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Entscheidungen

OWi

ESO ES 3.0, Rohmessdaten, Verwertbarkeit Messergebnisse

Gericht / Entscheidungsdatum: AG Bad Kissingen, Urt. v. 30.11.2015 - 3 OWi 16 Js 3704/14

Leitsatz: Zur Verwertbarkeit einer mit dem Einseitensensor ES 3.0 in der Softwareversion 1.007.1 durchgeführten Geschwindigkeitsmessung.


Amtsgericht Bad Kissingen
Az.: 3 OWi 16 Js 3704/14

IM NAMEN DES VOLKES
Urteil
des Amtsgerichts Bad Kissingen
In dem Bußgeldverfahren
gegen pp.
wegen OWi StVO
aufgrund der Hauptverhandlung vom 30.11.2015, an der teilgenommen haben:

1 Der Betroffene wird freigesprochen.
2. Die Kosten des Verfahrens und die notwendigen Auslagen des Betroffenen fallen der Staatskasse zur Last.

Gründe:
Den Betroffenen lag zur Last am 17.02.2014 gegen 16:52 Uhr mit seinem Pkw Peugeot, amtl. Kennzeichen pp. die Staatsstraße 2291 in der Gemarkung von Albertshausen in Fahrtrichtung Hammelburg mit einer Geschwindigkeit von 165 km/h (nach Toleranzabzug) befahren zu haben und dabei die außerorts geltende Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h um 65 km/h überschritten zu haben. Beweismittel für die Geschwindigkeitsüberschreitung ist die Messung durch die VPI Schweinfurt-Werneck mit dem Einseitensensor ES3.0 in der Softwareversion 1.007.1.

Der Betroffene war von dem Vorwurf der Geschwindigkeitsüberschreitung von 65 km/h außerorts freizusprechen, da die Messung des Betroffenen mit dem Einseitensensor ES3.0 der Fa. eso GmbH nicht beanstandungsfrei erfolgt ist. Der Messbeamte, der Zeuge pp. gab an. am 17.02.2014 in der Zeit von 15:30 Uhr bis 20:45 Uhr mit dem Einseitensensor ES3.0, Gerätenummer 5350 in der Softwareversion 1.007.1 auf der Staatsstraße 2291 in Fahrtrichtung Hammelburg in der Gemarkung von Albertshausen eine Geschwindigkeitsmessung vorgenommen zu haben. Dort gilt die außerorts zulässige Höchstgeschwindigkeit von 100 km/h.

Der Zeuge gab an, den ankommenden Verkehr gemessen zu haben und den o. g. Einseitensensor aufgestellt zu haben und die Fahrbahnneigung mit einer Neigungswasserwaage auf das Gerät übertragen zu haben. Am Ende der Messung habe er die übertragene Neigung erneut überprüft. Die Fotolinie habe er durch einen Kegel festgelegt. Der Abstand es Sensorkopfes zur Straße habe 13,6 m betragen. Der Fahrstreifen in Fahrtrichtung Hammelburg habe eine Breite von 4,1 m gehabt. Der Zeuge gab an, vor Messbeginn die amtlichen Siegelungen überprüft zu haben. So habe er am Sensor 5 Siegelmarken, an der Kamera 3 Siegelmarken und am Rechner 2 Siegelmarken überprüft. Die beiden Siegelmarken des Bedienungsteiles habe er nicht überprüfen können. Das Messprotokoll habe er vor Beginn der Messung ausgefüllt. Der Zeuge gab an, dass bei Veränderung der Fotolinie eine neue Dokumentation erforderlich sei. Der Zeuge erläuterte die Funktionsweise der Sensoren und gab an, für die Handhabung des Messgerätes speziell geschult worden zu sein. Die Schulung sei in der Zeit vom 15. - 19.11.2010 erfolgt. Er sei täglich im Messeinsatz. An die konkrete Messung könne er sich nicht erinnern.

Der Betroffene sei mit einer Geschwindigkeit von 171 km/h festgestellt worden, unter Berücksichtigung einer Messtoleranz von 3 % ergäbe sich demgemäß eine gemessene Geschwindigkeit von 165 km/h. Der Zeuge pp. räumte ein, die Position der Kamera mehrfach verändert zu haben. Der Sachverständige G. von der VUT Sachverständigen GmbH & Co. KG führt in seinem Gutachten aus, dass auf der zur Auswertung übersandten CD einschließlich der 3 Daten-sätze zur Fotoliniendokumentation insgesamt 32 digitale Falldatensätze aus der Zeit von 15:30.50 bis 20:31.39 Uhr vorhanden seien. Der Sachverständige hebt in seinem Gutachten hervor, dass bei der Auswertung der Messreihe zunächst festzustellen ist, dass bei den Messungen 1, 2, 4 und 6 das Kennzeichen des jeweiligen Fahrzeuges nicht im Beweisfoto abgebildet ist. Auch bei den Messungen 5, 10 und 12 befinden sich die jeweiligen Fahrzeuge im Beweisfoto jeweils deutlich nach vorne versetzt. Der Sachverständige führt weiter aus, dass bei der Auswertung bei der Messreihe festzustellen war, dass der Aufnahmewinkel bzw. die Zoomeinstellung der Kamera ab der 3. Messung (ab 16:39.45 Uhr) verändert wurde und dass auch bei der 6. (16:47.25 Uhr), 7. (16:49.39 Uhr), 8. (16:52.21 Uhr - Messung beim Betroffenen) und 11. Messung (17:25.17 Uhr) jeweils eine Veränderung der Aufnahmeperspektive stattgefunden hat.

Weiter führt der Sachverständige aus, dass die Aufnahmeperspektive der Kamera 2 Messungen nach dem Betroffenen (ab 17:25.17 Uhr) wiederum geringfügig verändert worden ist. Der Gutachter verweist darauf, dass diese Veränderungen des Aufnahmewinkels bzw. der Zoomeinstellung der Kamera seitens des messenden Polizeibeamten im Messprotokoll nicht dokumentiert worden sind. Der Sachverständige kann daher auch nicht bestätigen, dass der Standort des Sensorkopfes während der Messung unverändert geblieben ist. Die Richtigkeit der Messung hinsichtlich des Betroffenen könne nur durch eine Auswertung der Rohmessdaten bewiesen werden. Der Sachverständige führt aus, dass Untersuchungen seitens der VUT Sachverständigen GmbH & Co. KG gezeigt hätten, dass unabhängig von der im Messfoto festgehaltenen Situation häufig Abweichungen von 1 - 2 km/h zwischen dem angezeigten Messwert und aus den Rohmessdaten nachträglich berechneten Geschwindigkeitswerten auftreten könnten. Unter besonderen Lichtverhältnissen können auch nichtverwertbare Messsituationen auftreten, die nur anhand der Rohmessdaten erkannt werden können. Nachdem ab der Softwareversion 1.007. die Rohmessdaten durch den Hersteller, die Fa. eso GmbH, technisch wirksam verschlüsselt worden sind, stehen sie einer unabhängigen Bewertung durch Sachverständige nicht mehr zur Verfügung.

Bei der vorliegend verwendeten Softwareversion 1.007.1 - so der Sachverständige - sind lediglich noch die vom Messgerät (“vorläufig“) berechneten Geschwindigkeitswerte, die sogenannten Approx Trigger gespeichert. Diese liegen bei der Messung des Betroffenen zwischen 165 km/h und 173 km/h, weshalb der Sachverständige Hinweise auf erhebliche Schwankungen bei der Messwertbildung sieht. Ohne eine unabhängige Auswertung der Rohmessdaten kann die Richtigkeit des angezeigten Messwertes von 171 km/h aus technischer Sicht nicht bestätigt werden. Auch die vom Hersteller gegen Entgelt angebotene Rohdatenauswertung mittels dem Onlineprogramm esodata.esodigitales.de hilft nicht weiter, so der Sachverständige, da dabei nicht die Rohmessdaten, sondern lediglich grafisch aufbereitete Daten zur Verfügung gestellt werden. Die Echtheit kann aus technischer Sicht nicht sichergestellt bzw. kann eine Manipulation an den zum Hersteller übersandten und durch diesen entschlüsselten Daten - ob durch die beteiligten Unternehmen oder durch Dritte - technisch nicht ausgeschlossen werden. Die Prüfung des Onlineprogrammes des Herstellers ergibt, dass keine Auswertung durch eine Korrelationsrechnung erfolgt, sondern dass lediglich eine nachträgliche Auswertung der Messdaten mit dem im Messgerät implementierten Auswertealgorithmus stattfindet, was keine unabhängige Prüfung bzw. keine Sachverständigenleistung darstellt, da hierbei die selbe Auswertung wie im Messgerät erfolgt und unabdingbar das gleiche Ergebnis erzielt wird.

Das heißt, das Onlineprogramm des Herstellers arbeitet mit den gleichen Algorithmen des Prüfgerätes und stellt keine tatsächliche Überprüfung dar. Auch kann bei dieser Handhabung weder die Datenintegrität noch die Datenauthentizität bestätigt werden.

In Anbetracht der Tatsachen, dass die Fotolinien bei der fraglichen Messung bei 32 Aufnahmen 8 mal verändert worden ist und nur 3 mal dokumentiert worden ist und somit keine Fotolinie zur Plausibilität der Messung zur Verfügung steht, hat das Gericht davon Abstand genommen, zur Auffindung der notwendigen Informationen zur Entschlüsselung der Rohmessdaten eine weitere Durchsuchung bei der Fa. eso GmbH bzw. bei deren externen Softwareentwickler pp. vorzunehmen.

Da die Richtigkeit der Durchführung der Geschwindigkeitsmessung nicht mit hinreichender Sicherheit feststeht, kann die Messung des Betroffenen zur Tatzeit nicht zur Feststellung einer Geschwindigkeitsüberschreitung herangezogen werden, mit der Folge, dass der Betroffene freizusprechen war.

II.
Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 46 Abs. 1 OWiG; 464, 467 StPO.

Einsender: VUT GmbH, Püttlingen

Anmerkung:


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