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Entscheidungen

OWi

ESO ES 3.0, Unterlassungsanspruch, Hersteller, Rohdatenauslesung

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Halle, Beschl. v. 05.12.2013 - 5 O 110/13

Leitsatz: Zur (zivilrechtlichen) Zulässigkeit der Rohdatenauslesung bei ESO ES 3.0 durch einen Sachverständigen


Verkündet am 05.12.2013
Landgericht Halle
5 O 110/13
Im Namen des Volkes!
Urteil
in pp.
hat die 5. Zivilkammer des Landgerichts Halle auf die mündliche Verhandlung vom 1.10.2013 durch die Vorsitzende Richterin am Landgericht als Einzelrichterin
für Recht erkannt:
Die Klage wird abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits trägt die Klägerin.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 120 % des zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand
Die Parteien streiten um das Auslesen von Rohdaten aus einer Geschwindigkeitsmessanlage.

Die Beklagte zu 1 bietet unter anderem die Erstellung von Gutachten zu Geschwindigkeitsmessungen an. Sachverständiger entsprechender Gutachten und Geschäftsführer der Beklagten zu 1 war der Beklagte zu 2, im Verlauf dieses Rechtsstreits schied er als Geschäftsführer aus, seit 12.8.2013 ist der Beklagte zu 3 Geschäftsführer. Der Beklagte zu 3 war bis 31.7.2013 bei der Dekra Automobil GmbH in der Niederlassung Halle als Sachverständiger und Fachabteilungsleiter Unfallanalytik tätig.

Die Klägerin stellt die Geschwindigkeitsmessanlage ES 3.0 her. Die Geschwindigkeit eines Fahrzeugs ergibt sich dabei aus der Messbasis und der Zeit, in der das zu messende Fahrzeug die Messbasis durchfährt. Bei der Durchfahrt wird in den fünf Sensoren der Messbasis ein Helligkeitsprofil des Fahrzeugs erfasst, digitalisiert und gespeichert. Mit Hilfe einer Software, installiert in der Messanlage, wird aus diesen aufgenommenen Rohdaten eine Kurve erzeugt, die Rohdaten werden gespeichert, ob verschlüsselt oder „nur" codiert ist streitig.

Die Klägerin bietet die Software eso Digitales II Viewer zum Kauf an, mit der das erzeugte Bild und die Messdaten ausgelesen werden können, nicht aber die Rohdaten. Darüber hinaus bietet die Klägerin gegen Entgelt an, bei ihr eine Rohdatenanalyse durchführen zu lassen, in deren Rahmen die Daten zu den erzeugten Helligkeitsprofilen ausgelesen werden.

Jedenfalls der Beklagte zu 3 nahm in der Vergangenheit im Rahmen von Geschwindigkeitsgutachten, die er als Mitarbeiter der Dekra erstellte, Zugriff auf die jeweilige Messdatei und wertete die Rohdaten selbst aus (vgl. Auszüge aus Gutachten, vorgelegt als Anlagen K 1, K 10 und K 11, Anlagenband (AB)). Vorrangig streiten die Parteien darüber, ob dies ein Ausspähen im Sinne von §§ 202 a, 202 c StGB darstellt und deshalb die Klägerin in ihren Rechten verletzt.

Der Beklagte zu 2 wies in seiner damaligen Eigenschaft als Geschäftsführer der Beklagten zu 1 in einem Gutachten gegenüber einem privaten Auftraggeber darauf hin, eine Auswertung der Messrohdaten könne im Hinblick auf das hiesige Verfahren nur mit Gerichtsauftrag unter Sachverständigenschutz erfolgen (Anlage K 13, AB).

Die Klägerin mahnte vorgerichtlich die Beklagten ab (Anlagen K 6 und K 8, AB) und forderte sie jeweils vergeblich auf, eine Unterlassungserklärung abzugeben, da jeweils eine unzulässige Rohdatenauswertung vorgenommen werde.

Die Klägerin ist der Ansicht, ihr Unterlassungsanspruch begründe sich in einem Verstoß der Beklagten gegen § 202 a StGB und des Beklagten zu 3 gegen § 202 c StGB, denn die von ihr angebotene und durchgeführte Rohdatenanalyse stelle den einzigen genehmigten Zugang zu diesen Daten, die verschlüsselt seien, dar. Sie sei die Verfügungsberechtigte der Daten. Die von ihr eingerichtete Zugangssicherung werde durch den Beklagten zu 3 illegal, nämlich mithilfe der Programmierung einer Entschlüsselungssoftware überwunden, die Datei weitergehend analysiert. Die „Anlage Bild und Datenanalyse" als Teil eines Gutachtens basiere auf ausgespähten Helligkeitsprofilen und weise den Copyright-Vermerk der Beklagten zu 1 auf (Anlagen K 2 und 3, AB). Die Ausführungen des Beklagten zu 2 im Gutachten Anlage K 13 begründeten jedenfalls einen vorbeugenden Unterlassungsanspruch.

Sie ist weiter der Ansicht, die Werte dürften hinsichtlich ihres geräteinternen Zustandekommens in einem gerichtlichen Verfahren durch einen Gutachter nicht überprüft werden, denn die Zuverlässigkeit der geräteinternen Funktionen und damit die Analyse der im standardisierten Messverfahren erfassten und verschlüsselten Helligkeitsprofile seien bereits im Rahmen des Zulassungsverfahrens von der Physikalisch Technischen Bundesanstalt (PTB) Braunschweig geprüft.

1. die Beklagten werden (je einzeln) verurteilt, es zu unterlassen,
- Rohdaten aus Anlagen des Typs eso ES3.0, die mit dem eso Digitales II Viewer nicht ausgelesen werden, auszulesen und/oder
- Rohdaten aus Anlagen des Typs eso ES3.0, die mit dem eso Digitales II Viewer nicht ausgelesen werden, wirtschaftlich zu verwerten und/oder sich zu verschaffen und/oder zu verbreiten,
2. die Beklagten werden (je einzeln) verurteilt, es zu unterlassen, Computerprogramme, deren Zweck die Begehung einer unter 1. formulierten Handlung ist, herzustellen, sich oder einem anderen zu verschaffen, zu verkaufen, einem anderen zu überlassen, zu verbreiten oder sonst zugänglich zu machen.
3. Für jeden Fall der Zuwiderhandlung gegen die vorstehend unter Ziff. 1 und 2 genannte(n) Unterlassungspflicht(en) wird dem jeweiligen Beklagten ein Ordnungsgeld bis zu 250.000,00 Euro ersatzweise Ordnungshaft bis zu 6 Monaten angedroht.

Die Beklagten beantragen,
die Klage abzuweisen.
Sie sind der Ansicht, Helligkeitsprofile nicht illegal erzeugt zu haben. Die als Anlage K 2 vorgelegte Analyse basiere auf einer vom Beklagten zu 2 erstellten Software, die mit den streitgegenständlichen Helligkeitsprofilen nichts zu tun habe. Bereits deshalb stehe der Klägerin gegen die Beklagten zu 1 und zu 2 kein Unterlassungsanspruch zu. Darüber hinaus sei es Aufgabe eines Sachverständigen, die Ordnungsgemäßheit der Messung zu überprüfen, wofür der Zugriff auf die Rohdaten erforderlich sei. Hierfür greife der Beklagten zu 3 aber nicht in eine Datei des Messgerätes selbst ein, sondern werte lediglich die im Verlauf mehrerer Messvorgänge amtlich und folglich von der verfügungsberechtigten Landespolizeibehörde gewonnenen und überlassenen Daten aus, weshalb er als Sachverständiger im gerichtlichen Auftrag berechtigt sei, sich Zugang zu den von den Messbeamten gewonnen Dateien zu verschaffen. Diese Dateien seien allenfalls codiert, nicht aber verschlüsselt, weshalb es keiner besonders hergestellten Software bedürfe, um auf die Messdatei zugreifen zu können.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

Der Klägerin steht kein Unterlassungsanspruch aus §§ 1004, 823 Abs. 2 BGB i.V.m. §§ 202 a, 202 c StGB, 17 UWG zu. Denn der Zugriff des Beklagten zu 3 auf die Rohdaten verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten und erfolgt nicht unbefugt im Sinne von § 202 a Abs. 1 StGB oder von § 17 Abs. 2 UWG. Die Klägerin ist nämlich nicht über die Rohdaten verfügungsberechtigt.

Es kann daher dahin stehen, ob auch die Beklagten zu 1 und zu 2 auf Rohdaten zugegriffen haben oder ob ein solches Zugreifen drohte.

Entgegen der Ansicht der Klägerin ist die Überprüfung der Messergebnisse anhand der gespeicherten Rohdaten nicht bereits deshalb jedem Dritten oder den Gerichten verwehrt, weil das Messgerät das Zulassungsverfahren der PTB Braunschweig durchlaufen hat. Aus der auszugsweise dargestellten Mitteilung der PTB ergibt sich, dass es dabei um die Frage der Geeignetheit des Gerätes geht, überhaupt als Geschwindigkeitsmessgerät zum Einsatz zu kommen. Die Mitteilung enthält aber kein (ggf. unwirksames) Verbot der Überprüfung der gespeicherten Rohdaten und verhält sich nicht zur Frage der Überprüfung des konkret gewonnen Messwertes. Der zitierten Entscheidung des OLG Hamm (Beschluss vom 29.1.2013, III-1 RBs 2/13, zit. nach juris) lässt sich die behauptete generelle Nicht- Überprüfung ebenfalls nicht entnehmen. Die Überprüfung der Messung scheiterte lediglich daran, dass keine konkreten Einwendungen gegen das Messergebnis erhoben worden waren.

Daher ist es weder den Gerichten noch den durch den von einer Geschwindigkeitsmessung Betroffenen verwehrt, das Zustandekommen und damit die Richtigkeit des Messergebnisses zu überprüfen.

Entscheidend ist vielmehr, ob zur Überprüfung und damit zum Zugriff auf die Rohdaten ausschließlich die Klägerin befugt ist, wie sie meint, oder auch ein Sachverständiger, gleich, ob im gerichtlichen oder privat erteilten Auftrag, dem die Falldatei durch die Polizei- bzw. Ordnungsbehörde zusammen mit den weiteren Unterlagen und Daten überlassen worden ist. Mithin ist entscheidend, ob die Klägerin Berechtigte im Sinne von § 202 a StGB ist, ob ihr die Daten gehören.

Die Daten gehören nicht der Klägerin.

Nach der Strafvorschrift des § 202 a StGB ist Täter, wer sich Zugang zu nicht für ihn bestimmte Daten verschafft. Hierzu heißt es bei Graf in Münchner Kommentar, StGB, 2. Aufl., Rn 19:

„Für wen die Daten bestimmt sind, richtet sich nach dem Willen des Verfügungsberechtigten, bei gespeicherten Daten regelmäßig also desjenigen, der diese gesammelt und gespeichert hat oder auf dessen Veranlassung die Speicherung erfolgt ist (...) Auf das Eigentum oder den Besitz am Datenträger selbst oder an der Datenverarbeitungsanlage kommt es hinsichtlich der Berechtigung nicht entscheidend an."

Bei Hilgendorf in Leipziger Kommentar, 12. Aufl., Rn. 26, heißt es:
„§ 202 a schützt (...) das Herrschaftsverhältnis über die Information. Deshalb hat die Entscheidung der „Herr der Daten" zu treffen; das ist derjenige, der über sie verfügen darf, also die Rechtsmacht hat, Daten einem anderen zugänglich zu machen. Wer dies ist, richtet sich ohne Rücksicht auf das Eigentum am Datenträger nach dem Akt der Erschaffung, d.h. nach dem Skripturakt der erstmaligen Datenabspeicherung. Dabei kommt es (...) nicht auf den körperlichen Vollzug an, sondern darauf, in wessen Auftrag die Daten abgespeichert werden."
Auch Fischer stellt in StGB, 60. Aufl., Rn. 7a, auf diese Erstabspeicherung ab.

Diese Definition zugrundelegend, führt dies dazu, dass Berechtige die Behörde ist, die die Geschwindigkeitsmessung beauftragt hat. Diese Behörde - und nicht die Klägerin - bestimmt, ob, wo, wie und für welche Zeitdauer Geschwindigkeitsmessungen durchgeführt werden. Diese Behörde will die Fahrzeugfahrer ermitteln, die die Geschwindigkeit überschreiten, um die Geschwindigkeitsüberschreitung mit den Mitteln des Ordnungswidrigkeitenrechts zu ahnden. Die Herstellung des Geschwindigkeitsmessgerätes ist kein Selbstzweck. Das Gerät ist für die Behörde ein Hilfsmittel, die Geschwindigkeit zu messen. Diese Hilfeleistung führt aber nicht dazu, dass die Klägerin bestimmen darf, wer Zugang zu den Daten erhält. Diese Rohdaten entstehen überhaupt erst, weil die Behörde die Messung veranlasst und durchführt. Mit ihrer Entstehung werden die Rohdaten zugleich gespeichert.

Soweit die Klägerin meint, allein deshalb, weil sie im Messgerät eine Software installiert hat, die die Speicherung der Rohdaten unter deren Verschlüsselung vornimmt, Verfügungsbefugte der Rohdaten zu sein, kann dem nicht gefolgt werden. Denn das Verschlüsseln fremder Daten verändert nicht das Herrschaftsverhältnis an den gespeicherten Daten. Schließlich ist es nicht so, dass die Klägerin sich damit wirksam die Nutzung der Daten vorbehalten hat, denn auch insoweit fehlt ihr mangels Berechtigung die Befugnis für einen solchen Vorbehalt.

Erhält ein Sachverständiger wie der Beklagte zu 3 auf seine Anfrage hin von der Behörde, die die Messung veranlasst und durchgeführt hat, die Datei, steht dem Auslesen oder gar Entschlüsseln der Rohdaten daher nichts entgegen.

Es kann dahin stehen, ob zum Auslesen der Rohdaten überhaupt eine Verschlüsselung mithilfe einer programmierten Software überwunden werden muss, oder ob die Daten mithilfe eines Schlüssels ausgelesen werden können und ob dies bereits das Überwinden einer Datenverschlüsselung verwirklicht. Unterstellt, es handelt sich um eine Verschlüsselung, stellt das Überwinden der Verschlüsselung nichts Verbotenes und keine Verletzung eines Betriebsgeheimnisses i.S.v. § 17 UWG dar, denn die Klägerin ist nicht „Herrin der Daten", wie oben dargestellt. Folglich fehlt ihr, wie ausgeführt, die Befugnis, die Verschlüsselung fremder Daten überhaupt vornehmen zu dürfen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 91, 709 ZPO.


Einsender: RA R. Stiller, Halle

Anmerkung:


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