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Entscheidungen

OWi

Selbständige Verfallsanordnung, Anforderungen

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Koblenz, Beschl. v. 04.04.2017 - 2 Ss OWi 4 SsBs 82/16

Leitsatz: Zu den Anforderungen an eine selbständige Verfallsanordnung nach § 29a OWiG.


2 OWi 4 SsBs 82/16
Oberlandesgericht Koblenz
Beschluss
In dem Ordnungswidrigkeitenverfahren
gegen pp.
Verteidiger: R
wegen selbständiger Verfallsanordnung nach § 29 a OWiG
hier: Rechtsbeschwerde
hat der 2. Strafsenat - 2. Senat für Bußgeldsachen - des Oberlandesgerichts Koblenz durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht, den Richter am Oberlandesgericht und den Richter am Landgerichtam 4. April 2017 beschlossen:

Auf die Rechtsbeschwerde der Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Linz am Rhein vom 11. August 2016 aufgehoben.

Das Verfahren wird wegen eines Verfahrenshindernisses eingestellt.

Die Kosten des Verfahrens und die der Betroffenen entstandenen notwendigen Auslagen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:
I.
Mit Bescheid vom 2. März 2015 hat die Zentrale Bußgeldstelle des Polizeipräsidiums Rheinpfalz eine selbständige Verfallanordnung gegen die Betroffene als Drittbegünstigte getroffen und darin den Verfall eines Geldbetrages in Höhe von 36.841,- Euro festgesetzt.

Bei der GmbH beschäftigte Kraftfahrer standen im Verdacht, im Zeitraum von September und November 2014 als Fahrzeugführer mit Fahrzeugen, deren Halter die GmbH war, das zulässige Ge-samtgewicht in einer Vielzahl von Fällen überschritten zu haben. Während die zuständige Behörde von der Verfolgung der Fahrzeugführer absah, wurde gegen die Betroffene die zuvor genannte Verfallanordnung getroffen. Hiergegen hat die Betroffene wirksam Einspruch eingelegt.
Durch Urteil vom 11. August 2016 hat das Amtsgericht den Verfall von insgesamt 11.101,- Euro gegen die Betroffene angeordnet. Hiergegen richtet sich die mit der ausgeführten Sachrüge begründeten Rechtsbeschwerde.

II.
Das gemäß § 79 Abs. 1 Nr. 1 OWiG statthafte Rechtsmittel führt auf die Sachrüge zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Einstellung des Verfahrens wegen eines Verfahrenshindernisses (§ 46 Abs. 1 OWiG i.V.rn. § 206 a StPO). Mangels eines wirksamen Bußgeldbescheides fehlt es an einer notwendigen Verfahrensvoraussetzung (BGH, 4 StR 190/70 v. 08.10.1970, Rdn. 6 - juris; OLG Koblenz, 1 Ss 281/01 v. 04.01.2002; BayObLG, 3 ObOWi 73/94 v. 26.10.1994, Rdn. 18 - juris, vgl. auch KK-OWiG/Kurz, 4. Aufl., § 65 Rdn. 9, 28).

Die Generalstaatsanwaltschaft hat in ihrer Stellungnahme vom 30. Dezember 2016 hierzu folgen-des ausgeführt:

„In der Verfallanordnung wird davon ausgegangen, dass kein Verfahrenshindernis für ein selbständiges Verfallverfahren besteht, das nach § 29a Abs. 4 OWiG nur dann durchgeführt werden kann, wenn gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht einge-leitet oder eingestellt worden ist. Als Täter i. S. d. § 29a OWiG hat die Bußgeldbehör-de die Fahrer der Verfallbeteiligten, d. h. die Fahrzeugführer bei den überladenen Fahrten, angesehen. Von einem gegen diese gerichteten Verfahren hat die Bußgeld-behörde abgesehen (BI. 102 d. A.). Bereits in der Verfallanordnung ist jedoch auch aufgeführt, die Geschäftsführer hätten im Rahmen ihrer Verantwortlichkeit Maßnah-men ergreifen müssen, um die Ordnungswidrigkeiten zu verhindern (BI. 101 d. A.), was nur in der Weise zu deuten ist, dass die Bußgeldbehörde bereits erkannt hatte, dass auch die Geschäftsführer gegenüber den von den Fahrzeugführern begangenen eigenständige Ordnungswidrigkeiten verwirklichten und gegen diese vorgegangen werden könnte. In der Anordnung ist jedoch nicht ausgeführt, ob Verfahren gegen die Geschäftsführer oder auch ein Verfahren auf Festsetzung einer Verbands-geldbuße nach § 30 OWiG eingestellt oder erst gar nicht erst eingeleitet wurden. Eine selbständige Verfallsentscheidung bei einer juristischen Person kommt nach § 30 Abs. 5 OWiG immer nur dann in Betracht, wenn eine Geldbuße mangels Ermittlung einer tatbestandsmäßig handelnden Leitungsperson nicht verhängt werden kann (OLG Frankfurt, Beschluss vom 14.09.2010 — 2 Ws 81/10). Zum Nichtvorliegen dieses Verfahrenshindernisses enthält die Verfallanordnung keine Ausführungen.

Die Verfallanordnung wird zudem den Anforderungen, die sich §§ 87 Abs. 5, Abs. 3 Satz 2, 66 Abs. 1 Nr. 3 OWiG ergeben, nicht gerecht, weil sich aus ihr nicht in hinrei-chendem Maße ergibt, dass ein anderer eine mit Geldbuße bedrohte Handlung be-gangen hat. Eine mit Geldbuße bedrohte Handlung liegt nach der Begriffsbestimmung des § 1 Abs. 2 OWiG vor, wenn die konkrete Handlung tatbestandsmäßig und rechtswidrig ist. Vorwerfbar braucht sie nicht zu sein. Eine nicht vorwerfbare Handlung muss aber den Tatbestand erfüllen. Ist nur vorsätzliches Handeln mit Geldbuße bedroht, so setzt die Tatbestandsverwirklichung voraus, dass der Täter zumindest mit natürlichem Vorsatz' gehandelt hat. Ist auch fahrlässiges Handeln erfasst, so muss der Täter zumindest objektiv pflichtwidrig gehandelt haben (Göhler, OWiG, § 1, Rn. 8 m. w. N.). Eine solche mit Geldbuße bedrohte Handlung ist sowohl im Fall des § 29a Abs. 1 OWiG als auch im Fall der hier vorliegenden Anordnung gegen einen Dritten nach § 29a Abs. 2 OWiG Voraussetzung für den Verfall.
Die Bußgeldbehörde hat die mit Geldbuße bedrohte Handlung darin gesehen, dass -namentlich nicht benannte — bei der Verfallbeteiligten beschäftigte Personen bei be-trieblich veranlassten Fahrten Fahrzeuge der Verfallbeteiligten führten, die das zuläs-sige Gesamtgewicht überschritten. Zwar ergibt sich aus der Verfallanordnung, dass zwischen September 2014 und November 2014 mit Fahrzeugen, deren Halterin die Verfallbeteiligte ist, 91 Transporte von dem Bauprojekt pp., 53 Transporte vom Projekt pp. und 12 Transporte vom Projekt pp., jeweils zur Deponie pp. unter Überschreitung des zulässigen Gesamtgewichts von 40 Tonnen durchgeführt wurden. Dabei werden u. a. für jede Fahrt die Wiegescheinnummer, das Datum, die Uhrzeit, das Kennzeichen des verwendeten Fahrzeugs, das Bruttogewicht, die Überladung in Tonnen sowie in Prozent und das Nettogewicht aufgeführt. Es fehlt jedoch an Angaben, welche konkreten Personen die einzelnen Fahrten vornahmen, und an Angaben, um welche Art von Fahrzeugen es sich dabei handelte. Eine Überprüfung des zulässigen Gesamtgewichts durch das Rechtsbeschwerdegericht ist so bereits nicht möglich.
Zu den Handlungen der Geschäftsführer wird kursorisch ausgeführt, diese hätten die Einhaltung des zulässigen Gesamtgewichts überwachen und ihren Geschäftsbetrieb ordnungsgemäß organisieren müssen (BI. 101 d. A.). Zur konkreten Ausgestaltung der Überwachung und Organisation des Geschäftsbetriebs durch die Geschäftsführer — oder zu deren Fehlen - werden keine Angaben gemacht. Wie die Geschäftsabläufe der Verfallsbeteiligten zur Tatzeit organisiert waren, welche Funktion im Ge-schäftsbetrieb die beiden Geschäftsführer wahrnahmen, ob es sich um eine kleine Gesellschaft mit wenigen Mitarbeitern handelt, bei der jeder Auftrag, jeder Wiege-schein und jede Rechnung gleichsam „über den Schreibtisch" der Geschäftsführer ging, oder ob es sich um ein großes Unternehmen mit einer Vielzahl von auf Hilfsper-sonen delegierten Aufgabenbereichen handelte, ob Aufsichtspersonen eingesetzt waren, ob und wie diese überwacht wurden, bleibt offen.

Die Verfallsanordnung grenzt den Tatvorwurf daher in sachlicher Hinsicht nicht aus-reichend von anderen prozessualen Sachverhalten ab. Es steht schon nicht zwei-felsfrei fest, welcher Lebensvorgang — Handlungen der Fahrzeugführer oder der Geschäftsführer - erfasst und geahndet wird. Dieser Mangel hat sich insofern fortge-setzt, dass das Gericht die Anknüpfungstaten, nämlich die Ordnungswidrigkeiten der Fahrzeugführer, im* Urteil vom 11. August 2016 gegen die Ordnungswidrigkeiten der Geschäftsführer austauschte, und dies damit begründete, dass diese bereits in der Verfallanordnung enthalten seien und das Gericht daher nicht daran gehindert sei, nach eigenem Ermessen darüber zu bestimmen, ob Taten der Geschäftsführer oder der Fahrzeugführer zugrunde gelegt würden (UA, S. 14). Gerade im Hinblick darauf, dass eine selbständige Anordnung des Verfalls nach § 29a Abs. 4 OWiG nur möglich ist, wenn gegen den Täter ein Bußgeldverfahren nicht eingeleitet oder eingestellt wurde, kann der Täter aber nicht beliebig austauschbar sein."

Diese Ausführungen treffen zu. Der Senat schließt sich ihnen an.

Da sich der aufgezeigte Mangel einer sachlich nicht zureichend konkretisierten und daher unwirk-samen Verfallanordnung nicht mehr beheben lässt, ist das Verfahren durch den Senat einzustellen (Senat, 2 SsBs 112/09 v. 13.11.2009; 2 Owi 3 SsBs 62/16 v. 16.09.2016; KK-OWiG/Senge, 4. Aufl., § 79 Rdn. 157).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus §§ 46 Abs. 1 OWiG, 467 Abs. 1 StPO. Der Senat hat keinen Anlass gesehen, gemäß § 467 Abs. 3 Satz 2 Nr. 2 StPO davon abzusehen, die notwendigen Auslagen der Betroffenen der Staatskasse aufzuerlegen.


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Anmerkung:


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