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Entscheidungen

Gebühren

Auslagenpauschale, Bußgeldverfahren, vorbereitendes, gerichtliches Verfahren, dieselbe Angelegenheit

Gericht / Entscheidungsdatum: LG Dortmund, Urt. v. 15.09.2011 - 2 S 11/11

Fundstellen:

Leitsatz: Das vorgerichtliche und anschließende gerichtliche Bußgeldverfahren stellen eine Angelegenheit dar, sodass die Auslagenpauschale lediglich einmal verlangt werden kann.


In pp.
Die Berufung des Klägers gegen das im vereinfachten Verfahren gemäߧ 495 a ZPO am 21. Februar 2011 ergangene Urteil des Amtsgerichts Dortmund wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens trägt nach einem Streitwert von 23,80 ? der Kläger.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Der Kläger kann die Vollstreckung durch die Beklagte gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Die Revision wird zugelassen.
Entscheidungsgründe
I.
Die Beklagte ist ein selbständiges Schadensabwicklungsunternehmen gemäߧ 126 VVG, das mit der Leistungsbearbeitung durch den Rechtsschutzversicherer beauftragt ist, bei dem der Kläger eine Rechtsschutzversicherung unter Geltung der ARB abgeschlossen hat. Gegen den rechtsschutzversicherten Kläger erging im Januar 2010 ein Bußgeldbescheid wegen Rotlichtverstoßes. Daraufhin beauftragte der Kläger seinen Prozessbevollmächtigten, der gegen den Bußgeldbescheid Einspruch eingelegte. Im Juni 2010 fand vor dem Amtsgericht ein Hauptverhandlungstermin statt, in dem eine Reduzierung des Bußgeldes und zudem erreicht wurde, dass zu Lasten des Klägers im Verkehrszentralregister keine Punkte eingetragen wurden.
Der Prozessbevollmächtigte berechnete dem Kläger für seine Tätigkeit unter Abzug eines Vorschusses, den die Beklagte gezahlt hatte, noch 589,65 ?, wobei er zweimal die Auslagenpauschale gemäß Nr. 7002 VV RVG in Höhe von jeweils 20,00 ? zuzüglich Mehrwertsteuer berechnete. Da die Beklagte die Gebührenforderung zunächst nicht beglich, erwirkte der Kläger gegen die Beklagte einen Mahnbescheid über den Betrag von 589,65 ?. Einen Tag nach Erlass des Mahnbescheides wurde dem Konto des Prozessbevollmächtigten des Klägers ein Betrag in Höhe von 586,85 ? gut geschrieben. Der Differenzbetrag zur Rechnung in Höhe von 23,80 ? war von der Beklagten nicht beglichen worden, weil sie die Auffassung vertrat, dass die Unkostenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG nur einmal in Ansatz gebracht werden könne.
Der Kläger hat im Laufe des erstinstanzlichen Verfahrens den Rechtsstreit in Höhe des Zahlungsbetrages der Beklagten für erledigt erklärt. Er hat sein Begehren in der Sache insoweit weiterverfolgt, als er von einer Forderung seines Prozessbevollmächtigten in Höhe von 23,80 ? freigestellt werden will. Dazu hat er die Auffassung vertreten, dass die Unkostenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG zweimal in Ansatz gebracht werden könne, weil es sich bezüglich des Verfahrens vor der Verwaltungsbehörde und des anschließenden gerichtlichen Verfahrens um zwei verschiedene Angelegenheiten handele, so dass die Auslagenpauschale auch zweimal berechnet werden könne.
Der Kläger hat erstinstanzlich beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, ihn von dem gegen ihn erhobenen Gebührenanspruch des Rechtsanwalts T, I-Straße ##, ##### C für die anwaltliche Tätigkeit aus der Gebührenrechnung vom 145.06.2010 zur Rechnungs-Nr.: 28/10/ 360/10 in Höhe von 20,00 ? zuzüglich 3,80 ? Umsatzsteuer freizustellen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hat an ihrer schon vorgerichtlich geäußerten Rechtsauffassung festgehalten, dass die Auslagenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG auch bei der Vertretung im Bußgeldverfahren sowohl vor der Verwaltungsbehörde als auch im nachfolgenden gerichtlichen Verfahren lediglich einmal berechnet werden dürfe, weil es sich um eine Angelegenheit handele.
Das Amtsgericht hat den Freistellungsanspruch abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Der Anspruch des Klägers sei unbegründet, da die Berechnung der zweiten Auslagenpauschale durch dessen Prozessbevollmächtigten zu Unrecht erfolgt sei. Das vorgerichtliche und anschließende gerichtliche Bußgeldverfahren stellte eine Angelegenheit dar, so dass die Auslagenpauschale lediglich einmal verlangt werden könne. Eine anwaltliche Beauftrag im Bußgeldverfahren zwecks Einlegung des Einspruchs gegen den von der Bußgeldbehörde erlassenen Bußgeldbescheid und dass sich dann nach Abgabe des Verfahrens anschließende Verfahren vor dem Amtsgericht sei als ein einheitliches Verfahren anzusehen, wobei neben der Grundgebühr zwar eine Verfahrensgebühr für das Verfahren vor der Bußgeldbehörde als auch eine Verfahrensgebühr vor dem Amtsgericht gerechtfertigt seien, sowie schließlich bei Durchführung eines Hauptverhandlungstermins auch die Terminsgebühr. Dies alles seien unterschiedliche Gebührentatbestände in derselben Angelegenheit. Alles im allem sei daher das Verfahren mit diesem vorgegebenen Gang als ein einheitliches Verfahren anzusehen, so dass neben den vorgenannten einzelnen Gebühren lediglich eine einzige Post- und Telekommunikationspauschale hinzutritt, da die berechtigten Gebühren einmal angefallen und soweit nichts anderes bestimmt sei, die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit abgelten und die Gebühren in derselben Angelegenheit eben nur einmal gefordert werden könnten. Entsprechend habe der Gesetzgeber auch in § 17 RVG eben festgelegt, wann tatsächlich verschiedene Angelegenheiten anzunehmen seien. So z. B. für das Rechtsmittelverfahren oder das Verwaltungsverfahren, das einem gerichtlichen Verfahren vorausgehende und der Nachprüfung des Verwaltungsakt dienende weitere Verwaltungsverfahren (§ 17 Nr. 1 RVG) oder das Mahnverfahren und das streitige Verfahren (§ 17 Nr. 2 RVG) sowie auch das strafrechtliche Ermittlungsverfahren und ein nach dessen Einstellung sich anschließendes Bußgeldverfahren (§ 17 Nr. 10 RVG). Hierdurch habe der Gesetzesgeber ausdrücklich eigentlich als einheitlich anzusehende Verfahren als eben gebührenrechtlich verschiede Angelegenheiten festgelegt. Hierbei seien das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und das anschließende gerichtliche Verfahren nach Einspruch nicht erwähnt. Dieses sei auch nicht etwa mit dem in § 17 Nr. 1 RVG geregelten Widerspruchsverfahren in einem reinen Verwaltungsverfahren zu vergleichen. Bei dem im Bußgeldverfahren nach Erlass des Bußgeldbescheides und Einlegung des Einspruchs noch stattfindenden Verfahrens bei der Bußgeldstelle handele es sich lediglich um ein einfaches Zwischenverfahren, dass auch nicht ansatzweise mit dem reinen Verwaltungsverfahren mit gegebenenfalls auch einer eigenen Beweisaufnahme und Widerspruchsverfahren verglichen werden könne.
Zur Sicherung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und wegen grundsätzlicher Bedeutung hat das Amtsgericht die Berufung zugelassen, die der Kläger eingelegt hat. Er verfolgt auch im Berufungsrechtszug sein erstinstanzliches Begehen weiter und rügt die Auffassung des Amtsgerichts als fehlerhaft, dass es sich bei dem Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und dem anschließenden gerichtlichen Verfahren um ein und dieselbe Angelegenheit handele.
Der Kläger beantragt,
das angefochtene Urteil aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn von dem gegen ihn erhobenen Gebührenanspruch des Rechtsanwalts T, I-Straße ##, ##### C für die anwaltliche Tätigkeit aus der Rechtsanwaltsgebührenrechnung vom 14.06.2010 zur Rechnungs-Nr. 28/10/360/10 in Höhe von insgesamt 23,80 ? freizustellen sowie hilfsweise die Revision zuzulassen.
Die Beklagte und Berufungsbeklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und bekräftigt ihre stets vertretene Auffassung, dass die Auslagenpauschale nur einmal berechnet werden könne, weil die weisungsgemäße Interessenvertretung im behördlichen wie gerichtlichen Bußgeldverfahren nur eine Angelegenheit sei.
II.
Die zulässige - weil zugelassene - Berufung hat keinen Erfolg.
Das Amtsgericht hat zu Recht entschieden, dass dem Kläger kein Anspruch auf Freistellung von dem durch seinen Prozessbevollmächtigten gegen ihn erhobenen Gebührenanspruch wegen Berechnung einer zweiten Unkostenpauschale nebst Mehrwertsteuer zusteht, weil die Gebührenforderung des Prozessbevollmächtigten insoweit zu Unrecht erhoben worden ist. Denn das Leistungsversprechen des Rechtsschutzversicherers geht unabhängig von der dem Versicherungsvertrag zugrunde liegenden Fassung der ARB dahin, dass der Versicherer bei Eintritt des Rechtsschutzfalles die Vergütung eines für den Versicherungsnehmer tätigen Rechtsanwaltes bis zur Höhe der gesetzlichen Vergütung trägt, die wiederum durch das RVG festgelegt wird.
1.
§ 15 Abs. 1 RVG legt den Abgeltungsbereich der Gebühren dahingehend fest, dass mit den Gebühren die gesamte Tätigkeit des Rechtsanwalts vom Auftrag bis zur Erledigung der Angelegenheit abgegolten ist, soweit das RVG nichts anderes bestimmt. Gemäߧ 15 Abs. 2 RVG kann der Rechtsanwalt die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern. Betrifft die Tätigkeit des Rechtsanwalts jedoch mehrere Angelegenheiten, können die Gebühren in jeder dieser Angelegenheit entstehen. Für den gerichtlichen Instanzenzug bestimmt § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG, dass die Gebühren in jedem Rechtszug entstehen.
§ 16 RVG stellt klar, dass bestimmte Tätigkeiten des Rechtsanwalts derselben Angelegenheit zugeordnet werden und nicht eine selbständige Angelegenheit bilden können, auch wenn die Voraussetzungen, die § 15 Abs. 2 zur Annahme "derselben" Angelegenheit aufstellt, entweder nicht vorliegen oder darüber Zweifel bestehen. Soweit eine solche Zusammenfassung erfolgt, können dieselben Gebühren stets nur einmal entstehen. Demgegenüber bestimmt § 17 RVG, dass Tätigkeiten des Rechtsanwalts, die tatsächlich oder auch nur möglicherweise nach § 15 Abs. 2 RVG "dieselbe" Angelegenheit bilden könnten, getrennt werden mit der Folge, dass Gebühren in jeder Angelegenheit gesondert entstehen können (vgl. Mayer/Kroiß/Rohn, RVG, 4. Aufl., Vorbemerkung zu §§ 16 bis 18 Rn. 1 bis 3).
2.
Da das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und das nachfolgende gerichtliche Verfahren keinen gerichtlichen Instanzenzug im Sinne des § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG darstellen und auch die §§ 16 und 17 RVG jedenfalls ausdrücklich nicht regeln, ob die Interessenwahrnehmung im behördlichen und gerichtlichen Bußgeldverfahren als eine oder mehrere Angelegenheit (en) anzusehen ist, hängt die unter den Parteien streitige Frage, ob die Unkostenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG durch den Rechtsanwalt einmal oder zweimal berechnet werden kann, davon ab, ob die Interessenwahrnehmung in derselben Angelegenheit erfolgt oder in mehreren Angelegenheiten. Die Beantwortung der Streitfrage ist in der Rechtsprechung umstritten.
Während beispielsweise das Landgericht Konstanz, zfs 2010, 167 mit zustimmender Anmerkung Hansens und das Amtsgericht Aachen, zfs 2011, 647 mit zustimmender Anmerkung Hansens sich dafür ausgesprochen haben, mehrere Angelegenheiten anzunehmen mit der Folge, dass die Unkostenpauschale zweimal berechnet werden kann (ebenso Mayer/Kroiß/Winkler, a.a.O., § 15 Rn. 30), gehen u. a. LG Potsdam v. 16.12.2008 - 24 Qs 113/08 -, [...], LG Magdeburg, JurBüro 2008, 85, LG Hamburg, JurBüro 2006, 503, Amtsgericht München, DAR 2008, 612 davon aus, dass nur eine Angelegenheit vorliegt und dementsprechend die Unkostenpauschale nach Nr. 7002 VV RVG nur einmal berechnet werden kann (ebenso OLG Saarbrücken, Rechtspfleger 2007, 342 für das staatsanwaltschaftliche Ermittlungsverfahren und anschließendes gerichtliches Strafverfahren).
Das erkennende Gericht schließt sich wie der Vorderrichter der zuletzt genannten Auffassung an. Denn weisungsgemäß erbrachte anwaltliche Leistungen betreffen in der Regel ein und dieselbe Angelegenheit, wenn zwischen ihnen ein innerer Zusammenhang besteht und sie sowohl inhaltlich als auch in der Zielsetzung so weitgehend übereinstimmen, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden kann. Die Frage, ob von einer oder mehreren Angelegenheiten auszugehen ist, lässt sich dabei nicht allgemein, sondern nur im Einzelfall unter Berücksichtigung der jeweiligen Lebensverhältnisse beantworten, wobei insbesondere der Inhalt des erteilten Auftrags maßgebend ist. Ein innerer Zusammenhang ist zu bejahen, wenn selbst verschiedene Gegenstände bei objektiver Betrachtung und unter Berücksichtigung des mit der anwaltlichen Tätigkeit nach dem Inhalt des Auftrags erstrebten Erfolgs zusammen gehören (BGH, NJW 2011, 784 ). Daran gemessen handelt es sich bei der Interessenwahrnehmung im behördlichen wie im anschließenden gerichtlichen Bußgeldverfahren um dieselbe Angelegenheit, weil der nach Erlass des Bußgeldbescheides dem Prozessbevollmächtigten erteilte Auftrag des Klägers dahin geht, die durch den Bußgeldbescheid verhängte Sanktion zu beseitigen oder abzumildern. Inhaltlich wie auch in der Zielsetzung stimmt die anwaltliche Leistung sowohl im behördlichen, als auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren so weitgehend überein, dass von einem einheitlichen Rahmen der anwaltlichen Tätigkeit gesprochen werden muss. Die Tatsache, dass das RVG in Nr. 5101 VV RVG und Nr. 5107 VV RVG jeweils gesonderte Verfahrensgebühren vorsieht, zwingt nicht zu der Annahme, dass mehrere Angelegenheiten vorliegen (so insbesondere Hansens zfs 2009, 648 in Anmerkung zu Amtsgericht Aachen, zfs 2009, 647). Denn es handelt sich um unterschiedliche Verfahrensgebühren, die innerhalb derselben Angelegenheit nebeneinander entstehen können (OLG Saarbrücken, Rechtspfleger 2007, 342). Nach Auffassung des Gerichts hätte es einer Regelung entsprechend § 15 Abs. 2 Satz 2 RVG oder der Aufnahme in den Katalog des § 17 RVG bedurft, um das Entstehen aller Gebühren sowohl im behördlichen wie auch im gerichtlichen Bußgeldverfahren rechtfertigen zu können.
3.
Die Berufung war somit mit der Kostenfolge aus § 97 ZPO zurückzuweisen.
Wegen der grundsätzlichen Bedeutung der Sache und zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung war die Revision zuzulassen (vgl. Bundesverfassungsgericht NJW 2011, 1276 mit Anmerkung Ulrich IBR 2011, 177).


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