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Entscheidungen

StGB/Nebengebiete

Sexuelle Belästigung, Ungehörigkeit, Abgrenzung

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Hamm, Beschl. v. 31.01.2019 - 4 RVs 1/19

Leitsatz: Zur Abgrenzung zwischen sexueller Belästigung und bloßen Ungehörigkeiten.


In pp.

Das angefochtene Urteil wird - jeweils mit den zu Grunde liegenden Feststellungen -

a) im Schuld- und Einzelstrafausspruch, soweit der Angeklagte wegen sexueller Belästigung in Tateinheit mit Beleidigung verurteilt worden ist,
sowie
b) im Gesamtstrafenausspruch
aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.

Gründe:

I.

Auf die Berufungen des Angeklagten gegen die Urteile des Amtsgerichts Detmold vom 10.11.2017 und 06.07.2018 hat das Landgericht Detmold die Ausgangsverfahren zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden und den Angeklagten - unter Verwerfung der Berufung im Übrigen - wegen Bedrohung und wegen sexueller Belästigung in Tateinheit mit Beleidigung zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von acht Monaten kostenpflichtig verurteilt (Einzelstrafen: Bedrohung: vier Monate Freiheitsstrafe; sexuelle Belästigung in Tateinheit mit Beleidigung: sechs Monate Freiheitsstrafe). Hinsichtlich der Verurteilung wegen Bedrohung hatte der Angeklagte seine Berufung bereits vor der Berufungshauptverhandlung auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Nach den Feststellungen des Landgerichts ist der aus T stammende Angeklagte im Jahre 2015 illegal nach Deutschland eingereist, lebt von Sozialleistungen und spricht häufig - aus Langeweile - dem Alkohol zu, ohne dass eine Alkoholabhängigkeit besteht. Wegen zahlreicher Straftaten (darunter auch Widerstandshandlungen gegen Vollstreckungsbeamte und Körperverletzungen) wurde er im Jahre 2017 zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zehn Monaten und zu einer weiteren Freiheitsstrafe von sechs Monaten verurteilt. Die Vollstreckung beider Freiheitsstrafen wurde zur Bewährung ausgesetzt.

Zum Tatgeschehen bzgl. der Verurteilung wegen sexueller Belästigung in Tateinheit mit Beleidigung hat das Landgericht folgende Feststellungen getroffen:

„Am 14.01.2018, einem Samstagabend, hatte der Angeklagte mit „Kumpels“ in C in erheblichem Umfang Alkohol getrunken. Er war angetrunken, aber nicht vollständig betrunken. Die Alkoholisierung des Angeklagten war an seinem schwankenden Gang deutlich erkennbar und der Geruch von Alkohol war wahrnehmbar. Der Angeklagte beschloss, den letzten Zug nach M zu nehmen und stieg gegen Mitternacht am Hauptbahnhof in C in den Zug. Bereits zu diesem Zeitpunkt hatte der Angeklagte eine blutende Nase und blutige Hände. Woher dieses Blut herrührte, konnte in der Hauptverhandlung nicht aufgeklärt werden. Direkt vor ihm bestieg die Zeugin H den Zug. Der Angeklagte fand die junge Frau attraktiv und fasste sie an beiden Seiten an den Hüften. Der Zeugin H missfiel der Annäherungsversuch des Angeklagten. Sie drehte sich zu ihm um und schaute den Angeklagten böse an. Berühren mochte sie ihn ob seiner blutverschmierten Hände nicht. Der Angeklagte ließ daraufhin von der Zeugin zunächst ab und legte sich auf mehrere Klappsessel. Das Abteil war zu dieser Zeit nur wenig bevölkert. Neben der Zeugin H saßen sich in einer gegenüberliegenden Sitzgruppe für jeweils vier Personen die Schwestern B und G I gegenüber, die von C nach Hause fahren wollten. Etwas weiter entfernt saß der Zeuge N L und eine weitere männliche Person. Nach einiger Zeit stand der Angeklagte von den Klappsesseln auf und ging zu den Schwestern I in die Vierersitzgruppe. Die Schwestern, die sich zunächst gegenüber gesessen hatten, setzten sich nebeneinander. Der Angeklagte setzte sich ihnen direkt gegenüber und versuchte zunächst in einem Sprachgemisch aus Englisch und Deutsch mit den beiden jungen Frauen ein Gespräch anzufangen, indem er sie zu verschiedenen Dingen ausfragte. Die Zeuginnen I empfanden den Angeklagten als aufdringlich. Sie wollten sich nicht mit ihm unterhalten und baten ihn freundlich, doch einen anderen Platz zu wählen, weil sie gerne ihre Privatsphäre hätten. Dies interessierte den Angeklagten indes nicht. Er duldete von Frauen keinen Widerspruch. Daher sprang er unvermittelt auf und fragte die Frauen wild gestikulierend, wo ihr Problem sei. Dabei wurde er immer lauter und stieß fortlaufende Beleidigungen gegen die Zeuginnen I aus. U.a. titulierte er sie als „Schlampe“ und „Bitch“. Die Zeuginnen fürchteten sich vor dem Angeklagten. Dieser schrie sie an, dass sie den Mund halten und Respekt vor ihm haben sollten, wobei er ihnen auch körperlich näher kam und mit seinen Händen wild vor ihren Gesichtern gestikulierte. Als die Zeuginnen erklärten, den Schaffner holen zu wollen, ließ er zunächst von ihnen aber und wandte sich der Zeugin H zu, die allein auf der gegenüberliegenden Vierersitzgruppe saß. Der Angeklagte setzte sich eng neben die Zeugin H, legte ihr bewusst gegen ihren Willen tätschelnd die Hand auf das bekleidete Knie, ließ sie dort liegen und erklärte, so dass es im ganzen Abteil zu hören war, dass die Zeugin H seine Frau sei. Die Zeugin H ekelte sich vor der Berührung des Angeklagten. Sie bedeutete ihm, dass sie keineswegs seine Frau oder Freundin sei und dass er die Hand von ihrem Knie nehmen solle.

Wegschieben mochte sie die Hand aufgrund des daran anhaftenden Blutes nicht. Auch befürchtete sie, dass sie den Zorn des Angeklagten auf sich ziehen würde, wenn sie sich heftiger wehren würde. Aufgrund der Lautstärke, mit der der Angeklagte auf die drei Frauen einschrie, war der Zeuge L aufmerksam geworden, der heran kam und die Frauen fragte, ob sie Hilfe bräuchten. Nunmehr nahm der Angeklagte die Hand von dem Knie der Zeugin H, wandte sich dem Zeugen L zu und fragte, wer er denn wäre, er solle nach Hause gehen.

Gemeinsam mit dem Zeugen L wechselten die Zeuginnen I und die Zeugin H daraufhin das Abteil. Sie waren froh, nicht mehr allein mit dem Angeklagten zu sein. Der Angeklagte folgte ihnen jedoch und fing wieder an, die Frauen zu beleidigen. Sie sollten den Mund halten. Gegenüber dem Zeugen L erklärte der Angeklagte, dass er ihn hasse und ihn schlagen werde. Dabei ging er drohend auf den Zeugen L los, der ihm seinerseits einen Schlag versetzte und ihn fixierte. Als der Zug kurz darauf den Bahnhof von M erreichte, versucht der Angeklagte zu fliehen, was dazu führte, dass er gemeinsam mit dem Zeugen aus dem Zug fiel. Auf dem Bahnsteig wurde der Angeklagte, der durch den Sturz verletzt wurde, von der Polizei in Empfang genommen.“

Gegen das Urteil wendet sich der Angeklagte mit der Revision. Er rügt die Verletzung materiellen Rechts in allgemeiner Form. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das Rechtsmittel als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.

Die zulässige Revision des Angeklagten hat auf die Sachrüge hin teilweise Erfolg und führt in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold (§§ 349 Abs. 4, 354 Abs. 2 StPO). Im Übrigen ist sie offensichtlich unbegründet i.S.v. § 349 Abs. 2 StPO.

Nur soweit das Landgericht den Angeklagten wegen sexueller Belästigung für schuldig befunden hat, weist das Urteil durchgreifende Rechtsfehler zu Lasten des Angeklagten auf. Im Übrigen ist es frei von solchen Rechtsfehlern.

Zu Unrecht geht das Landgericht auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen davon aus, dass der Angeklagte die Zeugin H durch das Tätscheln des bekleideten Knies und des Liegenlassens der Hand in „sexuell bestimmter Weise“ körperlich berührt habe (§ 184i Abs. 1 StGB). Das Landgericht führt - im Ausgangspunkt zwar zutreffend - dazu aus, dass eine Berührung sowohl objektiv - nach dem äußeren Erscheinungsbild - als auch subjektiv - nach den Umständen des Einzelfalls - sexuell bestimmt sein könne. Die sexuelle Bestimmung der Berührung zeige sich vorliegend daran, dass die Zeugin zuvor das sexuelle Interesse des Angeklagten erregt habe, was daran erkennbar geworden sei, dass er sie zuvor bereits „im Bereich des Hinterteils“ angefasst habe. Dadurch, dass er sich eng neben die Zeugin gesetzt und ihr Knie getätschelt habe und durch die Bezeichnung der Zeugin als seine „Frau“, was das Landgericht mit der Bezeichnung als „Sexualpartnerin“ gleichsetzt, sei für einen unbefangenen Betrachter die Berührung des Knies in einem sexuellen Kontext gemeint gewesen.

1. Dies hält rechtlicher Überprüfung nicht stand. Dass die Zeugin bereits unmittelbar nach dem Zusteigen des Angeklagten das sexuelle Interesse des Angeklagten erregt hatte, wovon das Landgericht in seiner rechtlichen Würdigung ausgeht, ist in der Beweiswürdigung nicht belegt. Der Angeklagte hat sich nach den Urteilsgründen nicht in einer solchen Weise eingelassen. Soweit das Landgericht dies möglicherweise aus objektiven Umständen schließen will, geht es von einem Geschehensablauf aus, der den Feststellungen zum Tatgeschehen widerspricht, wenn es möglicherweise darauf abstellen will, dass der Angeklagte die Zeugin bereits zuvor „im Bereich des Hinterteils“ berührt habe. Nach den Feststellungen zum Tatgeschehen hatte der Angeklagte die Zeugin hingegen „an beiden Seiten an den Hüften“ angefasst. Selbst wenn man die Hüften noch als im „Bereich des Hinterteils“ liegend ansehen wollte, wäre fraglich, ob allein daraus geschlossen werden kann, dass die Berührung Ausdruck des sexuellen Interesses war. Im Rahmen der Beweiswürdigung wird dazu ausgeführt, dass der alkoholisierte Angeklagte bereits beim Einsteigen in den Zug getorkelt habe und die Zeugin H ihn bei der Erstberührung einfach für betrunken gehalten habe (UA S. 6). Insoweit setzt sich das Landgericht nicht mit der Möglichkeit auseinander, dass der Angeklagte sich lediglich festhalten wollte. Die Beweiswürdigung ist daher lückenhaft. Als eigenständige Berührung „in sexuell bestimmter Weise“ hat das Landgericht dieses erste Geschehen offenbar selbst nicht gewertet.

2. Auf der Grundlage der bisher getroffenen Feststellungen ist die Berührung des Knies der Zeugin durch den Angeklagten auch keine Berührung in sexuell bestimmter Weise. Eine nähere Definition dieses Begriffs enthält das Gesetz nicht. Der Gesetzgeber wollte aber durch Schaffung des § 184i StGB erreichen, dass auch Handlungen, die unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 184h StGB liegen, bestraft werden können. Er hatte dabei Handlungen, wie zum Beispiel den flüchtigen Griff an die Genitalien einer bekleideten Person sowie das Berühren im Vaginalbereich über der Kleidung, ferner auch das Küssen des Nackens, der Haare und des Kopfes der von hinten umfassten Geschädigten sowie das feste Drücken der behandschuhten Hand der Geschädigten auf das Geschlechtsteil des Täters im Blick (BT-Drs. 18/9097 S. 29 f.). Als typische Fälle schwebten ihm das Küssen des Mundes oder des Halses oder das „Begrapschen“ des Gesäßes als Tathandlungen vor, während bloße Ärgernisse, Ungehörigkeiten oder Distanzlosigkeiten wie das einfache „In-den-Arm-Nehmen“ oder der schlichte Kuss auf die Wange nicht ohne Weiteres dazu geeignet sein sollten, die sexuelle Selbstbestimmung zu beeinträchtigen (BT-Drs. 18/9097 S. 30). Für den vorliegenden Fall lässt sich zunächst einmal festhalten, dass die Tathandlung jedenfalls nicht zu den Fallgestaltungen zählt, welche dem Gesetzgeber vorschwebten. Sie ist auch - gemessen an dem mit einer bestimmten körperlichen Berührung vorausgesetzten Grad der Intimität - nicht vergleichbar mit den o.g. Berührungen an Sexualorganen oder dem Gesäß bzw. mit dem Küssen.

Allerdings können auch ambivalente Berührungen den Straftatbestand des § 184i StGB erfüllen. Nach der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs kommt es - anders als nach der Vorstellung des Gesetzgebers (vgl. BT-Drs. 18/9097 S. 30: „Die körperliche Berührung erfolgt in sexuell bestimmter Weise, wenn sie sexuell motiviert ist“) - nicht allein auf die Motivation des Täters an. Eine Berührung in sexuell bestimmter Weise ist nach seiner Rechtsprechung - was auch das Landgericht zutreffend erkennt - zu bejahen, wenn sie einen Sexualbezug bereits objektiv, also allein gemessen an dem äußeren Erscheinungsbild, erkennen lässt. Darüber hinaus können auch ambivalente Berührungen, die für sich betrachtet nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter aufweisen, tatbestandsmäßig sein. Dabei ist auf das Urteil eines objektiven Betrachters abzustellen, der alle Umstände des Einzelfalles kennt; hierbei ist auch zu berücksichtigen, ob der Täter von sexuellen Absichten geleitet war (BGH, Beschluss vom 13. März 2018 - 4 StR 570/17 -, BGHSt 63, 98-107, Rn. 35; vgl. auch Drohsel NJOZ 2018, 1521, 1524). Grundsätzlich können daher auch das Streicheln von Armen und Beinen tatbestandsmäßig sein (Renzikowski in MK-StGB, 3. Aufl., § 184i Rdn. 8). Jedoch muss bei der Auslegung der Begrifflichkeiten des § 184i Abs. 1 StGB dafür Sorge getragen werden, dass die in ihnen tendenziell angelegte Unbestimmtheit nicht zu einem Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot führt (vgl. Ziegler in: BeckOK-StGB, 40. Ed., § 184i Rdn. 6). Deswegen muss die Intensität der Handlung nach Auffassung des Senats wenigstens annähernd mit den Handlungen vergleichbar sein, welche der Gesetzgeber bei Schaffung des Straftatbestands als strafwürdiges Unrecht und nicht als bloße Ungehörigkeiten etc. vor Augen hatte (s.o.). Nicht jede körperliche Berührung, bei der ein sexueller Zusammenhang nicht völlig ausgeschlossen werden kann, erfüllt bereits den Straftatbestand des § 184i StGB.

Auch daran gemessen, reichen die getroffenen Feststellungen nicht aus, um die Berührung des bekleideten Knies der Zeugin durch den Angeklagten als sexuell bestimmt anzusehen. Die Berührung des bekleideten Knies weist nicht ohne Weiteres einen sexuellen Charakter auf. Es handelt sich um eine ambivalente Handlung. Wie bereits dargelegt, ist der Intimitätsgrad einer solchen Berührung grundsätzlich deutlich entfernt von den anderen o.g. Beispielen, wobei hier allerdings auch die Art der Bekleidung und der Umfang der körperlichen Nähe, welche sie zulässt, eine Rolle spielt. So kann es im Einzelfall von Bedeutung sein, ob es sich um eine dicke Winterbekleidung oder etwa nur eine dünne Strumpfhose gehandelt hat. Über die konkrete Art der Bekleidung teilt das angefochtene Urteil indes nichts mit.

Zudem kann gerade im vorliegenden Fall die Berührung des Knies in Zusammenhang mit der Bezeichnung der Zeugin als „meine Frau“ unter Berücksichtigung der Herkunft des Angeklagten und angesichts seines geringen Bildungsgrads durchaus auch als Ausdruck eines patriarchalischen Macht- und Besitzanspruchs seiner Herkunftsverhältnisse sein. Dafür könnte auch sein Verhalten gegenüber den Zeuginnen I sprechen, welchen er „Respekt“ abverlangte. Mag ein solcher Macht- und Besitzanspruch auch beinhalten, dass generell die Frau dem Mann sexuell zur Verfügung zu stehen hat, so bedeutet dies doch nicht, dass die konkrete Berührung bereits sexuell bestimmt war.

Selbst wenn der Angeklagte die Vorstellung gehabt habe, die Geschädigte könne seine Sexualpartnerin (zukünftig) werden (was in tatsächlicher Hinsicht nicht hinreichend belegt ist, s.o.), so begründet dies für sich genommen noch nicht die sexuelle Bestimmung der hier relevanten Berührung. Nach der dargestellten Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist der Umstand, dass der Täter von sexuellen Absichten geleitet war, nur einer unter verschiedenen in Betracht kommenden zu berücksichtigenden Umständen. Allein diese Motivation für eine sexuelle Bestimmung der Berührung ausreichen zu lassen, würde bei einer Handlung wie der vorliegenden der oben dargestellten gesetzgeberischen Intention, bloße Ungehörigkeiten, Ärgernisse oder Distanzlosigkeiten nicht zu pönalisieren, zuwiderlaufen (vgl. insoweit auch: Hörnle NStZ 2017, 13, 20). Anders könnte es nach Auffassung des Senats etwa dann sein, wenn die Berührung des bekleideten Knies sich als Beginn eines beabsichtigten näheren körperlichen Kontaktes, der unmittelbar in sexuelle Handlungen münden sollte („Fummelei“), darstellen würde. Das wäre zum Beispiel der Fall, wenn der Angeklagte sodann weiter - etwa unterhalb eines Rocks - in die Nähe des Schambereichs der Zeugin hätte vordringen wollen. Ähnlich könnte es sich verhalten, wenn das Knie nur wenig bekleidet war (etwa nur durch eine dünne Strumpfhose) und insoweit ein nahezu direkter Körperkontakt hergestellt wurde, der auch im Hinblick auf seine Dauer eine gewisse Intimität aufwies. Nähere Feststellungen zur Art der Bekleidung enthält das angefochtene Urteil indes nicht.

Dass die Zeugin sich sexuell bedrängt fühlte, ist für die Frage, ob die Berührung sexuell bestimmt war, nicht entscheidend. Dass sich ein Opfer durch die Berührung belästigt fühlen muss, ist ein eigenständiges weiteres Tatbestandsmerkmal des § 184i Abs. 1 StGB - neben der sexuellen Bestimmung der Berührung.

Da weitere Feststellungen (Art der Bekleidung der Zeugin, nähere Umstände der Berührung des Knies bzw. der vorangegangenen Berührung beim Einsteigen in den Zug etc.) möglich sind, war das angefochtene Urteil insoweit aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen. Der neue Tatrichter wird auch zu erwägen haben, ob der der Angeklagte nicht schlicht auf Streit aus war. Dafür könnte neben seinem angetrunkenen und bereits lädierten Zustand sprechen, dass er auch gegenüber den Zeuginnen I und dem Zeugen L aggressiv wurde.

3. Die auf der Grundlage der bisherigen Feststellungen rechtsfehlerhafte Annahme einer sexuellen Belästigung bedingt auch die Aufhebung der für sich gesehen rechtlich nicht zu beanstandenden Verurteilung wegen tateinheitlich begangener Beleidigung (vgl. BGHR StPO § 353 Aufhebung 1; BGH, Beschluss vom 26.10.2006 - 4 StR 345/06 = BeckRS 2006, 14315), des zugehörigen Einzelstrafausspruchs sowie des Gesamtstrafenausspruchs. Im Hinblick auf die vom Landgericht vorgenommene Strafrahmenbestimmung weist der Senat in diesem Zusammenhang darauf hin, dass nur die tätliche Beleidigung mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren, die einfache Beleidigung hingegen mit einer solchen bis zu einem Jahr bedroht ist.

Nicht zu erinnern ist hingegen gegen die Bemessung der Strafe für die von dem Angeklagten begangene Bedrohung sowie gegen die Erwägungen, mit denen das Landgericht seine Unterbringung nach § 64 StGB abgelehnt hat.


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