzw. sich in einem Schockzustand befunden habe. Er habe an die Möglichkeit, mit dem Mobiltelefon Hilfe zu rufen nicht gedacht. Wann genau er sein Fahrzeug in Richtung Vereinsheim verlassen habe, sei ebenfalls nicht bekannt. Es sei nicht auszuschließen, dass der Kläger noch eine lange Zeit bewusstlos in seinem Fahrzeug gelegen habe. Die Polizei habe festgestellt, dass er ab 5:30 Uhr erfolglos versucht habe seine Frau auf dem Festnetztelefon zu erreichen. Zu diesem Zeitpunkt sei er vermutlich im Schwimmbad in B eingetroffen. Er habe sodann sofort versucht, Hilfe zu holen. Der Fußweg von der Unfallstelle zu dem Schwimmbad betrage etwa 30 Minuten. Es sei daher naheliegend, dass er sein Fahrzeug um etwa 5:00 Uhr verlassen habe. Folglich müsse er für etwa 4,5 Stunden bewusstlos gewesen sein.

Der Kläger habe sich weder unerlaubt von der Unfallstelle entfernt noch habe er zum Unfallzeitpunkt unter Alkoholeinfluss gestanden. Eine Alkoholisierung zum Unfallzeitpunkt habe nicht festgestellt werden können. Er habe unter anderem seine Geldbörse am Unfallort zurückgelassen. Über diese hätte die Polizei problemlos die Personalien feststellen können. Zudem habe er sich aufgrund seiner Kopfverletzung nach dem Unfall in einem schuldunfähigen Zustand befunden. Es sei ihm bei Verlassen der Unfallstelle nicht bewusst gewesen, dass er das Verkehrsschild beschädigt habe. Da er mehrere Stunden bewusstlos in seinem Fahrzeug gelegen habe, habe er seiner Wartepflicht Genüge getan. Er habe sich erst Stunden nach dem Unfall von der Unfallstelle entfernt, um Hilfe zu holen. Zumindest sei er seiner Verpflichtung nach § 142 Abs. 2 StGB nachgekommen. Der Unfall sei durch seine Ehefrau unverzüglich durch Notruf bei der Polizei angezeigt worden.

Der Kläger hat beantragt:

1. Die Beklagte wird verurteilt, 15.150,00 EUR nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit an den Kläger zu zahlen.

2. Die Beklagte wird verurteilt, den Kläger von außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 958,19 EUR freizustellen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte hat erwidert, von einer unfallbedingten anterograden Amnesie des Klägers sei nicht auszugehen. Dass er eine Gehirnerschütterung durch den Unfall erlitten habe, werde bestritten. Der Anl. K 1 lasse sich lediglich entnehmen, dass bei ihm der Verdacht auf eine Gehirnerschütterung bestanden habe. Weiterhin sei in Anl. K1 vermerkt, dass der Kläger angegeben habe, dass keine Bewusstlosigkeit bestanden habe, er sich jedoch nicht mehr an die genaue Unfallzeit erinnern könne. Der Airbag habe ausgelöst, danach habe er sich aus dem Auto befreit und sich vom Unfallort entfernt. Es sei davon auszugehen, dass die Angaben des Klägers gegenüber den Ärzten, also noch bevor er mit der Polizei gesprochen habe, von ihm stammen würden und zwar aus der eigenen Erinnerung. Dass die Angaben des Klägers gegenüber den Ärzten zutreffend seien, zeige sich unter anderem an der Angabe zum Airbag. Es habe daher auch keine stundenlange Bewusstlosigkeit bestanden. Gegen eine Bewusstlosigkeit würde auch das Spurenbild am Unfallort sprechen, aus welchem ersichtlich sei, dass sich der Kläger tatsächlich unmittelbar nach dem Unfall von der Unfallstelle und aus dem Pkw entfernt habe. Widersprüchlich sei des Weiteren, dass der Kläger nunmehr angebe, sich an den Unfall an sich, die Unfallstelle etc. nicht erinnern zu können, weil er nach den Angaben seiner Frau sämtliche Angaben zum Unfall habe machen können. Weiterhin werde der Unfallzeitpunkt um 0:30 Uhr bestritten. Der Kläger habe gegenüber seiner Ehefrau angegeben, dass Unfallzeitpunkt 23:00 Uhr gewesen sei. Im Übrigen sprächen auch diese Angaben gegen eine Amnesie. Dass die Fahrbahn glatt und rutschig gewesen sei, werde bestritten. Der Kläger verschweige, dass bei ihm ausweislich der Ermittlungsakte um 10:41 Uhr, also mehr als 10 Stunden nach dem Unfall eine Atemalkoholkonzentration in Höhe von 0,04 mg/Liter gemessen worden sei. Weiterhin sei zu beachten, dass der Kläger zunächst angegeben habe, dass er im Zeitraum vor dem Unfall zwei Weizenbiere à 0,5 l getrunken und nach dem Unfall kein Nachtrunk stattgefunden habe. Die nunmehr klägerseits behauptete Trinkmenge werde daher bestritten. Weil der Kläger sich vom Unfallort entfernt habe und wegen der von ihm verursachten zeitlichen Abläufe seien der Grad der Alkoholisierung und eine Beeinträchtigung der Fahrtüchtigkeit nicht mehr feststellbar. Es sei jedoch typisch für alkoholisierte Fahrer, dass diese sich nicht nach einem Unfall sofort nach Hause begäben, sondern an einen anderen Ort flüchten würden, wo der Abbau der Alkoholisierung zunächst abgewartet werden solle. Es werde im Übrigen bestritten, dass der Kläger knapp 3 km zu Fuß ins Vereinsheim zurückgelaufen sei. Weiterhin werde bestritten, dass der Kläger ab 5:30 Uhr erfolglos versucht habe, seine Ehefrau zu erreichen. Darüber hinaus hätte der Kläger - seinen Vortrag als wahr unterstellt - ab diesem Zeitpunkt auch ebenso gut selbst die Polizei verständigen können.

Das Landgericht hat die Klage mit Urteil vom 18.02.2020 abgewiesen und zur Begründung zusammengefasst ausgeführt:

Der Kläger habe vorsätzlich gegen die in E.1.1.3 AKB geregelte Aufklärungspflicht, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, verstoßen.

Soweit er dargetan habe, dass er nach dem Unfall desorientiert gewesen sei und den Ort unter Schock stehend verlassen habe, lasse dies keine Zweifel an seinem Vorsatz - dies trage der Kläger bereits auch gar nicht vor - oder seiner Schuld aufkommen. Konkrete Anhaltspunkte für einen vorsatz- oder schuldausschließenden Unfallschock, welchen der Kläger als Versicherungsnehmer darzulegen und zu beweisen hätte, ließen sich hieraus nicht entnehmen und seien auch sonst nicht ersichtlich.

Für einen Schock müssten entsprechende Anzeichen vorhanden sein. Hierfür sei vorliegend nichts - auch unter Berücksichtigung des bestrittenen Vortrags des Klägers, er könne sich an nichts bzw. lediglich an einzelne Bilder erinnern - ersichtlich. Zunächst sprächen die Unfallfolgen dagegen; eine Gehirnerschütterung sei nicht festgestellt worden. Gegen einen derart außergewöhnlichen Schock spreche insbesondere das eigene, behauptete Verhalten des Klägers, der nach dem Unfall zielgerichtet und keineswegs orientierungslos bei Nacht zurück in das Vereinsheim gegangen sei. Er habe ferner in adäquater Weise versucht, seine Ehefrau telefonisch zu erreichen, um sich mit dieser zu besprechen, so dass davon auszugehen sei, dass er „Herr der Dinge“ gewesen sei und nicht unter einem schuldausschließenden Schock gestanden habe. Mangels hinreichender Anknüpfungspunkte, die auf einen vorsatz- oder schuldausschließenden Unfallschock schließen lassen könnten, komme die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens zu der rein pauschalen Behauptung des Klägers, er habe sich nach dem Unfall in einem schuldunfähigen Zustand befunden, nicht in Betracht.

Der Kläger hätte im Übrigen selbst dann eine Obliegenheitsverletzung begangen, wenn er sich zunächst ohne Vorsatz oder entschuldigt vom Unfallort entfernt hätte, weil dann § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB eingriffe. Der Kläger hätte - seine Angaben als zutreffend zugrunde gelegt - spätestens ab 5.30 Uhr die Polizei informieren können; dies sei jedoch erst um 8.30 Uhr von seiner Ehefrau nachgeholt worden.

Der Kläger habe einen Kausalitätsgegennachweis nicht erbracht.

Hiergegen richtet sich die Berufung des Klägers, der zur Begründung zusammengefasst ausführt:

Der Kläger sei an der Unfallstelle nicht davon ausgegangen, einen Fremdschaden verursacht zu haben. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger das am Boden liegende Verkehrsschild beim Verlassen der Unfallstelle zur Nachtzeit nicht wahrgenommen habe.

Der Kläger habe zudem, nachdem er wieder bei Sinnen gewesen sei, seine Ehefrau verständigt, die ihn unverzüglich in das nächstgelegene Krankenhaus verbracht habe, und sodann ebenfalls unverzüglich die Polizei von dem Unfall in Kenntnis gesetzt habe. Der Kläger habe mit Hilfe seiner Ehefrau noch unmittelbar alles erdenklich Mögliche getan, um sich als Unfallbeteiligter zu erkennen zu geben. Eine Strafbarkeit nach § 142 Abs. 2 StGB, wie sie das Landgericht alternativ annimmt, sei somit ebenfalls nicht anzunehmen.

Das Landgericht hätte einen den Vorsatz und/oder die Schuld ausschließenden Zustand des Klägers in Erwägung ziehen müssen. Es hätte dieser Frage weiter nachgehen und den angebotenen Beweis hierzu durch Zeugenvernehmung der Ehefrau des Klägers und Einholung eines Sachverständigengutachtens erheben müssen.

Der Kläger beantragt:

1. abändernd die Beklagte/Berufungsbeklagte zu verurteilen, an den Kläger/Berufungskläger EUR 15.150,00 nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz hieraus seit Rechtshängigkeit zu zahlen.

2. abändernd die Beklagte/Berufungsbeklagte zu verurteilen, den Kläger/Berufungskläger von außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten i.H.v. EUR 958,19 freizustellen.

Die Beklagte beantragt

die Zurückweisung der Berufung.

Die Beklagte verteidigt das erstinstanzliche Urteil und führt ergänzend aus:

Zutreffend habe das Landgericht festgestellt, dass der Kläger vorsätzlich gehandelt habe und insbesondere kein vorsatz- oder schuldausschließender Unfallschock nachgewiesen sei. Der Kläger selbst habe einen solchen angeblichen Schock noch nicht einmal substantiiert behauptet, sondern im Gegenteil in erster Instanz sogar noch vorgetragen, dass er angeblich an einer Amnesie leiden würde.

Die Akten der Staatsanwaltschaft Mannheim, Az. ... Js .../19, waren zu Informationszwecken beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Darstellung im erstinstanzlichen Urteil, soweit der Senat keine abweichenden Feststellungen getroffen hat, und auf die Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.
II.

Die zulässige Berufung hat in vollem Umfang Erfolg.

Der Kläger hat gegen die Beklagte wegen der Beschädigung des PKW einen Anspruch auf Zahlung von 15.150,00 EUR aus dem zwischen den Parteien geschlossen Kaskoversicherungsvertrag i.V.m. A.2.2.2.2 AKB nebst Zinsen sowie auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten.

1. Ein Versicherungsfall gemäß Ziffer A.2.2.2.2 AKB liegt vor. Ausweislich des Tatbestandes des erstinstanzlichen Urteils wurde der klägerische PKW am 28.01.2019 während einer Fahrt auf der Kreisstraße K... aus B kommend in Richtung G beschädigt, als der Kläger an der Einmündung der K.../L... ein Verkehrsschild überfuhr, das Fahrzeug sich überschlug und in einem neben der Straße verlaufenden Bach zum Stillstand kam.

2. Die Beklagte ist nicht nach E.2.1 AKB leistungsfrei geworden, weil der Kläger gegen die Obliegenheit nach E.1.1.3 AKB verstoßen hätte. Ein Verstoß gegen die Aufklärungsobliegenheit ist nicht darin zu sehen, dass sich der Kläger von dem Unfallort entfernte, ohne Feststellungen zu ermöglichen, bzw. sich nach Ablauf einer Wartefrist oder berechtigt oder entschuldigt vom Unfallort entfernte, ohne unverzüglich nachträglich Feststellungen zu ermöglichen.

a) Allgemeine Versicherungsbedingungen sind so auszulegen, wie ein durchschnittlicher, um Verständnis bemühter Versicherungsnehmer sie bei verständiger Würdigung, aufmerksamer Durchsicht und unter Berücksichtigung des erkennbaren Sinnzusammenhangs versteht. Dabei kommt es auf die Verständnismöglichkeiten eines Versicherungsnehmers ohne versicherungsrechtliche Spezialkenntnisse und damit auch auf seine Interessen an. In erster Linie ist vom Bedingungswortlaut auszugehen. Der mit dem Bedingungswerk verfolgte Zweck und der Sinnzusammenhang der Klauseln sind zusätzlich zu berücksichtigen, soweit sie für den Versicherungsnehmer erkennbar sind (BGH, Urteil vom 22.01.2020 – IV ZR 125/18 –, juris Rn. 10; st. Rsp.).

b) Der verständige Versicherungsnehmer wird die Obliegenheit, den Unfallort nicht zu verlassen, ohne die gesetzlich erforderlichen Feststellungen zu ermöglichen, jedenfalls auf den ihm bekannten Straftatbestand der „Unfallflucht“ gemäß § 142 Abs. 1 StGB beziehen.

E.1.1.3 AKB stellt, anders als E.1.3 AKB 2008, nicht mehr auf die „erforderlichen Feststellungen“, sondern auf die „gesetzlich erforderlichen Feststellungen“ ab. Dies wird der durchschnittliche Versicherungsnehmer als Hinweis auf § 142 Abs. 1 StGB verstehen, weil diese Norm insoweit eine gesetzliche Regelung enthält. Hinzu kommt, dass E.1.1.3 AKB den Begriff der „Unfallflucht“ enthält. Dabei handelt es sich zwar nicht um die amtliche Überschrift des § 142 StGB; im allgemeinen Sprachgebrauch wird der Tatbestand des § 142 StGB jedoch als „Unfallflucht“ bezeichnet (vgl. OLG Celle, Urteil vom 25.04.2019 – 8 U 210/18 –, juris Rn. 72; OLG Dresden, Urteil vom 27.11.2018 – 4 U 447/18 –, juris Rn. 6; Maier, in Stiefel/Maier, Kraftfahrtversicherung, 19. Aufl. 2017, AKB 2015, E.1, Rn. 79; Klimke, in Prölss/Martin, VVG, 30. Aufl. 2018, AKB 2015, E.1.1, Rn. 22). Er wird davon ausgehen, dass sich die Grenzen der versicherungsrechtlichen Obliegenheit im Hinblick auf die Wartepflicht aus der strafrechtlichen Bestimmung des § 142 StGB ergeben und dass er nicht dazu verpflichtet werden soll, über die Wartefrist des § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB hinaus, theoretisch also ewig, auf den Geschädigten oder die Polizei zu warten (vgl. Rixecker, ZfS 2015, S. 96 [99]). Auch der BGH geht davon aus, dass sich ein Versicherungsnehmer, der sich nach Ablauf der Wartezeit oder sonst erlaubt vom Unfallort entfernt hat, dadurch noch nicht gegen Aufklärungsobliegenheiten verstoßen hat (BGH, Urteil vom 21.11.2012 – IV ZR 97/11 –, juris Rn. 24 [der Entscheidung des BGH lagen die AKB 2008 zugrunde]).

c) Den Verstoß gegen den objektiven und subjektiven Tatbestand der Strafvorschrift darzulegen und zu beweisen - insbesondere auch die Kenntnis des Versicherungsnehmers von dem Entstehen eines nicht nur ganz unerheblichen Schadens an fremden Rechtsgütern -, obliegt dabei dem Versicherer (vgl. OLG Karlsruhe, Urteil vom 05.06.2008 – 12 U 13/08 –, juris Rn. 21; s.a. Maier a.a.O. Rn. 93).

d) Eine Obliegenheitsverletzung des Klägers ist nicht darin zu sehen, dass er nach der Kollision mit einem Verkehrsschild nicht am Unfallort verblieb, sondern wegging.

aa) Erste Voraussetzung einer Obliegenheitsverletzung nach E.1.1.3 ist, dass sich ein Unfall zugetragen hat. Ein Unfall im Straßenverkehr liegt bei einem plötzlichen Ereignis vor, in welchem sich ein verkehrstypisches Schadensrisiko realisiert und das unmittelbar zu einem nicht völlig belanglosen fremden Sach- oder Körperschaden führt (vgl. Maier a.a.O. Rn. 83).

Ein solcher Fremdschaden ist mit der unfallbedingten Beschädigung des Verkehrsschildes in Höhe von 200,00 EUR gegeben. Die in der versicherungsrechtlichen Rechtsprechung angenommene Bagatellgrenze von maximal 100,00 EUR (vgl. Klimke a.a.O. Rn. 25 m.w.N.) bzw. die in der strafrechtlichen Rechtsprechung angenommene Bagatellgrenze von maximal 50,00 EUR (vgl. OLG Nürnberg, Beschluss vom 24.01.2007 – 2 St OLG Ss 300/06 –, juris Rn. 19; s.a. Kudlich, in BeckOK StGB, Stand 01.05.2020, § 142, Rn. 4.2 m.w.N.) wurden vorliegend jedenfalls überschritten.

bb) Dahinstehen kann, ob sich der Kläger, wie von ihm vorgetragen, bei Verlassen des Unfallortes nicht bewusst war, das Verkehrsschild beschädigt zu haben.

cc) Jedenfalls ist eine Verletzung des Klägers gegen die Pflicht aus § 142 Abs. 1 Nr. oder Nr. 2 StGB nicht festzustellen.

(1) Einen Verstoß gegen die § 142 Abs. 1 Nr. 1 StGB entsprechende Verpflichtung, gegenüber einer feststellungsbereiten Person wie dem Geschädigten, einem weiteren Unfallbeteiligten oder der Polizei die geforderten Angaben zu machen, behauptet die Beklagte nicht. Unstreitig hielt sich am Unfallort keine feststellungsbereite Person auf.

(2) Der Kläger hat auch nicht gegen die Wartepflicht im Sinne des § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB verstoßen.

(a) Ist kein Feststellungsberechtigter anwesend, so verlangt § 142 Abs. 1 Nr. 2 StGB, dass „eine nach den Umständen angemessene Zeit gewartet“ wird, bevor der Unfallort verlassen wird. Der Umfang der Wartepflicht beurteilt sich nach den Maßstäben der Erforderlichkeit und der Zumutbarkeit (vgl. Maier a.a.O. Rn. 93). Ob überhaupt in solchen Fällen und wie lange der Beteiligte am Unfallort zu warten hat, richtet sich mithin nach den Umständen des Einzelfalles (vgl. Sternberg-Lieben, in Schönke/Schröder, StGB, 30. Aufl. 2019, § 142, Rn. 36 m.w.N.). Die Bestimmung der Angemessenheit der Wartezeit ist abhängig von dem voraussichtlichen Eintreffen feststellungsbereiter Personen (Zopfs, in MünchKomm StGB, 3. Aufl. 2017, StGB § 142 Rn. 81 f.). Dies ist regelmäßig unter anderem abhängig von dem Unfallort, der Verkehrsdichte sowie der Tageszeit (vgl. Kudlich a.a.O. Rn. 31). Weiter wird das Feststellungsinteresse des Berechtigten zu berücksichtigen sein (vgl. Zopfs a.a.O. Rn. 81 und 84.). Je größer das Ausmaß des Schadens ist, desto länger ist grundsätzlich die Wartefrist (vgl. BayObLG NJW 1960, S. 832 [833]; OLG Stuttgart NJW 1981, S.1107 [1108]; s.a. Zopfs a.a.O. Rn. 84 m.w.N.). Zu berücksichtigen sind außerdem die Interessen des Unfallbeteiligten an einem frühzeitigen Verlassen des Unfallortes (vgl. Zopfs a.a.O. Rn. 85). Dabei können gesundheitliche Risiken auf Seiten des Unfallbeteiligten für eine Verkürzung der Wartefrist sprechen ist (vgl. Zopfs a.a.O; in diese Richtung auch OLG Stuttgart a.a.O.).

In der strafrechtlichen Rechtsprechung und Literatur ist umstritten, ob bei Abwägung des Interesses des Unfallbeteiligten einerseits mit dem Aufklärungsinteresse andererseits eine Wartepflicht auch gänzlich entfallen kann (vgl. Sternberg-Lieben a.a.O. Rn. 40 m.w.N.) oder jedenfalls eine Mindestwartezeit von z.B. zehn Minuten einzuhalten ist (vgl. Zopfs a.a.O. Rn. 87).

Dass stets eine Mindestwartezeit einzuhalten ist, nimmt der Senat aufgrund der in E.1.1.3 AKB angelegten Grenzen der Erforderlichkeit und Zumutbarkeit nicht an. Im Einzelfall kann eine Wartepflicht entfallen, wenn beispielsweise vorrangige dringende persönliche Gründe wie eine ärztliche Versorgung des Unfallbeteiligten bestehen (vgl. Klimke a.a.O. Rn. 31; in diese Richtung auch Heß/Höke, in Beckmann/Matusche-Beckmann, Versicherungsrechts-Handbuch, 3. Aufl. 2015, 2. Teil. Einzelne Versicherungszweige 2. Abschnitt. Kraftfahrtversicherung § 29, Rn. 311; für eine Wartepflicht bei einem Unfall mit reinem Sachschaden vgl. Senatsurteil vom 07.02.2002 – 12 U 223/01 –, juris Rn. 7).

(b) Ausgehend von diesen Grundsätzen bestand keine Wartepflicht des Klägers mit der Folge, dass auch bei Wahrunterstellung des Beklagtenvortrags, dass der Kläger sich nach dem Unfall sofort von dem Unfallort entfernte, eine Obliegenheitsverletzung nicht vorliegt.

Die Einhaltung einer Wartezeit war dem Kläger nicht zumutbar.

Einerseits war in der Unfallsituation weder mit einem zufälligen Eintreffen feststellungsbereiter Personen zu rechnen, noch war aufgrund des entstandenen Schadens ein Verbleiben an der Unfallstelle erforderlich.

So ereignete sich der Unfall nach den Feststellungen der Polizei am 28.01.2019 gegen 00:30 Uhr (vgl. AS 29 der Ermittlungsakte). Dabei stützte die Polizei sich auf die Angaben des in der nahegelegenen L-Straße in L wohnhaften Zeugen S, der angab, zu dieser Uhrzeit einen „dumpfen Aufschlag“ gehört zu haben (vgl. AS 13 der Ermittlungsakte). Der Beklagtenvortrag in erster Instanz (vgl. AS I 53) legt nahe, dass aufgrund einer Meldung der Ehefrau des Klägers bei der Polizei (vgl. AS 19 der Ermittlungsakte) von einem Unfall gegen 23 Uhr noch am 27.01.2019 ausgegangen wird. Inzwischen wurde im unstreitigen Teil des Tatbestandes des landgerichtlichen Urteils der 28.01.2019 als Unfallzeitpunkt festgestellt. Einen Antrag auf Tatbestandsberichtigung nach § 320 ZPO, durch den eine etwaige Unrichtigkeit des Tatbestandes einzig hätte behoben werden können (vgl. BGH, Urteil vom 18.09.2009 - V ZR 75/08 -, juris Rn. 35), hat die Beklagte nicht gestellt. Jedenfalls ereignete sich der Unfall nach Aktenlage zur Nachtzeit bzw. in den frühen Morgenstunden. Es ist nicht naheliegend, dass zu dieser Uhrzeit auf einer Landstraße in der Nähe eines badischen Dorfes Polizeibeamte oder Mitarbeiter des Trägers der Straßenbaulast als Geschädigtem in einem überschaubaren Zeitraum vorbeifahren würden. Zugleich lag der Fremdschaden an dem Unfallschild mit 200,00 EUR nicht substantiell über der Bagatellgrenze.

Andererseits bestand ein berechtigtes Interesse des Klägers, unmittelbar nach der Kollision den Unfallort zu verlassen. Dahinter tritt das Aufklärungsinteresse der Beklagten – etwa im Hinblick auf die Prüfung einer Leistungsfreiheit wegen einer Herbeiführung des Unfalls im Zustand alkoholbedingter Fahruntüchtigkeit – zurück.

So erlitt der Kläger einen schweren Verkehrsunfall, bei dem sich sein PKW unstreitig überschlug und 20 Meter von der Straße entfernt in einem Flussbett zum Stehen kam. Die Schwere des Unfalls wird durch die aus den Lichtbildern der Polizei (AS 51 ff. der Ermittlungsakte) erkennbaren Beschädigungen des PKW illustriert und durch die Höhe der von der Beklagten ermittelten Reparaturkosten untermauert. Zugleich zog sich der Kläger neben Schürfwunden und Schwellungen eine 10 cm lange und 1 cm tiefe Risswunde an der Hutkrempe zu (vgl. Anl. K 1). Die Verletzungen hinterließen am gesamten Unfallort (am Pfosten und Fuß eines Absperrgitters, am Gitter einer Brücke sowie am Lenkrad des PKW) Blutspuren. Auch wenn sich der Kläger nicht, wie von ihm behauptet, in einem schuldausschließenden Schockzustand befunden haben sollte, stand er doch unter dem Eindruck eines gravierenden Unfallereignisses, wobei der Unfallhergang und die Wunde am Kopf durchaus Anlass zu der Befürchtung weitergehender Kopfverletzungen geben konnte. In dieser Situation durfte er zur ärztlichen Abklärung seines Gesundheitszustandes den Unfallort sogleich verlassen. Dass (ex post) bei dem Kläger „nur“ eine Commotio cerebri und eine Prellung der Schulter links diagnostiziert wurden (vgl. Anl. K 1), ändert daran nichts.

Die Einlassung des Klägers im Rahmen seiner informatorischen Anhörung (vgl. AS I 81), dass er sich deshalb vom Unfallort zum Vereinsheim in B begeben habe, um von dort sogleich seine Ehefrau anzurufen, damit sie ihn in ein Krankenhaus bringt, ist unwiderlegt. Die Wegstrecke von der Unfallstelle zum DLRG-Vereinsheim beträgt knapp 2 km, zur Wohnung des Klägers dagegen ca. 10 km (gemäß Routenplaner). Er erscheint deshalb nicht von vornherein unplausibel oder unvernünftig, dass sich der verletzte, aber gehfähige Kläger nach dem nächtlichen Verkehrsunfall und angesichts der winterlichen Verhältnisse im Januar zum Herbeiholen von Hilfe zurück in das DLRG-Heim begab. Unwiderlegt ist weiter, dass er sogleich von dort versuchte, seine Ehefrau telefonisch herbeizurufen, dies aber erst gegen 6 Uhr oder 7 Uhr (ausweislich der in der Ermittlungsakte festgehaltenen Angaben des Klägers [AS 27] und seiner Ehefrau als Zeugin [AS 30] gegenüber der Polizei) gelang.

Die Beweislast für einen Verstoß gegen die Obliegenheit in E.1.1.3 durch Nichteinhaltung der Wartepflicht liegt beim Versicherer; die plausible Darstellung des Klägers müsste deshalb die Beklagte widerlegen (vgl. Maier a.a.O. AKB, E.1, Rn. 94), was ihr nicht gelungen ist.

Nach alldem wäre die Einhaltung einer - auch nur kurzen - Wartepflicht unter den besonderen Umständen dieses Falles ein reiner Selbstzweck, für den angesichts der Begrenzung der Obliegenheit durch den Maßstab der Erforderlichkeit keine Veranlassung besteht.

Eine Rückkehrpflicht des Klägers (vgl. BGH, Urteil vom 07.12.1967 – II ZR 24/65 –, juris Rn. 17) zu dem Unfallort schied schon wegen des zweitägigen stationären Krankenhausaufenthaltes aus (vgl. Anl. K 1), nach dessen Ende nicht mehr mit Feststellungen zum Unfallhergang vor Ort zu rechnen war.

(c) Das Entfernen von der Unfallstelle war zudem berechtigt.

(aa) Das Verlassen der Unfallstelle kann gerechtfertigt sein, wenn der Unfallbeteiligte eine eigene Verletzung bemerkt und ein Verlassen des Unfallortes zumindest auch zwecks ärztlicher Versorgung der Verletzung erfolgt (vgl. BGH, Beschluss vom 27.08.2014 – 4 StR 259/14 –, juris Orientierungssatz und Rn. 2 f.; s.a. Zopfs a.a.O. Rn. 98 m.w.N.). In der strafgerichtlichen Rechtsprechung wurde dies beispielsweise bei Versorgung einer abgeknickten Fingerkuppe mit massiver Blutung (BGH a.a.O. Rn. 3), einer Schürfwunde, Prellung am Rücken und blutenden Verletzung am Daumen (vgl. BayObLG, Beschluss vom 18.02.1980 - 1 St 469/79 -, VRS 58, S. 406 [407]) sowie bei Schnittverletzungen und blutenden Gesichtswunden (vgl. OLG Frankfurt, Beschluss vom 28.01.1983 - 3 Ss 28/83 -, VRS 65, S. 30 ebenda) bejaht.

Der IV. Zivilsenat des BGH verneinte den Vorwurf einer schuldhaften Entfernung vom Unfallort in einem Fall, in dem der Fahrer des Unfallfahrzeugs nach dem Abtransport des verletzten Beifahrers die Unfallstelle verließ, sich zur Ehefrau des Beifahrers begab, um sie über den Unfall zu unterrichten, und sich anschließend ärztlich behandeln ließ (Urteil vom 12.05.1971 – IV ZR 35/70 -, VersR 1971, S. 659).

(bb) Hieran gemessen hat sich der Kläger - unwiderlegt - jedenfalls berechtigt zum Zwecke ärztlicher Versorgung von der Unfallstelle entfernt. Vorliegend war die von dem Kläger erlittene blutende Kopfverletzung behandlungsbedürftig. Angesichts des Ausmaßes der Wunde und des damit verbundenen Schmerzes sowie wegen des Austritts von Blut geht der Senat davon aus, dass der Kläger diese Verletzung noch an der Unfallstelle bemerkte. Er entfernte sich vom Unfallort auch, um diese Verletzungen zeitnah behandeln zu lassen. So gab er bei der informatorischen Anhörung an, seine Frau angerufen zu haben, damit sie ihn in das Krankenhaus bringe (vgl. AS I 81).

dd) Eine Verletzung der Aufklärungsobliegenheit ergibt sich auch nicht daraus, dass der Kläger nach berechtigtem oder entschuldigtem Sich-Entfernen von dem Unfallort gemäß § 142 Abs. 2 Nr. 2 StGB nicht unverzüglich nachträglich die Feststellung seiner Person, seines Fahrzeugs und der Art seiner Beteiligung ermöglichte.

Keiner Entscheidung bedarf vorliegend die Frage, ob die Aufklärungsobliegenheit in E.1.1.3 AKB entsprechend § 142 Abs. 2 StGB überhaupt die Pflicht zur unverzüglichen nachträglichen Ermöglichung von Feststellungen umfasst. Teilweise wird dies in der obergerichtlichen Rechtsprechung mit dem Argument verneint, die Formulierung der AKB 2015 knüpfe nur an die Regelung in § 142 Abs. 1 StGB an (vgl. OLG Celle, Urteil vom 25.04.2019 – 8 U 210/18 –, juris Rn. 73; OLG Dresden, Urteil vom 27.11.2018 – 4 U 447/18 –, juris Rn. 10). Jedenfalls hat der Kläger auch gegen die sich aus § 142 Abs. 2 StGB ergebenden Pflichten nicht verstoßen.

(1) Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist eine nachträgliche Mitteilung dann noch unverzüglich im Sinne von § 142 Abs. 2 StGB, wenn sie noch den Zweck erfüllt, zugunsten des Geschädigten die zur Klärung der zivilrechtlichen Verantwortlichkeit notwendigen Feststellungen treffen zu können. Weiteres Zögern ist also vorwerfbar, wenn es geeignet ist, den Beweiswert dieser notwendigen Feststellungen zu beeinträchtigen. Das ist nach den Umständen des Einzelfalles zu beurteilen. Insoweit können Fahrtauglichkeit und Alkoholisierung von Bedeutung sein, müssen es aber nicht stets. So kann eine eindeutige Haftungslage auch unabhängig von der Fahrtauglichkeit des Unfallbeteiligten gegeben sein, etwa weil nur ein Sachschaden an einem stehenden Objekt (wie einem Baum) verursacht worden ist. Dann kann auch eine spätere Meldung noch dem Unverzüglichkeitsgebot genügen. Weitere Kriterien für die Bestimmung der Unverzüglichkeit sind Unfallzeitpunkt, Schadenhöhe und Erreichbarkeit des Berechtigten. Bei nächtlichen Unfällen mit eindeutiger Haftungslage kann die Unverzüglichkeit je nach Sachverhalt noch zu bejahen sein, wenn der Unfallbeteiligte die Feststellungen bis zum frühen Vormittag des darauf folgenden Tages ermöglicht hat. Dabei sind die Interessen des Versicherers durch die unmittelbar an ihn erfolgende Mitteilung mindestens ebenso gut gewahrt wie durch eine nachträgliche Benachrichtigung des Geschädigten (vgl. zum Ganzen BGH, Urteil vom 21.11.2012 – IV ZR 97/11 –, juris Rn. 22 und 24 m.w.N.; s.a. Senatsurteil vom 07.02.2002 – 12 U 223/01 –, juris Rn. 10).

(2) Ausgehend von diesen Maßstäben verletzte der Kläger nicht die Pflicht zur unverzüglichen nachträglichen Ermöglichung von Feststellungen. Er genügte dem Unverzüglichkeitsgebot. So ließ er noch am Morgen des 28.01.2019 gegen 08:30 Uhr durch seine Ehefrau die Polizei telefonisch über den Unfall informieren (vgl. § 142 Abs. 3 Satz 1 StGB). Dies war angesichts des wenige Stunden zurückliegenden Unfalls in der Nacht vom 27. auf den 28.01.2019 noch ausreichend. Eine Pflicht zur früheren Verständigung der Polizei noch in der Nacht bestand in dieser konkreten Konstellation nicht, auch weil die medizinische Versorgung des Klägers hier vorrangig war gegenüber dem Aufklärungsinteresse der Beklagten.

3. Nach A.2.9.2 der AKB hat die Beklagte in der Kaskoversicherung auf den Einwand der grob fahrlässigen Herbeiführung des Schadens (§ 81 Abs. 2 VVG) grundsätzlich verzichtet. Der Verzicht gilt zwar u.a. dann nicht, wenn der Versicherungsnehmer infolge Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage war, das Fahrzeug sicher zu führen. Insoweit fehlt es aber an einem Nachweis, weshalb die Beklagte sich im Prozess nicht auf eine Leistungskürzung nach § 81 Abs. 2 VVG beruft.

4. Der nach A.2.5.1.1 AKB bei einem Totalschaden zu ersetzenden Wiederbeschaffungswert (16.800,00 EUR) abzüglich des Restwertes (1.350,00 EUR) beläuft sich nach Abzug des Selbstbehaltes in Höhe von 300,00 EUR auf 15.150,00 EUR (vgl. das Gutachten Anl. K 2). Die darin enthaltene Umsatzsteuer ist dem nicht vorsteuerabzugsberechtigten Kläger gemäß A.2.5.4 AKB zu erstatten, weil sie bei dem Kauf eines Gebrauchtfahrzeugs zu einem höheren Kaufpreis von 18.701,00 EUR brutto angefallen ist (vgl. die Rechnung vom 13.02.2019, Anl. K 4).

5. Die Zinsentscheidung folgt hinsichtlich der Hauptforderung aus §§ 288 Abs. 1, 286 Abs. 1 Satz 2 BGB.

6. Der Kläger hat gegen die Beklagte außerdem einen Anspruch auf Freistellung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten gemäß §§ 280 Abs. 1 und 2, 286 Abs. 1 und 2 Nr. 3 BGB in Höhe von 958,19 EUR.

Die Beklagte befand sich mit der Erbringung der fälligen Geldleistung (vgl. § 14 Abs. 1 VVG) nach ernsthafter und endgültiger Verweigerung der Erbringung der Versicherungsleistung mit Schreiben vom 14.06.2019 in Verzug, als der Prozessbevollmächtigte des Klägers mit Schreiben vom 01.08.2019 erstmals tätig wurde und die Beklagte unter Fristsetzung zur Zahlung eines Betrags in Höhe von insgesamt 12.467,65 EUR aufforderte. Die geltend gemachte 1,3-fache Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2300 der Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 RVG aus einem berechtigten Gegenstandswert von bis zu 13.000,00 EUR beläuft sich auf 785,20 EUR (vgl. Anl. 2 zu § 13 Abs. 1 RVG). Zuzüglich einer Auslagenpauschale in Höhe von 20,00 EUR (vgl. Nr. 7001, 7002 der Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) und Umsatzsteuer in Höhe von 19 % vgl. Nr. 7008 der Anl. 1 zu § 2 Abs. 2 RVG) ergibt sich ein Gesamtbetrag in Höhe von 958,19 EUR.
III.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 91 Abs. 1 Satz 1 ZPO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf §§ 708 Nr. 11, 713 ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor. Weder hat die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung noch erfordert die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Revisionsgerichts (vgl. § 543 Abs. 2 Satz 1 ZPO).


Einsender:

Anmerkung:


zurück zur Übersicht

Die Nutzung von Burhoff-Online ist kostenlos. Der Betrieb der Homepage verursacht aber für Wartungs-, Verbesserungsarbeiten und Speicherplatz laufende Kosten.

Wenn Sie daher Burhoff-Online freundlicherweise durch einen kleinen Obolus unterstützen wollen, haben Sie hier eine "Spendenmöglichkeit".