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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 4 Ws 103/16 OLG Hamm

Leitsatz: Ein fehlendes Verschulden eines Verurteilten an der Versäumung der Frist zur Einlegung der sofortigen Beschwerde gegen einen durch Einwurf in den Briefkasten zugestellten Widerrufsbeschluss, ist dann nicht dargetan, wenn er zwar nicht im Besitz eines Briefkastenschlüssels ist, aber auch keine zeitnahen Anstrengungen unternimmt, sich einen solchen zu verschaffen oder sich auf andere (erlaubte) Weise Zugang zu seinem Briefkasten zu verschaffen und er bei zeitnahen Maßnahmen so rechtzeitig Kenntnis von dem Beschluss erlangt hätte, dass eine fristgerechte Rechtsmitteleinlegung noch möglich gewesen wäre.

Senat: 4

Gegenstand: Beschwerde

Stichworte: Wiedereinsetzung, Zustellung, Verschulden, Briefkasten

Normen: StPO 44, StPO 45

Beschluss:

Strafsache
in pp.
hat der 4. Strafsenat des Oberlandesgerichts Hamm am 03.05.2016 beschlossen:

Die sofortige Beschwerde wird verworfen.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens trägt der Beschwerdeführers (§ 473 Abs. 1 StPO).

Gründe
I.
Mit am 04.12.2015 durch Einwurf in den Briefkasten zugestellten Beschluss vom 02.12.2015 hat das Amtsgericht Brakel eine dem Verurteilten gewährte Strafaussetzung zur Bewährung wegen einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten widerrufen.

Mit am 14.12.2016 beim Amtsgericht eingegangenem Schriftsatz hat der Verurteilte gegen diesen Beschluss sofortige Beschwerde eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt, weil ihm der Beschluss erst „kurze Zeit“ vorliege.

Mit dem angefochtenen - dem Verurteilten nicht zugestellten - Beschluss, hat das Landgericht Paderborn das Wiedereinsetzungsgesuch als unbegründet und die sofortige Beschwerde als unzulässig verworfen. Das Landgericht führt aus, dass der Verurteilte angesichts der laufenden Bewährung und seiner erneuten Verurteilung mit Zustellungen hätte rechnen und dementsprechend deren Empfang sicherstellen müssen.

Hiergegen wendet sich nunmehr der Verurteilte mit der sofortigen Beschwerde.

Die Generalstaatsanwaltschaft Hamm hat beantragt, das Rechtsmittel als unbegründet zu verwerfen. Sie vertieft die Argumentation im angefochtenen Beschluss dahingehend, dass dem Verurteilten aufgrund seiner schriftlichen Anhörung (verfügt am 29.10.2015) der drohende Widerruf bewusst gewesen sei.

II.

Die nach § 46 Abs. 3 StPO statthafte sofortige Beschwerde gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand ist zulässig. Insbesondere ist sie nicht verfristet, da mangels Zustellung des angefochtenen Beschlusses die Beschwerdefrist nicht in Gang gesetzt wurde.

III.

Die sofortige Beschwerde ist unbegründet, da das Wiedereinsetzungsgesuch des Verurteilten zu Recht als unbegründet zurückgewiesen worden ist.

Der Verurteilte war nicht unverschuldet an der Wahrnehmung der Beschwerdefrist gehindert (§ 44 StPO).

Der Verurteilte trägt vor und macht glaubhaft, dass seine Ehefrau im Besitz des einzigen Briefkastenschlüssels gewesen sei, diese aber nach einer Auseinandersetzung am 01.12.2015 die gemeinsame Wohnung verlassen und bis zum 12.12.2015 (einschließlich) ortsabwesend bei Verwandten in Bad Driburg bzw. Pirmasens gewesen sei. Damit hatte zwar der Verurteilte keinen Zugang zum Inhalt des Briefkastens.

Derjenige, der der Wahrnehmung seiner Rechte mit vermeidbarer Gleichgültigkeit gegenübersteht, ist aber nicht schützenswert. Von einem Betroffenen kann verlangt werden, dass er selbst zumutbare Anstrengungen zum “Wegfall des Hindernisses” unternimmt, wenn er dazu Anlass hat und in der Lage ist (BVerfG NJW 1993, 847). Derjenigen, der den Zugang zu seinem Briefkasten zwar unverschuldet verliert, sich aber nicht um einen baldmöglichsten erneuten Zugang kümmert, handelt jedenfalls hinsichtlich einer Fristversäumnis schuldhaft, die bei umgehender Ergreifung von Maßnahmen zur Zugangsverschaffung vermeidbar gewesen wäre. Insoweit ist die Situation nämlich nicht anders, als die, in der jemand aktiv selbst die Zugangsmöglichkeit zu seinem Briefkasten zunichtemacht (etwa durch Zerstören oder Wegwerfen des Schlüssels) oder sich einfach nicht um den Posteingang in seinem Briefkasten kümmert.

Hier ist nicht erkennbar, dass der Verurteilte irgendwelche Anstrengungen unternommen hat, an dem o.g. Zustand, der ihm bekannt war, etwas zu ändern. Aufgrund der ihm bekannten Abwesenheit der Besitzern des einzigen Briefkastenschlüssels, hätte er dazu aber Anlass gehabt. Der Verurteilte handelte mithin in vermeidbar gleichgültiger Weise. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass er seine Ehefrau um Überlassung des Briefkastenschlüssels ersucht oder (ggf. im Einvernehmen mit dem Eigentümer der Briefkastenanlage) eine Öffnung des Briefkastens durch einen Schlüsseldienst versucht hat. Da die Ehefrau die gemeinsame Wohnung unter Mitnahme des Schlüssels bereits am 01.12.2015 (einem Freitag) verlassen hatte, ist nicht ersichtlich, warum es dem Verurteilten nicht möglich gewesen sein sollte, sich spätestens bis zum Tag der Zustellung des Widerrufsbeschlusses am 04.12.2015 (einem Dienstag) oder jedenfalls rechtzeitig vor Ablauf der Rechtsmittelfrist eine Zugangsmöglichkeit zum Briefkasten zu verschaffen. Dann wäre eine rechtzeitige Rechtsmitteleinlegung problemlos möglich gewesen. Dies gilt unabhängig davon, ob der Verurteilte mit Zustellungen seitens des Gerichts rechnen musste oder nicht.

III.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 473 Abs. 1 StPO.


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