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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 2 Ss OWi 229/08 OLG Hamm

Leitsatz: Die von der obergerichtlichen Rechtsprechung aufgestellten Grundsätze für sogenannte standardisierte Messverfahren gelten nur dann, wenn das jeweilige Messgerät vom Bedienungspersonal auch standardmäßig, d.h. in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs-/Gebrauchsanweisung verwendet worden ist, und zwar nicht nur beim eigentlichen Messvorgang, sondern auch und gerade bei den ihm vorausgehenden Gerätetests.

Senat: 2

Gegenstand: Rechtsbeschwerde

Stichworte: Standardisiertes Messverfahren; Vorgaben; Verwendung; Beachtung; Herstellerangaben;

Normen: StPO 261; StPO 267

Beschluss:

Bußgeldsache
gegen G.S.
wegen Verkehrsordnungswidrigkeit.

Auf die Rechtsbeschwerde des Betroffenen vom 6. Dezember 2007 gegen das Urteil des Amtsgerichts Hagen vom 6. Dezember 2007 hat der 2. Senat für Bußgeldsachen des Oberlandesgerichts Hamm am 15. 05. 2008 durch den Richter am Oberlandesgericht beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird mit den zugrunde liegenden Feststellungen aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsbeschwerdeverfahrens, an das Amtsgericht Hagen zurückverwiesen.

Gründe:
I.
Das Amtsgericht hat den Betroffenen wegen einer fahrlässigen Geschwindigkeitsüberschreitung (§§ 41 Abs. 2 StVO, 49 StVO, 24, 25 Abs. 2 a StVG) zu einer Geldbuße von 295,- € und außerdem ein Fahrverbot von einem Monat verhängt. Hiergegen richtet sich die Rechtsbeschwerde des Betroffenen, mit der er die materielle Rüge erhoben hat. Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Rechtsbeschwerde gemäß § 79 Abs. 3 OWiG i.V.m. § 349 Abs. 2 StPO als offensichtlich unbegründet zu verwerfen.

II.
Das Amtsgericht hat folgende tatsächliche Feststellungen getroffen:

„Der Betroffene befuhr am 27.03.2006 die BAB 46 im Bereich Hagen bei km 0,730. Die per Laser-Geschwindigkeitsmessgerät (Typ LR 90-235 P, Gerätenummer: S 1489 99 der Firma Riegl Measurement Systems GmbH, A-3580 Horn/Österreich) durchgeführte Messung ergab eine gemessene Geschwindigkeit von 175 km/h. Erlaubt sind an der Messstelle 100 km/h. Die Geschwindigkeitsüberschreitung beläuft sich abzüglich einer Messtoleranz von 6 km/h auf 69 km/h. Das eingesetzte Messgerät wurde dabei ordnungsgemäß aufgestellt und bedient. Ferner war es gültig geeicht.“

Aus den Ausführungen des Amtsgerichts ergibt sich außerdem, dass die vor der Inbetriebnahme erforderliche sogenannte Null-Messung nicht in der nach der Bedienungsanleitung des Geschwindigkeitsmessgeräts erforderlichen Entfernung von maximal 300 Metern durchgeführt worden ist, sondern in einer Entfernung von 364 Metern. Das Amtsgericht hat einen Sachverständigen B. dazu gehört, ob durch diese Null-Messung die Richtigkeit der späteren Messung beeinträchtigt worden ist. Dieses hat der Sachverständige verneint. Das Amtsgericht hat sodann die von dem Polizeibeamten durchgeführte Messung der Verurteilung des Betroffenen zugrunde gelegt.

III.
Die Rechtsbeschwerde ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Die Ausführungen des Amtsgerichts sind lückenhaft (§ 267 StPO).

Die Ausführungen des Amtsgerichts erfüllen nicht die Anforderungen, die bei einem bestreitenden Betroffenen an die Darlegung eines ordnungsgemäß zustande gekommenen Messergebnisses und an die Beweiswürdigung zu stellen sind (vgl. BGHSt 39, 291; 43, 277). Zutreffend hat das Amtsgericht allerdings erkannt, dass es nicht von einem sogenannten standardisierten Messverfahren ausgehen konnte. Zwar handelt es sich bei der hier vorgenommenen Lasermessung mit dem Gerät Typ LR 90-235 P um ein in der Rechtsprechung grundsätzlich als geeignet anerkanntes Messverfahren i.S.d. Rechtsprechung des BGH (vgl. BGHSt 39, 291; OLG Koblenz DAR 2006, 101 = VA 2005, 214). Das gilt jedoch nur dann, wenn das Gerät vom Bedienungspersonal auch standardmäßig, d.h. in geeichtem Zustand, seiner Bauartzulassung entsprechend und gemäß der vom Hersteller mitgegebenen Bedienungs-/Gebrauchsanweisung verwendet worden ist, und zwar nicht nur beim eigentlichen Messvorgang, sondern auch und gerade bei den ihm vorausgehenden Gerätetests (vgl. OLG Koblenz, a.a.O.). Das ist vorliegend jedoch nicht der Fall, da die vom Hersteller in der Bedienungsanleitung vorgeschriebene Null-Messung nicht in der vorgegebenen Entfernung von maximal 300 Metern, sondern in einer Entfernung von
364 Metern durchgeführt worden ist. Damit handelt es sich bei der durchgeführten Messung nicht mehr um ein standardisiertes Messverfahren. Zwar ist nicht die Eichung erloschen, das Gerät ist aber wie ein nicht geeichtes bzw. nicht mehr ausreichend geeichtes Gerät anzusehen.

Zutreffend hat das Amtsgericht erkannt, dass - entgegen der Auffassung der Rechtsbeschwerde - die Messung nicht insgesamt unverwertbar ist, sondern sie - ggf. mit einem größeren Toleranzabzug als üblich - verwendet werden kann. Zutreffend ist es auch, wenn das Amtsgericht zur Überprüfung der Messung einen Sachverständigen beigezogen hat. Rechtsfehlerhaft ist es jedoch, wenn das Amtsgericht keinerlei Angaben dazu macht, um welchen Sachverständigen es sich gehandelt hat. Es wird lediglich Bezug genommen auf das „Gutachten des Sachverständigen B.“. Welcher Fachrichtung dieser angehört, insbesondere, ob er sachkundig genug ist, um die Fragen der Messtechnik zu beurteilen, wird nicht mitgeteilt. Insoweit leidet das angefochtene Urteil daher an einem Darstellungsmangel.

IV.
1. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass dann, wenn der Sachverständige zwar die zur Begutachtung standardmäßig abgelaufener Messvorgänge nötige Sachkunde besitzt, nicht aber das spezielle Fachwissen, das zur Beurteilung eines Verstoßes gegen die Anweisungen der Bedienungsanleitung erforderlich ist, das Tatgericht sich mit diesem Umstand auseinander setzen muss (so auch OLG Koblenz, a.a.O.). Sollte der Sachverständige dazu ggf. eine Auskunft der PTP Braunschweig eingeholt haben, so ist der Wortlaut dieser Urkunde im tatrichterlichen Urteil wiederzugeben und im Einzelnen darzustellen.

2. Der Senat weist außerdem erneut darauf hin: Das Tatgericht darf sich dem Gutachten eines Sachverständigen nicht einfach nur pauschal anschließen. Das hat das Amtsgericht hier getan. Vielmehr muss es, wenn es dem Sachverständigen ohne Angabe eigener Erwägungen folgen will, in den Urteilsgründen die wesentlichen Anknüpfungstatsachen und Darlegungen des Sachverständigen wiedergeben (vgl. Senat in VA 2000, 32 = StraFo 2000, 310 = NZV 2000, 429 = StV 2000, 547 = DAR 2000, 483 = VRS 99, 204; StraFo 2002, 58 = StV 2002, 404; VA 2004, 193 = VRS 107, 371 = DAR 2005, 42; VA 2004, 173, jeweils m.w.N.). Dafür ist der bloße Hinweis auf das „Gutachten des Sachverständigen B.“ und die Formulierung: „Dem Sachverständigen konnte gefolgt werden, da seine Ausführungen detailliert, in sich widerspruchsfrei und auch für den technischen Laien gut verständlich waren. Anhaltspunkte dafür, an der Qualifikation und Unparteilichkeit des Sachverständigen zu zweifeln, bestanden nicht.“ nicht ausreichend.



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