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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 408/16 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Eine Fortdauer der Vollstreckung einer Maßregel nach § 63 StGB über zehn Jahre hinaus ist nach §§ 67d Abs. 6 S. 3 und Abs. 3 StGB nur unter der Voraussetzung möglich, dass eine „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ für die Begehung entsprechend qualifizierter neuer rechtswidriger Taten vorliegt. Die Erledigung der Maßregel hängt – das macht bereits die Formulierung („wenn nicht“) deutlich - nicht von einer günstigen Prognose ab, sondern ihre Fortdauer von der Stellung einer negativen Prognose. Die bloße Möglichkeit oder eine lediglich „latente“ Gefahr einer (prognoserelevanten) Straftat reicht für die Annahme einer entsprechenden Taterwartung nicht aus. Eine negative Prognose ist dann gerechtfertigt, wenn es konkrete und gegenwärtige Anhaltspunkte für eine fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten gibt.

2. Hinsichtlich der zu erwartenden rechtswidrigen Taten i.S.v. § 67d Abs. 6 S. 3; Abs. 3 StGB) reichen für eine Fortdauer der Maßregel nicht alle Taten, die auch zur Anordnung einer solchen Maßregel führen können, aus. Vielmehr muss es sich um „erhebliche Taten“ handeln, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden. Dies sind grds. jedenfalls alle drohenden Straftaten aus dem Deliktskatalog von § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a-c StGB, aber auch regelmäßig alle drohenden Verbre-chen und Straftaten aus dem Bereich der mittleren Kriminalität, wenn sie einen hohen Schweregrad aufweisen und den Rechtsfrieden empfindlich stören. Selbst drohende Katalogtaten des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a-c StGB sind aber möglicherweise nicht ausreichend, wenn aufgrund ihrer konkreten Begehungsweise schwere Schädigungen des Opfers nicht zu erwarten sind.

3. Auch bei Nichterledigung einer bereits seit mindestens zehn Jahren vollstreckten Maßregel kommt eine Maßregelaussetzung nach § 67d Abs. 2 StGB in Betracht, wenn gerade aufgrund des Bewährungs-drucks, der Einwirkungsmöglichkeiten durch die Führungsaufsicht und wegen entsprechender Weisun-gen die Gefährlichkeit des Untergebrachten auf ein aussetzungsfähiges Maß reduziert wird.

4. § 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB ermächtigt auch zu der Weisung, dass die unter Führungsaufsicht stehende Person eine bestimmte Wohneinrichtung nicht bzw. nicht ohne Begleitung ohne Zustimmung der Füh-rungsaufsichtsstelle verlassen darf.

5. Aus einer Annexkompetenz zu § 68b Abs. 3 StGB kann sich ergeben, dass die Kosten zur Erfüllung bestimmter Weisungen der Staatskasse auferlegt werden können, wenn die unter Führungsaufsicht stehende Person diese nicht aufbringen kann.

Senat:

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Unterbringung, psychiatrisches Krankenhaus, Erledigung, Fortdauer, Maßregel, Bewährung,

Normen: StGB 67d; StGB 63; StGB 68b

Beschluss:

Maßregelvollzugssache
In pp.
hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 29.06.2017 beschlossen:

1.a) Der Beschluss des Landgerichts Münster vom 10.11.2016 wird aufgehoben.
b) Die weitere Vollstreckung der mit Urteil des Landgerichts Münster vom 11.12.2006 angeordneten Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus wird zur Bewährung ausgesetzt.
2. a) Mit der Entlassung des Untergebrachten aus dem Maßregelvollzug tritt Führungsaufsicht ein.
b) Die Dauer der Bewährungszeit und der Führungsaufsicht wird auf fünf Jahre festgesetzt.
c) Der Untergebrachte wird der Aufsicht und Leitung eines Bewährungshelfers unterstellt, der von der zuständigen Strafvollstreckungskammer noch namentlich benannt werden wird.
d) Der Untergebrachte nimmt bis auf Weiteres seinen Aufenthalt in der Einrichtung LWL-Wohnverbund N, Wohngruppe „L-str.## a/b, G-Str., N“.
e) Der Untergebrachte darf bis auf Weiteres das Gelände der Einrichtung LWL-Wohnverbund Münster, Wohngruppe „L-str.## a/b, G-Str., N“, ohne Begleitung eines Mitarbeiters dieser Einrichtung oder einer von dieser zugelassenen Person nicht ohne Erlaubnis der Führungsaufsichtsstelle verlassen.
f) Der Untergebrachte hat jeden Wechsel der Wohnung unverzüglich der Führungsaufsichtsstelle zu melden.
g) Der Untergebrachte darf keine alkoholischen Getränke oder andere berauschenden Mittel zu sich nehmen und muss sich auf Anordnung des Bewährungshelfers in unregelmäßigen Abständen, jedoch nicht mehr als zwölfmal pro Kalenderjahr, einer Alkohol- oder Betäubungsmittelkontrolle unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.
3. Die Belehrung über die Bedeutung und das Wesen der Bewährung und der Führungsaufsicht wird der Maßregelvollzugseinrichtung übertragen.
4. Die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die dem Untergebrachten entstandenen notwendigen Auslagen trägt die Landeskasse.
5. Die durch die Weisungen zu Ziff. 2 d), e) und g) entstehenden Kosten trägt die Landeskasse, soweit der Untergebrachte sie nicht aufbringen kann.

Gründe
I.
Mit Urteil vom 11.12.2006 (rechtskräftig seit dem 19.12.2006) ordnete das Landgericht Münster die Unterbringung des Beschwerdeführers in einem psychiatrischen Krankenhaus an. Die Unterbringung wird seit dem Tag der Rechtskraft des Urteils vollstreckt.

Nach den Feststellungen der Anlassverurteilung wurden bei dem 19## geborenen Untergebrachten bereits im Kindesalter eine geistige Retardierung und ein frühkindlicher Hirnschaden festgestellt. Von 1978 bis 1990 war er in der Westfälischen Klinik für Kinder- und Jugendpsychiatrie in N2 und wechselte von dort in die Westfälische Evangelische Heilerziehungs-, Heil- und Pflegeanstalt X in Bad P, ab 1995 in den X in H, einem Heim mit engmaschiger Betreuung. Der Untergebrachte kann nicht lesen und schreiben, wohl aber etwas rechnen.

Aus dem letztgenannten Heim war der Untergebrachte immer wieder abgängig. Während der Zeiten der Abgängigkeit kam es immer wieder zu erheblichem Alkoholgenuss. Aus der Heimunterbringung werden weitere Regelverstöße berichtet. So wurde er im Jahre 2002 mehrfach in Zimmern weiblicher Mitbewohner angetroffen und soll auch anderen Mitbewohnern CDs entwendet haben. Für den 24.04.2003 ist ein Vorfall berichtet, wonach er „große Lust verspürt“ haben soll, „eine Frau zu haben“. Er folgte einer Mitbewohnerin zur Toilette und schloss sich mit dieser ein. Es kam aber nicht zum Geschlechtsverkehr, weil diese laut schrie und der Untergebrachte von einer anderen Mitbewohnerin gestört wurde. Diese gab dem Untergebrachten dann zwei Ohrfeigen. Näheres ist nicht bekannt. Für den 26.06.2003 ist ein „Antatschen“ einer Mitbewohnerin berichtet. Im November 2003 zündete er im Freien seine Jacke an. Diese wurde aber alsbald gelöscht. Im Dezember lockte er eine Mitbewohnerin ins Badezimmer und versuchte, „mit ihr Geschlechtsverkehr zu machen“. Er fasste sie im Intimbereich an. Gegenüber dem Sachverständigen im Erkenntnisverfahren gab der Untergebrachte an, dass er wisse, dass man so etwas nicht machen dürfe.

Ein Verfahren gegen ihn wegen Nötigung, Bedrohung und gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr stellte die Staatsanwaltschaft Münster im September 2004 wegen Schuldunfähigkeit ein. Dem Verfahren lag zu Grunde, dass der Untergebrachte am 16.11.2003 aus der o.g. Unterbringungseinrichtung abgängig war. Er trat dann in der Nacht vom 16.11. auf den 17.11.2003 auf einer Straße an einen fahrenden PKW heran und richtete dabei eine Spielzeugpistole auf den Fahrer des Wagens. Dieser hielt an. Der Untergebrachte trat an die Beifahrertür und sagte etwas, was der Fahrzeugführer nicht verstehen konnte. Dieser setzte sodann seine Fahrt fort. Der Untergebrachte wurde später in stark verwirrtem Zustand, schwach alkoholisiert, von der Polizei aufgegriffen und in das Heim zurückgeführt, aus dem er aber noch in derselben Nacht erneut abgängig war und sodann versuchte, eine Türscheibe am Bahnhof in H einzutreten. Das diesbezügliche Verfahren wurde mangels öffentlichen Interesses an der Strafverfolgung eingestellt. Im vorliegenden Verfahren gab der Untergebrachte hierzu an, dass es sein Vorhaben gewesen sei, dass der Autofahrer ihn zu seiner Mutter nach H2 bringe. Er wisse, dass man das nicht dürfe.

Zwei weitere Ermittlungsverfahren wegen (Laden-)Diebstahls wurden 2004 nach § 153 StPO eingestellt, ein weiteres Verfahren wegen (Laden-)Diebstahls wegen Schuldunfähigkeit. 2005 wurde ein Verfahren wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte wegen Schuldunfähigkeit eingestellt.

Dem Anlassurteil liegt zu Grunde, dass der Untergebrachte nach erheblichem Alkoholgenuss am Abend des 07.03.2006 ein Tankstellengelände in H torkelnd betrat und dabei ein ausgeklapptes Schweizer Taschenmesser, Klingenlänge 6 cm, in der Hand hielt. Er begab sich in den Verkaufsraum, in dem sich ein Mitarbeiter befand, und erklärte: „Das ist ein Überfall“. Der Mitarbeiter verließ den Verkaufsraum und begab sich zum Büro, in dem sich ein Kollege befand und berichtete diesem von dem Vorfall und bat ihn, die Polizei zu rufen, was der Kollege auch tat. Währenddessen hantierte der Untergebrachte an verschiedenen Schubladen im Kassenbereich (nicht jedoch an der Geldschublade der Kasse selbst). Er ergriff einige Tabakbeutel und versuchte, diese in die Hosentasche zu stecken. Sie fielen jedoch zu Boden. Der Untergebrachte kümmerte sich nicht weiter um sie, sondern durchsuchte den Bereich weiter. Schließlich fiel er ohne Fremdeinwirkung zu Boden. Der Tankstellenmitarbeiter kehrte nach zwei bis drei Minuten zurück und hielt eine leere Getränkekiste zur Abwehr vor sich. Der Untergebrachte hatte sich inzwischen wieder erhoben und ging wortlos, das Messer in der Hand haltend (am allerdings nach rechts ausgestreckten Arm) auf den Tankstellenmitarbeiter zu. Dieser drückte ihm die Getränkekiste gegen Gesicht und Arm. Das Messer fiel zu Boden, der Untergebrachte ebenfalls. Dort ließ er sich ohne Gegenwehr fixieren, bis weitere zwei bis drei Minuten später die Polizei eintraf. Zur Tatzeit hatte er einen BAK-Wert von 2,04 bis 2,34 Promille. Gegenüber dem Sachverständigen hatte der Untergebrachte angegeben, dass er den Überfall „im Auftrag eines sogenannten Kick-Boxers“ begangen habe. Dieser habe ihm sogar geboten, jemanden zu töten. Das habe er aber nicht tun wollen, da er kein Mörder sei. In der Hauptverhandlung hatte er keine Erinnerung mehr an den Vorfall.

Im Anlassverfahren wurde bei dem Untergebrachten eine mittelgradige Intelligenzminderung (ICD10 F 71) festgestellt (IQ von 42). Wegen dieser – bei deutlicher Alkoholisierung – war seine Steuerungsfähigkeit zum Tatzeitpunkt erheblich vermindert, möglicherweise sogar aufgehoben. Neben der Intelligenzminderung wurde ein schädlicher Gebrauch von Alkohol ohne Abhängigkeitssyndrom (ICD 10 F 10.1) diagnostiziert. Das Denken wurde als schlicht, die Auffassungsgabe als „sehr auf das Konkrete bezogen“ beschrieben. Bereits geringfügige Anlässe (Probleme) gäben dem Untergebrachten Anlass zu erheblichem Alkoholgenuss. Es bestehe eine Neigung zu aggressiven Impulsdurchbrüchen und zu Reaktionen auf Affektniveau.

Die Strafkammer sah seinerzeit die Gefahr von schwerwiegenden Rechtsverstößen mit Gewalthandlungen gegen Personen, aber auch mit Sexualdelikten als gegeben an.

Die Unterbringung wurde zunächst in der LWL-Maßregelvollzugsklinik in S vollzogen. Eine Langzeitbeurlaubung im Jahre 2008 wurde nach zwei Fluchtversuchen des Untergebrachten abgebrochen. Von Februar 2012 bis Juni 2013 befand er sich in der LWL-Klinik N auf einer Station für geistig Behinderte. Von dort kehrte er zunächst wieder in die Maßregelvollzugsklinik nach S zurück, nachdem er am 13.05.2013 entwichen war. Am 17.05.2013 wurde er als „hilfslose Person“ in angetrunkenem Zustand in T angetroffen und in die Einrichtung zurückgeführt. Nach seiner Rückführung nach S kam es zu einem Kaffee-Diebstahl gegenüber einem Mitpatienten. Seit November 2015 befindet sich der Verurteilte in der D-Klinik in N-B. Seit dem 16.05.2017 befindet er sich von dort aus in einer Langzeitbeurlaubung in einer Wohngruppe des LWL-Wohnverbunds N.

Mit dem angefochtenen Beschluss hat die Strafvollstreckungskammer nach persönlicher Anhörung des Untergebrachten sowie des Sachverständigen Dr. C die Fortdauer der Unterbringung angeordnet. Sie ist der Ansicht, dass auch unter Zugrundelegung der Wertung des neuen Rechts (§ 67d Abs. 6 S. 2 StGB) die Fortdauer geboten sei. Außerhalb einer Unterbringung bestehe die hohe Wahrscheinlichkeit eines Alkoholrückfalls und erneuter Delinquenz entsprechend der des Anlassdelikts. Durch solche Taten könnten – trotz der dilettantischen Tatausführung – potentielle Opfer psychisch schwer geschädigt werden.

Gegen den Beschluss wendet sich der Untergebrachte mit der sofortigen Beschwerde. Er meint, dass unter Anlegung des Maßstabs nach § 67d Abs. 6 S. 3 StGB die weitere Fortdauer der Maßregel unverhältnismäßig sei. Er hat beantragt, die Maßregel für erledigt zu erklären.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die sofortige Beschwerde des Untergebrachten als unbegründet zu verwerfen.

Der Senat hat ein schriftliches Gutachten des Sachverständigen Dr. C eingeholt und diesen sowie den Untergebrachten mündlich angehört. Der Sachverständige hat ausgeführt, dass bei einem sofortigen Wegfall der Unterbringung und der damit verbundenen Gefahr von Alkoholrückfällen wegen der niederschwelligen Frustrationstoleranz des Untergebrachten und seiner Neigung zu paranoid-sensitiven Denkmustern von ihm auch weiterhin Eigentumsdelikte unter Waffeneinsatz oder sexuelle Übergriffe wie früher beschrieben zu erwarten seien. Er hält aber eine geschlossene Wohnform für geistig behinderte Menschen – wie die derzeitige - in gleicher Weise für geeignet, dieser Gefahr zu begegnen.

Der Senat hat des Weiteren auch den Leiter der D-Klinik, Herrn Prof. Dr. T2, Frau L vom dortigen Sozialdienst und den Betreuer des Untergebrachten, Herrn B, angehört. Wegen der diesbezüglichen Einzelheiten wird auf das Protokoll der Anhörung vom 22.06.2017, den zugehörigen Berichterstattervermerk sowie die nachfolgenden Ausführungen verwiesen.

II.
Die zulässige sofortige Beschwerde des Untergebrachten ist überwiegend begründet. Sie führt zur Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und zur Maßregelaussetzung zur Bewährung.

1. Die Maßregel ist allerdings noch nicht für erledigt zu erklären. Auch unter Zugrundelegung des Maßstabs des § 67d Abs. 6 S. 3, Abs. 3 S. 1 StGB, welchen der Senat anzuwenden hat, da die Unterbringung inzwischen mehr als zehn Jahre andauert, ist der weitere Vollzug der Maßregel nicht unverhältnismäßig und etwa deswegen für erledigt zu erklären.

Nach diesen Regelungen ist die Maßregel für erledigt zu erklären, wenn nicht die Gefahr besteht, dass der Untergebrachte erhebliche Straftaten begehen wird, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Der Gesetzgeber hat damit die für die Sicherungsverwahrung geltende Regelung auch für die Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus für entsprechend anwendbar erklärt (BT-Drs. 18/7244 S. 36).

a) Der Begriff der Gefahr entspricht dem Begriff der Gefährlichkeit in § 63 StGB (BT-Drs. 18/7244 S. 33). Es muss also eine „Wahrscheinlichkeit höheren Grades“ für die Begehung entsprechend qualifizierter neuer rechtswidriger Taten vorliegen (vgl. BGH NStZ-RR 2017, 76; BGH NStZ-RR 2017, 139; KG, Beschl. v. 20.02.2017 – 5 Ws 17/17 – juris; KG, Beschl. v. 25.11.2016 – 5 Ws 195/16 – juris). Die Erledigung der Maßregel hängt – das macht bereits die Formulierung („wenn nicht“) deutlich - nicht von einer günstigen Prognose ab, sondern ihre Fortdauer von der Stellung einer negativen Prognose (BT-Drs. 18/7244 S. 33). Die bloße Möglichkeit oder eine lediglich „latente“ Gefahr einer (prognoserelevanten) Straftat reicht für die Annahme einer entsprechenden Taterwartung nicht aus (KG a.a.O.). Eine negative Prognose ist dann gerechtfertigt, wenn es konkrete und gegenwärtige Anhaltspunkte für eine fortbestehende Gefährlichkeit des Verurteilten gibt (KG a.a.O.).

Hinsichtlich der zu erwartenden rechtswidrigen Taten reichen für eine Fortdauer der Maßregel nicht alle Taten, die auch zur Anordnung einer solchen Maßregel führen können, aus. Vielmehr muss es sich um „erhebliche Taten“ handeln, durch welche die Opfer körperlich oder seelisch schwer geschädigt werden. Unter solchen Taten versteht der Gesetzgeber jedenfalls alle drohenden Straftaten aus dem Deliktskatalog von § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a-c StGB, aber auch regelmäßig alle drohenden Verbrechen und Straftaten aus dem Bereich der mittleren Kriminalität, wenn sie einen hohen Schweregrad aufweisen und den Rechtsfrieden empfindlich stören (BT-Drs. 18/7244 S. 36 i.V.m. S. 33; KG a.a.O.). Angesichts des Verweises des Gesetzgebers auf die Kriterien, die in der Rechtsprechung zu § 66 StGB zu diesen Begrifflichkeiten entwickelt worden sind (BT-Drs. 18/7244 S. 33), kann aber auch nicht verkannt werden, dass selbst drohende Katalogtaten des § 66 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 lit. a-c StGB möglicherweise nicht ausreichen, wenn aufgrund ihrer konkreten Begehungsweise schwere Schädigungen des Opfers nicht zu erwarten sind (BGH, Urt. v. 19.10.2011 – 2 StR 305/11 – juris). Nicht jede Raubtat ist danach allein wegen der mit der Einschüchterung und Bedrohung einhergehenden psychischen Beeinträchtigung der Opfer als schwere Gewalttat in diesem Sinne einzustufen (BGH, Beschl. v. 11.12.2012 – 5 StR 431/12 - juris).

b) Vorliegend lässt sich noch eine Gefahr im Sinne einer Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung erheblicher rechtswidriger Taten positiv feststellen. Nach der Darstellung des Sachverständigen sind bei einem sofortigen Wegfall der unterstützenden und kontrollierenden Bedingungen einer Maßregelvollzugs- oder Heimunterbringung vor dem Hintergrund der geistigen Behinderung des Untergebrachten, seiner egozentrischen Bedürfnisorientierung, seiner geringen sozialen Kompetenz und seiner Neigung zu paranoid-sensitiven Denkmustern und einer bedingt durch die niedrige Frustrationstoleranz gegebenen Gefahr von Alkoholrückfällen auch wieder rechtswidrige Taten wie das Anlassdelikt oder sexuelle Übergriffe wie in der Vergangenheit beschrieben zu erwarten. Der Senat hält dies – jedenfalls für Taten wie die Anlasstat - für überzeugend, entspricht es doch dem früher gezeigten Verhaltensmuster des Untergebrachten. Auch noch bei seinem letzten Entweichen vor wenigen Jahren kam es zum Alkoholrückfall (wenn auch von Straftaten insoweit nichts bekannt wurde). Von der geringen sozialen Kompetenz konnte sich der Senat im Rahmen der Anhörung selbst ein Bild verschaffen. Der Untergebrachte ist nur sehr eingeschränkt zu einer Kommunikation in der Lage. Er kann zwar seine Basiswünsche und –bedürfnisse formulieren. Wenn das Gespräch in der Anhörung vor dem Senat aber auch nur etwas komplexer wurde, äußerte er sich entweder an der Sache vorbei oder verwies auf seinen Verteidiger. Dass der Untergebrachte, wenn er allein auf sich gestellt wäre, leicht in Überforderungssituationen kommt und dann angesichts der geringen Frustrationstoleranz – wie in der Vergangenheit – wieder zu Alkohol greift und entsprechend enthemmt dann auch wieder Straftaten begeht, ist gut nachvollziehbar. Dass der Untergebrachte nach eigenen Angaben von Alkohol nichts mehr wissen will, steht dem nicht entgegen, denn nach den Ausführungen des Sachverständigen, die sich mit der Einschätzung des Senats decken, kann der Untergebrachte sein Alkoholrückfallrisiko nicht einschätzen.

Ob ein entsprechendes Risiko auch für – wie auch immer geartete - sexuelle Übergriffe besteht, kann der Senat letztlich dahinstehen lassen. Zweifel hieran könnten deswegen aufkommen, weil in den letzten Jahren hiervon nichts mehr berichtet wird und nach den Angaben des Leiters der D-Klinik, Prof. Dr. T2, der Umgang des Untergebrachten mit Frauen, zu denen er in der jetzigen Wohngruppe Kontakt hat, nicht zu beanstanden war. Nach einem Bericht der D-Klinik war dort sexualisiertes Verhalten ebenfalls nicht zu verzeichnen. Aus der Vergangenheit werden aber keine sexuellen Übergriffe außerhalb von Einrichtungen berichtet und es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass sich dieses Verhaltensmuster geändert haben könnte.

c) Die vom Untergebrachten ggf. noch zu erwartenden rechtswidrigen Taten sind auch erhebliche Taten, durch welche die Opfer seelisch oder körperlich schwer geschädigt werden. Eine Wahrscheinlichkeit höheren Grades für die Begehung solcher Straftaten ist positiv feststellbar. Die Anlasstat war als zumindest versuchter schwerer Raub oder versuchte schwere räuberische Erpressung eine Katalogtat nach § 66 Abs. 1 Nr. 1b StGB. Vergleichbare Taten sind von dem Untergebrachten derzeit weiterhin zu erwarten.

Zwar weist die Delinquenzgeschichte des Untergebrachten keine einzige Tat auf, bei der Opfer nachweisbar körperlich oder seelisch schwer geschädigt worden wären. Es handelt sich entweder von vornherein um kleinere, gewaltfreie Eigentumsdelikte oder um dilettantisch durchgeführte Taten. So ist es weder bei der unter dem Gesichtspunkt eines gefährlichen Eingriffs in den Straßenverkehr verfolgten Tat noch bei der Anlasstat überhaupt zu einer körperlichen Schädigung der Opfer gekommen. Bei letzterer war der Untergebrachte offenbar so stark angetrunken (was aber gerade auch Vorbedingung der in der Vergangenheit begangenen Taten war), dass er sich selbst kaum auf den Beinen halten konnte und leicht zu überwältigen war. Auch seelische Beeinträchtigungen der Opfer sind für diese Taten nicht übermittelt. Ebenfalls ist nicht zu verkennen, dass es eben gerade seit der Anlassverurteilung trotz Entweichens und Alkoholrückfällen nicht mehr zu erheblichen rechtswidrigen Taten in dem o.g. Sinne gekommen ist. Während der Unterbringung kam es zwar immer wieder zu Regelverstößen des Untergebrachten. Es handelte sich aber, sofern diese die Grenze zu einer rechtswidrigen Tat überschritten, regelmäßig um kleinere Eigentumsdelikte. Auch aus den Phasen des Entweichens des Untergebrachten aus dem Maßregelvollzug sind keine erheblichen rechtswidrigen Taten bekannt. Die letzte Maßregelvollzugseinrichtung, die D-Klinik in N, hat berichtet, dass der Untergebrachte in seiner Unterbringung dort (wie auch zuvor schon während der Unterbringung in S) weder mit aggressivem noch tätlichem Verhalten aufgefallen sei. In Konfliktsituationen oder bei Anspannung neige er vielmehr zu Rückzug und Vermeidung. Der Untergebrachte sei sowohl körperlich als auch intellektuell den eher schwächeren Untergebrachten zuzurechnen.

Gleichwohl bestehen hinreichende gegenwärtige tatsächliche Anhaltspunkte, dass von dem Untergebrachten derzeit immer noch erhebliche rechtswidrige Taten in dem o.g. Sinne zu erwarten sind. Dass von ihm immer noch generell rechtswidrige Taten, insbesondere nach Alkoholgenuss in Überforderungssituationen zu erwarten sind und der Untergebrachte auf sich allein gestellt leicht in solche Situationen kommt, wurde oben bereits ausgeführt. Die Vergangenheit hat aber vor allem gezeigt, dass die Opferwahl des Untergebrachten völlig zufällig war. Er ist bei seinen früheren Taten (der Anlasstat bzw. dem Geschehen im Straßenverkehr) auf Opfer gestoßen, welche die Situation angemessen zu beenden wussten. Ebenso hätte er aber, bei dieser zufälligen Opferwahl, auch auf Opfer stoßen können, die zumindest seelisch schweren Schaden nehmen. Es entspricht der Erfahrung – sowohl des Sachverständigen als auch des Senats –, dass Opfer von bewaffneten oder mittels eines gefährlichen Werkzeugs verübten Überfällen zumindest seelisch häufig schwer unter solchen Taten leiden (dauerhafte Angstzustände, Schlaflosigkeit, teilweise verbunden mit der Aufgabe des bisherigen Berufs etc.). Dies ist gerade dann umso nachvollziehbarer, wenn das Opfer auf einen offensichtlich geistig verwirrten, alkoholisierten und damit einen als noch unberechenbarer empfundenen Täter trifft. Diese Gefahr besteht auch derzeit. Es ist nicht etwa so, dass eine etwaige zukünftige Tat des Untergebrachten wegen ihrer dilettantischen Ausführung von niemandem ernst genommen werden könnte. Der Sachverständige hat aus der Exploration berichtet, dass der Untergebrachte in gereiztem und verärgertem Zustand durchaus bedrohlich wirken könne (gelegentliche aufbrausende Verhaltensweisen wurden auch von dem Leiter der D-Klinik berichtet). Auch bei der Anlasstat war es schließlich nicht so, dass der Tankstellenmitarbeiter die Tat gar nicht ernst genommen hätte. Er hat vielmehr geeignete Maßnahmen zur Abwehr und Überwältigung des Untergebrachten ergriffen. Besteht aber eine hohe Wahrscheinlichkeit für die Begehung von entsprechend schweren rechtswidrigen Taten, so folgt daraus angesichts der rein zufälligen Opferwahl des Untergebrachten auch die hohe Wahrscheinlichkeit, dass Opfer in dem o.g. Sinne Schaden nehmen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Untergebrachte tatsächlich von der Polizei als so kräftig eingeschätzt wurde, dass zusätzliche Beamte bei seiner Festnahme wegen der Anlasstat hinzugezogen werden mussten, wie es der Betreuer berichtet, oder nicht. Ob dem tatsächlich so war, kann dahinstehen, da es vornehmlich um die schwere seelische Schädigung etwaiger Opfer geht.

Anders ist dies nach Auffassung des Senats möglicherweise, soweit es um sexuelle Übergriffe des Untergebrachten geht, was aber auch hier dahinstehen kann. Für diese sind aus der Vergangenheit keine schweren körperlichen oder seelischen Schäden seiner Opfer beschrieben. Teils stellt sich schon die Frage, inwieweit sexuelle Handlungen einvernehmlich erfolgten bzw. wie weit es tatsächlich zu sexuellen Handlungen gekommen ist. Dort wo dies offenbar nicht der Fall war (Anfassen einer Mitbewohnerin im Intimbereich, „Antatschen“), handelt es sich nach Maßstäben des neuen Strafrechts nicht um erhebliche Straftaten, denn es würde sich um sexuelle Belästigungen i.S.v. § 184i StGB handeln, Delikte also, die der Gesetzgeber noch unterhalb der Erheblichkeitsschwelle des § 184h StGB eingeordnet hat (vgl. Fischer, StGB, 64. Aufl., § 184i Rdn. 2).

2. Trotz der positiv feststellbaren fortbestehenden Gefährlichkeit des Untergebrachten kann die weitere Vollstreckung der Maßregel nach § 67d Abs. 2 StGB zur Bewährung ausgesetzt werden. Es ist zu erwarten, dass der Untergebrachte außerhalb des Maßregelvollzugs keine erheblichen rechtswidrigen Taten mehr begehen wird. Dies setzt eine realistische, durch Tatsachen begründete Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit in dem o.g. Sinne voraus (BT-Drs. 13/9062 S. 10), wobei umso strengere Anforderungen zu stellen sind, je länger die Unterbringung andauert (BVerfG NStZ-RR 2013, 72, 73 m.w.N.). Weiter sind die Umstände, die durch eine Maßregelaussetzung zur Bewährung eintreten, wie etwa der Bewährungsdruck und die Einwirkungsmöglichkeiten durch die Bewährung und Führungsaufsicht (OLG Braunschweig, Beschl. v. 28.12.2016 – 1 Ws 305/16 – juris; vgl. auch: OLG Düsseldorf, Beschl. v. 21.0.2006 – 1 Ws 293/06 - juris) oder auch etwaige Heimunterbringungen, die zur Gefahrenminderung geeignet sind, zu berücksichtigen (vgl.: OLG Saarbrücken NJW 1964, 1633, 1634; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 67d Rdn. 11).

Die realistische Wahrscheinlichkeit künftiger Straffreiheit in dem o.g. Sinne sieht der Senat vorliegend trotz der fortbestehenden, eine Erledigung der Maßregel hindernden Gefährlichkeit darin begründet, dass diese Gefährlichkeit durch den Verbleib des Untergebrachten im LWL-Wohnverbund in N und die Regelungen, die der Senat im Rahmen der Bewährung und Führungsaufsicht getroffen hat, auf ein aussetzungsfähiges Maß reduziert wird. Innerhalb der betreuten Umgebung ist es weder im Maßregelvollzug in der D-Klinik noch während des bisherigen Aufenthalts im LWL-Wohnverbund zu nennenswerten Regelverstößen, schon gar nicht zu erheblichen rechtswidrigen Straftaten, gekommen. Sowohl nach Einschätzung des Sachverständigen als auch des Leiters der D-Klinik ist der Aufenthalt in dieser Wohngruppe kriminalprognostisch gut vertretbar, die Gefährlichkeit des Untergebrachten deutlich minimiert. Durch die entsprechenden Weisungen ist sichergestellt, dass der Untergebrachte (jedenfalls zunächst) in dem Wohnverbund bleibt und dort weiter kleinschrittig weitere Freiheiten erhält und an noch größere Freiheitsgrade herangeführt wird. Es ist auch sichergestellt, dass der Untergebrachte (jedenfalls bis auf Weiteres) nur begleitet Ausgang erhält bzw. unbegleiteten Ausgang nur nach entsprechender Überprüfung und Zustimmung der Führungsaufsichtsstelle. Auch der (mittatursächliche) Alkoholkonsum wird kontrolliert. Durch den Bewährungsdruck, d.h. den Druck, dass der Untergebrachte bei Verstößen gegen die Weisungen – ggf. auch schon dann, wenn er seine gegenwärtige Einwilligung zum Verbleib in der Wohngruppe zurücknimmt ohne, dass eine andere ebenso geeignete, aufnahmebereite Einrichtung zur Verfügung steht – mit einem Widerruf der Maßregelaussetzung zur Bewährung rechnen muss (vgl. Fischer a.a.O. § 68b Rdn. 15), ist die Beachtung der Weisungen gesichert. Eine vergleichbare Sicherung wäre im Falle einer Erledigung der Maßregel bei gleichzeitiger Weisungserteilung nicht gegeben. In einem solchen Fall könnte ein Weisungsverstoß allenfalls im Rahmen eines neuen Verfahren wegen eines Verstoßes gegen § 145a StGB sanktioniert werden, nicht aber durch einen zeitnäher und effektiver wirkenden Bewährungswiderruf.

3. Der Eintritt der Führungsaufsicht folgt kraft Gesetzes aus § 67d Abs. 2 S. 3 StGB.

a) Ein Grund, die Führungsaufsicht entfallen zu lassen (§ 67d Abs. 6 S. 5 StGB), besteht nicht. Es ist nicht zu erwarten, dass der Untergebrachte auch ohne die Führungsaufsicht keine Straftaten mehr begehen wird. Vielmehr bedarf er gerade der getroffenen Weisungen, um die Gefahr neuerlicher Straftaten zu mindern.

b) Die Führungsaufsicht dauert fünf Jahre (§ 68c Abs. 1 S. 1 StGB). Angesichts der geistigen Behinderung des Untergebrachten wird sich an seinem Zustand nichts Wesentliches ändern, d.h. dass er dauerhaft einer engmaschigen Betreuung und Überwachung bedarf. Entsprechendes gilt für die Bewährungszeit, welche – das ist aus § 67g Abs. 5 StGB zu folgern - in ihrer Dauer der Dauer der Führungsaufsicht entspricht.

c) Die Weisung zu Nr. 2d) beruht auf §§ 68b Abs. 2, 56c Abs. 3 StGB, die Weisung zu Nr. 2e) beruht auf § 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB. Der Untergebrachte kann im LWL-Wohnverbund nach Auskunft von Frau L grds. weiterhin wohnen. Er ist damit auch einverstanden. Als Ergebnis der Anhörung lässt sich diesbezüglich feststellen, dass der Untergebrachte – was vor dem oben geschilderten Hintergrund der kleinschrittigen Wiedereingliederung sehr vernünftig ist - jedenfalls ggw. mit einem weiteren Verbleib im LWL-Wohnverbund einverstanden ist und eher mittel- oder langfristig eine Rückkehr nach H anstrebt. Das ergibt sich daraus, dass der Leiter der D-Klinik und auch Frau L vor dem Senat bekundet haben, der Untergebrachte habe erklärt, er wolle in den LWL-Wohnverbund. Der Betreuer des Untergebrachten bekundete sogar, dass der Untergebrachte sich – wissend, dass er auch wieder zurück in den X könne – für den LWL-Wohnverbund entschieden habe. Der Untergebrachte selbst hat gegenüber dem Senat erklärt, dass der Wohnverbund in Ordnung sei, er aber mehr Ausgänge wolle, bzw., dass er, bevor er für immer dort bleibe, lieber wieder nach H zurück wolle.

Damit stellt sich die Problematik einer Wohnsitzzuweisung über § 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB (vgl. dazu: OLG München NStZ 2012, 98; OLG Rostock, Beschl. v. 21.09.2016 – 20 Ws 234/16 - juris) hier nicht. Anders als das Kammergericht (NStZ-RR 2014, 175) meint der Senat auch, dass § 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB nicht nur die Zuweisung eines Wohnortes i.S. einer Gemeinde als (unterster) Gebietskörperschaft ermöglicht. Vielmehr kann der entsprechende Aufenthaltsbereich vom Gericht – in den Grenzen der Zumutbarkeit (§ 68b Abs. 3 StGB) - definiert werden, so dass auch kleinere Einheiten bestimmt werden können (so: OLG Düsseldorf MDR 1990, 743, 744: dort: Abteilung eines psychiatrischen Krankenhauses). Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut der Vorschrift, welche nicht nur den „Wohn- oder Aufenthaltsort“ erwähnt, sondern ausdrücklich auch „einen bestimmten Bereich“. Es würde auch dem aus § 68 Abs. 1 StGB erkennbaren Zweck der Maßregel, nämlich der Vorbeugung weiterer Straftaten, einerseits, und dem Verhältnismäßigkeitsgebot andererseits, zuwiderlaufen, wenn das Vollstreckungsgericht entweder eine Erledigung oder bedingte Entlassung nicht aussprechen dürfte, obwohl mit einer entsprechend eng gefassten Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB der Gefahr begegnet werden könnte, oder aber das Gericht die Erledigung oder Maßregelaussetzung aussprechen müsste, obwohl keine andere hinreichende Gefahrenabwehrmöglichkeit (in Form der eng gefassten Weisung nach § 68b Abs. 1 Nr. 1 StGB) besteht.

Als Minus gegenüber einem generellen Verlassensverbot ohne Erlaubnis der Aufsichtsstelle ist ein Verlassensverbot nur für den Fall ohne Begleitung eines Mitarbeiters der Wohneinrichtung von der Vorschrift mit umfasst. Der Senat ist der Auffassung, dass etwaigen Gefahren durch eine professionelle Begleitung seitens der Wohneinrichtung hinreichend begegnet werden kann und es insoweit nur im Falle eines unbegleiteten Verlassens der Erlaubnis der Aufsichtsstelle bedarf.

d) Die Weisung bzgl. des Wechsels der Wohnung ergibt sich aus § 68b Abs. 1 Nr. 9 StGB. Sie ist erforderlich, damit auch bei einem eventuellen Wechsel des Heims das Verlassensverbot entsprechend angepasst oder ggf. auch aufgehoben werden kann und die Führungsaufsichtsstelle stets über den Aufenthalt des Untergebrachten informiert ist.

e) Wie die Vergangenheit hinlänglich gezeigt hat, fördert der Alkoholgenuss des Untergebrachten sein delinquentes Verhalten. Die Anlasstat und auch die zuvor gegenüber dem Kraftfahrer verübte Tat hat er jeweils unter Alkoholeinfluss begangen. Deswegen ist es erforderlich, dem Untergebrachten nach § 68b Abs. 1 Nr. 10 StGB die Weisung zu erteilen, keine alkoholischen Getränke oder andere berauschenden Mittel (etwa als Ersatz für alkoholische Getränke) zu sich zu nehmen und sich auf Anordnung des Bewährungshelfers in unregelmäßigen Abständen, jedoch nicht mehr als zwölfmal pro Kalenderjahr, einer Alkohol- bzw. Drogenkontrolle zu unterziehen, die nicht mit einem körperlichen Eingriff verbunden ist.

4. a) Die Kostenentscheidung ergeht analog § 467 StPO. Sein Hauptziel, nämlich eine Beendigung des unmittelbaren Maßregelvollzugs hat der Untergebrachte erreicht. Dass dies noch nicht in Form einer Erledigung erfolgt ist, rechtfertigt keine abweichende Kostenentscheidung.

b) Hinsichtlich der Kosten der Weisungen beruht die Entscheidung auf einer Annexkompetenz zu § 68b Abs. 3 StGB (OLG Bremen, Beschl. v. 17.09.2010 – Ws 96/10 – juris; OLG Jena, Beschl. v. 16.05.2011 – 1 Ws 74/11 – juris; OLG Stuttgart, Beschl. v. 13.08.2012 – 4a Ws 33/12 – juris). Zwar hat grds. der Verurteilte auch die Kosten entsprechender Führungsaufsichtsweisungen zu tragen. Jedoch ist diese Kostentragungspflicht begrenzt durch das Zumutbarkeitserfordernis des § 68b Abs. 3 StGB (vgl. die obigen Nachweise, sowie: OLG Nürnberg, Beschl. v. 23.03.2009 – 1 Ws 94/09 – juris). Ist eine kostenträchtige Weisung – wie hier – unerlässlich, um die Aussetzung der Maßregelvollstreckung zu ermöglichen und eine weitere Straffreiheit zu gewährleisten, so muss die Staatskasse bei – wie hier gegebener – Mittellosigkeit des Untergebrachten die entsprechenden Kosten übernehmen.


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