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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 RVs 18/17 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Eine Berufungsbeschränkung auf die Anfechtung der Gesamtstrafe ist – anders als ggf. eine Beschränkung des Rechtsmittels der Revision - nicht unwirksam, wenn die amtsgerichtliche Gesamtstrafenbildung lediglich „unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände“ erfolgte, ohne dass noch einmal ein umfassender gesonderter Strafzumessungsvorgang stattgefunden hatte. Das gilt jedenfalls dann, wenn das Berufungsgericht die Gesamtrafenbemessung vornehmen kann, ohne sich mit der Begründung des Amtsgerichts zur Einzelstrafbemessung in Widerspruch zu setzen.
2. Die tatrichterliche Wertung, ein Gesamtschaden von mehr als 2.200 Euro, der durch die abgeurteilten Einzeltaten insgesamt herbeigeführt wurde, sei „nicht besonders hoch“, ist aus Rechtsgründen jedenfalls dann nicht zu beanstanden, wenn keine besondere Opferempfindlichkeit vorliegt.
3. Es ist widersprüchlich und damit rechtsfehlerhaft, wenn der Tatrichter einerseits insgesamt „kaum zu überwindende Bedenken“ gegen eine Strafaussetzung zur Bewährung hat, gleichwohl aber dann das Vorliegen besonderer Umstände i.S.v. § 56 Abs. 2 StGB bejaht und hierfür keine stichhaltigen Umstände anführt.

Senat: 4

Gegenstand: Revision

Stichworte: Berufungsbeschränkung, Gesamtstrafe, Strafzumessung, Schadenshöhe

Normen: StPO 318; StPO 327

Beschluss:

Strafsache
In pp.

Das angefochtene Urteil wird mit den zu Grunde liegenden Feststellungen hinsichtlich des Angeklagten H (im Rechtsfolgenausspruch) in vollem Umfang und hinsichtlich des Angeklagten X (im Rechtsfolgenausspruch) hinsichtlich der Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung aufgehoben.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung – auch über die Kosten des Rechtsmittels – an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückverwiesen.

Die weitergehende Revision wird verworfen.
Gründe:

I.
Das Amtsgericht hatte die Angeklagten wegen (gewerbsmäßigen) Diebstahls in zehn Fällen, wobei es in drei Fällen beim Versuch blieb, jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Auf die Berufung der Angeklagten, die diese in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft „auf den Strafausspruch und insoweit weiter auf die verhängten Gesamtfreiheitsstrafen und die jeweils versagte Strafaussetzung zur Bewährung beschränkt“ (und die Einzelstrafen ausdrücklich vom Berufungsangriff ausgenommen) haben, hat das Landgericht (nach vorläufiger Einstellung zweier Anklagevorwürfe nach § 154 Abs. 2 StPO) das amtsgerichtliche Urteil dahin abgeändert, dass beide Angeklagte wegen Diebstahls in acht Fällen, davon in einem Fall wegen Versuchs, jeweils zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren verurteilt worden sind, deren Vollstreckung das Landgericht zur Bewährung ausgesetzt hat. Der Verurteilung liegt zu Grunde, dass die Angeklagten sich als Mitarbeiter einer Getränke- und Snackautomatenfirma ausgegeben und so Zutritt zu in verschiedenen Unternehmen aufgestellten Automaten erlangt hatten, welchen sie dann das Bargeld in jeweils unterschiedlicher Höhe (insgesamt 2.264 Euro) entnahmen.

Gegen das Urteil hat die Staatsanwaltschaft Revision eingelegt und diese mit der Sachrüge begründet.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, das angefochtene Urteil aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung - auch über die Kosten des Rechtsmittels - an eine kleine Strafkammer des Landgerichts Detmold zurückzuverweisen. Sie hält bereits die Berufungsbeschränkung für unwirksam.

Die Angeklagten haben beantragt, die Revision der Staatsanwaltschaft als unbegründet zu verwerfen.

II.
Die zulässige Revision der Staatsanwaltschaft hat bzgl. des Angeklagten H in vollem Umfang, bzgl. des Angeklagten X nur hinsichtlich der Aussetzungsentscheidung Erfolg. In dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang unterliegt das angefochtene Urteil der Aufhebung und Zurückverweisung (§§ 353, 354 Abs. 2 StGB). Im Übrigen ist das Rechtsmittel unbegründet.

1. Zur Aufhebung des angefochtenen Urteils führt nicht bereits, dass das Landgericht die Beschränkung der Berufung der Angeklagten auf den Gesamtstrafenausspruch und die Frage der (vom Amtsgericht versagten) Strafaussetzung zur Bewährung zu Unrecht als wirksam erachtet hätte. Vielmehr ist die Berufungsbeschränkung wirksam.

Beide Angeklagte sowie ihre Verteidiger haben ihr Rechtsmittel in der Berufungshauptverhandlung mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft (§ 303 StPO) entsprechend beschränkt. Die Berufung konnte auch wirksam auf diese Beschwerdepunkte nach § 318 S. 1 StPO beschränkt werden. Auf die Sachrüge hin hat das Revisionsgericht (auch) zu prüfen, ob das Berufungsgericht zu Recht von einer wirksamen Berufungsbeschränkung ausgegangen ist. Grundsätzlich gebietet es die dem Rechtsmittelberechtigten in § 318 S. 1 StPO eingeräumte Verfügungsmacht über den Umfang der Anfechtung, den in den Rechtsmittelerklärungen zum Ausdruck kommenden Gestaltungswillen im Rahmen des rechtlich Möglichen zu respektieren. Bilden die tatrichterlichen Feststellungen des angefochtenen Urteils eine (noch) hinreichende Grundlage für die Prüfung der Rechtsfolgenentscheidung, so ist die Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch daher wirksam (OLG Hamm, Urt. v. 21.10.2014 - III-1 RVs 82/14 - juris m.w.N.). Nach der sog. Trennbar-keitsformel ist die Beschränkung der Berufung auf bestimmte Beschwerdepunkte gemäß § 318 S. 1 StPO insoweit wirksam, als sie dem Rechtsmittelgericht die Möglichkeit eröffnet, den angefochtenen Teil des Urteils losgelöst vom nicht angegriffenen Teil der Entscheidung nach dem inneren Zusammenhang rechtlich und tatsächlich zu beurteilen, ohne eine Prüfung des übrigen Urteilsinhaltes notwendig zu machen. Unwirksam ist eine Beschränkung demgemäß nur, wenn eine Beurteilung der angegriffenen Punkte nicht möglich ist, ohne dass dadurch die nicht angefochtenen Teile beeinflusst werden, weil sonst widersprüchliche Ent-scheidungen getroffen werden könnten (BGH, Beschluss vom 21.10.1980 - 1 StR 262/80 - juris; OLG Hamburg, Beschluss vom 15. 09.2004 - II-72/04 - juris m.w.N.). Auch innerhalb des Rechtsfolgenausspruchs ist eine Berufungsbeschränkung wirksam möglich. Ihre Grenzen ergeben sich wieder aus den Grundsätzen der Trennbarkeit und Widerspruchsfreiheit (OLG Hamburg, a.a.O., m.w.N.). Grundsätzlich ist die Möglichkeit der Berufungsbeschränkung auf den Gesamtstrafenausspruch bzw. auf die Bewährungsfrage anerkannt (Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 59. Aufl., § 318 Rdn, 20 f. m.w.N.).

Gemessen daran war die Berufungsbeschränkung hier wirksam. Im Rahmen seiner Einzelstrafenbemessung hat das Amtsgericht zu Gunsten beider Angeklagten ihr Geständnis gewertet, strafschärfend beim Angeklagten H dessen Vorbelastungen und den hohen Organisationsgrad der Taten, beim Angeklagten X seine Vorstrafen, seine hohe Rückfallgeschwindigkeit und sein Bewährungsversagen. Hierzu hat sich das Berufungsgericht nicht in Widerspruch gesetzt. Es hat die vom Amtsgericht bei der Einzelstrafenbemessung gewerteten Umstände noch einmal ausdrücklich in einem eigenständigen Strafzumessungsakt gewertet sowie zusätzlich zu ihren Gunsten berücksichtigt, dass sie sich auch „einsichtig“ gezeigt hätten und der Gesamtschaden mit 2.264 Euro „nicht besonders hoch“ sei. Bzgl. des Angeklagten H hat es berücksichtigt, dass dieser bereits Freiheitsstrafen verbüßt hat und hat gemeint, dass die Geldstrafe aus dem Strafbefehl des AG Lemgo vom 05.09.2016 nach § 53 Abs. 2 StGB in die Gesamtstrafe nicht einbezogen werden solle. Auch in den Ausführungen des Landgerichts zur Strafaussetzung zur Bewährung finden sich keine Widersprüche zu den amtsgerichtlichen Strafzumessungserwägungen bzgl. der Einzelstrafe.

In der höchstrichterlichen und obergerichtlichen Rechtsprechung lassen sich zwar immer wieder Entscheidungen finden, in denen eine Rechtsmittelbeschränkung auf die Anfechtung der Gesamtstrafe als unwirksam angesehen wurde, wenn die Gesamtstrafenbildung lediglich „unter nochmaliger Abwägung aller für und gegen den Angeklagten sprechenden Umstände“ erfolgte, ohne dass noch einmal ein umfassender gesonderter Strafzumessungsvorgang stattgefunden hatte (BGH, Beschluss vom 28.02.2013 - 4 StR 537/12 - juris; BGH, Beschluss vom 08.09.1999 - 3 StR 285/99 - juris; OLG München, Beschl v. 07.04.2010 - 5 St RR (II) 80/10 - juris). Diese Rechtsprechung ist indes im Hinblick auf entsprechende Beschränkungen des Rechtsmittels der Revision ergangen, nicht der Berufung. Sie wird zwar in der Kommentarliteratur auch auf das Rechtsmittel der Berufung übertragen (vgl. etwa: Meyer-Goßner/Schmitt, a.a.O., § 318 Rd. 20). Dabei werden aber grundsätzliche Unterschiede der beiden Rechtsmittel verkannt. Wird eine Revision auf die Frage des Gesamtstrafenausspruchs beschränkt, so könnte das Revisionsgericht, da die Revisionsinstanz keine Tatsacheninstanz ist (§ 337 StPO), bei einer nur formelhaften Gesamtstrafenbildung diese nicht überprüfen, ohne die Einzelstrafenzumessung zu bewerten und diese nicht beanstanden, ohne gleichzeitig auch Rechtsfehler in der Einzelstrafbemessung aufzuzeigen. Die eingangs für die Wirksamkeit einer Rechtsmittelbeschränkung geforderte Trennbarkeit und Widerspruchsfreiheit wäre also nicht gewährleistet. Anders verhält es sich bei dem Rechtsmittel der Berufung. Das Berufungsgericht als Tatsacheninstanz kann gerade eine von der Vorinstanz nur formelhaft begründete Gesamtstrafenbildung durch Vornahme eines eigenständigen Strafzumessungsaktes nachholen und hat dies im vorliegenden Fall auch widerspruchsfrei getan.

2. a) Zur Aufhebung des Gesamtstrafenausspruchs bei dem Angeklagten H muss hier schon führen, dass das Landgericht zu Unrecht von einer Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgericht Lemgo vom 05.09.2016 rechtskräftig verhängten und noch nicht vollständig erledigten Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 25 Euro nach §§ 55, 53 Abs. 2 StGB abgesehen hat. Das Landgericht führt zur Begründung an, dass dieser Verurteilung zwar auch ein Vermögensdelikt, aber auf einem anderen Gebiet, zu Grunde liege und dieses von der aufgebrachten kriminellen Energie her nicht mit den hiesigen Taten vergleichbar sei. Diese Erwägungen tragen ein Absehen von der Einbeziehung in die Gesamtstrafenbildung nicht. Liegen die Voraussetzungen für eine nachträgliche Gesamtstrafenbildung nach §§ 55, 53 StGB - wie hier - vor, ist nach dem gesetzlichen Regelausnahmeverhältnis, welches in § 53 Abs. 2 StGB zu Tage tritt, grundsätzlich eine Gesamtstrafe zu bilden, auch wenn eine Geldmit einer Freiheitsstrafe zusammentrifft. Das Absehen von der Einbeziehung ist die Ausnahme, die Gesamtstrafenbildung die Regel (vgl. BGH wistra 2011, 19; Fischer, StGB, 64. Aufl., § 53 Rdn. 5; Rissing-van Saan, LK-StGB, 12. Aufl., § 53 Rdn. 15 f.). Die Begründung des Landgerichts würde dieses Regel-Ausnahme-Verhältnis aushebeln. Dass die Taten eines Angeklagten nicht sämtlich auf einem Gebiet liegen oder eine vergleichbare kriminelle Energie aufweisen, kommt häufig vor und hindert die Bildung einer Gesamt(freiheits) strafe bei Geld- und Freiheitsstrafen als Einzelstrafen gerade nicht.

b) Im Übrigen ist die vom Landgericht vorgenommene Gesamtstrafenbemessung auf die erhobene Sachrüge hin rechtlich hingegen nicht zu beanstanden.

Die Strafzumessung ist grundsätzlich Sache des Tatrichters. Es ist seine Aufgabe, auf der Grundlage des umfassenden Eindrucks, den er in der Hauptverhandlung von der Tat und der Persönlichkeit des Täters gewonnen hat, die wesentlichen entlastenden und belastenden Umstände festzustellen, sie zu bewerten und gegeneinander abzuwägen. Ein Eingriff des Revisionsgerichts in diese Einzelakte der Strafzumessung ist in der Regel nur möglich, wenn die Zumessungserwägungen in sich fehlerhaft sind, wenn das Tatgericht gegen rechtlich anerkannte Strafzwecke verstößt oder wenn sich die verhängte Strafe nach oben oder unten von ihrer Bestimmung löst, gerechter Schuldausgleich zu sein. Eine ins Einzelne gehende Richtigkeitskontrolle ist ausgeschlossen (vgl. nur: BGH, Urt. v. 14.12.2016 - 2 StR 338/16 - juris).

Derartige Rechtsfehler zeigt die Revision nicht auf. Die im Rahmen der näheren Ausführung der Sachrüge aufgeführten Umstände („raffinierte Taten“, Vorbelastungen der Angeklagten) hat das Landgericht berücksichtigt. Auch die Wertung des Landgerichts, der Gesamtschaden sei nicht „besonders hoch“, ist rechtlich nicht zu beanstanden. Was ein niedriger, ein hoher oder ein besonders hoher Gesamtschaden ist, ist im Gesetz nicht ausdrücklich geregelt. Anhaltspunkte können insoweit allerdings die Rechtsprechung zu § 263 Abs. 3 Nr. 2 StGB (Vermögensverlust großen Ausmaßes) und zuletzt die gesetzgeberischen Vorstellungen zu einem schweren wirtschaftlichen Schaden i.S.d. § 63 StGB geben. Bzgl. des Vermögensverlustes großen Ausmaßes sieht die Rechtsprechung die Grenze bei etwa 50.000 Euro (vgl. die Nachweise bei Fischer, a.a.O., § 263 Rdn. 215a). Einen schweren wirtschaftlichen Schaden i.S.d. § 63 StGB sieht der Gesetzgeber bei 5.000 Euro als „grober Richtschnur“ als gegeben an, dabei aber sogar eher auf den Schaden jeder Einzeltat und nicht auf den Gesamtschaden blickend (BT-Drs. 18/7244 S. 21). Daran gemessen ist die Bewertung des Landgerichts, der Gesamtschaden von 2.264 Euro sei nicht „besonders hoch“ durchaus zutreffend, zumal auch von einer besonderen Opferempfindlichkeit, welche gegebenenfalls eine andere Bewertung rechtfertigen könnte (BT-Drs. 18/7244 S. 21), nichts mitgeteilt wird. Schließlich entfernt sich die gefundene Gesamtstrafe auch noch nicht von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein.

3. Das Urteil unterliegt auch hinsichtlich der Strafaussetzung zur Bewährung der Aufhebung. Das ist bei dem Angeklagten H bereits durch Aufhebung im Gesamtstrafenausspruch und die deshalb gebotene erneute Gesamtstrafenbildung begründet.

Insgesamt hält die Entscheidung über die Strafaussetzung zur Bewährung bzgl. beider Angeklagter aber ansonsten rechtlicher Überprüfung gleichfalls nicht stand. Auch bzgl. der Strafaussetzung zur Bewährung kann das Revisionsgericht nur unter den o.g. Voraussetzungen eingreifen (OLG Celle, Beschluss vom 29.11.2016 - 2 Ss 124/16 - juris m.w.N.). Hier ist die Begründung, mit der das Landgericht die verhängten Gesamtstrafen zur Bewährung ausgesetzt hat, rechtsfehlerhaft, weil sie widersprüchlich ist (vgl. zur Widersprüchlichkeit als Rechtsfehler: OLG Bamberg, Beschluss vom 10.01.2017 - 3 OLG 7 Ss 114/16 - juris). Der Widerspruch besteht hier darin, dass das Landgericht - aus Sicht des Senats - gut nachvollziehbar „kaum zu überwindende Bedenken“ gegen eine Strafaussetzung zur Bewährung hat. Gleichwohl bejaht es dann aber das Vorliegen besonderer Umstände i.S.v. § 56 Abs. 2 StGB. Besondere Umstände sind Milderungsgründe von besonderem Gewicht, die eine Strafaussetzung trotz des Unrechts- und Schuldgehalts, der sich in der Strafhöhe widerspiegelt, als nicht unangebracht erscheinen lassen (Fischer a.a.O. § 56 Rdn. 20). Dazu können auch die Umstände, die für die gestellte günstige Legalprognose (BGH NStZ-RR 2015, 107) oder die Strafzumessung von Bedeutung waren (BGH NStZ 2010, 147), gehören. Das Landgericht hat hier zur Begründung der besonderen Umstände auf die Begründung zur Legalprognose Bezug genommen und bei dem Angeklagten X hervorgehoben, dass dieser erstmals einen Freiheitsentzug in Form der Untersuchungshaft (etwa drei Monate) erlitten hat, bei dem Angeklagten H die „zuletzt durchgehaltenen Bewährungsstrafen“. Weiter hat es den nicht besonders hohen Schaden sowie die gezeigte Einsicht und Reue bei beiden Angeklagten angeführt.

Mag es noch angehen - was der Senat dahinstehen lassen kann -, „trotz kaum zu überwindender Bedenken“ gleichwohl gerade noch die erforderliche Aussetzungsprognose stellen zu können, so ist es doch ein unauflösbarer Widerspruch, wenn dieselben Strafzumessungs- und Prognosegesichtspunkte einerseits „kaum zu überwindende Bedenken“ begründen, andererseits aber diesen Gesichtspunkten (oder zumindest den günstigen) dann ein solches Gewicht beizumessen, dass sie als „besondere Umstände“ bewertet werden können.

Hinzu kommt, dass der Senat erhebliche Zweifel hat, ob einige der vom Landgericht angeführten Umstände tatsächlich als „besondere“ i.S.v. § 56 Abs. 2 StGB gelten können. So wird dem Angeklagten H zu Gute gehalten, dass er zuletzt Bewährungszeiten bzgl. zweier Restfreiheitsstrafen so durchgestanden hat, dass die Reststrafen erlassen wurden. Es erscheint fraglich, ob ein Leben in Straffreiheit, das von jedem Bürger verlangt wird, noch als besonderer Umstand gelten kann, wenn es unter dem Druck des Widerrufs zweier nicht völlig unerheblicher Restfreiheitsstrafen erfolgt. Bzgl. des Angeklagten X wird die nunmehr erstmals verbüßte Freiheitsentziehung in Form von Untersuchungshaft berücksichtigt. Es wird aber im Rahmen der Erwägungen zu § 56 Abs. 2 StGB verabsäumt, dem den besonders gravierenden Umstand gegenüberzustellen, dass dieser Angeklagte die hier gegenständlichen Taten nur rund zwei Monate nach seiner rechtskräftigen Verurteilung zu einer Bewährungsstrafe von zwei Jahren begangen hat.


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