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Entscheidungen

StPO

Beweisanträge, außerhalb der Hauptverhandlung gestellt, Aufklärungsrüge

Gericht / Entscheidungsdatum: KG, Beschl. v. 12.09.2018 – (2) 161 Ss 141/18 (40/18)

Leitsatz: 1. Über außerhalb der Hauptverhandlung gestellte Beweisanträge hat der Tatrichter im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht zu entscheiden und ist nicht auf die in § 244 Abs. 3, 4 und 5 StPO normierten Ablehnungsgründe beschränkt.
2. Die Nichterhebung eines außerhalb der Hauptverhandlung beantragten Beweises kann nur mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden.


2) 161 Ss 141/18 (40/18)

In der Strafsache
gegen pp.

wegen Körperverletzung

hat der 2. Strafsenat des Kammergerichts in Berlin am 12. September 2018 beschlossen:

Dem Angeklagten wird Wiedereinsetzung in die Frist zur Begründung der Revision gegen das Urteil des Landgerichts Berlin vom 17. April 2018 gewährt.

Der Beschluss des Landgerichts Berlin vom 13. Juli 2018 ist gegenstandslos.

Die Revision des Angeklagten gegen das vorbenannte Urteil wird nach § 349 Abs. 2 StPO verworfen.

Der Angeklagte hat die Kosten der Wiedereinsetzung und seines Rechtsmittels zu tragen (§ 473 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 7 StPO).

Ergänzend zur Stellungnahme der Generalstaatsanwaltschaft merkt der Senat – unter Berücksichtigung der Gegenerklärung des Revisionsführers vom 11. September 2018 – Folgendes an:

1. Die von der Revision erhobene Verfahrensrüge genügt nicht der gebotenen Form. Nach § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO sind bei Erhebung der Verfahrensrüge die den geltend gemachten Verstoß begründenden Tatsachen anzugeben. Sie müssen ohne Bezugnahmen und Verweisungen so umfassend und vollständig mitgeteilt werden, dass das Revisionsgericht allein aufgrund dieser Angaben prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen der Revision zutrifft (vgl. BGH, Beschluss vom 7. April 2016 – 1 StR 579/15 –, juris; KG Berlin, Beschluss vom 12. Juli 2017 – 3 Ws (B) 166/17 –, juris; Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 61. Aufl. § 344 Rdn. 21, mwN).

Die Revision rügt einen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 und 6 StPO, obwohl – insoweit in der Gegenerklärung klargestellt – in der Hauptverhandlung am 17. April 2018 ein Beweisantrag nicht gestellt wurde. Dabei handelt es sich auch nicht – wie der Revisionsführer meint – um eine bloße Förmelei, weil der Zeuge zu den zuvor stattgefundenen Hauptverhandlungsterminen regelmäßig geladen worden war. Nur für Beweisanträge in der Hauptverhandlung sind Ablehnungsgründe abschließend normiert (§ 244 Abs. 3, 4 und 5 StPO) und hat eine Ablehnung durch Beschluss zu erfolgen (§ 244 Abs. 6 Satz 1 StPO). Bei der Behandlung von Beweisanträgen die vor der Hauptverhandlung gestellt wurden, ist der Tatrichter gerade nicht an § 244 Abs. 3 und 6 StPO gebunden, sondern kann im Rahmen seiner Amtsaufklärungspflicht entscheiden (vgl. Trüg/Habetha, Münchener Kommentar zur StPO, 1. Aufl. 2016, § 244 Rn. 93, Rn. 55). Diese verpflichtet ihn nur dann zur Erhebung des Beweises, wenn bekannte oder erkennbare Umstände vorliegen, die zur Erhebung des Beweises drängen (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 1952 – 3 StR 374/52 –, BGHSt 3, 169; Meyer-Goßner/Schmitt, aaO, § 244 Rn. 12 mwN). Zudem handelt es sich bei dem von der Revision vorgetragenen Begehren schon nicht um einen Beweisantrag, da er bereits eine dem Beweis zugängliche Tatsachenbehauptung vermissen lässt. Ob der Angeklagte sich „aggressiv“ verhalten und die Zeugin „verbal angegriffen“ hat, ist eine reine Wertungsfrage, die einem Beweis nicht zugänglich ist (vgl. BGHSt 37, 162).

Eine fehlerhafte Nichterhebung des beantragten Beweises könnte somit lediglich mit der Aufklärungsrüge beanstandet werden. Eine solche Verfahrensrüge ist vorliegend aber nicht erhoben worden. Die Revision rügt (nur) einen Verstoß gegen § 244 Abs. 3 und 6 StPO. Doch selbst wenn die Aufklärungsrüge in der Beweisantragsrüge mit angelegt wäre – wovon der Senat nicht ausgeht –, wäre sie erfolglos geblieben. Die Verfahrensrüge der Verletzung des § 244 Abs. 2 StPO wäre bereits nicht ordnungsgemäß unter Beachtung des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO ausgeführt und daher unzulässig. Es sind weder konkrete Tatsachen bezeichnet, die der Tatrichter unterlassen hat zu ermitteln (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt aaO, § 244 Rn. 102) noch ist vorgetragen, welche konkreten Umstände das Gericht zu weiteren Ermittlungen hätte drängen müssen (vgl. BGH NStZ 1999, 45 mwN; KG, Beschluss vom 16. Oktober 2017 – [5] 121 Ss 143/17 [65/17] –, juris).

2. Der gleichfalls erhobenen Sachrüge ist der Erfolg ebenso zu versagen. Die Beweiswürdigung ist Sache des Tatrichters. Dessen Überzeugung hat das Revisi-onsgericht selbst dann hinzunehmen, wenn eine andere Beurteilung näher gelegen oder überzeugender gewesen wäre (vgl. BGH, Urteil vom 24. März 2015 – 5 StR 521/14 –, NStZ-RR 2015, 178). Denn es obliegt dem Tatrichter, das Ergebnis der Hauptverhandlung festzustellen und zu würdigen. Seine Schlussfolgerungen brauchen nicht zwingend zu sein, es genügt, dass sie möglich sind (st. Rspr.; vgl. BGH, Urteil vom 12. Februar 2015 – 4 StR 420/14 –, NStZ-RR 2015, 148). Die revisionsgerichtliche Prüfung beschränkt sich darauf, ob dem Tatrichter Rechtsfehler unterlaufen sind. Dies ist in sachlich-rechtlicher Hinsicht der Fall, wenn die Beweiswürdigung widersprüchlich, unklar oder lückenhaft ist oder gegen Denkgesetze oder gesicherte Erfahrungssätze verstößt oder wenn an die zur Verurteilung erforderliche Gewissheit überspannte Anforderungen gestellt werden (st. Rspr.; vgl. nur BGH, Urteile vom 11. November 2015 – 1 StR 235/15 –, wistra 2016, 78; vom 1. Juli 2008 – 1 StR 654/07 – und vom 23. Juli 2008 – 2 StR 150/08 –, wistra 2008, 398).

Ein mit der Gegenerklärung vom 11. September 2018 behaupteter Widerspruch zwischen den Feststellungen und der Beweiswürdigung im Urteil ist nicht ersichtlich. Es liegt insbesondere kein Widerspruch darin, dass das Gericht zum einen davon ausging, der Zeuge habe sich eher ruhig und bedacht verhalten und sei um Deeskalation bemüht gewesen (UA S. 4) und zum anderen festgestellt hat, dass die Zeugin, nachdem der Streit begonnen hatte, beide (also auch den Zeugen) aufgefordert habe, das Lokal zu verlassen (UA S. 3). Denn ihr ging es nachvollziehbar darum, beide Personen (ohne Berücksichtigung der maßgeblichen Verantwortlichkeit des Angeklagten für die Auseinandersetzung) aus dem Lokal zu entfernen, um in den Streit nicht (weiter) einbezogen zu werden.

Die sorgfältige Darstellung des Tatrichters lässt auch im Übrigen Rechtsfehler nicht erkennen.


Einsender: RiKG K. P. Hanschke, Berlin

Anmerkung:


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