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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 RVs 97/16 OLG Hamm

Leitsatz: Ein gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenes Verwerfungsurteil muss so begründet sein, dass das Revisionsgericht die maßgebenden Erwägungen des Berufungsgerichts nachprüfen kann, und sich mit allen geltend gemachten und sonstigen als Entschuldigung in Betracht kommenden Tatsachen (hier: einer vor der Terminierung gebuchten Urlaubsreise) auseinandersetzen. Dies gilt auch dann, wenn der Vorsitzende der Strafkammer bereits vor der Hauptverhandlung einen auf die urlaubsbedingte Abwesenheit des Angeklagten gestützten Terminsverlegungsantrag abschlägig beschieden hatte. Denn über die Frage, ob eine genügende Entschuldigung vorliegt oder nicht, hat das Berufungsgericht zu entscheiden, das an die der Ablehnung des Verlegungsantrags zugrundeliegende Auffassung des Vorsitzenden nicht gebunden ist.

Senat: 1

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufungsverwerfung, Anforderungen an die Urteilsgründe

Normen: StPO 329

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 24.01.2017 beschlossen:

Das angefochtene Urteil wird aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Dortmund zurückverwiesen.

Gründe:
Die Revision ist zulässig und hat in der Sache vorläufig Erfolg. Sie führt seine Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung der Sache an das Landgericht Dortmund.

Die Generalstaatsanwaltschaft in Hamm hat in ihrer Zuschrift vom 12.12.2016 unter anderem Folgendes ausgeführt:

„I.
Der Angeklagte ist durch Urteil des Amtsgerichts – Strafrichter – Hamm vom 07.03.2016 – 51 Ds 347/15 – wegen gefährlicher Körperverletzung unter Strafaussetzung zur Bewährung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und sechs Monaten verurteilt worden (Bl. 94 ff. d. A.). Die gegen dieses Urteil gerichtete Berufung des Angeklagten hat das Landgericht Dortmund mit Urteil vom 04.10.2016 gem. § 329 Abs. 1 S. 1 StPO verworfen (Bl. 244, 244R d. A.), weil der Angeklagte trotz nachgewiesener Ladung zum Berufungstermin (Bl. 169, 169R. d. A.) der Hauptverhandlung ohne genügende Entschuldigung ferngeblieben und auch nicht in zulässiger Weise vertreten war.

Gegen dieses, auf Anordnung des Vorsitzenden vom 06.10.2016 (Bl. 248 d. A.) seinem Verteidiger am 18.10.2016 zugestellte (Bl. 253 d. A.) Urteil hat der Angeklagte mit bei dem Landgericht Dortmund am 07.10.2016 eingegangenem Telefax-Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage (Bl. 245 d. A.) Revision eingelegt und diese mit weiterem bei dem Landgericht Dortmund am 17.11.2016 eingegangenem Telefax-Schriftsatz seines Verteidigers vom selben Tage (Bl. 255 ff. d. A.) mit der Verletzung des § 329 StPO näher begründet.

II.
Nach hiesiger Auffassung ist eine Entscheidung bereits veranlasst. Das Protokoll der Hauptverhandlung ist zwar erst am 11.10.2016 und damit nach der Zustellungsanordnung fertig gestellt worden. Dies ist aber unschädlich, wenn - wie hier - die tatsächliche Zustellung erst nach der Fertigstellung erfolgt. Insoweit ist der Tag des Eingangs beim Zustellungsempfänger maßgeblich, eine frühere Absendung schadet nicht (zu vgl. Karlsruher Kommentar, 7. Aufl., § 273 Rn. 33.)

Die form- und fristgerecht eingelegte und begründete Revision hat in der Sache auch - zumindest vorläufigen - Erfolg.

Die Rüge der Verletzung des § 329 Abs. 1 Satz 1 StPO setzt die Erhebung einer der Vorschrift des § 344 Abs. 2 Satz 2 StPO genügenden Verfahrensrüge voraus (zu vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2000, 84 [85]; Meyer-Goßner, StPO, 58. Aufl. 2015, § 329 Rdn. 48). An die Zulässigkeit dieser Rüge werden keine strengen Anforderungen gestellt, zumal das Revisionsgericht an die tatsächlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils, die in der Revisionsbegründung nicht wiederholt zu werden brauchen, gebunden ist (zu vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 2000, 84 [85]). Ihr muss zu entnehmen sein, dass der Angeklagte die Verletzung des § 329 StPO rügen will, dass nämlich das Berufungsgericht die Rechtsbegriffe des Ausbleibens oder der genügenden Entschuldigung verkannt hat. Diesen Grundsätzen dürfte das Revisionsvorbringen des Angeklagten gerecht werden.

Das insoweit zulässig angefochtene Urteil ist allein deshalb aufzuheben, weil die Begründung des angefochtenen Verwerfungsurteils aus Rechtsgründen zu beanstanden ist. Sie genügt nicht den an den notwendigen Inhalt eines gemäß § 329 Abs. 1 StPO ergangenen Verwerfungsurteils zu stellenden Anforderungen. Ein solches Urteil muss so begründet sein, dass das Revisionsgericht die maßgebenden Erwägungen des Berufungsgerichts nachprüfen kann (zu vgl. OLG Hamm, NStZ-RR 1998, 281). Nur wenn Entschuldigungsgründe weder vorgebracht noch sonst ersichtlich sind, genügt die formularmäßige Verwerfung ohne nähere Begründung. Andernfalls muss sich das Urteil mit allen geltend gemachten und sonstigen als Entschuldigung in Betracht kommenden Tatsachen auseinandersetzen (zu vgl. Meyer-Goßner, a. a. O., § 329 Rn. 33). Daran fehlt es hier. Die hier in Rede stehende Urlaubsreise war bereits vor dem Hauptverhandlungstermin mitgeteilt worden. Es hätte daher näherer Ausführungen dazu bedurft, warum das Landgericht dennoch von einem unentschuldigten Fernbleiben des Angeklagten ausgegangen ist.“

Diesen Ausführungen schließt sich der Senat an und machte sie zur Grundlage seiner Entscheidung. Der Umstand, dass der Vorsitzende der Strafkammer vor der Hauptverhandlung den auf die beabsichtigte und bereits gebuchte Urlaubsreise gestützten Terminsverlegungsantrag des Angeklagten abschlägig beschieden hatte, hatte nicht etwa zur Folge, dass es einer Erörterung einer urlaubsbedingten Abwesenheit des Angeklagten als einen in Betracht kommenden Entschuldigungsgrund nicht mehr bedurfte. Denn über die Frage, ob eine genügende Entschuldigung vorliegt oder nicht, hat das Berufungsgericht zu entscheiden. Dieses ist an die Auffassung des Vorsitzenden, die dessen Vorentscheidung über die Ablehnung des Terminsverlegungsantrags zugrundeliegt, nicht gebunden. Es kann deswegen zu dem Ergebnis kommen, dass dem Antrag auf Verlegung des Verhandlungstermins zu Unrecht nicht entsprochen und das Ausbleibens des nicht erschienenen Angeklagten als genügend entschuldigt anzusehen ist (vgl. OLG Hamm, den Beschluss vom 05.01.1978 – 1 Ws 314/77 –, BeckRS 1978, 01398). Ebenso wenig war das Berufungsgericht an die durch den Senat in seinem Beschluss vom 29.09.2016 geäußerte Auffassung, dass die Ablehnung des Antrags auf Verlegung des Termins durch den Strafkammervorsitzenden keine fehlerhafte Ermessensentscheidung darstelle, gebunden (vgl. OLG Hamm a.a.O.). Das angefochtene Urteil hätte sich daher mit einer urlaubsbedingten Abwesenheit des Angeklagten als möglichen Entschuldigungsgrund befassen müssen.


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