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Rechtsprechung

Aktenzeichen: 3 RVs 12/16 OLG Hamm

Leitsatz: 1. Nach der in § 47 Abs. 1 StGB zum Ausdruck kommenden gesetzgeberischen Grundentscheidung soll die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen weitgehend zurückgedrängt werden und nur noch ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen.
2. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten kann danach regelmäßig nur dann Bestand haben, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist; dabei sind auch die zugunsten des Angeklagten sprechenden Umstände zu berücksichtigen.

Senat: 3

Gegenstand: Revision

Stichworte: Strafzumessung, kurzfristige Freiheitsstrafe

Normen: StGB 47

Beschluss:

Strafsache
In pp.
hat der 3. Strafsenat des OLG Hamm am 08.03.2016 beschlossen:
Das angefochtene Urteil wird unter Verwerfung der Revision im Übrigen im Ausspruch über die Gesamtstrafe und über die verhängten Einzelstrafen von jeweils 4 Monaten bezüglich folgender vier Taten aufgehoben:

Tat vom 29.05.2013 zum Nachteil von K,
Tat vom 30.05.2013 zum Nachteil von P,
Tat von Anfang Juni 2013 zum Nachteil von K2 und
Tat vom 06.03.2013 zum Nachteil von L.

Im Umfang der Aufhebung wird die Sache zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückverwiesen.

Gründe
I.
Das Amtsgericht - Schöffengericht - Minden hat den Angeklagten mit Urteil vom 30. Juni 2015 wegen Betruges in 20 Fällen, wobei es in fünf Fällen beim Versuch blieb, unter Einbeziehung der durch Urteil des Amtsgerichts Minden vom 06.03.2014 - Az.: 12 Ls - 446 Js 306/13 - 147/13 - verhängten Strafe und unter Auflösung der dort gebildeten Gesamtstrafe zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und vier Monaten verurteilt.

Seine hiergegen gerichtete Berufung hat der Angeklagte im Berufungshauptverhandlungstermin am 13. Oktober 2015 mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft auf den Rechtsfolgenausspruch beschränkt.

Die 12. kleine Strafkammer hat die Berufung des Angeklagten mit Urteil vom 13. Oktober 2015 als unbegründet verworfen.

Gegen dieses in seiner Anwesenheit verkündete Urteil wendet sich der Angeklagte mit seiner durch seinen Verteidiger am 15. Oktober 2015 eingelegten Revision, die nach Zustellung des Urteils an den Verteidiger am 17. November 2015 mit Fax-Zuschrift seines Verteidigers vom 14. Dezember 2015 am selben Tage bei dem Landgericht Bielefeld eingegangen und unter näheren Ausführungen mit der Rüge der Verletzung materiellen Rechts begründet worden ist.

Die Generalstaatsanwaltschaft hat beantragt, die Revision gemäß § 349 Abs. 2 StPO zu verwerfen.

II.
Die zulässige Revision hat den im Tenor bezeichneten zumindest vorläufigen Erfolg.

1.Auf die Sachrüge hat der Senat von Amts wegen zu prüfen, ob das Landgericht über alle Bestandteile des erstinstanzlichen Urteils entschieden hat, die von der Berufung erfasst wurden (vgl. Meyer-Goßner/Schmitt, StPO, 58. Aufl., § 352 Rdnr. 4 m.w.N.), insbesondere, ob die Berufungsbeschränkung, von der das Berufungsgericht ausgegangen ist, wirksam war (BGH 27, 70; BGH, NJW 1981, 589 [BGH 21.10.1980 - 1 StR 262/80]). Hierzu gehört insbesondere die Prüfung, ob eine von dem Berufungsgericht angenommene Berufungsbeschränkung wirksam war und die angegriffenen Beschwerdepunkte losgelöst von dem nicht angefochtenen Teil des Urteils einer selbstständigen Beurteilung zugeführt werden können. Wenn - wie hier - die Anfechtung des Urteils auf den Rechtsfolgenausspruch erfolgt ist, setzt dies grundsätzlich voraus, dass die tatsächlichen Feststellungen zum Schuldspruch eine hinreichende Grundlage für die Beurteilung der Rechtsfolgenseite bieten. Dies ist hier der Fall; zu Recht ist das Berufungsgericht daher von einer wirksamen Beschränkung der Berufung auf den Rechtsfolgenausspruch ausgegangen.

2. a) Allerdings hält die Nachprüfung des angefochtenen Urteils hinsichtlich der Bemessung der Einzelstrafen für die im Tenor bezeichneten vier Versuchstaten und im Ausspruch über die Gesamtstrafe der revisionsrechtlichen Nachprüfung nicht Stand. Für die im Tenor genannten Taten vom 29.05.2013, vom 30.05.2013, von Anfang Juni 2013 und vom 6. Juni 2013 zum Nachteil der Geschädigten K, P, K2 und L hat die Strafkammer jeweils Einzelstrafen von je vier Monaten gemäß §§ 263 Abs. 3, Abs. 2, 23 Abs. 2, 49 Abs. 1 StGB aus dem - gemilderten - Strafrahmen von einem Monat bis zu sieben Jahren und sechs Monaten verhängt.

Die Verhängung von Einzelstrafen unter sechs Monaten in den vorgenannten Fällen hat das Berufungsgericht gemäß § 47 Abs. 1 StGB für unerlässlich gehalten, da unter dem Gesichtspunkt der Spezialprävention der Strafzweck "zur Einwirkung auf den Täter" durch eine Geldstrafe nicht (mehr) zu erreichen und aus diesem Grunde jeweils eine Freiheitsstrafe unverzichtbar sei, um den Angeklagten dazu zu bringen, in Zukunft nicht mehr straffällig zu werden. Insoweit hat das Berufungsgericht ausgeführt, dass der Angeklagte erst kurz zuvor die zwei Straftaten, die Gegenstand seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Minden vom 6. März 2015 waren, vollumfänglich eingeräumt habe und ihm daher bekannt gewesen sei, dass es nahezu sicher zu einer strafrechtlichen Sanktionierung kommen werde. Ungeachtet dessen habe er weitere Straftaten begangen.

b) Strafzumessungserwägungen des Tatrichters kann das Revisionsgericht nur dahin prüfen, ob sie in sich fehlerhaft sind, das Tatgericht rechtlich anerkannte Strafzwecke außer Acht gelassen hat oder sich die Strafe von ihrer Bestimmung, gerechter Schuldausgleich zu sein, gelöst hat, so dass sie sich nicht mehr innerhalb des Spielraums befindet, der dem Tatrichter bei der Strafzumessung eingeräumt ist (vgl. BGHSt 17, 35, 36; 20, 364, 266). Hierbei ist zusätzlich zu berücksichtigen, dass eine exakte Richtigkeitskontrolle bei dem zuvor erwähnten Spielraum nicht vorgenommen werden kann (vgl. BGHSt 27, 2, 3) und in Zweifelsfällen die Strafzumessung des Tatrichters hingenommen werden muss (BGHSt 29, 319 f). In den Fällen des § 47 StGB ist desweiteren zu beachten, dass nach der gesetzgeberischen Grundentscheidung die Verhängung kurzfristiger Freiheitsstrafen weitestgehend zurückgedrängt werden und nur noch ausnahmsweise unter ganz besonderen Umständen in Betracht kommen soll. Die Verhängung einer Freiheitsstrafe unter sechs Monaten kann danach regelmäßig nur dann Bestand haben, wenn sie sich aufgrund einer Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände als unverzichtbar erweist; dabei sind auch die zugunsten des Angeklagten sprechenden Umstände zu berücksichtigen (vgl. BGH, NStZ 1996, 429; BGH, StV 1994, 370).

c) Diesen Anforderungen wird das angefochtene Urteil bei den in den genannten vier Fällen verhängten Einzelstrafen von vier Monaten (Fälle K, P, K2, L) nicht gerecht, weil es an der gebotenen Gesamtwürdigung aller die Tat und den Täter kennzeichnenden Umstände fehlt. Die Kammer hat sich vielmehr auf die - einzige - Erwägung beschränkt, dass der Angeklagte erst kurz vor Begehung der abzuurteilenden Taten die zwei weiteren Straftaten, die Gegenstand seiner Verurteilung durch das Amtsgericht Minden vom 6. März 2015 waren, eingeräumt habe und deshalb mit strafrechtlicher Verfolgung habe rechnen müssen, wodurch er sich nicht von der Begehung weiterer Straftaten habe abhalten lassen. Die Strafkammer hat allerdings versäumt zu erwägen, dass nach ihren Feststellungen auch durchaus zugunsten des Angeklagten sprechende Umstände vorliegen. Dies gilt zunächst für die Tatsache, dass der Angeklagte bei Begehung der Straftaten strafrechtlich noch nicht in Erscheinung getreten und deshalb noch unbestraft war. Zudem führt er inzwischen ein familiär und sozial integriertes Leben und geht einer regelmäßigen beruflichen Beschäftigung nach. Auch die Vorgeschichte der Taten, nach der der Angeklagte in finanzielle Bedrängnis geraten war, nachdem er den gesondert verfolgten G mit seiner Familie in seiner Wohnung aufgenommen hatte und die Haushaltskosten finanzierte, die er letztlich nicht tragen konnte, stellt einen für den Angeklagten sprechenden Umstand dar. Seine Erwartung, dass G sein Versprechen halten und ihm eine erhebliche Geldsumme zukommen lassen werde, erfüllte sich nicht, weshalb er Gegenstände des sich seinerzeit in Haft befindlichen Bruders veräußerte. Aufgrund der bevorstehenden vorzeitigen Entlassung des Bruders und der damit einhergehenden Notwendigkeit des Ersatzes der verkauften Gegenstände ergab sich für den Angeklagten eine besondere finanzielle Zuspitzung, im Rahmen derer er die Taten beging. Diese Umstände hat die Strafkammer bei der gebotenen Gesamtabwägung nicht in den Blick genommen, so dass es insgesamt an einer tragfähigen Begründung dafür fehlt, dass die Verhängung von Geldstrafen gegen den Angeklagten als angemessene Rechtsfolge der abgeurteilten vier Fälle des versuchten Betruges nicht mehr ausreicht und deshalb die Verhängung einer Freiheitsstrafe unerlässlich ist.

Das Urteil konnte daher hinsichtlich der genannten vier Einzelstrafen und damit einhergehend im Ausspruch über die gebildete Gesamtfreiheitsstrafe keinen Bestand haben.

3. Die Verhängung der übrigen Einzelstrafen ist dagegen aus Rechtsgründen nicht zu beanstanden. Die revisionsrechtliche Nachprüfung hat insoweit keine Rechtsfehler zum Nachteil des Angeklagten ergeben.

Soweit die Revision die Würdigung der Taten als gewerbsmäßigen Betrug in den Fällen vom 25. Juni 2013 zum Nachteil C und vom 3. Juli 2013 zum Nachteil K3 angreift, weil die Schäden mit 45,- und 50,- € geringfügig seien, vermag der Senat dem nicht zu folgen. Die Geringwertigkeitsgrenze ist - in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs (vgl. BGH, Beschluss vom 4. September 2014 - 1 StR 314/14 - und BGH, Beschluss vom 9. Juli 2004 - 2 StR 176/04 = BeckRS 2004, 07428) - auf 25,- € zu bemessen.

4. Wegen des aufgezeigten Mangels bei der Bemessung der Einzelstrafen in den genannten vier Fällen des versuchten Betruges und damit einhergehend bei der Bildung der Gesamtstrafe war das angefochtene Urteil daher nach §§ 353, 354 Abs. 2 StPO aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Revision, an eine andere kleine Strafkammer des Landgerichts Bielefeld zurückzuverweisen.


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