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Entscheidungen

Gebühren

Zusätzliche Verfahrensgebühr, Abtrennung, vorläufige Einstellung

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Tiergarten, Beschl. v. 04.03.2016 - :(431 Ls) 286 Js 945/15 (22/15)

Leitsatz: Die zusätzliche Verfahrensgebühr Nr. 4141 VV RVG fällt auch dann an, wenn in einer ersten Hauptverhandlung eine von mehreren Taten abgetrennt wird und das Verfahren insoweit offen bleibt, im Übrigen das Erkenntnis folgt und später im Berufungstermin auf Betreiben auch des Verteidigers die Staatsanwaltschaft den Antrag nach § 154 Abs. 2 StPO hinsichtlich der abgetrennten Tat stellt.


Amtsgericht Tiergarten
Beschluss
Geschäftsnummer:(431 Ls) 286 Js 945/15 (22/15)
04.03.2016
In der Strafsache pp. u.a.
hier nur gegen pp.
Verteidiger
wegen Körperverletzung pp.
werden auf die Erinnerung des Rechtsanwaltes D. gegen die Kostenfestsetzung

der Beschluss des Amtsgerichts Tiergarten - Rechtspflegerin - vom 26.1.2016 aufgehoben und die zu erstattenden Kosten auf 157,08 Euro festgesetzt.

Das Erinnerungsverfahren ist gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.

Begründung:
Mit seinem Antrag vom 19. Januar 2016 hat Rechtsanwalt D. die Kostenfestsetzung in Höhe von 157,08 € beantragt und hierbei die Geltendmachung einer Einstellungsgebühr Nr. 4141 Vergütungsverzeichnis (VV) zum RVG in Höhe von 132,00 € nebst Umsatzsteuer in Höhe von 19 % (Nr. 7008 VV) in Höhe von 25,08 € erhoben. Mit Beschluss vom 26. Januar 2016 hat die Rechtspflegerin beim Amtsgericht Tiergarten diese Kostenfestsetzung zurückgewiesen und zur Begründung ausgeführt, dass diese Gebühr erst entsteht, wenn durch die anwaltliche Mitwirkung die Hauptverhandlung entbehrlich wird und das Strafverfahren nicht nur vorläufig eingestellt wird. In diesem Fall habe am 12. Januar 2016 die Berufungshauptverhandlung vor dem Landgericht Berlin stattgefunden. Weiterhin wurde im Termin die Einstellung des Verfahrens bezüglich des weiteren Verfahrens zu dem staatsanwaltschaftlichen Aktenzeichen 286 Js xxxx/15 durch die Staatsanwaltschaft beantragt. Zu einer Einstellung sei es bisher nicht gekommen. Daher sei auch nicht die Gebühr Nr. 4141 VV entstanden.

Die gegen diese Zurückweisung vom Rechtsanwalt erhobene Erinnerung ist zulässig und begründet.

Dem liegt die folgende Verfahrenskonstellation zu Grunde. Mit der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 1. Juni 2015 wurde gegen den Angeklagten N. der Vorwurf erhoben, am 19. Februar 2015 in einem S-Bahn-Zug eine Sachbeschädigung begangen zu haben. Unter gleichzeitiger Eröffnung des Hauptverfahrens und Anberaumung des Termins zur Hauptverhandlung hat das Jugendschöffengericht mit Beschluss vom 23. Juli 2015 das weitere gegen den Angeklagten N. bei Gericht anhängige Verfahren zu der weiteren Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 1. Juni 2015 verbunden. Nach dieser weiteren Anklageschrift wurde dem Angeklagten N. vorgeworfen, in zwei Fällen am 20. März 2015 Straftaten begangen zu haben. In der Hauptverhandlung vor dem Jugendschöffengericht am 19. August 2015 hat das Gericht nach Anhörung der Verfahrensbeteiligten das Verfahren im Umfange der weiteren Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 1. Juni 2015 abgetrennt und den Angeklagten N. unter Einbeziehung weiterer Entscheidungen im Übrigen zu einer einheitlichen Jugendstrafe verurteilt. Gegen dieses Urteil hat der Verteidiger mit Schreiben vom 19. August 2015 das Rechtsmittel der Berufung eingelegt und zugleich um Prüfung gebeten, ob im Hinblick auf den in dem Hauptverhandlungstermin abgetrennten Verfahrensteil das Verfahren gemäß § 154 StPO oder § 47 JGG (endgültig) eingestellt werden kann und für diesen Fall bereits angekündigt, das Rechtsmittel zurückzunehmen. Zugleich hat die Staatsanwaltschaft Berlin mit Erklärung vom 24.8.2015 zunächst das Rechtsmittel der Berufung gegen das Urteil eingelegt, mit Erklärung vom 15. Oktober 2015 dann aber das Rechtsmittel der Berufung in vollem Umfang zurückgenommen. In den Termin zur Hauptverhandlung vor dem Berufungsgericht, der Jugendkammer des Landgerichts Berlin, am 12. Januar 2016 hat nach Erörterung der Sach- und Rechtslage die Vertreterin der Staatsanwaltschaft beantragt, das Verfahren bezüglich der abgetrennten Anklage gemäß § 154 Abs. 2 StPO im Hinblick auf die Verurteilung des Angeklagten N. vom 19. August 2015 einzustellen. Hierauf hat der Angeklagte nach Rücksprache mit seinem Verteidiger die Rücknahme der Berufung gegen das Urteil vom 19. August 2015 erklärt.

Zur Begründung seiner Erinnerung gegen die Zurückweisung Entscheidung der Rechtspflegerin beim Amtsgericht Tiergarten vom 26. Januar 2016 hat der Verteidiger D. ausgeführt, dass die Entscheidung in der Hauptverhandlung vom 12. Januar 2016 vor dem Landgericht Berlin erfolgt sei und in diesem Zusammenhang einzig erheblich sei, ob durch anwaltliche Mitwirkung des Verteidigers die Hauptverhandlung entbehrlich und das Verfahren endgültig eingestellt werden konnte. Die Mitwirkung des Verteidigers habe darin bestanden, dass der Verteidiger mehrere Vorstöße unternommen habe, exakt die vor dem Landgericht Berlin protokollierte Einstellung des Verfahrens, über die dort nochmals länger verhandelt wurde, vorzunehmen. Während er im Gegenzug, wie bereits bei der Einlegung des Rechtsmittels angekündigt, die Berufung des Mandanten zurückgenommen habe. Zweifel am Vorliegen der von dem Verteidiger dargelegten Aktivitäten bestehen nicht. Mit Beschluss vom 1. Februar 2016 hat das Amtsgericht Tiergarten das Verfahren auf Antrag der Staatsanwaltschaft hinsichtlich des Geschehens aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft Berlin vom 1. Juni 2015 nach § 154 Abs. 2 StPO (vorläufig) eingestellt und aufgrund der faktischen verfahrensbeendeten Wirkung zugleich eine Kostenentscheidung getroffen. Erst mit dieser Entscheidung ist das Strafverfahren vollständig zum Abschluss gebracht worden.

Bei dieser Sachlage ist eine Gebühr nach der Nr. 4141 des Vergütungsverzeichnisses zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz entstanden. Die sogenannte „Befriedungsgebühr“ soll dazu dienen, einvernehmliche Verfahrensentscheidungen zu fördern und dem Verteidiger einen beträchtlichen Anreiz zur fördernden Mitwirkung bieten (Hartmann, Kostengesetze 45. Auflage, VV4141 Rn1). Ohne die unbestrittenen Aktivitäten des Verteidigers und dem Antrag der Staatsanwaltschaft in der Hauptverhandlung in der Berufungsinstanz wäre hinsichtlich des Anklagevorwurfs aus der Anklageschrift vom 1. Juni 2015 eine erneute Hauptverhandlung durchzuführen gewesen. Das Gericht erster Instanz, das Jugendschöffengericht, hätte daher insoweit eine neue Hauptverhandlung anberaumen müssen. Diese Verfahrenssituation ist daher nicht mit der Situation vergleichbar, die – so häufig – dadurch entsteht, dass im Zuge der Hauptverhandlung hinsichtlich einzelner erkennbarer Taten zunächst eine Abtrennung und (Teil-)Einstellung nach § 154 Abs. 2 StPO erfolgt und anschließend hinsichtlich des oder der verbleibenden Tatvorwürfe bzw. Tatvorwurfs ein Erkenntnis folgt. Verbleibt es nach Eintritt der Rechtskraft bei den in der Hauptverhandlung erfolgten (Teil-)Einstellungen, ist aufgrund der dann faktisch eintretenden verfahrensbeendenden Wirkung insoweit lediglich eine Kostenentscheidung hinsichtlich der vorläufig eingestellten Taten erforderlich. In jenen Fällen stellt sich dann nicht mehr die Frage, ob durch eine Aktivität des Verteidigers eine weitere Hauptverhandlung vermieden wird. Gleiches gilt für den Fall, dass in einem Verfahren gegen mehrere Beschuldigte das Verfahren gegen einen oder mehrere Beschuldigte abgetrennt und (vorläufig) eingestellt wird. In den letztgenannten Verfahrenskonstellationen sind jeweils mit Abschluss der Instanz Entscheidungen über den gesamten Prozessstoff gefallen.

Die Verfahrenssituation im vorliegenden Verfahren war jedoch so, dass nach der Abtrennung das „Verfahrensschicksal“ hinsichtlich des Tatvorwurfes aus der Anklageschrift der Staatsanwaltschaft vom 1. Juni 2015 offen war. Ohne einen entsprechenden Antrag der Staatsanwaltschaft hätte tatsächlich noch eine Hauptverhandlung stattfinden müssen. So lag es in der vorliegenden Verfahrenskonstellation im Interesse des Angeklagten N., dass sein Verteidiger durch sein Prozessverhalten darauf hinwirkt, dass jedenfalls hinsichtlich des noch offenen Verfahrensteils, der abgetrennten Tat aus der Anklageschrift vom 1. Juni 2015, das Gericht nicht eine erneute Hauptverhandlung durchführt und diese Hauptverhandlung mit einem weiteren Urteil gegen den Angeklagten N. endet. Bot das Verfahren somit noch Spielraum für eine „Befriedigung“, sind die entsprechenden Aktivitäten des Verteidigers auch mit der hierfür vorgesehenen Gebühr in dem von dem Verteidiger beantragten angemessenen Umfang gerechtfertigt.

Einsender: RiAG M. Franz, Berlin

Anmerkung:


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