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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 1 Ws 72/17 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Ein Befasstsein im Sinne von § 462a Abs. 1 S. 1 StPO ist bei einem Bewährungswiderruf nach § 56f Abs. 1 Nr. 1 StGB schon dann gegeben, wenn die Begehung neuer Straftaten aktenkundig wird. Dies ist bereits mit Übersendung eines Haftbefehls zum Bewährungsheft der Fall; dies gilt auch dann, wenn sich das Bewährungsheft zu diesem Zeitpunkt noch bei dem Gericht befindet, das insofern bis zum Beginn der Vollstreckung einer Freiheitsstrafe im Sinne des § 462a Abs. 1 S. 1 StPO zuständig gewesen ist.

2. Wird der Verurteilte zum Strafantritt in eine bestimmte JVA geladen und tritt er die Strafe dort auch an, so wird die Zuständigkeit der für diese JVA zuständigen Strafvollstreckungskammer für Nachtragsentscheidungen über die Strafaussetzung auch dann begründet, wenn er sich in der betreffenden JVA anschließend nur für wenige Tage zur Strafverbüßung aufhält.

Senat: 1

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Zuständigkeit der StVK, Befasstsein

Normen: StGB 56f; StPO 462a

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 1. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 07.03.2017 beschlossen:

Der angefochtene Beschluss wird aufgehoben.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der hierdurch dem Verurteilten entstandenen notwendigen Auslagen werden der Landeskasse auferlegt.
Die Sache wird zur weiteren Behandlung und Entscheidung der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld vorgelegt.

Gründe
I.
Das Amtsgericht Lüdenscheid verurteilte den Beschwerdeführer mit Urteil vom 22.01.2014 (54 Ds 305 Js 202/13 - 64/13) wegen „gemeinschaftlichen gewerbsmäßigen Diebstahls in zwei Fällen“ zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von neun Monaten, deren Vollstreckung es zur Bewährung aussetzte. Die Bewährungszeit setzte es auf zwei Jahre fest.

Mit seit dem 18.03.2016 rechtskräftigen Urteil des Landgerichts Siegen vom 10.03.2016 (21 KLs 24 Js 508/15 - 30/15) wurde der Verurteilte wegen unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge unter Mitsichführen eines Gegenstandes, der seiner Art nach zur Verletzung von Personen geeignet und bestimmt ist, in Tateinheit mit unerlaubtem Besitz von Betäubungsmitteln zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Diese Strafe wird seit dem 17.06.2016 vollstreckt, wobei der Verurteilte, der bereits vor Rechtskraft des vorgenannten Urteils aus der in diesem Verfahren zwischenzeitlich vollzogenen Untersuchungshaft entlassen worden war, sich entsprechend der Ladung zum Strafantritt in der JVA C-T gestellt hat, von dort am 22.06.2016 in die JVA X verlegt wurde und sich seit dem 19.07.2016 in der JVA B befindet.

Mit Beschluss vom 13.12.2016 hat die für die JVA B zuständige Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Siegen den nunmehr angefochtenen Widerrufsbeschluss erlassen.

II.
Die hiergegen zulässig eingelegte sofortige Beschwerde hat Erfolg.

Der angefochtene Beschluss war aufzuheben, weil nicht die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Siegen zur Entscheidung berufen gewesen wäre, sondern die Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Bielefeld, in deren Bezirk nämlich zunächst im Sinne des § 462a Abs. 1 S. 1 StPO Strafhaft - seit dem 17.06.2016 die am 10.03.2016 verhängte Freiheitsstrafe von drei Jahren und sechs Monaten - vollstreckt worden ist, so dass diese Strafvollstreckungskammer im Wege der Zuständigkeitskonzentration gemäß § 462a Abs. 3 S. 2 StPO auch für die Entscheidung im vorliegenden Verfahren zuständig geworden ist.

Dem steht auch nicht der Umstand entgegen, dass der Widerrufsantrag der Staatsanwaltschaft Hagen am 06.07.2016 und somit erst zu einem Zeitpunkt gestellt worden ist, als sich der Verurteilte bereits in der JVA X befand. Denn ein Befasstsein im Sinne von § 462a Abs. 1 S. 1 StPO setzt im Zusammenhang mit einem Bewährungswiderruf nach § 56f Abs. 1 StGB nicht notwendig einen Antrag der Staatsanwaltschaft oder die Aktenkundigkeit einer neuen Verurteilung voraus (eine Ablichtung des Urteils vom 10.03.2016 ist dem ursprünglich für die Bewährungsaufsicht zuständigen Amtsgericht Olpe erst am 09.07.2016 zugegangen), sondern ist schon dann gegeben, wenn die Begehung neuer Straftaten oder sonstige Tatsachen aktenkundig werden, die den Widerruf der Strafaussetzung rechtfertigen können. Dies kann bereits mit der Übersendung eines Haftbefehls oder neuer Anklageschriften zum Bewährungsheft der Fall sein (vgl. BGH, NStZ-RR 2013, 389; OLG Hamm, NStZ 2010, 295; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 462a Rn. 11, jew. m.w.N.). Dies war vorliegend noch vor der am 17.06.2016 erfolgten Aufnahme in der JVA C-T bereits dann anzunehmen, nachdem sich einem am 12.10.2015 zum Bewährungsheft genommenen Haftbefehl entnehmen ließ, dass der Verurteilte sich wegen des dringenden Verdachts eines während der laufenden Bewährungszeit begangenen Verbrechens seit dem 09.10.2015 in Untersuchungshaft befand, und überdies am 07.12.2015 eine diesbezügliche Anklageschrift vom 30.11.2015 zum Bewährungsheft gelangt ist.

Diesem Ergebnis steht auch nicht entgegen, dass die diesbezügliche Mitteilung nicht bei der Strafvollstreckungskammer des Landgerichts Bielefeld, sondern bei dem bis zum 17.06.2016 für die Bewährungsaufsicht zuständigen Amtsgericht Olpe eingegangen ist; denn dessen Befassung wirkt auch für die ab diesem Datum tatsächlich zuständige Strafvollstreckungskammer (vgl. BGH, Beschluss vom 21.12.2010 - 2 ARs 441/10 -, Rn. 4, juris; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., Rn. 10 m.w.N.).

Schließlich ist auch nicht entscheidend, dass der Verurteilte lediglich vom 17.06.2016 bis zum 22.06.2016 Strafhaft in der JVA C verbüßt hat und anschließend in andere Justizvollzugsanstalten verlegt worden ist. „Aufgenommen“ in eine Strafanstalt im Sinne des § 462a Abs. 1 S. 1 StPO ist ein Verurteilter bereits dann, wenn er sich in der betreffenden Vollzugseinrichtung auch tatsächlich und nicht nur vorübergehend wie etwa im Rahmen einer Verschubung oder zum Zwecke einer medizinischen Untersuchung aufhält. Dabei ist es nach ständiger Rechtsprechung grundsätzlich unerheblich, ob die Vollzugseinrichtung nach dem Vollstreckungsplan des jeweiligen Bundeslands auch zuständig ist; dies gilt auch dann, wenn - wie im Fall vom Übergang der Untersuchungshaft in Strafhaft - eine spätere Verlegung in eine zuständige Einrichtung schon abzusehen ist (vgl. BGH, NStZ-RR 2015, 58; NStZ 2012, 652; OLG Hamm, a.a.O.; Schmitt in: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O. Rn. 6, jew. m.w.N.). Eine der abweichend zu beurteilenden Fallgestaltungen, wenn sich der Verurteilte etwa entgegen der Ladung in einer unzuständigen Vollzugsanstalt zum Strafantritt meldet bzw. von den Polizeibehörden dorthin verbracht und alsbald in die zuständige Anstalt verlegt wird, liegt hier ersichtlich nicht vor, da die Aufnahme des Verurteilten in der JVA C-T entsprechend der Ladung zum Strafantritt erfolgt ist.

Eine eigene Entscheidung des Senats kam nicht in Betracht, da der 1. Strafsenat nach dem Geschäftsverteilungsplan des Oberlandesgerichts Hamm nicht für Strafsachen aus dem Landgerichtsbezirk Bielefeld zuständig ist. Aus dem gleichen Grunde schied auch eine förmliche Verweisung an das örtlich zuständige Gericht aus. Vielmehr kann lediglich eine Vorlage der Sache an die zuständige Strafvollstreckungskammer beim Landgericht Bielefeld erfolgen.

III.
Die Kosten- und Auslagenentscheidung folgt aus einer analogen Anwendung des § 467 Abs. 1 StPO.


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