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Entscheidungen

Gebühren

Zusätzliche Verfahrensgebühr, Mitwirkung, Rücknahme Revision, Staatsanwaltschaft

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Braunschweig, Beschl. v. 08.03.2016 - 1 Ws 49/16

Leitsatz: Nimmt der Rechtsanwalt nach Gesprächen mit dem zuständigen Staatsanwalt, in welchen die Möglichkeit einer beiderseitigen Revisionsrücknahme erörtert wurde, die Revision des Angeklagten zurück und nimmt im Hinblick darauf dann auch die Staatsanwaltschaft ihre bereits begründete Revision zurück, entsteht für den Rechtsanwalt die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 Anm. 1 Satz 1 Nr. 3 VV RVG, ohne dass es darauf ankommt, ob das Rechtsmittel bei Rechtsmittelgericht anhängig geworden ist.


Oberlandesgericht Braunschweig
Beschluss
Geschäftsnummer: 1 Ws 49/16
In der Strafsache
gegen pp.
- Pflichtverteidiger und Beschwerdeführer:
Rechtsanwalt Martin Voß, Bankplatz 8, 38100 Braunschweig -
wegen Wohnungseinbruchsdiebstahl u. a.;
hier: Beschwerde des Pflichtverteidigers gegen die Nichtfestsetzung einer Erledigungsgebühr nach einer beiderseitigen Revisionsrücknahme hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Braunschweig durch den Einzelrichter am 8. März 2016 beschlossen:

1. Der Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 21. Januar 2016
wird aufgehoben.
2. Auf die Beschwerde wird der Betrag der dem Pflichtverteidiger zu erstattenden Gebühren in Abänderung der Entscheidung der Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts vom 23. November 2015 auf insgesamt 1.242,36 Euro festgesetzt.
3. Der auf Antrag bereits festgesetzte und ausgezahlte Betrag in Höhe von 741,37 Euro ist anzurechnen.
4. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei; Auslagen werden nicht erstattet.

Gründe:
I.
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen den Beschluss des Landgerichts Braunschweig vom 21. Januar 2016, mit welchem seine Erinnerung gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des Landgerichts Braunschweig vom 23. November 2015 als unbegründet verworfen wurde.

Durch Urteil des Landgerichts Braunschweig vom 12. Mai 2015 wurde gegen den Angeklagten wegen Wohnungseinbruchsdiebstahls und wegen vorsätzlichen unerlaubten Besitzes einer Schusswaffe in Tateinheit mit vorsätzlichem unerlaubten Besitz von Munition eine Gesamtfreiheitsstrafe von 3 Jahren und 9 Monaten verhängt.

Gegen dieses Urteil legten sowohl die Staatsanwaltschaft mit Schriftsatz vom 15. Mai 2015 als auch die Verteidiger des Angeklagten mit Schriftsätzen vom 15. und 19. Mai 2015 Revision ein. Die Staatsanwaltschaft begründete ihr Rechtsmittel mit weiterem Schriftsatz vom 25. Juni 2015 und auch für den Angeklagten wurde unter dem 20. Juli 2015 die Verletzung formellen und materiellen Rechts gerügt.

In der Folge nahmen zunächst der Pflichtverteidiger des Angeklagten als auch kurz danach sein weiterer Wahlverteidiger, nachdem Erstgenannter zwischenzeitlich mit dem zuständigen Staatsanwalt telefonisch eine beiderseitige Revisionsrücknahme erörtert hatte, die gegen das landgerichtliche Urteil eingelegten Revisionen mit Schriftsätzen vom 17. und 26. August 2015 zurück. Nach Kenntnisnahme dieser Revisionsrücknahmen erklärte auch die Staatsanwaltschaft Braunschweig mit Verfügung vom 21. August 2015 die Rücknahme ihres Rechtsmittels. Zu diesem Zeitpunkt war noch keine Übersendung der Akten an das Rechtsmittelgericht bzw. an die bei diesem ansässige Staatsanwaltschaft erfolgt.

Durch Beschluss vom 08. September 2015 wurden die Kosten des Revisionsverfahrens einschließlich der dem Nebenkläger entstandenen notwendigen Auslagen dem Angeklagten auferlegt.

Mit Schriftsatz vom 09. September 2015 (Bd. IV BI. 84 d.A.) beantragte der Beschwerdeführer beim Landgericht Braunschweig, die nachstehenden Pflichtverteidigergebühren festzusetzen und zu zahlen:

1. Verfahrensgebühr für das Revisionsverfahren mit Zuschlag, Nr. 603,00 € 4131 VV RVG
2. Erledigungsgebühr, Nr. 4141 VV RVG 421,00 €
3. Post- und Telekommunikationspauschale, Nr. 7002 VV RVG 20,00 €
4. 19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV RVG 198,36 €
Gesamtbetrag 1.242,36 €

Mit Beschluss vom 23. November 2015 setzte die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des Landgerichts Braunschweig die an den Beschwerdeführer zu zahlenden Gebühren auf 741,37 Euro fest. Die beantragte Erledigungsgebühr sowie die darauf entfallende Umsatzsteuer setzte sie ab (Bd. IV BI. 89 d.A.).

Mit Schriftsatz vom 28. Dezember 2015, auf den inhaltlich verwiesen genommen wird, legte der Beschwerdeführer gegen den vorgenannten Kostenbeschluss Erinnerung ein (Bd. IV 95 ff. d.A.).

Nach der Stellungnahme der Bezirksrevisorin vom 13. Januar 2016 (Bd. IV BI. 105 d.A.) verwarf das Landgericht Braunschweig durch die Einzelrichterin mit in Bezug genommenem Beschluss vom 21. Januar 2016 die Erinnerung des Beschwerdeführers als unbegründet (Bd. IV BI. 106 ff. d.A.).

Gegen diesen, ihm am 25. Januar 2015 zugestellten Beschluss wendet sich der Beschwerdeführer mit seiner Beschwerdeschrift vom 27. Januar 2015, beim Landgericht eingegangen am selben Tag (Bd. IV BI. 111 ff. d.A.), auf die abermals ebenso Bezug genommen wird, wie auf das weitere Schreiben des Beschwerdeführers vom 29. Februar 2016.

Das Landgericht Braunschweig hat der Beschwerde mit Beschluss vom 11. Februar 2016 (Bd. IV BI. 126 f. d.A.) nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.

Die Bezirksrevisorin ist gehört worden und hat mit Schriftsatz vom 09. Februar 2016 (Bd. IV BI. 124 f. d.A.) nochmals Stellung genommen.

II.
Die Beschwerde ist nach § 56 Abs. 2 i.V.m. § 33 Abs. 3 bis 8 RVG zulässig, insbesondere fristgerecht eingelegt. Über sie hat der Senat gemäß § 33 Abs. 8 S. 1 2. HS RVG durch den Einzelrichter zu entscheiden.

Die Voraussetzungen für die Entstehung der sog. Erledigungs- bzw. Befriedungsgebühr nach Nr. 4141 VV RVG sind erfüllt.

Danach entsteht diese zusätzliche Gebühr u.a., wenn sich das gerichtliche Verfahren durch Rücknahme der Revision des Angeklagten oder eines anderen Verfahrensbeteiligten - wie der Staatsanwaltschaft - erledigt. Nach dem Wortlaut des Tatbestandes der Gebührenbeschreibung muss die Hauptverhandlung durch eine anwaltliche Mitwirkung entbehrlich geworden sein, d.h. der Anwalt muss auf die Rücknahme irgendwie Einfluss genommen haben (vgl. OLG Köln, Beschluss vom 11. März 2009 2 Ws 55/09, juris, Rn. 9). Sinn und Zweck der Vorschrift ist es, den Anreiz zu erhöhen, Verfahren ohne Hauptverhandlung zu erledigen, und damit weniger Hauptverhandlungen zu führen, indem entsprechende Tätigkeiten des Verteidigers, die zur Vermeidung der Hauptverhandlung und damit beim Verteidiger zum Verlust der Hauptverhandlungsgebühr führen, gebührenrechtlich honoriert werden (vgl. u.a. OLG Oldenburg, Beschluss vom 03. November 2011 - 1 Ws 434/10, juris, Rn. 5). Mit der großen Mehrheit der Oberlandesgerichte (vgl. u.a. OLG Oldenburg a.a.O. m.z.w.N., OLG Rostock, Beschluss vom 06. März 2012 - I Ws 62/12; OLG München, Beschluss vom 16. Oktober 2012 - 4 Ws 179/12, juris) hat auch der Senat schon in der Vergangenheit entschieden, dass die Gebühr im Falle einer Revisionsrücknahme deshalb nur anfällt, wenn konkrete Anhaltspunkte dafür bestehen, dass ausnahmsweise eine Hauptverhandlung anberaumt worden wäre (vgl. OLG Braunschweig, Beschluss vom 21. Juli 2011 - Ws 178/11, juris, Rn. 3). An dieser Ansicht hält der Senat auch weiterhin fest.

Vorliegend hat - wie die Bezirksrevisorin in ihrer Stellungnahme vom 13. Januar 2015 selbst ausführt - der Beschwerdeführer nach Gesprächen mit dem zuständigen Staatsanwalt, in welchen die Möglichkeit einer beiderseitigen Revisionsrücknahme erörtert wurde, am 17. August 2015 die Revision des Angeklagten zurückgenommen. Erst im Hinblick auf diese Tätigkeiten des Beschwerdeführers hat dann auch die Staatsanwaltschaft, wie sich aus deren Verfügung vom 31. August 2015 (Bd. IV BI. 39R d.A.) ergibt, ihr Rechtsmittel zurückgenommen. Damit unterscheidet sich die hiesige Fallkonstellation entscheidend von derjenigen, wie sie der Senatsentscheidung vom 21. Juli 2011 zugrunde lag. Dort hatte die Staatsanwaltschaft ihre Revision bereits vor der Rechtsmittelrücknahme des Verteidigers zurückgenommen (vgl. OLG Braunschweig, a.a.O., Rn. 5). Da die (zulässige) Revision der Staatsanwaltschaft vorliegend schon begründet worden war (vgl. hierzu OLG München a.a.O.; LG Koblenz, Beschluss vom 30. September 2005 - 1 Qs 235/05, juris, Rn. 19) und - im Gegensatz zu einer (einseitigen) Revision des Angeklagten, bei der die Beurteilung der Frage, ob eine Hauptverhandlung durchgeführt worden wäre, gewöhnlicher Weise erst unter Berücksichtigung der Stellungnahme der zuständigen Staatsanwaltschaft und erst dann möglich sein wird, wenn das Revisionsverfahren beim Rechtsmittelgericht anhängig geworden ist - gemäß § 349 Abs. 5 StPO im Regelfall zwingend zu einer Revisionshauptverhandlung geführt hätte, sind konkrete Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass eine solche durchgeführt worden wäre und durch die beschriebene anwaltliche Tätigkeit des Beschwerdeführers bewirkte Rücknahme der staatsanwaltschaftlichen Revision entbehrlich wurde (vgl. auch KG, Beschluss vom 17. Dezember 2008 - 1 Ws 345/08, juris). Erst durch die Gespräche des Beschwerdeführers mit der Staatsanwaltschaft und die Rücknahme der Revision des Angeklagten wurden offenbar der Anreiz und die Tatsachengrundlage für die Staatsanwaltschaft geschaffen, ihre eigene Revision zurückzunehmen. Gegenteiliges hat die insoweit darlegungs- und beweisbelastete Staatskasse als Gebühren- und Erstattungsschuldner (vgl. u.a. OLG Köln a.a.O., Rn. 10) jedenfalls nicht dargelegt. Im Ergebnis hat der Beschwerdeführer damit darauf hingewirkt, dass das landgerichtliche Urteil ohne eine Revisionshauptverhandlung in Rechtskraft erwachsen ist. Er hat deshalb einen Anspruch auf Erstattung der Gebühr gemäß Nr. 4141 VV RVG nebst hierauf entfallender Umsatzsteuer.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 56 Abs. 2 S. 2 und 3 RVG.

Einsender: RA M. Voß, Braunschweig

Anmerkung:


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