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Entscheidungen

OWi

Entbindungsantrag, Begründung, Bescheidung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 09.09.2019 - IV 1 RBs 17/19

Leitsatz: Das Amtsgericht hat einem Entbindungsantrag des Betroffenen nach § 73 Abs. 2 OWiG zu entsprechen, wenn der Betroffene sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist.


IV-1 RBs 137/19

OBERLANDESGERICHT DÜSSELDORF
BESCHLUSS

In der Bußgeldsache
gegen pp.

wegen Ordnungswidrigkeit im Straßenverkehr
hat der 1. Senat für Bußgeldsachen durch die Richterin am Oberlandesgericht als Einzelrichterin (§ 80a Abs. 1 OWiG) nach Anhörung der Generalstaatsanwaltschaft am 9. September 2019 beschlossen:

1. Auf Antrag des Betroffenen wird die Rechtsbeschwerde gegen das Urteil des Amtsgerichts Düsseldorf vom 14. Februar 2019 zugelassen.
2. Das angefochtene Urteil wird mit den Feststellungen aufgehoben.
Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsbeschwerde, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts Düsseldorf zurückverwiesen.

Gründe:

Mit Bußgeldbescheid vom 31. Juli 2018 hat die Landeshauptstadt Düsseldorf gegen den Betroffenen wegen eines fahrlässigen Rotlichtverstoßes eine Geldbuße von 135 Euro festgesetzt. Den hiergegen gerichteten Einspruch des Betroffenen hat das Amtsgericht durch Urteil vom 14. Februar 2019 gemäß § 74 Abs. 2 OWiG mit der (formularmäßigen) Begründung verworfen, der von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen nicht entbundene Betroffene sei trotz ordnungsgemäßer Ladung ohne genügende Entschuldigung nicht erschienen. Dagegen wendet sich der Betroffene mit seiner auf die Rüge der Verletzung formellen Rechts gestützten Rechtsbeschwerde, deren Zulassung er beantragt. Er beanstandet die Versagung rechtlichen Gehörs und führt hierzu aus, das Amtsgericht habe die Begründung seines vor der Hauptverhandlung gestellten Antrags auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen nicht zur Kenntnis genommen, den Antrag deshalb unter Verstoß gegen § 73 Abs. 2 OWiG zu Unrecht abgelehnt und rechtsfehlerhaft die Voraussetzungen für den Erlass eines Verwerfungsurteils nach § 74 Abs. 2 OWiG angenommen.

Das Rechtsmittel hat Erfolg. Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil es geboten ist, das angefochtene Urteil wegen Versagung rechtlichen Gehörs aufzuheben (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG).

1. Die insoweit erhobene Verfahrensrüge genügt den Darlegungserfordernissen des § 80 Abs. 3 Satz 1 OWiG i.V.m. § 344 'Abs. 2 Satz 2 StPO, denn aus dem Vortrag des Betroffenen ergeben sich die Tatsachen, die den behaupteten Verfahrensmangel begründen. Er enthält insbesondere auch die von der Generalstaatsanwaltschaft vermissten Angaben zur konkreten Beweislage, denn er lässt hinreichend deutlich erkennen, dass der mit dem Bußgeldbescheid erhobene Vorwurf, der Betroffene habe am 29. Juni 2018 um 11:41 Uhr als Führer des PKW Daimler-Benz mit dem amtlichen Kennzeichen ppp. das Rotlicht der Lichtzeichenanlage Münchener Straße/ Südring Fahrtrichtung Merowingerstraße missachtet, auf der Anzeige des Polizeibeamten pp. beruht (BI. 8 der Antragsschrift), der zur Hauptverhandlung als Zeuge geladen worden ist (BI. 9 der Antragsschrift).

Im Übrigen trägt die Rechtsbeschwerde folgenden der geltend gemachten Gehörsrüge zugrunde liegenden Verfahrensgang vor:

Mit Schriftsatz vom 28. Januar 2019 beantragte der Betroffene durch seinen mit bereits seit dem 8. August 2018 aktenkundiger besonderer Vertretungsvollmacht ausgestatteten Verteidiger, ihn von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung vom 14. Februar 2019 zu entbinden und führte zur Begründung im Wesentlichen aus: „Der Betroffene räumt ein, das Fahrzeug zur Tatzeit geführt zu haben. Zudem steht die Fahrereigenschaft unzweifelhaft fest. Er wird in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben zur Sache machen. Die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung kann und wird nichts zur Sachverhaltsaufklärung beitragen." Mit Beschluss vom 29. Januar 2019 lehnte das Amtsgericht diesen Antrag mit folgender Begründung ab: „Die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung ist zur Aufklärung der Sach- und Rechtslage erforderlich. Es ist kein Vortrag ersichtlich, welcher eine persönliche Anhörung des Betroffenen entbehrlich machen könnte. Weder ist die Fahrereigenschaft eingeräumt noch gibt es Vortrag zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen." Zur Hauptverhandlung am 14. Februar 2019 erschien weder der Betroffene noch sein Verteidiger. Das Amtsgericht verwarf daraufhin den Einspruch des Betroffenen durch Urteil gemäß § 74 Abs. 2 OWiG.

Mit diesem Vorbringen ist die erhobene Verfahrensrüge in zulässiger Weise ausgeführt.

2. Die Rüge führt auch in der Sache zum Erfolg, weil die Verfahrensweise des Amtsgerichts den Betroffenen in seinem Anspruch auf rechtliches Gehör verletzt.

a) Das Amtsgericht hätte dem Entbindungsantrag des Betroffenen nach § 73 Abs. 2 OWiG stattgeben müssen. Nach dieser Bestimmung entbindet das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung, wenn er sich zur Sache geäußert oder erklärt hat, dass er sich in der Hauptverhandlung nicht zur Sache äußern werde, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhalts nicht erforderlich ist. Die Entscheidung über den Entbindungsantrag ist dabei nicht in das Ermessen des Gerichts gestellt, vielmehr ist es verpflichtet, dem Entbindungsantrag zu entsprechen, wenn die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen (ständige obergerichtliche Rechtsprechung, vgl. etwa OLG Hamm, Beschluss 2 Ss OWi 348/06 vom 16. August 2006; OLG Rostock, Beschluss I Ws 447/07 vom 19. Dezember 2007; OLG Bamberg, Beschluss 3 Ss OWi 1092/12 vom 29. August 2012 jeweils mit zahlreichen weiteren Nachweisen ; vgl. auch Göhler, OWiG, 17. Aufl. 2017, § 73 Rn. 5 mwN).

Dieser Verpflichtung ist das Amtsgericht hier rechtsfehlerhaft nicht nachgekommen. Die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG lagen vor, denn der der Betroffene hatte durch Schriftsatz seines vertretungsbevollmächtigten Verteidigers einen entsprechenden Antrag gestellt, seine Fahrereigenschaft eingeräumt und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass er in der Hauptverhandlung keine weiteren Angaben zur Sache machen werde. Für weitere Feststellungen zur Tat war die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung nicht erforderlich. Zum einen bedurfte es nach Einräumen der Fahrereigenschaft keiner Gegenüberstellung mit dem Zeugen pp. Zum anderen bestand auch kein Anlass, die persönlichen Verhältnisse des Betroffenen näher aufzuklären. Denn dem Betroffenen wird mit dem Bußgeldbescheid lediglich ein „einfacher" Rotlichtverstoß zur Last gelegt, der nach Lfd. Nr. 132 BKatV mit einer Regelgeldbuße von 90 € - ohne Fahrverbot - bedroht und von der Verwaltungsbehörde unter Berücksichtigung von Voreintragungen mit einer Geldbuße von 135 € geahndet worden ist. Bei derartig geringfügigen, eine Obergrenze von 250 € nicht überschreitenden Geldbußen ist eine Prüfung der wirtschaftlichen Verhältnisse des Betroffenen in der Regel entbehrlich (vgl. Göhler, aaO, § 17 Rn. 24 mwN).

b) Da das Amtsgericht dem Entpflichtungsantrag des Betroffenen hätte stattgeben müssen, lagen die Voraussetzungen für den Erlass eines Verwerfungsurteils nach § 74 Abs.2 OWiG nicht vor.

c) Die rechtsfehlerhafte Anwendung der § 73 Abs. 2, § 74 Abs. 2 OWiG stellt sich jedenfalls in der hier zur Rede stehenden Fallkonstellation nicht nur als Verletzung einfachen Verfahrensrechts, sondern zugleich auch als Verletzung rechtlichen Gehörs im Sinne des Art. 103 Abs. 1 GG dar. Das Gebot rechtlichen Gehörs im Sinne von Art. 103 Abs. 1 GG soll sicherstellen, dass die erlassene Entscheidung frei von Verfahrensfehlern ergeht, welche ihren Grund in unterlassener Kenntnisnahme und Nichtberücksichtigung des Sachvortrags der Parteien haben. Hier hat das Amtsgericht jedoch — wie die Begründung des Beschlusses zeigt — bei der Entscheidung über die Frage der Entbindung offensichtlich das Vorbringen des Betroffenen zur Antragsbegründung vollständig außer Acht gelassen. Denn es geht trotz der ausdrücklich und unmissverständlich anders lautenden Erklärung des Betroffenen davon aus, dieser habe seine Fahrereigenschaft nicht eingeräumt, und sieht auch sonst keinen Vortrag, der eine persönliche Anhörung des Betroffenen entbehrlich machen könnte, obwohl der Betroffene durch seinen Verteidiger mitgeteilt hat, dass er weitere Angaben zur Sache nicht machen werde. Dieser Gehörsverstoß war ursächlich sowohl für die Ablehnung des Entpflichtungsantrags als auch für den Erlass des Verwerfungsurteils.

Aufgrund der offensichtlich unvertretbaren Entscheidung über seinen Entpflichtungsantrag war der Betroffene auch nicht dazu gehalten, die Verwerfung seines Einspruchs durch sein Erscheinen zur Hauptverhandlung abzuwenden, selbst wenn ihm der Beschluss des Amtsgerichts vom 29. Januar 2019 vorher noch rechtzeitig zur Kenntnis gelangt sein sollte.


Einsender: RA P. Leichthammer, Frankfurt

Anmerkung:


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