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Entscheidungen

StPO

Durchsuchung bei einem Dritten, Ergreifung, Vollstreckungshaftbefehl

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Brandenburg, Beschl. v. 21.01.2019 - 2 VAs 7/18

Leitsatz: Auch wenn der durch den Rechtspfleger zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe erlassene Haftbefehl (§ 457 Abs. 2 StPO) es im Hinblick auf die zu Grunde liegende Verurteilung gestattet, auch ohne eine gesonderte richterliche Durchsuchungsanordnung zu Ergreifung des Täters dessen Wohnung zu durchsuchen, gilt dies nicht für Durchsuchungen bei Dritten.


2 VAs 7/18
Brandenburgisches Oberlandesgericht

Beschluss

In der Justizverwaltungssache
der pp.
vertreten durch die gerichtlich bestellte Betreuerin
Antragstellerin,
Verfahrensbevollmächtigter:

gegen das Polizeipräsidium pp.

Antragsgegner,

hat der 2. Strafsenat des Brandenburgischen Oberlandesgerichts durch die Vorsitzende Richterin am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Oberlandesgericht am 21. Januar 2019 beschlossen:

Es wird festgestellt, dass die polizeiliche Durchsuchung der Wohnung der Antragstellerin vom 3. Oktober 2017 zur Auffindung des Verurteilten rechtswidrig war.

Die Kosten und die in dem Verfahren entstandenen notwendigen Auslagen der Antragstellerin fallen der Staatskasse zur Last.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen. Der Geschäftswert wird auf 2.000 € festgesetzt.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin ist Inhaberin einer Wohnung unter der Anschrift pp.

Gegen ihren Bruder hat das Amtsgericht Bad Liebenwerda — Rechtspflegerin — am 26. Juli 2017 einen Vollstreckungshaftbefehl erlassen (32 VRJs 5/17), nachdem sich dieser trotz entsprechender Ladung zum Antritt der gegen ihn verhängten Einheitsjugendstrafe von einem Jahr und drei Monaten aus dem Urteil des Amtsgerichts Bad Liebenwerda vom 16. Juli 2015 (32 Ls 1/14) nicht gestellt hat.

Am 3. Oktober 2017 gegen 8:00 Uhr durchsuchten Polizeibeamte zum Vollzug des Haftbefehls die Wohnung der Antragstellerin. Der Verurteilte wurde dabei nicht angetroffen.

Die Antragstellerin hat gegen den Antragsgegner beim Verwaltungsgericht Cottbus Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit der durchgeführten polizeilichen Maßnahme erhoben. Das Verwaltungsgericht Cottbus hat durch Beschluss vom 20. September 2018 den Verwaltungsrechtsweg für unzulässig erklärt und die Sache unter Verweis auf § 23 Abs. 1 Satz 1 EGGVG an das Brandenburgische Oberlandesgericht verwiesen.

Die Generalstaatsanwaltschaft des Landes Brandenburg beantragt, den Antrag auf gerichtliche Entscheidung mangels erforderlichen Feststellungsinteresses als unzulässig zu verwerfen.

II.

1. Der Antrag auf gerichtliche Entscheidung ist zulässig.

Dabei kann offen bleiben, ob hinsichtlich der angegriffenen Wohnungsdurchsuchung analog § 98 Abs. 2 Satz 2 StPO ein Antrag auf gerichtliche Entscheidung beim zuständigen Amtsgericht statthaft und damit vorrangig wäre (vgl. hierzu Karlsruher Kommentar/Griesbaum, StPO 6. Aufl. § 163 Rn. 35), denn der Rechtsweg nach den §§ 23ff. EGGVG ist aufgrund der insoweit bindenden Verweisungsentscheidung des Verwaltungsgerichts gegeben (§ 17 Abs. 2 Satz 3 GVG).

Entgegen der von der Generalstaatsanwaltschaft vertretenen Auffassung fehlt es auch nicht an dem erforderlichen Feststellungsinteresse (§ 28 Abs. 1 Satz 4 EGGVG). Die Antragstellerin macht mit der Beanstandung der Wohnungsdurchsuchung einen Grundrechtseingriff geltend (Art. 13 Abs. 1 GG), hinsichtlich dessen eine Wiederholungsgefahr gegeben ist, denn der Verurteilte ist nach Inhaftierung und Vollstreckung eines Teils seiner Strafe durch Beschluss des Landgerichts Frankfurt (Oder) vom 16. April 2018 (26 StVK 28/18) gegen Auflagen und Weisungen zur Bewährung aus der Haft entlassen worden, so dass sich eine vergleichbare, womöglich erneut zu einer Wohnungsdurchsuchung bei der Antragstellerin führende Situation ergeben könnte.

2. Der Antrag hat auch in der Sache Erfolg.

Die ohne ihre Einwilligung oder richterliche Anordnung vollzogene Durchsuchung der Wohnung der Antragstellerin war rechtswidrig.

Der Vollstreckungshaftbefehl gegen den Verurteilten stellte hierfür keine ausreichende richterliche Anordnung im Sinne von § 105 Abs. 1 Satz 1, § 103 StPO dar. Auch wenn der durch den Rechtspfleger zur Vollstreckung einer Freiheitsstrafe erlassene Haftbefehl (§ 457 Abs. 2 StPO) es im Hinblick auf die zu Grunde liegende Verurteilung gestattet, auch ohne eine gesonderte richterliche Durchsuchungsanordnung zu Ergreifung des Täters dessen Wohnung zu durchsuchen (vgl. OLG Düsseldorf MW 1981, 2133, 2134), gilt dies nicht für Durchsuchungen bei Dritten: Entsprechende Haftbefehle bzw. Verurteilungen umfassen nicht auch die Anordnung der Durchsuchung fremder Wohnungen (VerfGH Berlin, Beschl. vorn 13. November 2013 — 24/11, zitiert nach Juris; Karlsruher Kommentar/Bruns, StPO 7. Aufl. § 105 Rn. 6). So verhält es sich hier. Der Verurteilte war nicht Inhaber oder Bewohner der durchsuchten Räumlichkeiten. Dass er sich bei der Antragstellerin zeitweise aufgehalten hat und dort auch regelmäßig übernachtet haben soll, ändert daran nichts.

Die Antragstellerin hat auch nicht in die Durchsuchung ausdrücklich eingewilligt bzw. wirksam auf die Ausübung ihres Grundrechts aus Art. 13 GG verzichtet. Dass sie die Maßnahme letztlich ohne Widerstand geduldet hat, genügt insoweit nicht (vgl. Gercke/Julius/Temming/Zöller, StPO 6. Aufl. § 105 Rn. 4ff.). Es lag ersichtlich auch keine Gefahr im Verzug vor (§ 105 Abs. 1 Satz 2 StPO).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 30 Abs. 2 Satz 1 EGGVG, die Entscheidung über die Festsetzung des Gegenstandswertes auf § 36 Abs. 2 GNotKG.


Einsender: RA A. Kuntzsch, Finsterwalde

Anmerkung:


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