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Entscheidungen

OWi

Entbindungsantrag, Bescheidung, rechtliches Gehör

Gericht / Entscheidungsdatum: OLG Naumburg, Beschl v. 25.08.2015 - 2 Ws 163/15

Leitsatz: 1. Die Entscheidung über den Entbindungsantrag eines Betroffenen steht nicht im Ermessen des Gerichtes, vielmehr ist es verpflichtet, dem Antrag nachzukommen, sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen.
2. Ob dem Tatrichter der Entbindungsantrag bis zum Erlass des Verwerfungsurteils tatsächlich zur Kenntnis gelangt war, ist unerheblich. Maßgeblich ist allein, dass der Antrag dem Tatrichter bei gehöriger gerichtsinterner Organisation hätte rechtzeitig zugeleitet werden können.


OBERLANDESGERICHT NAUMBURG
BESCHLUSS
2 Ws 163/15 OLG Naumburg
In der Bußgeldsache
gegen pp.
Verteidiger: Rechtsanwalt Christian Schneider aus Leipzig
hat der Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Naumburg am 25. August 2015 durch den Vorsitzenden Richter am Oberlandesgericht auf Antrag der Generalstaatsanwaltschaft beschlossen:

1. Die Rechtsbeschwerde des Betroffenen gegen das Urteil des Amtsgerichts Stendal vom 4. Mai 2015 wird zugelassen.

2. Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen wird das Urteil des Amtsgerichts Stendal vom 4. Mai 2015 aufgehoben. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an dieselbe Abteilung des Amtsgerichts zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Dem Betroffenen liegt zur Last, als Führer eines Pkw am 13. Januar 2014 um 10:08 Uhr auf der B 189 Abschnitt 60, km 3,7 die zulässige Höchstgeschwindigkeit außerhalb geschlossener Ortschaften um 31 km/h überschritten zu haben. Wegen dieses Vorwurfs erließ die zuständige Bußgeldbehörde am 8. April 2014 einen Bußgeldbescheid über eine Geldbuße von 120,00 Euro. Dagegen hatte der Betroffene rechtzeitig Einspruch eingelegt. Diesen hat das Amtsgericht mit dem angefochtenen Urteil verworfen. Dagegen richtet sich der Antrag des Betroffenen auf Zulassung der Rechtsbeschwerde. Er beanstandet, dass ihm durch die Verwerfung seines Einspruchs das rechtliche Gehör versagt worden sei.

II.
Der Antrag hat Erfolg.

Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, weil das Urteil wegen Versagung des rechtlichen Gehörs aufzuheben ist (§ 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG). Dies ist geschehen, weil das Amtsgericht den Einspruch des Betroffenen ohne Sachprüfung verworfen und sich so der Möglichkeit begeben hat, dem Vorbringen des Betroffenen, das bei der Messung eingesetzte Messgerät sei nicht mehr ordnungsgemäß geeicht gewesen, nachzugehen.

Zum Verfahrensgang und zur rechtlichen Würdigung hat die Generalstaatsanwaltschaft in ihrer Zuschrift an den Senat ausgeführt:

„Die zugrunde liegende Hauptverhandlung vor dem Amtsgericht fand ohne Anwesenheit des Betroffenen und seines Verteidigers, Rechtsanwalt Schneider, statt (BI. 108 d. A.; Vollmacht Bl. 18 d. A.).

Gegen das Urteil wendet sich der Betroffene mit seinem nach §§ 79 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. 80 Abs. 1 Nr. 2 OWiG statthaften und frist- und formgerecht eingelegten und begründeten und damit zulässig Antrag auf Zulassung der Rechtsbeschwerde.

Der Antrag hat auch mit der formgerecht erhobenen Verfahrensrüge des Verstoßes gegen §§ 74 Abs. 2, 73 Abs. 2 OWiG Erfolg, §§ 344 Abs. 2 Satz 2 StPO i.V.m. 79 Abs. 3 Satz 1 OWiG.

1. Die Rüge des Verstoßes gegen § 74 Abs. 2 OWiG, mithin das Gericht habe den Einspruch gegen den Bußgeldbescheid zu Unrecht verworfen, kann nur mit der Verfahrensrüge geltend gemacht werden. Eine solche ist hier erhoben, sie ist als Rüge des Verstoßes gegen das Recht des Betroffenen auf Anwesenheit in der Hauptverhandlung und Verletzung des rechtlichen Gehörs auszulegen (Göhler/Seitz, OWiG, 16. Aufl., § 73 Rn. 16, 24; § 74 Rn. 48a ff.; § 80 Rn. 16b). Die Rüge ist ausreichend ausgeführt, da der Betroffene die Verfahrenstatsachen dafür, dass das Amtsgericht sein Ausbleiben nicht als unentschuldigt hätte ansehen dürfen, im Einzelnen so konkret dargelegt hat, dass das Rechtsbeschwerdegericht allein aufgrund der Begründungsschrift prüfen kann, ob ein Verfahrensfehler vorliegt, wenn das tatsächliche Vorbringen zuträfe. Ohne Einblick in die Akten zu nehmen ist aufgrund der Benennung des Antrags auf Entbindung von der Pflicht zum persönlichen Erscheinen, der Beireichung der Vollmacht auf Rechtsanwalt Schneider und der Wiedergabe der tragenden Begründung des ablehnenden Beschlusses des Gerichts die Prüfung möglich, ob der Betroffene genügend entschuldigt war, weil das Gericht ihn hätte von der Pflicht zum Erscheinen entbinden müssen.

2. Die Rüge ist auch begründet, da die Voraussetzungen für die Verwerfung des Einspruchs ohne sachliche Überprüfung der Beschuldigung nicht vorlagen (vgl. dazu KK-OWiG/Senge, 3. Aufl., § 74 Rn. 38 ff., 55; Göhler/Seitz a.a.O., § 74 Rn. 48 b).

Nach § 73 Abs. 2 OWiG hat das Gericht den Betroffenen auf seinen Antrag von der Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung zu entbinden, wenn er sich zur Sache geäußert oder wenn er erklärt hat, er werde sich in der Hauptverhandlung nicht „weiter" zur Sache äußern, und seine Anwesenheit zur Aufklärung wesentlicher Gesichtspunkte des Sachverhaltes nicht erforderlich ist. Die Entscheidung über den Entbindungsantrag steht hierbei nicht im Ermessen des Gerichtes, vielmehr ist es verpflichtet, dem Antrag nachzukommen, sofern die Voraussetzungen des § 73 Abs. 2 OWiG vorliegen (vgl. OLG Bamberg vom 30.10.2007 — 2 Ss OWi 1409/07, juris Rn. 17 ff. m.w.N.).

Der Betroffene hat in dem Entbindungsantrag vom 29. April 2015 die Fahrereigenschaft ein-geräumt und erklären lassen, dass er weitere Angaben zur Sache oder zu seinen wirtschaftlichen Verhältnissen nicht machen wird (BI, 106, 140 d. A.). Die für einen wirksamen Entbindungsantrag erforderliche Vertretungsvollmacht für Rechtsanwalt Schneider hat vorgelegen (BI. 18 d. A.; BayObLG vom 03.02.2000 — 2 ObOWi 638/99, juris Rn. 16; Göhler/Seitz a.a.O., § 73 Rn. 4).

Die Anwesenheit des Betroffenen in der Hauptverhandlung wäre für eine weitere Sachaufklärung allenfalls noch dann dienlich gewesen, wenn hierfür seine „bloße physische Präsenz" genügt hätte (vgl. OLG Bamberg a.a.O., Rn. 18). Dies ist hier nicht der Fall, das Gericht hätte dem Antrag auf Entbindung nachkommen müssen.

Ob der Tatrichterin dieser Antrag bis zum Erlass der angefochtenen Entscheidung tatsächlich zur Kenntnis gelangt war, ist hierbei unerheblich (OLG Bamberg a.a.O., Rn. 20). Maßgeblich ist allein, dass nach Aktenlage der Antrag das Amtsgericht am 29. April 2015 um 16:35 Uhr erreicht hat (BI. 106 und 140 d. A.) und deshalb bei gehöriger gerichtsinterner Organisation ihr rechtzeitig zugeleitet hätte werden können. Die Richtigkeit der Angaben in der Faxzeile des Schriftsatzes vom 29. April 2015 ist bisher nicht überprüft worden.

Das Unterlassen der rechtzeitig und begründet beantragten Entbindung des Betroffenen von seiner Verpflichtung zum persönlichen Erscheinen in der Hauptverhandlung am 4. Mai 2015 durch das Amtsgericht war demnach rechtsfehlerhaft und sperrte die Einspruchsverwerfung nach § 74 Abs. 2 OWiG (vgl. KK-OWiG a.a.O., § 74 Rn. 36)."

Diesen zutreffenden Ausführungen tritt der Senat bei.

Einsender: RA Ch. Schneider, Leipzig

Anmerkung:


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